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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 25.07.2003
Aktenzeichen: 14 Sa 657/03
Rechtsgebiete: BGB, KSchG


Vorschriften:

BGB § 626 Abs. 1
KSchG § 1 Abs. 2
KSchG § 9 Abs. 1
1. Der Verdacht einer fahrlässigen Schlechtleistung des Arbeitnehmers rechtfertigt auch dann keine Verdachtskündigung, wenn es um grobe Arbeitsfehler im sicherheitsrelevanten Bereich geht (hier: Montage von Rädern an einem Kraftfahrzeug).

2. Bei Schlechtleistungen oder unzureichender Arbeitsleistung kommt eine außerordentliche Kündigung nur in Ausnahmefällen in Betracht (im Anschluss an BAG, Urteil vom 20.03.1969, EzA Nr. 11 zu § 123 GewO; BAG, Urteil vom 04.07.1991, RzK I 6a Nr. 73). Der Arbeitgeber hat durch eine geeignete Organisation sicherzustellen, dass Arbeitsfehler im sicherheitsrelevanten Bereich rechtzeitig erkannt und alsdann auch beseitigt werden.

3. Eine ordentliche Kündigung wegen Schlechtleistung ist in der Regel erst nach Ausspruch einer (vergeblichen) Abmahnung sozial gerechtfertigt. Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmer fahrlässig einen größeren Schaden verursacht (vgl. BAG, Urteil vom 04.07.1991, RzK I 6a Nr. 73).


LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

In Sachen

hat die 14. Kammer des Landesarbeitsgerichts D. auf die mündliche Verhandlung vom 25.07.2003 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Sauerland als Vorsitzenden sowie den ehrenamtlichen Richter Gutzmann und den ehrenamtlichen Richter Velvendick für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts D. vom 14.02.2003 ­ 13 Ca 7487/02 ­ wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung und einen Auflösungsantrag der Beklagten

Der am 21.12.1975 geborene, ledige Kläger ist seit dem 03.02.1997 bei der Beklagten als Kfz-Elektriker zu einer monatlichen Vergütung von zuletzt 2.320,00 brutto beschäftigt. Die Beklagte vertreibt als Mercedes-Benz Vertretung der DaimlerChrysler AG Fahrzeuge und verfügt über einen Kundendienst. In ihrem Betrieb in D. sind ca. 150 Arbeitnehmer tätig. Es besteht ein Betriebsrat.

Die Mitarbeiter der Beklagten werden regelmäßig ­ zumindest einmal im Quartal - darauf hingewiesen, dass der Festsitz von Radmuttern im Zusammenhang mit Arbeiten an Rädern stets mit ganz besonderer Sorgfalt zu überprüfen ist und bei Fehlern in diesem sicherheitsrelevanten Bereich Kündigungen, insbesondere auch außerordentliche Kündigungen, drohen.

Am 22.07.2002 erhielt der Kläger den Auftrag, an einem Neufahrzeug vom Typ Mercedes Benz ML 270 cdi eine Standheizung einzubauen. Er führte diese Arbeiten am 23.07. und 24.07.2002 durch. Dabei mussten am Fahrzeug das linke Vorder- und Hinterrad ab- und wieder anmontiert werden. Nach dem Einbau der Standheizung unternahm der Kläger eine ca. 8 km lange Probefahrt. Er unterließ es jedoch, auf dem Werkstattbogen die Rubrik "Radbefestigungsschrauben nachgezogen (Monteur)" abzuzeichnen. Das Fahrzeug wurde bis zur Auslieferung im Neuwagenkeller des Betriebs, der lediglich für Mitarbeiter der Beklagten zugänglich ist, aufbewahrt. Zwischendurch wurden noch am 25.07.2002 in der Werkstatt die Typenschilder am Heck des Fahrzeugs entfernt. Nachdem das Fahrzeug am Nachmittag des 01.08.2002 an den Kunden übergeben worden war, meldete sich dieser eine viertel Stunde nach der Abfahrt und teilte mit, dass sich ein Rad gelöst habe. Vor Ort stellte ein Monteur der Beklagten fest, dass am linken Hinterrad des Fahrzeugs zwei der fünf Befestigungsschrauben fehlten und die restlichen drei Schrauben sehr lose waren.

Nach Information über den Vorfall führte die Beklagte am 07.08.2002 eine Befragung von Mitarbeitern durch, bei der auch der Kläger angehört wurde. Dieser versicherte, nach Abschluss der Arbeiten die abgebauten Räder wieder ordnungsgemäß montiert und die Radbolzen mit dem Drehmomentschlüssel entsprechend festgezogen zu haben.

Mit Schreiben vom 15.08.2002 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers außerordentlich fristlos, wobei sie anführte, es bestehe der dringende Verdacht, dass dieser nach Montage der Standheizung die Radbefestigungsschrauben nicht ordnungsgemäß angezogen habe. In einem weiteren Schreiben vom 15.08.2002 kündigte sie aus dem gleichen Grund hilfsweise ordentlich zum 31.10.2002. Der Betriebsrat hatte nach schriftlicher Unterrichtung beiden Maßnahmen am 14.08.2002 widersprochen, wobei er sich u.a. darauf berief, es könne in Hinblick auf die teuren Felgen des Fahrzeugs eine Manipulation durch Dritte nicht ausgeschlossen werden. Wegen der Einzelheiten des Anhörungsverfahren - dessen Ordnungsgemäßheit der Kläger in der Klageschrift nur allgemein bestritten hat - wird auf die von der Beklagten zu den Akten gereichten Unterlagen verwiesen.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass das Anstellungsverhältnis zwischen den Parteien weder durch die mit Schreiben der Beklagten vom 15.08.2002 ausgesprochene außerordentliche Kündigung mit sofortiger Wirkung noch durch die mit Schreiben der Beklagten vom 15.08.2002 ausgesprochene hilfsweise Kündigung zum 31.10.2002 aufgelöst worden ist.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise,

das Arbeitsverhältnis gemäß § 9 KSchG gegen Zahlung einer Abfindung aufzulösen. Sie hat geltend gemacht, das Vertrauen in den Kläger sei aufgrund der gegen ihn sprechenden Tatumstände massiv zerstört. Sie könne nicht mit einem Mitarbeiter zusammenarbeiten, gegen den der begründete Verdacht bestehe, die Radbefestigungsschrauben eines für einen Kunden bestimmten Fahrzeugs nicht entsprechend angezogen zu haben. In Hinblick auf die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung sei jedenfalls dem Auflösungsantrag stattzugeben, da eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit mit dem Kläger nicht mehr zu erwarten sei. Es sei mit zu berücksichtigen, dass der Kläger im Formular für den ihm erteilten Werkstattauftrag keine Angaben zu den Arbeiten an den Radbefestigungsschrauben gemacht habe.

Der Kläger hat beantragt,

den Auflösungsantrag zurückzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 14.02.2003 der Klage stattgegeben und den Auflösungsantrag zurückgewiesen. Mit der form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren sowie den Hilfsantrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses weiter.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien in beiden Rechtszügen gewechselten Schriftsätze sowie auf die zu den Akten gereichten Unterlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

A. Die Berufung der Beklagten ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht der Kündigungsschutzklage stattgegeben und den Hilfsantrag der Beklagten auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses abgewiesen.

I. Die außerordentliche Kündigung der Beklagten mit Schreiben vom 15.08.2002 ist mangels eines wichtigen Grundes im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB rechtsunwirksam. Der von der Beklagten als Kündigungsgrund allein angeführte Verdacht, der Kläger habe an dem Fahrzeug eines Kunden nach Montage der Standheizung die Radbefestigungsschrauben nicht ordnungsgemäß angezogen, rechtfertigt keine fristlose Entlassung.

1. Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann nicht nur eine erwiesene Vertragsverletzung, sondern schon der schwerwiegende Verdacht einer strafbaren Handlung oder sonstigen Verfehlung einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung gegenüber dem verdächtigten Arbeitnehmer darstellen. Eine Verdachtskündigung liegt dann vor, wenn und soweit der Arbeitgeber eine Kündigung damit begründet, gerade der Verdacht eines (nicht erwiesenen) strafbaren bzw. vertragswidrigen Verhaltens habe das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zerstört. Der Verdacht einer strafbaren Handlung oder sonstigen Pflichtwidrigkeit stellt gegenüber dem Vorwurf, der Arbeitnehmer habe die Tat begangen, einen eigenständigen Kündigungsgrund dar, der in dem Tatvorwurf nicht enthalten ist. Bei der Tatkündigung ist für den Kündigungsentschluss maßgebend, dass der Arbeitnehmer nach Überzeugung des Arbeitgebers die strafbare Handlung bzw. Pflichtverletzung tatsächlich begangen hat und dem Arbeitgeber aus diesem Grund die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar ist. § 626 Abs. 1 BGB lässt eine Verdachtskündigung dann zu, wenn starke Verdachtsmomente auf objektive Tatsachen gründen, wenn die Verdachtsmomente geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören und wenn der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat (vgl. z.B.: BAG, Urteil vom 18.11.1999, AP Nr. 32 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung; BAG, Urteil vom 05.04.2001, AP Nr. 34 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung;).

2. Der von der Beklagte angeführte Verdacht (grob) fahrlässiger Schlechtleistung des Klägers, ist bereits an sich nicht geeignet, eine außerordentliche Verdachtskündigung zu rechtfertigen.

a) Das Institut der Verdachtskündigung erfasst nicht alle Fälle, in denen der Arbeitgeber den Verdacht hegt, es könne eine das Vertrauensverhältnis berührende Pflichtwidrigkeit des Arbeitnehmers vorliegen. Eine Verdachtskündigung ist nur ausnahmsweise zulässig. Sie rechtfertigt sich letztlich aus der im Gesetz nicht unmittelbar angelegten Erkenntnis, dass bereits aufgrund von Verdachtsmomenten für vertragswidriges Verhalten das für ein intaktes Arbeitsverhältnis unabdingbare Vertrauen des Arbeitgebers in die Vertragstreue und Redlichkeit des Arbeitnehmers so sehr zerstört sein kann, dass die Grundlage für eine weitere vertragsgemäße Zusammenarbeit entfällt (vgl. Belling, Festschrift für Kissel, S. 11 ff.; Appel/Gerken, AuR 1995, 201 f.; MünchArbR/Berkowsky, 2. Aufl., § 144 Rn. 3; KR/Fischermeier, 6. Aufl., § 626 BGB Rn. 210). Der enge Anwendungsbereich der Verdachtskündigung kommt in der von der Rechtsprechung verwendeten Formel, wonach es sich um den "schwerwiegenden Verdacht einer strafbaren Handlung oder sonstigen Pflichtwidrigkeit" handeln müsse, nur bedingt zum Ausdruck (vgl. z.B. BAG, Urteil vom 14.09.1994, AP Nr. 24 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung; BAG, Urteil vom 12.08.1999, AP Nr. 28 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung; BAG, Urteil vom 05.04.2001, a.a.O.; BAG, Urteil vom 06.12.2001, AP Nr. 36 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung; dazu: Berkowsky, a.a.O., Rn. 4). Ein Überblick über die bisher entschiedenen Fälle zeigt aber deutlich, dass stets ein vorsätzliches Fehlverhalten des Arbeitnehmers in Rede stand. In erster Linie ging es um Vermögensdelikte, durch die der Arbeitgeber selbst unmittelbar geschädigt wurde, z.B. durch Manipulationen am Zeiterfassungssystem oder an Waagen und Kassen, durch Unterschlagungen, durch Werkspionage, durch den Diebstahl von Waren, durch falsche Spesenabrechnungen oder betrügerisches Krankfeiern, aber auch um den Verdacht von Schmiergeldzahlungen und des Geheimnisverrats sowie der sexuellen Belästigung von Arbeitnehmern. Eine weitere Kategorie stellten die Fälle dar, in denen der Arbeitnehmer der Begehung einer Straftat außerhalb des Arbeitsverhältnisses verdächtigt wurde, deren Auswirkungen mittelbar jedoch die betrieblichen Interessen des Arbeitgebers und dessen Vertrauen in die Redlichkeit seines Arbeitnehmers berührten, wie z.B. der Verdacht eines Mordversuchs, des Versicherungsbetrugs oder ­ etwa bei Erziehern oder Ausbildern ­ der Verdacht des sexuellen Missbrauchs von Kindern (vgl. die Beispiele mit Fundstellen bei Belling, a.a.O., S. 13). Eine Beschränkung der Verdachtskündigung auf solche und ähnliche Fälle kommt in der Literatur, ohne auch hier die Grenzen klar zu konturieren, in der Regel mit dem Hinweis zum Ausdruck, dass die Verfehlung, deren der Arbeitnehmer verdächtigt wird, "schwer" oder "schwerwiegend" bzw. "erheblich" sein müsse (vgl. Ascheid, Kündigungsschutzrecht, Rn. 161; Küttner/Eisemann, Personalbuch 2003, Stichwort "Verdachtskündigung" Rn. 9; APS/Dörner, § 626 BGB Rn. 345; Stahlhacke/Preis/Vossen, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 8. Aufl. Rn. 760; Appel/Gerken, a.a.O., S. 201; HK-KSchG/Dorndorf, § 1 Rn. 842; konkret einschränkend: z.B. MünchArbR/Berkowsky, a.a.O., Rn. 5; derselbe, Die personen- und verhaltensbedingte Kündigung, 3. Aufl., S. 217). Mit dem Ausnahmecharakter der Verdachtskündigung ist es demgegenüber nicht zu vereinbaren, wenn vereinzelt auch der Verdacht lediglich fahrlässigen Fehlverhaltens des Arbeitnehmers einbezogen wird (vgl. z.B. Hoefs, Die Verdachtskündigung, Diss. 2000, S. 166 f.) Hierbei wird zum einen verkannt, dass in diesen Fällen gerade nicht die Integrität des Arbeitnehmers bzw. seine Loyalität zum Unternehmen in Zweifel steht. Zum anderen wird auch nicht berücksichtigt, dass mit einer so weitgehenden Zulassung der Verdachtskündigung die Beweislastregeln für einen wesentlichen Bereich des Kündigungsschutzrechts außer Kraft gesetzt werden. Der Arbeitgeber müsste nicht mehr die für eine Kündigung angeführten verhaltensbedingten Gründe in vollem Umfang beweisen, sondern könnte sich in diesen Fällen stets auf den Nachweis der für einen Verdacht sprechenden Umstände beschränken. Dass dies nicht richtig sein kann, liegt auf der Hand.

b) Die außerordentliche Kündigung ist in Anwendung dieser Grundsätze schon deshalb rechtsunwirksam, weil die Beklagte sich mit ihrem Verdacht nicht auf eine Verfehlung des Klägers bezieht, die dessen Vertragstreue und Integrität grundlegend in Frage stellt. Sie behauptet lediglich, es bestehe nach Lage der Dinge der dringende Verdacht gegen den Kläger, die Montage der Räder an dem zur Übergabe anstehenden Fahrzeug nicht ordnungsgemäß vorgenommen und damit einen groben Arbeitsfehler begangen zu haben. Auch wenn ein sicherheitsrelevanter Bereich betroffen war, ist dieser Vortrag für eine Verdachtskündigung von vornherein unzureichend.

3. Auch wenn man dies anders sähe, reicht hier der Verdacht (grob) fahrlässiger Schlechtleistung zur Rechtfertigung der außerordentlichen Kündigung nicht aus, da die Beklagte den Kläger selbst bei tatsächlich nachgewiesener Verfehlung nicht rechtswirksam hätte entlassen können.

a) Schlechtleistungen und unzureichende Arbeitsleistung des Arbeitnehmers rechtfertigen in der Regel nicht dessen außerordentliche Kündigung. Hier werden die Interessen des Arbeitgebers und des Betriebs im Allgemeinen durch den Ausspruch der ordentlichen Kündigung nach vorausgegangener Abmahnung genügend gewahrt, und zwar auch dann, wenn der Arbeitnehmer fahrlässig einen größeren Schaden verursacht (vgl. BAG, Urteil vom 04.07.1991, RzK I 6a Nr. 73; KR/Fischermeier, a.a.O., Rn. 442; Stahlhacke/Preis/Vossen, a.a.O., Rn. 656 ff.). Eine schwerwiegende Maßnahme wie die außerordentliche Kündigung kommt nur ausnahmsweise in Betracht, z.B. wenn der Arbeitnehmer bewusst (vorsätzlich) seine Arbeitskraft zurückhält und nicht unter angemessener Anspannung seiner Kräfte und Fähigkeiten arbeitet, oder wenn infolge der Fehlleistung ein nicht wieder gutzumachender Schaden entsteht und bei Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ähnliche Fehlleistungen des Arbeitnehmers zu befürchten sind (vgl. BAG, Urteil vom 20.03.1969, EzA Nr. 11 zu § 123 GewO; KR/Fischermeier, a.a.O, m.w.N.). Die außerordentliche Kündigung kann ausnahmsweise auch bereits bei einem einmaligen fahrlässigen Versagen ohne vorausgegangene Abmahnung zulässig sein, wenn die Nachlässigkeit eines gehobenen Angestellten, der eine besondere Verantwortung übernommen hat, geeignet war, einen besonders schweren Schaden herbeizuführen und der Arbeitgeber das Seine getan hat, um die Möglichkeiten für ein solches Versehen und dessen Folgen einzuschränken (vgl. BAG, Urteil vom 14.10.1965, EzA Nr. 1 zu § 133 b GewO; KR/Fischermeier, a.a.O., m.w.N.). In einem besonders gelagerten Einzelfall hat das Bundesarbeitsgericht schließlich eine mehrfache grob fahrlässige Pflichtverletzung als wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB anerkannt, da der betreffende Angestellte innerhalb seines Aufgabenbereichs in finanzieller Hinsicht eine nicht unerhebliche Verantwortung übernommen hatte und durch seine Fehlleistungen insgesamt ein schwerer Schaden (über 40.000,--DM) entstanden war (vgl. Urteil vom 04.07.1991, a.a.O.). Ein solcher Ausnahmefall, der eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen könnte, liegt hier nicht vor. Die Vorinstanz weist in diesem Zusammenhang zu Recht darauf hin, dass der Kläger nach dem Einbau der Standheizung immerhin selbst eine Probefahrt durchgeführt hat, kein Personen- oder Sachschaden entstanden ist und im Übrigen auch keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass bei Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erneute Fehlleistungen zu erwarten sind. Die Kammer sieht durchaus das Interesse der Beklagten, gerade in einem sicherheitsempfindlichen Bereich für eine besonders hochwertige Qualität bei der Durchführung von Werkstattarbeiten zu sorgen. Die Verantwortung hierfür kann sie aber nicht allein auf den die Montage durchführenden Arbeitnehmer abwälzen, da auch bei einem sorgfältig arbeitenden Arbeitnehmer ein einmaliges Versagen nicht auszuschließen ist. Die Beklagte hat als diejenige, die für die mit dem Betrieb verbundenen Gefahren vorzusorgen hat, durch eine geeignete Organisation sicherzustellen, dass etwaige Arbeitsfehler im sicherheitsrelevanten Bereich vor der Auslieferung von Fahrzeugen an Kunden rechtzeitig erkannt und alsdann auch beseitigt werden.

b) Eine außerordentliche Kündigung scheidet im Streitfall jedenfalls als angemessene Maßnahme deshalb aus, weil es erst durch einen von der Beklagten zu verantwortenden Organisationsmangel überhaupt zur Auslieferung des mangelbehafteten Fahrzeugs an den Kunden gekommen ist. Die auf dem schriftlichen Werkstattauftrag auszufüllende Rubrik "Radbefestigungsschrauben nachgezogen (Monteur)" verfolgt ersichtlich nicht nur den Zweck, den ausführenden Monteur im Sinne eines "Erinnerungsvermerks" zu sorgfältiger Durchführung der Arbeiten anzuhalten, sondern soll bei verständiger Betrachtung zugleich auch den Mitarbeitern des Kundendienstes der Beklagten vor der Auslieferung des Fahrzeugs als Anhalt dienen, dass diese Arbeiten in einem sicherheitsrelevanten Bereich auch tatsächlich ausgeführt wurden. Wäre der hier in Rede stehende Werkstattauftrag über diese fachkundige Abteilung gelaufen, so hätte der dort zuständige Mitarbeiter festgestellt bzw. feststellen müssen, dass der wichtige Vermerk durch den Kläger nicht ausgefüllt war, und bei sachgemäßem Vorgehen unverzüglich eine Endkontrolle veranlasst. Eine solche Nachprüfung hat aber nach Angaben der Beklagten vor der erkennenden Kammer nicht stattgefunden, weil es sich um ein Neufahrzeug handelte, das aus der Werkstatt unmittelbar der Verkaufsabteilung zugeführt wurde, um es von dort an den Kunden auszuliefern. Die darin liegende Lücke in der Arbeitsorganisation der Beklagten macht eine Fehlleistung des Klägers zwar nicht hinfällig. Bei der Gesamtbeurteilung des Vorgangs ist aber zu berücksichtigen, dass die Beklagte nicht das Ihre getan hat, um die Aufdeckung derartiger Fehler zu ermöglichen. Die Beklagte muss sich immerhin vorwerfen lassen, einem Kunden ein Fahrzeug ausgehändigt zu haben, bei dem ausweislich des auszufüllenden Werkstattauftrags die Radbefestigungsschrauben nicht nachgezogen waren. Darauf hat bereits die Vorinstanz zutreffend hingewiesen.

II. Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien ist auch nicht durch die vorsorglich erklärte ordentliche Kündigung vom 15.08.2002 mit Ablauf des 31.10.2002 beendet worden. Die Kündigung erweist sich als sozial ungerechtfertigt nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG. Hiernach ist eine ordentliche Kündigung u.a. dann sozial gerechtfertigt, wenn sie durch Gründe in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, bedingt ist.

1. Die Gründe für eine ordentliche Kündigung müssen im Unterschied zur außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund nach § 626 BGB nicht so schwerwiegend sein, dass sie für den Arbeitgeber die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung begründen. Vielmehr genügen solche Umstände, die bei verständiger Würdigung unter Abwägung der Interessen der Vertragsparteien die Kündigung als billigenswert und angemessen erscheinen lassen (BAG, Urteil vom 10.12.1956, AP Nr. 21 zu § 1 KSchG; BAG, Urteil vom 07.12.1988, AP Nr. 26 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung; KR/Etzel, a.a.O., § 1 KSchG Rn. 209). Für eine ordentliche Kündigung kommen solche Umstände in Betracht, die einen ruhig und verständig urteilenden Arbeitgeber zur Kündigung bestimmen können (BAG, Urteil vom 11.07.1991, AP Nr. 1 zu § 6 LPVG Bayern; BAG, Urteil vom 21.05.1992, AP Nr. 29 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung).

2. Eine Verdachtskündigung, um die es hier allein geht, kommt auch als ordentliche Kündigung nicht in Betracht. Es gelten die unter Ziffer I zur außerordentlichen Kündigung gemachten Ausführungen entsprechend. Eine ordentliche Kündigung wäre auch bei erwiesenem Fehlverhalten des Klägers nicht gerechtfertigt. Unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes wäre eine Abmahnung ausreichend gewesen, um dem Interesse der Beklagten an einer künftigen Vertragserfüllung gerecht zu werden. Eine solche Abmahnung hat es unstreitig in der Vergangenheit wegen eines gleich gelagerten Tatbestandes nicht gegeben. Die Vorinstanz hat zu Recht angenommen, dass die allgemeinen Hinweise der Beklagten an ihre Mitarbeiter, auch wenn dort von Kündigungen die Rede war, eine konkrete Abmahnung nicht ersetzen. Die erkennende Kammer nimmt Bezug auf die entsprechenden Ausführungen im angefochtenen Urteil und macht sich diese ausdrücklich zu Eigen (§ 69 Abs. 2 ArbGG).

III. Der hilfsweise gestellte Antrag der Beklagten auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses zum Endtermin der ordentlichen Kündigung ist zwar zulässig, aber unbegründet. Das Arbeitsgericht hat zutreffend entschieden, dass ein hinreichender Grund für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses des Klägers nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG nicht vorliegt.

1. Der Auflösungsantrag eines Arbeitgebers ist im Falle der Sozialwidrigkeit einer ordentlichen Kündigung nur dann begründet, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebzwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Bei der nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG erforderlichen Vorausschau, ob solche Gründe gegeben sind, kommt es nicht wie bei der Beurteilung der Sozialwidrigkeit auf den Zeitpunkt der Kündigung an, es ist vielmehr im Zeitpunkt der Entscheidung über den Auflösungsantrag zu prüfen, ob künftig eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zu erwarten ist. Zur Schlüssigkeit des Auflösungsantrags gehört der Vortrag von greifbaren Tatsachen, die diesen Schluss zulassen. Allgemeine Redewendungen etwa des Inhalts, die Vertrauensgrundlage sei weggefallen oder ein unüberbrückbares Zerwürfnis sei eingetreten, genügen nicht. Darüber hinaus sind an die Auflösungsgründe strenge Anforderungen zu stellen, weil auch die Auflösung auf Antrag des Arbeitgebers eine Ausnahme von dem vom Gesetz als Regel erstrebten Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses ist (vgl. BAG, Urteil vom 07.03.2002 ­ 2 AZR 158/01 -; BAG, Urteil vom 10.10.2002, AP Nr. 45 zu § 9 KSchG 1969 m.w.N.).

2. Zur Begründung des Auflösungsantrags beruft sich die Beklagte ausweislich ihrer Erklärung zu Protokoll der letzten mündlichen Verhandlung vor der Kammer auf den Grund, den sie zur Begründung der sozialen Rechtfertigung der ordentlichen Kündigung angeführt hat, nämlich auf den Verdacht einer groben Pflichtwidrigkeit des Klägers in Zusammenhang mit der Montage der Räder. Dies reicht, auch darin ist der Vorinstanz zu folgen, nicht aus. Durch die bloße Bezugnahme auf nicht ausreichende Kündigungsgründe genügt die Beklagte nicht der ihr obliegenden Darlegungslast. Es fehlt darüber hinaus an schlüssigem Vortrag, dass konkrete Umstände die Besorgnis rechtfertigen könnten, eine weitere gedeihliche Zusammenarbeit mit dem Kläger sei unwahrscheinlich (vgl. BAG, Urteil vom 18.04.1986, RzK I 11a Nr. 13). Die Beklagte hebt zwar hervor, die nicht erfolgte Ausfüllung des Vermerks auf dem Werkstattauftrag dokumentiere, dass der Kläger den gesamten Arbeitsvorgang nicht mit der notwendigen Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit ausgeführt habe. Es fehlt jedoch jede Darlegung, dass dieser Leistungs- und Verhaltensmangel nicht situationsbedingt, sondern aller Voraussicht nach unbehebbar ist und damit einer gedeihlichen Zusammenarbeit für die Zukunft entgegensteht (vgl. BAG, Urteil vom 18.04.1986, a.a.O.).

B. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Kammer hat die Revision an das Bundesarbeitsgericht gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.



Ende der Entscheidung

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