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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 07.08.2008
Aktenzeichen: 15 Sa 508/08
Rechtsgebiete: ArbGG, SGB V, TVÜ, BAT, LBG, AbubesVG


Vorschriften:

ArbGG § 69 Abs. 2
ArbGG § 64 Abs. 2 a
SGB V § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6
TVÜ § 13
BAT § 40
LBG § 88
AbubesVG § 3
AbubesVG § 3 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung des beklagten Landes wird das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 29.02.2008 - 5 Ca 2820/07 - - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt insgesamt neu gefasst:

1. Das beklagte Land wird verurteilt, an den Kläger 15,05 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 17.09.2007 zu zahlen.

2. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger zu 72 % und das beklagte Land zu 28 %; die Kosten der Berufung tragen der Kläger zu 73 % und das beklagte Land zu 27 %.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Mit der vorliegenden Klage macht der Kläger Beihilfeansprüche gegenüber dem beklagten Land im Hinblick auf Aufwendungen für die Beschaffung nicht verschreibungspflichtiger Medikamente in einem Gesamtumfang von 57,77 € geltend.

Von einer näheren Darstellung des Tatbestandes wird nach der Regelung des § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung des beklagten Landes ist aufgrund Zulassung gemäß § 64 Abs. 2 a ArbGG statthaft und zulässig und hat auch in der Sache Erfolg, soweit es um die Medikamente Homviotensin und JSO Bicomplex geht.

Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass das beklagte Land ihm Beihilfe für die vorgenannten Medikamente gewährt.

1a) Die einschlägigen Vorschriften lauten wie folgt:

Beihilfeverordnung-BVO NRW

§ 3 Begriff der beihilfefähigen Aufwendungen

(1) Beihilfefähig sind die notwendigen Aufwendungen in angemessenem Umfange

1. in Krankheitsfällen zur Wiedererlangung der Gesundheit, zur Besserung oder Linderung von Leiden, zur Beseitigung oder zum Ausgleich angeborener oder erworbener Körperschäden sowie bei dauernder Pflegebedürftigkeit,

§ 4 Beihilfefähige Aufwendungen in Krankheitsfällen

7. Die von Behandlern nach Nr. 1 bei ihren Verrichtungen verbrauchten oder nach Art und Umfang schriftlich verordneten zugelassenen Arzneimittel, Verbandmittel und dergleichen.

Nicht beihilfefähig sind

a) Aufwendungen für verschreibungspflichtige Arzneimittel, die nach den Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Verordnung von Arzneimitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (Arzneimittel-Richtlinien - AMR) von der Verordnung ausgeschlossen sind,

b) Arzneimittel, die nicht verschreibungspflichtig sind.

Satz 2 gilt nicht für Personen bis zum vollendeten 18. Lebensjahr.

Das Finanzministerium kann abweichend von Satz 2 in begründeten Einzelfällen sowie allgemein in Anlage 2 und in den Verwaltungsvorschriften zu dieser Verordnung bestimmen, zu welchen Arzneimitteln (verschreibungspflichtigen und nicht verschreibungspflichtigen), die bei der Behandlung schwerwiegender Erkrankungen als Therapiestandard gelten oder die sich in der klinischen Erprobung befinden, Beihilfen gewährt werden können. Dies gilt auch für Arzneimittel der besonderen Therapierichtungen.

Das Finanzministerium kann weiterhin in Anlage 2 und ergänzend in den Verwaltungsvorschriften zu dieser Verordnung Arzneimittel von der Beihilfefähigkeit ausschließen, die ihrer Zweckbestimmung nach üblicherweise bei geringfügigen Gesundheitsstörungen verordnet werden, die für das Therapieziel oder zur Minderung von Risiken nicht erforderliche Bestandteile enthalten, deren Wirkungen wegen der Vielzahl der enthaltenen Wirkstoffe nicht mit ausreichender Sicherheit beurteilt werden können oder deren therapeutischer Nutzen nicht nachgewiesen ist.

Verwaltungsverordnung zur BVO NRW (VVzBVO)

10.1 Nach § 4 Abs. 1 Nr. 7 und der Anlage 2 sind grundsätzlich nur Aufwendungen für verschreibungspflichtige Arzneimittel, soweit sie nicht nach den Arzneimittelrichtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses gemäß § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V von der Verordnung in der GKV ausgeschlossen sind sowie Aufwendungen für apothekenpflichtige, nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel, die bei der Behandlung schwerwiegender Erkrankungen als Therapiestandard gelten, beihilfefähig. (Für Personen bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres gelten diese Einschränkungen nicht). Eine Krankheit ist schwerwiegend, wenn sie lebensbedrohlich ist oder wenn sie aufgrund der Schwere der durch sie verursachten Gesundheitsstörung die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtig. Als Therapiestandard gilt ein Arzneimittel, wenn der therapeutische Nutzen zur Behandlung der schwerwiegenden Erkrankung dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht.

a) Für die nachfolgend aufgeführten Indikationsgebiete können auch Aufwendungen für Arzneimittel der Anthroposophie und Homöopathie beihilfefähig sein, sofern die Anwendung dieser Arzneimittel für diese Indikationsgebiete nach dem Erkenntnisstand als Therapiestandard in der jeweiligen Therapierichtung angezeigt ist und der Arzt/Heilpraktiker dies mit der Verordnung bestätigt.

b) Ausweislich des bei nicht verschreibungspflichtigen Medikamenten vom Arzt bzw. Heilpraktikers auszufüllenden Vordruckes wurden die hier streitgegenständlichen Medikamente von der Heilpraktikerin N. zur Behandlung von Bluthochdruck und Stoffwechselstörung verordnet. In den Arzneimittelrichtlinien (AMR) sind diese Medikamente nicht aufgeführt, so dass die Heilpraktikerin im Vordruck auch die entsprechenden Ziffern nicht hat angeben können.

In der Rubrik "bei den unter folgenden Teilziffern aufgeführten Arzneimitteln handelt es sich um Standardtherapeutika der Homöopathie/Anthroposophie" wurde gleichfalls nichts angekreuzt. Zwar hat die Heilpraktikerin mit Attest vom 18.09.2007 angegeben, dass die rezeptierten Medikamente im Sinne der BVO als Arzneimittel der "Anthroposophie/Homöopathie" für diese Indikation nach dem Erkenntnisstand als Therapiestandard in der Therapierichtung angezeigt seien, und hat desweiteren ausgeführt, dass die Erkrankung schwerwiegend sei, da sie aufgrund der Schwere der durch sie verursachten Gesundheitsstörung die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtige. Damit hat sie indes nur - und dies auch nur zum Teil - die in Ziffer 10.1 der VVzBVO gegebene Definition wiederholt, ohne irgendwie sonst erkennen zu lassen, inwiefern es sich bei dem diagnostizierten Bluthochdruck bzw. der Stoffwechselstörung um eine Erkrankung handelt, die derart schwerwiegend ist, dass die durch sie verursachte Gesundheitsstörung die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigt.

Der Kläger selbst hat lediglich darauf verwiesen, dass die verordneten Präparate erforderlich gewesen seien vor dem Hintergrund des jeweils konkreten Gesundheitszustandes zum Zwecke der Erreichung des Therapiezweckes.

Unabhängig von der Frage, ob in den AMR eine abschließende Regelung der ausnahmsweise als beihilfefähig anzuerkennenden nicht verschreibungspflichtigen Medikamente zu sehen ist (so VG Osnabrück, Urteil vom 30.05.2007, 3 A 96/05), hätte es angesichts der fehlenden Auflistung der hier streitgegenständlichen Medikamente in den AMR insoweit zumindest einer näheren Begründung des Klägers bedurft, warum diese Medikamente gleichwohl nach den allgemeinen, in Ziffer 10.1 der VVzBVO genannten Voraussetzungen beihilfefähig gewesen sein sollen. Eine ausreichende Begründung zur Beihilfefähigkeit der hier streitgegenständlichen Medikamente findet sich im Sachvortrag des Klägers nicht.

2. Der hier streitgegenständliche Ausschluss einer Beihilfefähigkeit für nicht verschreibungspflichtige Medikamente ist zumindest für den Bereich der Angestellten im Gegensatz zu der im angefochtenen Urteil zugrunde gelegten Ansicht auch rechtens.

Nach dem übereinstimmenden Vortrag der Parteien im Termin vom 07.08.2008 findet bzw. fand auf das Arbeitsverhältnis des Klägers zum beklagten Land der BAT Anwendung, nach dessen § 40 bei Angestellten des Öffentlichen Dienstes für die Gewährung von Beihilfen in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen sowie von Unterstützungen die bei dem Arbeitgeber jeweils geltenden Bestimmungen angewendet werden. Dass sich im nunmehr wohl geltenden TVL eine entsprechende Bestimmung nicht mehr findet, ist hier unschädlich. Nach der Protokollerklärung zu § 13 TVÜ bleiben Ansprüche aufgrund von Regelungen für die Gewährung von Beihilfen an Arbeitnehmer im Krankheitsfall für übergeleitete Beschäftigte, die am 31.10.2006 noch auf Ansprüche auf Beihilfe haben, unberührt. Unstreitig gehört der Kläger zu denjenigen "Altfällen", die nach dem Gesetz über die Anwendung beamten- und besoldungsrechtlicher Vorschriften auf nichtbeamtete Angehörige des Öffentlichen Dienstes (AbubesVG) vom 06.10.1987 noch Ansprüche auf Beihilfe haben.

Das vorgenannte Gesetz und die aufgrund dieses Gesetzes erlassene Verordnung über die Gewährung von Beihilfen in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen in der jeweils geltenden Fassung ist auch die hier einschlägige bei dem beklagten Land "geltende Bestimmung" im Sinne des § 40 BAT (BAG vom 25.10.2001 - 6 AZR 342/00 - ZTR 2002, Seite 480 f.).

§ 88 LBG, auf das das Arbeitsgericht seine Entscheidung im angefochtenen Urteil gestützt hat, ist vorliegend überhaupt nicht einschlägig. Aufgrund des AbubesVG vom 06.10.1987 sind für die Arbeitnehmer im Dienst des Landes die gesetzlichen Bestimmungen für Landesbeamte nicht entsprechend für anwendbar erklärt worden, haben diese nach diesem Gesetz doch "nur" Anspruch auf Beihilfen nach den für Beamtinnen und Beamte geltenden Grundsätzen unter Berücksichtigung der Besonderheiten ihres Beschäftigungsverhältnisses. Anders wäre dies dann gewesen, wenn in § 3 Abs. 1 des AbubesVG formuliert worden wäre, "... haben Anspruch auf Beihilfen... nach den für Beamtinnen und Beamte geltenden gesetzlichen Bestimmungen". Damit ist dann auch die für Landesbeamte geltende Beihilfeverordnung nicht für anwendbar erklärt und mit übernommen worden, vielmehr ist gemäß Abs. 4 des § 3 des AbubesVG das diesbezügliche Verordnungsrecht beim Finanzministerium verblieben, welches die näheren Bestimmungen (hier selbst) zu treffen hat - vorbehaltlich einer tarifvertraglichen Regelung.

Anders als bei den Beamten, die sich auf die Fürsorgepflicht des Dienstherrn aus Artikel 33 Abs. 5 GG berufen können, ist der Gesetz- und Verordnungsgeber bei den Angestellten an die sich daraus eventuell ergebenden verfassungsrechtlichen Beschränkungen nicht gebunden, weshalb er rechtmäßig nicht nur den Umfang der Beihilfeansprüche einschränken, sondern diese sogar - abgesehen von einer eventuellen Bestandsschutzwahrung - gänzlich entfallen lassen kann, wie die aktuelle Rechtslage zeigt.

Entsprechend verweist das Bundesarbeitsgericht (BAG, a. a. O.) dann auch zu Recht darauf, dass Aufwendungen in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen private Aufwendungen sind und der Angestellte sie grundsätzlich aus seinem Einkommen zu bestreiten hat und die dem Dienstherrn gegenüber seinen Beamten, Richtern und Soldaten obliegende gesteigerte Fürsorgepflicht im Arbeitsverhältnis des Öffentlichen Dienstes keine Fortsetzung findet.

Insofern kann sich der Kläger dann auch nicht auf die Therapiefreiheit der behandelnden Ärzte berufen, geht es hier doch nicht darum, dass der Arzt oder Heilpraktiker nur bestimmte Medikamente verschreiben darf, sondern darum, dass nicht alles, was er verschreibt, auch erstattungsfähig ist, wobei es im Übrigen bei Medikamenten der hier in Rede stehenden Art häufig auch möglich sein dürfte, von der im letzten Absatz der Ziffer 10.1 der VVzBVO genannten Ausnahmebestimmung Gebrauch zu machen, wonach Aufwendungen für apothekenpflichtige, nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel auch ohne die zuvor genannten Indikationen beihilfefähig sind, wenn das zur Behandlung der Erkrankung alternativ zur Verfügung stehende verschreibungspflichtige Arzneimittel teurer ist und der Nachweis durch den Beihilfeberechtigten bzw. seinen Arzt geführt wird.

3. Schließlich kann sich der Kläger auch nicht mit Erfolg auf den Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes berufen. Der Arbeitnehmer des Öffentlichen Dienstes muss in aller Regel davon ausgehen, dass ihm sein Arbeitgeber nur die Leistungen gewähren will, zu denen er rechtlich verpflichtet ist. Ohne besonderen Anlass darf er deshalb auch bei langjähriger Gewährung einer zusätzlichen Vergünstigung nicht darauf vertrauen, diese sei Vertragsinhalt geworden (BAG, a. a. O., Rdnr. 26 m. w. N.).

Nach alledem war das angefochtene Urteil im Hinblick auf den Erstattungsbetrag für die Medikamente JSO Bicomplex und Homviotensin abzuändern und die diesbezügliche Klage abzuweisen.

4. Im Hinblick auf die für das weitere Medikament Spilan geltend gemachten 15,05 € hatte es bei dem insoweit ausgeurteilten Betrag zu verbleiben, da der Kläger die Beihilfefähigkeit dieses Medikamentes ausreichend dargetan und das beklagte Land die Beihilfefähigkeit für dieses Medikament im Termin vom 07.08.2008 schließlich auch ausdrücklich anerkannt hat. In Höhe von 15,05 € musste der Berufung des beklagten Landes der Erfolg deshalb versagt bleiben.

II.

Die Kosten des Rechtsstreits haben die Parteien im Verhältnis zu ihrem wechselseitigen Obsiegen und Unterliegen gemäß § 92 Abs. 1 ZPO zu tragen.

III.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision waren nicht gegeben, da dem Rechtsstreit unter keinem denkbaren Gesichtspunkt grundsätzliche Bedeutung zukommt (§ 72 Abs. 2 Ziffer 1 ArbGG), noch die Voraussetzungen einer Divergenzrevision (§ 72 Abs. 2 Ziffer 2 ArbGG) gegeben sind.

Ende der Entscheidung

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