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Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 29.07.2004
Aktenzeichen: 15 Sa 623/04
Rechtsgebiete: BetrVG, LPVG NW


Vorschriften:

BetrVG § 102
LPVG NW § 72 a
1. Bei einer ordentlichen Kündigung vor Ablauf der Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG, die der Arbeitgeber ausspricht, weil er den Arbeitnehmer aus Gründen mangelnder Eignung auf Dauer nicht weiterbeschäftigen will, reicht in aller Regel eine pauschale Begründung aus, um den Informationspflichten gegenüber dem Betriebsrat nach § 102 BetrVG zu genügen.

2. Für das Anhörungsverfahren gegenüber dem Personalrat nach § 72 a Abs. 2 LPVG NW kann nichts anderes gelten.


LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

15 Sa 623/04

Verkündet am 29. Juli 2004

In Sachen

hat die 15. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 29.07.2004 durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht Dr. Stoltenberg als Vorsitzende sowie den ehrenamtlichen Richter Vossen und die ehrenamtliche Richterin Greven

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 05.02.2004 ­ 8 Ca 4318/03 ­ wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung innerhalb der ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses. Der Kläger wurde mit schriftlichem Arbeitsvertrag vom 10.03.2003 als wissenschaftlicher Mitarbeiter der Universität Duisburg-Essen mit Wirkung ab 10.03.2003 eingestellt. Vorgesetzte des Klägers war die (damalige) Vorstandsvorsitzende des Zentrums für Hochschuldidaktik (ZfH) Frau Prof. Dr. G.-T.. Mit Schreiben vom 17.06.2003 bat das Personaldezernat Frau Prof. Dr. G.-T. um eine Stellungnahme im Hinblick auf eine Weiterbeschäftigung des Klägers nach Ablauf der Probezeit (Bl. 27 d. A.). Diese teilte mit Schreiben vom 21.07.2003 (Bl. 28 d. A.) mit, dass an der fachlichen Leistung des Klägers keine Zweifel bestünden, dass hinsichtlich der persönlichen Eignung aber festgestellt werden müsse, dass "unüberbrückbare, als gravierend einzuschätzende Beziehungsstörungen die produktive Aufgabenerfüllung in den festgelegten Aufgabenbereichen des Zentrums für Hochschuldidaktik in erheblichem Umfang" beeinträchtigen würden. Mit Schreiben vom 07.08.2003 (Bl. 29 d. A.) wurde der Kläger über die beabsichtigte Kündigung seines Arbeitsverhältnisses unterrichtet und sogleich aufgefordert, sich innerhalb einer Woche hierzu zu äußern. Der Gründungspersonalrat der wissenschaftlichen und künstlerisch Beschäftigten der Universität Duisburg-Essen wurde mit Schreiben vom 07.08.2003 (Bl. 30 d. A.) aufgefordert, zu der beabsichtigten Kündigung des Klägers gemäß § 72 a LPVG NW Stellung zu nehmen. Beiden Schreiben war die Stellungnahme von Prof. Dr. G.-T. vom 21.07.2003 als Anlage beigefügt. Der Kläger äußerte sich mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 20.08.2003 zu der beabsichtigten ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Der Gründungspersonalrat der wissenschaftlichen und künstlerisch Beschäftigten der Universität Duisburg-Essen widersprach mit Schreiben vom 08.08.2003 (Bl. 31, 32 d. A.) der beabsichtigten Kündigung. In diesem Schreiben verwies der Gründungspersonalrat auf ein Gespräch vom 04.06.2003, an dem neben dem Kläger u.a. die Vorsitzende des Personalrats (wiss.), Frau Dr. A. und die Vorgesetzte des Klägers, Frau Prof. Dr. G.-T. und Frau Dr. J. T., die Geschäftsführerin des ZfH, teilgenommen hatten. Als Anlage zum Schreiben vom 08.08.2003 war eine Gesprächsnotiz über dieses Personalgespräch beigefügt, in der es u.a. heißt:

"Alle Gesprächsteilnehmer gewinnen den Eindruck, dass das Verhältnis zwischen Herrn X. und Frau T. belastet ist. Auffällig ist die unterschiedliche Beurteilung von gemeinsamen Gesprächssituationen, wo aber nur "banale" Situationen angeführt werden. ..."

Mit Schreiben vom 25.08.2003, welches dem Kläger am 28.08.2003 zuging, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 30.09.2003. In diesem Schreiben heißt es:

"Nach sorgfältiger Prüfung des Sachverhaltes und unter Berücksichtigung der eingegangenen Stellungnahmen besteht keine Grundlage für eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit Ihnen über die Probezeit hinaus. Die vorgetragenen unüberbrückbaren und als gravierend bezeichneten Beziehungsstörungen beeinträchtigen die produktive Aufgabenerfüllung im Zentrum für Hochschuldidaktik. Im Interesse eines funktionierenden Zentrums für Hochschuldidaktik insbesondere vor dem Hintergrund der dafür notwendigen guten Zusammenarbeit zwischen Mitarbeitern und Funktionsträgern des Zentrums für Hochschuldidaktik sehe ich mich zu dieser Maßnahme veranlaßt. ..."

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Kündigung vom 25.08.2003 sei unwirksam, weil der Gründungspersonalrat der wissenschaftlich und künstlerisch Beschäftigten der Universität Duisburg-Essen vor Ausspruch der Kündigung nicht ordnungsgemäß gemäß § 72 a LPVG NW beteiligt worden sei. Die Beklagte hätte dem Personalrat im Rahmen des Anhörungsverfahrens die Stellungnahme seines Prozessbevollmächtigten vom 20.08. vorlegen müssen.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 25.08.2003 nicht zum 30.09.2003 beendet worden ist, die Beklagte zu verurteilen, den Kläger als wissenschaftlichen Mitarbeiter weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, dass der Gründungspersonalrat vor Ausspruch der Kündigung ordnungsgemäß beteiligt worden sei.

Mit Urteil vom 05.02.2004, auf das im Übrigen Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht Essen die Klage abgewiesen und dies im Wesentlichen damit begründet, dass die vom Bundesarbeitsgericht im Rahmen des § 102 BetrVG aufgestellten Grundsätze auch für die Anhörung eines Personalrates nach § 72 a LPVG NW gelten und es danach ausreichend sei, wenn der Arbeitgeber den Betriebsrat über seine subjektiven Vorstellungen unterrichtet, sofern der Kündigungsentschluss allein von subjektiven, mit konkreten Tatsachen nicht belegbaren subjektiven Vorstellungen bestimmt werde. Letzteres sei bei den hier angeführten "Beziehungsstörungen" der Fall. Zumindest der Vorsitzenden des Gründungspersonalrats sei aufgrund des Gesprächs vom 04.06.2003 die Sicht des Klägers bekannt gewesen, weshalb dem Gründungspersonalrat die Stellungnahme des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 20.08.2003 nicht habe vorgelegt werden müssen. Mit seiner gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 05.02.2004 am 08.04.2004 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen und ­ nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 07.06.2004 ­ am 04.06.2004 begründeten Berufung macht der Kläger im Wesentlichen geltend, dass der Arbeitgeber auch in den ersten sechs Monaten des Arbeitsverhältnisses verpflichtet sei, den Betriebsrat bzw. Personalrat nicht bloße Werturteile mitzuteilen, sondern konkrete Umstände und Tatsachen mitzuteilen, aus denen ein etwaiges Werturteil begründet werde. Durch das Schreiben vom 07.08.2003 habe die Beklagte den Gründungspersonalrat weder die Sozialdaten des Klägers noch irgendwelche Kündigungsgründe mitgeteilt. Die Beklagte habe lediglich das Schreiben von Frau Prof. G.-T. vom 21.07.2003 ihrem Schreiben vom 07.08.2003 beigefügt, ohne in irgendeiner Art und Weise deutlich zu machen, ob sie sich die Beurteilung der Professorin G.-T. zu eigen mache oder nicht zu eigen mache. Auch habe sich die Beklagte völlig unschlüssig verhalten, indem sie einerseits vom Kläger eine Stellungnahme abverlangt und den Gründungspersonalrat auf Vorrat zur Kündigung angehört habe, ohne den Eingang der klägerischen Stellungnahme abzuwarten. Auch aus der dem Schreiben vom 07.08.2004 beigefügten Stellungnahme der Professorin G.-T., falls die Beklagte sich diese tatsächlich zu eigen gemacht haben sollte, gingen keinerlei Tatsachen hervor, durch die der Gründungspersonalrat ordnungsgemäß informiert worden wäre. Insofern habe die Beklagte den bei ihr bestehenden Gründungspersonalrat lediglich eine pauschale Äußerung mitgeteilt, ohne die für die Bewertung durch sie maßgeblichen Tatsachen mitzuteilen.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 25.08.2003 nicht zum 30.09.2003 beendet worden ist,

2. für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1) die Beklagte zu verurteilen, den Kläger als wissenschaftlichen Mitarbeiter weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil und verweist darauf, dass der Personalrat entgegen der erstmals jetzt aufgestellten Behauptung des Klägers über dessen vollständige Sozialdaten wie Alter, Betriebszugehörigkeit, Familienstand u.a. informiert worden sei. Auch verkenne der Kläger, dass vom beklagten Land dem Personalrat nur diejenigen Gründe mitzuteilen gewesen seien, die für seine Kündigungsabsicht maßgeblich gewesen seien. Die Bezugnahme auf die Stellungnahme der früheren unmittelbaren Dienstvorgesetzten des Klägers, Frau Prof. Dr. G.-T., vom 21.07.2003 dokumentiere, dass sich der Kläger während der Probezeit wegen unüberbrückbarer Beziehungsstörung nicht bewährt habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung ist statthaft und zulässig, aber unbegründet.

Die Klage ist nicht begründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die Kündigung der Beklagten vom 25.08.2003 mit Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist (§ 3 des Arbeitsvertrages i. V. m. § 53 Abs. 1, 5 BAT) zum 30.09.2003 aufgelöst worden. Diese Kündigung ist nicht nach § 72 a Abs. 3 LPVG NW rechtsunwirksam. Das Anhörungsverfahren nach § 72 a Abs. 2 LPVG NW ist beklagtenseits ordnungsgemäß durchgeführt worden. Die Beklagte hat der ihr nach § 72 a Abs. 2 LPVG NW obliegenden Mitteilungspflicht genügt.

1. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. so z.B. BAG v. 06.06.1991 ­ 2 AZR 540/90 ­ n.v.; BAG v. 12.11.1998 ­ 2 AZR 687/097 ­ n.v.; BAG v. 18.05.1994, AP Nr. 64 zu § 102 BetrVG 1972; BAG v. 12.11.1998 2 AZR 687/97 - n.v.; v. 22.09.1994, AP Nr. 68 zu § 102 BetrVG 1972; BAG v. 03.12.1998, AP Nr. 99 zu § 102 BetrVG 1972; BAG v. 01.07.1999, AP Nr. 10 zu § 242 BGB Kündigung) ist bei einer Kündigung in den ersten sechs Monaten des Bestehens des Arbeitsverhältnisses zu berücksichtigen, dass innerhalb der sechsmonatigen Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG der Grundsatz der Kündigungsfreiheit gilt, d.h. Kündigungsgründe weder vorliegen noch angegeben werden müssen. Dies mindert die Anforderungen an die Substantiierungspflichten des Arbeitgebers hinsichtlich der Kündigungsgründe. Wird der Kündigungsentschluss des Arbeitgebers allein von subjektiven, durch Tatsachen nicht belegbare Vorstellungen des Arbeitgebers bestimmt, so reicht die Unterrichtung des Betriebsrats über diese Vorstellungen aus. Der Arbeitgeber ist nach § 102 BetrVG nicht verpflichtet, seine lediglich auf einem Werturteil beruhende Kündigung mit Tatsachen zu begründen, die aus seiner subjektiven Sicht für den Kündigungsentschluss nicht maßgeblich waren oder gar solche Tatsachen erst zu erfinden. Hat der Arbeitgeber keine Gründe oder wird sein Kündigungsentschluss allein von subjektiven, durch Tatsachen nicht belegbare Vorstellungen bestimmt, so reicht danach die Unterrichtung über das Fehlen von Kündigungsgründen bzw. diese Vorstellungen aus. Der Arbeitgeber handelt dann aus seiner subjektiven Sicht konsequent, wenn er trotz konkreter Anhaltspunkte seinen Kündigungsentschluss nur aus subjektiven Werturteilen herleitet. Dagegen kommt er seiner Unterrichtungspflicht nicht nach, wenn er aus seiner subjektiven Sicht dem Betriebsrat bewusst unrichtige oder unvollständige Sachdarstellungen unterbreitet oder bewusst ihm bekannte, genau konkretisierbare Kündigungsgründe nur pauschal vorträgt, obwohl sein Kündigungsentschluss auf der Würdigung dieser konkreten Kündigungssachverhalte beruht (BAG v. 18.05.1994 u. 12.11.1998 a.a.O.).

a) Bei Zugrundelegung dieser Rechtsprechung bereitet insbesondere die Abgrenzung zwischen einem Kündigungsentschluss, der "trotz konkreter Anhaltspunkte" nur aus subjektiven Werturteilen hergeleitet wird und einem Kündigungsentschluss, der auf Würdigung konkreter Kündigungssachverhalte beruht, erhebliche Schwierigkeiten - von der Feststellbarkeit des tatsächlichen Vorliegens der einen oder der anderen Variante im Streitfall einmal ganz abgesehen.

Um zu einer praktisch handhabbaren Lösung dieses Problems zu gelangen, ist nach Auffassung der Kammer zunächst eine Differenzierung nötig zwischen zwei in den ersten sechs Monaten eines Arbeitsverhältnisses grundsätzlich möglichen Kündigungsarten. Dabei handelt es sich zum einen um den "Normalfall" einer Kündigung, die durch ein bestimmtes Ereignis oder eine Summe von Vorkommnissen veranlasst ist und sich als arbeitgeberseitige Reaktion auf einen vorausgegangenen Kündigungssachverhalt darstellt, wie etwa die aus Anlass einer Beleidigung oder sonstigen Fehlverhaltens des Arbeitnehmers ausgesprochenen Kündigung, die man als "reaktive" Kündigung bezeichnen könnte. Von dieser Kündigung zu unterscheiden ist die typische "Probezeitkündigung", welche der Tatsache Rechnung trägt, dass sich der Arbeitgeber in den ersten sechs Monaten des Arbeitsverhältnisses entscheiden muss, ob er den Arbeitnehmer (be-)halten will, kann er sich danach in der Regel doch nur noch unter den erschwerten Bedingungen der §§ 626 BGB, 1 KSchG, wieder von ihm trennen. Die insoweit zu treffende Entscheidung unterscheidet sich nicht von derjenigen, die der Arbeitgeber bei Auslaufen eines befristeten Probearbeitsverhältnisses zu treffen hat. Hier wie dort geht es um die Frage, ob der betreffende Arbeitnehmer den Vorstellungen und Erwartungen des Arbeitgebers bezüglich einer optimalen oder zumindest ausreichenden Stellenbesetzung genügt. Die Beantwortung dieser Frage stellt quasi den letzten Teilakt der bei der Besetzung einer Stelle zu treffenden personellen Auswahlentscheidung dar. Der typischen "Probezeitkündigung", welche man als "präventive" Kündigung bezeichnen könnte, liegt regelmäßig eine subjektive zukunftsbezogene Einschätzung des Arbeitgebers zugrunde, die er aus einer (summarischen) Betrachtung und Bewertung des bisherigen Verlaufes des Arbeitsverhältnisses gewinnen oder aus einzelnen Vorkommnissen herleiten kann. Gleichermaßen kann er jedoch seine Entscheidung rein gefühlsmäßig treffen und sich von Antipathien oder Sympathien oder Ressentiments leiten lassen. Schließlich kann bei der Entscheidung des Arbeitgebers sowohl das eine wie das andere eine Rolle spielen. Grundsätzlich ist dabei die Bandbreite dessen, was für den Arbeitgeber (bzw. die auf Arbeitgeberseite kündigungsberechtigten Personen) bei der aus Anlass einer eventuellen "Festanstellung" zu treffenden (Ermessens-)Entscheidung maßgeblich sein kann, recht groß und ohne subjektive Bewertungen in der Regel wohl kaum denkbar. Diesbezüglich wird der Arbeitgeber (bzw. die jeweilige kündigungsberechtigte Person) häufig selbst kaum sagen können, welcher Umstand, Gesichtspunkt oder psychologischer (in seiner eigenen Person liegender) Faktor für seine Entscheidung letztlich ausschlaggebend war. Noch weniger dürften die meisten Fälle einer nachträglichen "Motivationsforschung" zugänglich sein. Zu einer solchen scheint die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG, a.a.O.) jedoch zu nötigen - zumindest dann, wenn man sie nicht differenziert genug anwendet.

b) Nach Auffassung der Kammer ist im Hinblick auf die Mitteilungspflichten des Arbeitgebers im Anhörungsverfahren bei einer Kündigung vor Ablauf der sechsmonatigen Wartezeit des § 1 KSchG deshalb zunächst zu unterscheiden, ob es sich um eine "reaktive" oder eine "präventive" Kündigung handelt, was der jeweiligen Kündigungsbegründung, der vor oder bei Kündigungsausspruch zu Tage getretenen Umstände oder - als entsprechendes Indiz - auch der zeitlichen Nähe des Kündigungsausspruchs zum Ablauf der Wartezeit wird entnommen werden können. Nach der Art der insoweit anzunehmenden Kündigung richtet sich dann auch der Umfang der jeweiligen Mitteilungspflicht des Arbeitgebers im Anhörungsverfahren nach § 102 BetrVG.

aa) Dabei ist bei der "reaktiven" Kündigung im Regelfall davon auszugehen, dass der zum Anlass der Kündigung genommene Vorfall bzw. die Summe der Vorkommnisse (die das "Fass" gleichsam zum "Überlaufen" gebracht haben) die "conditio-sine-qua-non" für diese Kündigung darstellen. Dieserart Kündigungsgründe sind dem Betriebsrat hinreichend substantiiert mitzuteilen.

Bei der "präventiven" Kündigung vor Ablauf der sechsmonatigen Wartezeit des § 1 KSchG ist eine vergleichbare Entscheidungslage nur dann gegeben, wenn der Arbeitgeber bestimmte Tatsachen zur "conditio-sine-qua-non" für seinen Kündigungsentschluss erhebt, so etwa, wenn er gegenüber dem Arbeitnehmer, dem Betriebsrat oder auch sonst zum Ausdruck bringt, dass der Arbeitnehmer sich selbst um eine "Festanstellung" gebracht hat, wäre er nicht immer unpünktlich gewesen oder hätte er sich nicht dieses oder jenes zu Schulden kommen lassen. In einem solchen Falle, in dem die ausschlaggebende Maßgeblichkeit eines oder mehrerer ganz bestimmter Sachverhalte für den Kündigungsentschluss des Arbeitgebers offen zutage tritt oder zumindest sonst aufgrund der jeweiligen Umstände des Einzelfalles feststellbar ist, muss der Arbeitgeber diesen Sachverhalt im Rahmen der Betriebsratsanhörung auch bei einer "präventiven" (Probezeit-)Kündigung hinreichend konkretisiert darlegen.

bb) In allen anderen Fällen, in denen der Arbeitgeber bei seiner Entscheidung über eine "Festanstellung" des Arbeitnehmers erkennbar sein subjektives Beurteilungsermessen spielen lässt, besteht nach Auffassung der Kammer eine Konkretisierungspflicht nicht - und zwar auch dann nicht, wenn der Arbeitgeber dabei ein bestimmtes Tatsachenmaterial herangezogen und gewürdigt hat. Nicht dieses Tatsachenmaterial ist für den Arbeitgeber nämlich anders als bei einer "reaktiven" Kündigung - der die Kündigung veranlassende Grund, sondern der Zwang zur Überprüfung der Eignung des Arbeitnehmers möglichst noch vor Ablauf der Wartezeit, wobei ihm dieses Tatsachenmaterial unter Umständen zwar zur Meinungsbildung dient und seine subjektiven Befürchtungen und Zweifel an der Richtigkeit einer dauerhaften Beschäftigung dieses Arbeitnehmers nähren kann, im Ergebnis für die Entscheidung indes nicht ausschlaggebend sein muss, so zum Beispiel, wenn der Arbeitgeber unabhängig von den ihm bekannten Tatsachen auf jeden Fall auf "Nummer Sicher" gehen und sich zur Vermeidung jedweden Risikos vom Arbeitnehmer trennen will. Gerade dann, wenn der Arbeitgeber dem Betriebsrat das Spektrum seiner Entscheidungsgrundlage bei einer "präventiven" (Probezeit)-Kündigung im Rahmen der Betriebsratsanhörung nicht oder nur sehr pauschal offenbart, gibt er zu erkennen, dass er die Richtigkeit seiner Eignungsbeurteilung einschließlich der zugrunde liegenden Tatsachen nicht zur Diskussion oder Überprüfung stellen will. In der darin zum Ausdruck kommenden Ablehnung, die eigenen Erwägungen und gegebenenfalls zugrunde gelegtes Tatsachenmaterial einer (Richtigkeits-)Überprüfung zu unterstellen, liegt gleichsam ein Verzicht des Arbeitgebers auf eine Richtigkeitsgewähr seiner Beurteilungsgrundlagen. Insoweit gibt er letztlich zu erkennen, dass seine subjektive Beurteilung und Einschätzung unabhängig von der Richtigkeit seiner Beurteilungsgrundlage für seine Entscheidung ausschlaggebend und allein maßgeblich sein soll. Im Sinne der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. so z.B. BAG v. 18.05.1994, AP Nr. 64 zu § 102 BetrVG 1972) handelt auch dieser Arbeitgeber aus seiner subjektiven Sicht konsequent, wenn er trotz konkreter Anhaltspunkte für seinen Kündigungsentschluss letztlich sein subjektives Werturteil und das ihm zustehende Auswahlermessen maßgeblich sein lässt, auch wenn insoweit nicht genannte Tatsachen in seine subjektive Wertung und Einschätzung einer künftigen dauerhaften Zusammenarbeit mit eingeflossen sind. In diese Richtung scheinen auch die Ausführungen des Bundesarbeitsgerichts in dem zuvor in Bezug genommenen Urteil zu weisen. Dort heißt es: "Kraft ist zuzugeben, dass nicht genannte Kündigungstatsachen auch in eine subjektive Wertung einfließen können und dass es wünschenswert wäre, dem Betriebsrat auch insoweit eine Einwirkungsmöglichkeit zu geben. Bei Wahrung des Gebots der vertrauensvollen Zusammenarbeit (§§ 2, 74 BetrVG) wird das in der Praxis regelmäßig auch so gehandhabt werden, findet aber dort seine Grenze, wo der Arbeitgeber im Rahmen privatautonomer Gestaltung des Arbeitsvertrages zur Offenbarung weiterer detaillierter, privater, persönlicher Ansichten und Absichten - vornehmlich, wenn sie an der Person des Arbeitnehmers ausgerichtet sind - angehalten werden soll." Weitergehende "freiwillige" Informationen im Rahmen des Anhörungsverfahrens bei einer "präventiven" (Probezeit-)Kündigung und dementsprechend weitergehendere Einflussnahmemöglichkeiten für den Betriebsrat würden aufgrund der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (a.a.O.), sofern man sie nicht differenziert anwendet, eher vereitelt als gefördert. Bei undifferenzierter Anwendung dieser Rechtsprechung ist ein Arbeitgeber, der sich ehrlich um eine auf Tatsachen beruhende Beurteilungsgrundlage bemüht und diese dem Betriebsrat auch mitteilt, schlecht beraten, läuft er doch Gefahr, in die "Falle" eines Anhörungsfehlers mangels hinreichender Konkretisierung seiner Beurteilungsgrundlage "zu tappen" - mit der Folge, dass der Arbeitnehmer auf diese Weise (unverhofft) - und dies u.U. sogar noch gegen den Willen des Betriebsrates - an einen kündigungsgeschützten Arbeitsplatz gelangt, welcher ihm ansonsten mangels Bewährung und entsprechend negativer Entscheidung des Arbeitgebers nicht zuteil geworden wäre. Der einzige Ausweg, der sich bei einer undifferenzierten Anwendung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts für den Arbeitgeber insoweit bietet, ist der, dass er sich auf bloße Werturteile und subjektive Gesichtspunkte unter Außerachtlassung aller objektiven Tatsachen zurückzieht und auch nur dieses gegenüber dem Betriebsrat und dem Arbeitnehmer verlautbart (welcher dann noch nicht einmal aus der für ihn misslichen Entscheidung etwas lernen kann).

2. Nach Auffassung der Kammer erfordert § 72 a Abs. 2 Satz 1 und 2 LPVG NW keine weitergehenden Darlegungen als es im Rahmen des § 102 BetrVG vom Arbeitgeber eines privaten Wirtschaftsunternehmens bei einer Probezeitkündigung in den ersten sechs Monaten verlangt werden kann. Auch im Bereich des öffentlichen Dienstes müsste die Forderung nach einer mit konkreten Tatsachen belegbaren Kündigungsabsicht im Rahmen des Anhörungsverfahrens dazu führen, dass der Arbeitgeber seine subjektive Einschätzung, allgemein gehaltene Bewertungen oder im Einzelnen nicht konkret begründbare Bedenken nicht mehr zum Anlass einer Probezeitkündigung nehmen könnte, wenn er seine Entscheidung immer mit "handfesten" Fakten begründen müsste. Einen so weit reichenden Eingriff in die Entscheidungs- und Entschließungsfreiheit des Arbeitgebers im öffentlichen Dienst als Konsequenz einer gesteigerten Darlegungspflicht im Rahmen des Anhörungsverfahrens bei einer wegen Ablaufs der Probezeit ausgesprochenen Kündigung kann indes nicht angenommen werden.

3. In dem hier streitgegenständlichen Fall handelt es sich eindeutig um eine "präventive" Probezeitkündigung, deren Besonderheiten sich vorliegend auch niederschlagen.

a) mit Das Schreiben an den Personalrat vom 07.08.2003 war überschrieben "Ablauf der Probezeit des wissenschaftlichen Mitarbeiters T. X., Zentrum für Hochschuldidaktik Schreiben der Frau Prof. Dr. G.-T. vom 21.07.2003 Anlage". Damit war für den Personalrat erkennbar, dass es um die Frage der dauerhaften Weiterbeschäftigung des Klägers ging, die es zu beurteilen galt und von Seiten der Beklagten negativ beantwortet wurde. Für den Personalrat erkennbar war des Weiteren, dass der Gründungsbeauftragte keine eigene Qualifikations- bzw. Eignungsbeurteilung vorgenommen hatte, was bereits wegen dessen fehlender Sachnähe auch kaum möglich gewesen sein dürfte, weshalb dann auch die unmittelbare Dienstvorgesetzte um eine Beurteilung gebeten und nach eventuellen Bedenken gegen eine Weiterbeschäftigung über die Probezeit hinaus gefragt worden war. Da sich der Gründungsbeauftragte im Anhörungsschreiben vom 07.08.2003 jeglichen Kommentars bezüglich der von der Dienstvorgesetzten, Frau Prof. Dr. G.-T., abgegebenen Beurteilung enthalten und im Hinblick auf seine Kündigungsabsicht nur auf diese verwiesen hat, ohne sich mit der Berechtigung oder Behebbarkeit der dort angesprochenen "unüberbrückbaren Beziehungsstörungen" zu befassen, war damit hinreichend deutlich geworden, dass allein die negative Beurteilung der Dienstvorgesetzten und die dort angegebenen "unüberbrückbaren Beziehungsstörungen" für den Gründungsbeauftragten ausreichend gewesen sein mussten, sich dahingehend zu entscheiden, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger nicht fortzusetzen und ihn vor Ablauf der Probezeit zu kündigen. Letzteres muss auch der Personalrat so aufgefasst haben, bemängelt er in seinem Widerspruchsschreiben doch die fehlenden arbeitgeberseitigen Bemühungen um eine Behebung dieser "Beziehungsstörungen", wobei er das Fehlen einer solchen Bereitschaft auf Arbeitgeberseite bereits seit dem 04.06.2003 als gegeben ansah. Von daher kann er das Anhörungsschreiben und die darin enthaltene Mitteilung, den Kläger gebeten zu haben, binnen einer Woche zur Beurteilung der Vorgesetzten vom 21.07.2003 Stellung zu nehmen, schlechterdings nicht dahingehend missverstanden haben, dass nunmehr ­ in der verbleibenden kurzen Zeitspanne bis zum Ablauf der Probezeit ­ (nun doch) eine Bereitschaft auf Arbeitgeberseite vorhanden war, sich um die Berechtigung bzw. Behebbarkeit der als "unüberbrückbar" angegebenen Beziehungsstörungen zu kümmern, womit die Kündigungsabsicht und die diesbezügliche Anhörung entgegen jeder Üblichkeit und Lebenserfahrung dann lediglich als eine nur vorläufige bzw. vorsorgliche zu qualifizieren gewesen wäre.

b) Der Umstand, dass man sich ­ und so auch für den Personalrat ohne Weiteres erkennbar ­ aus Opportunitätsgesichtspunkten vom Kläger trennen bzw. die Begründung eines dauerhaften, kündigungsgeschützten Arbeitsverhältnisses nicht riskieren wollte, machte es auch entbehrlich, dem Personalrat die später erfolgte Stellungnahme des Klägers vorzulegen. Vorliegend geht es nämlich nicht um eine (reaktive) verhaltensbedingte Kündigung, deren Gründe und Berechtigung vom Arbeitgeber, d. h. von dem dort jeweils Kündigungsberechtigten, sofern sie nicht Gegenstand dessen eigener unmittelbarer Wahrnehmung waren, erst noch eruiert werden müssen, wobei ein umfassendes Bild zu einem bestimmten Lebenssachverhalt, der zum Anlass einer Kündigung genommen werden soll, häufig erst dann möglich ist, wenn auch die diesbezügliche Einlassung und Sachverhaltsdarstellung des Arbeitnehmers bekannt ist. Die Stellungnahme des Klägers konnte an den Opportunitätsgesichtspunkten der Beklagten, welche vorliegend die maßgeblichen Kündigungsgründe waren, nichts ändern. Sie hätten bestenfalls ein Interesse der Beklagten wecken können, nun doch "der Sache mit den Beziehungsstörungen" genauer auf den Grund zu gehen ­ nicht anders, als wenn der Personalrat Letzteres mit seinem Widerspruchsschreiben bewirkt hätte, dem die Beklagte im Übrigen genauso wenig neuerlich vor Kündigungsausspruch mitteilen musste, warum seine Stellungnahme sie nicht von ihrem Kündigungsentschluss abgebracht hat, wie dies im Hinblick auf die Stellungnahme des Klägers der Fall war. Dass die Beklagte bzw. deren Kündigungsberechtigte sich bis zum Schluss nicht für die Berechtigung oder Behebbarkeit der durch die Vorgesetzte angesprochenen Beziehungsstörungen interessiert haben, zeigt im Übrigen auch der Wortlaut des Kündigungsschreibens, nach dem von den "vorgetragenen unüberbrückbaren und als gravierend bezeichneten Beziehungsstörungen" die Rede ist und nicht etwa von "erwiesenen bzw. bestehenden unüberbrückbaren und als gravierend anzusehenden Beziehungsstörungen".

c) Unschädlich ist schließlich auch, dass sich aus dem Anhörungsschreiben indirekt nur die Dauer der Beschäftigungszeit ergibt ("Ablauf der Probezeit" = fast sechs Monate) und nicht auch das Alter und der Familienstand des Klägers. Nach den Behauptungen der Beklagten im Schriftsatz vom 23.06.2002, denen der Kläger im Folgenden nicht entgegengetreten ist, war der Personalrat über die Sozialdaten des Klägers wie Alter, Betriebszugehörigkeit, Familienstand u.a. informiert worden, wobei ohnedies fraglich ist, inwiefern die vollständige Angabe der Sozialdaten in einem Fall, wie dem vorliegenden, überhaupt erforderlich ist (vgl. dazu BAG, AP Nr. 12 zu § 79 BPersVG; BAG, AP Nr. 173 zu § 613 a BGB; BAG, AP Nr. 73 zu § 102 BetrVG 1972).

Nach alledem konnte der Berufung kein Erfolg beschieden sein.

II. Die Kosten des Rechtsstreits waren dem Kläger gemäß § 97 ZPO aufzuerlegen.

III. Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1, 2 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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