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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 30.07.2002
Aktenzeichen: 15 Ta 282/02
Rechtsgebiete: KSchG, ZPO, ArbGG


Vorschriften:

KSchG § 5 Abs. 1
ZPO § 85 Abs. 2
ArbGG § 78 S. 2
ArbGG § 72 Abs. 2
1. Ein gewerkschaftllich vertretener Arbeitnehmer muss sich bei verspäteter Klageerhebung ein Verschulden seiner Einzel- bzw. Fachgewerkschaft im Rahmen des § 5 Abs. 1 KSchG nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen - auch wenn nur der DGB- Rechtschutz GmbH Prozessmandat erteilt wurde.

2. Eine zwecks Klageerhebung aufgesuchte und den Arbeitnehmer zunächst betreuende Einzelgewerkschaft ist - einem Korrespondenzanwalt vergleichbar - ihrerseits als insoweit mandatierter Bevollmächtigter im Sinne des § 85 II ZPO anzusehen.

3. Im Verfahren der nachträglichen Zulassung einer Kündigungsschutzklage nach § 5 KSchG ist gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts die Rechtsbeschwerde nach §§ 78 S. 2, 72 Abs. 2 ArbGG gegeben.


LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

Geschäftsnummer: 15 Ta 282/02

In dem Rechtsstreit

hat die 15. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf am 30.07.2002 durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht Dr. Stoltenberg

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Oberhausen vom 16.05.2002 1 Ca 761/02 abgeändert.

Der Antrag des Klägers auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Streitwert für das Beschwerdeverfahren: 14.100,-- .

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer von Seiten der Beklagten mit Schreiben vom 27.02.2002 zum 30.09.2002 ausgesprochenen Kündigung des mit dem Kläger seit dem 01.01.1975 bestehenden Arbeitsverhältnisses.

Mit der am 28.03.2002 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage wendet sich der Kläger gegen die ihm am 28.02.2002 zugegangene Kündigung und beantragt die nachträgliche Zulassung der Klage. Zur Begründung dieses Antrages hat er angegeben, am 20.03.2002 zu seiner Gewerkschaft IG-Metall gegangen zu sein und um Klageerhebung gegen die Kündigung gebeten zu haben. Der Geschäftsführer der IG-Metall habe dann am 21.03.2002 gegen 16.00 Uhr der Kassenführerin die Unterlagen übergeben, mit der Bitte, sie an die D.-Rechtsschutz GmbH im Hause weiterzuleiten. Diese habe die Unterlagen jedoch nicht sofort weitergereicht, sondern wegen anderer Arbeiten diese erst einen Tag später, am 22.03.2002 zur D.-Rechtsschutz GmbH gebracht. Ein Arbeitnehmer, wenn er sich entscheide, Rechtsschutz bei der Gewerkschaft zu suchen, suche grundsätzlich seine Einzelgewerkschaft auf und werde von dieser zunächst betreut. Die Weitergabe an den D.-Rechtsschutz werde von den Einzelgewerkschaften unterschiedlich gehandhabt. Erkläre jedoch die Einzelgewerkschaft, dass sie selbst den Fall nicht verfolgen werde, sondern an die D.-Rechtsschutz GmbH weitergeben werde, so unterschreibe der Arbeitnehmer eine Prozessvollmacht auch ausschließlich und allein für den D.- Rechtsschutz, wie vorliegend auch im Falle des Klägers geschehen.

Das Arbeitsgericht Oberhausen hat mit Beschluss vom 16.05.2002, auf den im Übrigen Bezug genommen wird, die Kündigungsschutzklage nachträglich zugelassen. Seine Entscheidung hat es im Wesentlichen damit begründet, dass dem Kläger das Verschulden der Einzelgewerkschaft, die es unterlassen habe, rechtzeitig die Unterlagen zum D.-Rechtsschutz weiterzuleiten, nicht nach § 85 Abs. 2 ZPO angerechnet werden könne, da Prozessvertreter nach der Prozessvollmacht allein die D.-Rechtsschutz GmbH sei. Es gebe von daher keine Zurechnungsnorm, die es erlaube, dem Kläger das Verschulden des Gewerkschaftssekretärs anzulasten.

Der Beschluss ist der Beklagten am 07.06.2002 zugestellt worden. Mit der am 20.06.2002 beim Arbeitsgericht Oberhausen eingegangenen sofortigen Beschwerde verweist die Beklagte darauf, dass die Nachlässigkeit der Gewerkschaft IG-Metall dem Kläger unter dem Gesichtspunkt des Vertreterverschuldens anzurechnen sei, da die IG-Metall hinsichtlich der Aufnahme der notwendigen Daten für die Kündigungsschutzklage Vertreter der D.-Rechtsschutz GmbH sei. Die Einzelgewerkschaft IG-Metall bereite den Fall für die D.-Rechtsschutz GmbH mundgerecht- auf. Insofern bestehe eine Arbeitsteilung zwischen den Gewerkschaften, die zu einer engen Bindung führe. Selbst wenn die Einzelgewerkschaft nicht als Unterbevollmächtigte des D.-Rechtsschutzes im Zusammenhang mit der Datenaufnahme zu sehen sei, so spräche doch die intern geregelte Aufgabenverteilung und die vollständige Vorbereitung der Kündigungsschutzklage durch die Einzelgewerkschaft dafür, dem D.-Rechtsschutz dies als Organisationsverschulden zuzurechnen. Der D.- Rechtsschutz müsse als Prozessbevollmächtigter die Organisation so gestalten, dass die fristgerechte Übermittlung der Kündigungsschutzklage sichergestellt sei und hinreichend überwacht werde. Der Kläger ist dem Beschwerdevorbringen der Beklagten nicht entgegengetreten.

Wegen des weiteren Vorbringens wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die gem. § 5 Abs. 4 Satz 2 KSchG statthafte und gem. § 78 Satz 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 567 Abs. 1, 569 ZPO form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde ist zulässig. Sie hat auch in der Sache Erfolg.

1. Der Kläger hat gegen die ihm am 28.02.2002 zugegangene Kündigung mit der erst am 28.03.2002 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage verspätet, weil nach Ablauf der 3-Wochen-Frist des § 4 Satz 1 KSchG Klage erhoben. Sein Antrag auf nachträgliche Zulassung der verspätet erhobenen Kündigungsschutzklage ist zwar zulässig. In der Sache kann er jedoch abweichend von der Beurteilung des Arbeitsgerichts nach Auffassung des Beschwerdegerichts keinen Erfolg haben.

2. Die nachträgliche Zulassung einer verspäteten Klage setzt voraus, dass der Arbeitnehmer nach erfolgter Kündigung trotz Anwendung aller ihm nach der Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert war, die Klage innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung zu erheben (§ 5 Abs. 1 KSchG). An der Versäumung der Klagefrist darf den Arbeitnehmer in der Regel keinerlei Verschulden treffen, auch nicht in Form leichter Fahrlässigkeit, da die Einhaltung der Klagefrist der Rechtssicherheit dient (ErfK-Ascheid, § 5 KSchG, Rdnr. 2 m. w. N.).

a) Die Frage, ob es dem durch einen Prozessbevollmächtigten vertretenen Kläger eines Kündigungsschutzprozesses gem. § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen ist, wenn die Klage durch ein Verschulden seines Prozessbevollmächtigten nicht rechtzeitig erhoben wird, ist seit langem heftig umstritten (vgl. dazu KR- Friedrich, § 5 KSchG, Rdnr. 69 b ff; Wenzel in Bader/Bram/Dörner/Wenzel, KSchG, § 5 Rz. 85 ff Stand Juni 1999; APS-Ascheid, § 5 KSchG, Rz. 27 ff; ErfK-Ascheid, § 5 Rz. 5; demnächst Vossen in Stahlhacke/Preis/Vossen, 8. Aufl., § 5 KSchG, Rdnr. 1845 ff Fußnote 254; Tschöpe/Fleddermann, Betriebsberater 1998 Seite 157 ff alle mit zahlreichen Rechtsprechungsnachweisen). Vom Beschwerdegericht wird sie in ständiger Rechtsprechung bejaht (vgl. so z. B. zuletzt mit Beschluss vom 28.03.2002 15 Ta 91/02 mit Zulassung der Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgerichts). Ebenso wie bei den in § 233 ZPO genannten Fristen geht es bei der 3-Wochen- Frist des § 4 KSchG um die Einhaltung einer dem Gericht gegenüber einzuhaltenden Frist, bei deren Versäumung Rechtsnachteile entstehen (so Bundesverfassungsgericht vom 25.02.2000 1 BvR 1363/99 AP Nr. 13 zu § 5 KSchG 1969 unter Hinweis auf BAG Urteil vom 06.08.1987 2 AZR 553/86 -). Grundgedanke des § 85 Abs. 2 ZPO ist es, dass eine Partei, die ihren Rechtsstreit durch einen Vertreter führt, in jeder Weise so behandelt werden soll, als ob sie ihn selbst führen würde. Das entspricht dem auch im materiellen Zivilrecht zu beobachtenden Grundsatz, dass derjenige, der die Erfüllung eigener Pflichten auf Personen seines Vertrauens überträgt, für deren Verschulden einzustehen hat (§ 278 Satz 1 BGB): Die Übertragung einer Pflicht soll zur Folge haben, dass sie durch eine andere Person erfüllt wird, nicht aber, dass die Pflicht entfällt. Die Nichtanwendung des § 85 Abs. 2 ZPO auf die Vorschrift des § 5 Abs. 1 KSchG würde aber gerade dies bewirken: Von dem Zeitpunkt an, in dem der Arbeitnehmer die Führung des Prozesses seinem Prozessbevollmächtigten überträgt, wäre für die Einhaltung der Frist praktisch niemand mehr verantwortlich: Der Arbeitnehmer nicht, weil er mit der Beauftragung seines Anwaltes das Seine getan hätte, der Anwalt nicht, weil sein Verhalten außer Betracht bliebe. Der Kläger einer Kündigungsschutzklage könnte also auch durch die Beauftragung eines Anwalts die gesetzliche Vorschrift des § 4 Satz 1 KSchG de facto beseitigen, indem sie dann nämlich eine Frist vorsähe, für deren Einhaltung niemand verantwortlich gemacht werden könnte.

Von einer Vertiefung der für eine Zurechung von Vertreterverschulden bei verspäteter Klageerhebung nach § 4 KSchG sprechenden Argumente (vgl. insoweit aus letzter Zeit z. B. Thüringer LAG vom 30.11.2000 7 Ta 19/00 -) und einem weitergehenden Beitrag zu der seit langem kontrovers geführten Rechtsdiskussion zur Anwendung des § 85 Abs. 2 ZPO bei verspäteter Klageerhebung durch Vertreterverschulden soll abgesehen werden, da nach der Reform des Zivilprozesses vom 27.07.2001 (nunmehr endlich) die Möglichkeit zur Herbeiführung einer abschließenden Klärung und einheitlichen Rechtsprechung durch Zulassung der Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht gegeben ist. Insoweit wird auf die nachfolgenden Ausführungen unter Ziffer V Bezug genommen.

b) Einer vertiefenden Auseinandersetzung bedarf es wegen der Besonderheiten des vorliegenden Falles allerdings noch im Hinblick auf die Frage des Beginns der für § 85 ZPO relevanten Vertretung und der insoweit als Bevollmächtigte angesprochenen Personen.

aa) Soweit ersichtlich, ist bislang noch nie ernsthaft in Abrede gestellt worden, dass § 85 Abs. 2 ZPO grundsätzlich auch auf arbeitsgerichtliche Verfahren Anwendung findet. Streitig ist allein, ab welchem Zeitpunkt dies der Fall sein soll. Auch nach der (Gegen-)Meinung, die eine Anwendung des § 85 Abs. 2 im Rahmen des § 4 KSchG ablehnt, kann mithin in einem recht frühen Stadium des Verfahrens dem Arbeitnehmer ein Fehler seines Prozessbevollmächtigten zum Verhängnis werden und dazu führen, dass es zu einer Überprüfung der Sozialwidrigkeit der Kündigung bzw. deren Rechtswirksamkeit nach § 626 BGB erst gar nicht kommt, so etwa, wenn die bereits erhobene Klage versehentlich zurückgenommen wird, ein rechtskräftiges klageabweisendes Versäumnisurteil nach Säumnis im Gütetermin ergeht, ein im Gütetermin abgeschlossener, für den Arbeitnehmer aber unakzeptabler Widerrufsvergleich nicht rechtzeitig widerrufen wird etc.

bb) Die Klageerhebung ist eine Prozesshandlung. § 85 Abs. 2 ZPO differenziert nicht danach, ob es um eine Prozesshandlung innerhalb eines bereits anhängigen Verfahrens oder um die Einleitung eben dieses Verfahrens geht (Grunsky, Anmerkung zu LAG Hamm, EzA Nr. 8 zu § 5 KSchG). Die Vertretung und damit dann auch die prozessuale Verschuldenszurechnung beginnt mit der Annahme des Mandats durch den Vertreter (BGH vom 19.04.1967 NJW 1967, 1567 f.; Zöller-Vollkommer ZPO 23. Aufl., § 85 Rdnr. 22; Mü-Ko. ZPO 2. Aufl. v. Mettenheim § 85 Rdnr. 21; Thomas/Putzo ZPO 22. Aufl., § 85 Rdz. 7,14; Brehm, Anmerkung zu LAG Hamm vom 21.12.1995 LAGE Nr. 73 zu § 5 KSchG; Thüringer LAG vom 30.11.2000, 7 Ta 19/00 m. w. N.).

Bevollmächtigter im Sinne des § 85 Abs. 2 ZPO ist derjenige, dem durch Rechtsgeschäfte die Befugnis zur eigenverantwortlichen Vertretung der Partei erteilt wurde. Die Vollmacht muss nicht im vollen Umfang der §§ 81 83 ZPO bestehen. Auch wer von der Parteien nur mit einzelnen Handlungen beauftragt wurde, wie z. B. mit der Entgegennahme von Zustellungen oder mit der Führung der Korrespondenz ist Prozessbevollmächtigter im Sinne des § 85 Abs. 2 (Mü-Ko. a. a. O. § 85 Rdnr. 15 m. w. N.; Zöller-Vollkommer a. a.O. § 85 Rdnr. 17 m. w. N.). Dabei kann eine Parteien durchaus mehrere Vertreter (gleichzeitig oder nacheinander) haben. Sind mehrere Prozessbevollmächtigte vorhanden, so haftet die Parteien für das Verschulden jedes einzelnen, sofern seine Handlungen im Rahmen der erteilten Vollmacht liegen. Auch das Verschulden eines Korrespondenzanwalts, der für den am Prozessgericht zugelassenen Rechtsanwalt die Schriftsätze vorbereitet, ist der Partei zuzurechnen (zur Verschuldenszurechnung bei mehreren Prozessbevollmächtigten vgl. BGH vom 17.12.1987 NJW 1988 Seite 1079 ff.; BGH vom 10.10.1995, VersR 1996, 606 f.; BGH vom 28.03.1990 VersR 1990 Seite 801 ff.; Mü-Ko.-von Mettenheim § 85 Rdnr. 19; Zöller-Vollkommer § 85 Rdnr. 21).

Namentlich bei einem Rechtsanwalt, der am Prozessgericht nicht zugelassen war, konnte sich mithin die Situation ergeben, dass derselbe als Verkehrsanwalt fungierte, wohingegen das Prozessmandat einem anderen Bevollmächtigten erteilt wurde. Das Fehlen eines Prozessmandats bedeutet mithin nicht, dass der als Verkehrsanwalt tätige Vertreter nicht Bevollmächtigter im Sinne des § 85 Abs. 2 ZPO wäre (vgl. zu dessen Haftung BGH a. a. O.). Von einem solchen Fall zu unterscheiden ist jedoch ein Sachverhalt, bei dem ein Anwalt zwar (auskunftserteilend) tätig geworden ist, von der Parteien jedoch überhaupt nicht mandatiert worden war (vgl. dazu BGH vom 13.12.1995 FamRZ 1996, 408 f.), als auch der Fall, dass es sich um eine im Vorfeld liegende Beratung handelt, die keinen Prozessführungsauftrag bezweckt und damit nach allgemeiner Ansicht außerhalb des Geltungsbereiches des § 85 Abs. 2 ZPO liegt (vgl. dazu etwa Bader/Brahm/Dörner/Wenzel § 5 KSchG Rdnr. 86). Zu fordern ist, dass sich die Vertretungsmacht irgendwie auf den Prozess bezieht (LAG Frankfurt vom 15.11.1988 LAGE Nr. 41 zu § 5 KSchG).

c) Ausgehend von diesen Grundsätzen ist hier zu fragen, welche Rolle der Einzel- bzw. Fachgewerkschaft im Zusammenhang mit der Entgegennahme, Aufbereitung und Weiterleitung eines Klageauftrages zukommt, wenn sie von einem ihrer Mitglieder zwecks Klageerhebung aufgesucht wird.

aa) Da die Erteilung eines solchen Mandats und dessen Annahme auch formlos erfolgen kann (BGH vom 15.10.1986 BGHR ZPO § 233 Rechtsmittelauftrag 1) wäre jedenfalls dann, wenn die Einzel- Fachgewerkschaft den Fall selber verfolgt, ab dem Zeitpunkt, ab dem sie sich der Sache annimmt, von einer Mandatsannahme auszugehen mit der Folge, dass ab diesem Zeitpunkt auch § 85 Abs. 2 ZPO anzuwenden wäre.

bb) Nichts anderes kann nach Auffassung der Kammer dann gelten, wenn das prozessuale Betreiben der Sache nicht durch die Einzel- bzw. Fachgewerkschaft selbst erfolgt, sondern dadurch substituiert- wird, dass sie die Sache an den D. Rechtsschutz GmbH zum Zwecke der Prozessführung weitergibt. Der BGH (BGH vom 10.01.2002 III ZR 62/01 NZA 2002 Seite 446 ff.) hat bei einer ähnlichen Sachverhaltskonstellation die Rechtstellung der Einzelgewerkschaft mit der eines den Verkehr der Partei mit dem Prozessbevollmächtigten führenden Korrespondenzanwaltes verglichen. Selbst wenn die Aufgaben und Pflichten der Einzelgewerkschaft im Rahmen der Einleitung eines Klageverfahrens mit denen eines Korrespondenzanwaltes nicht in jedem Falle deckungsgleich sein sollten, ist eine weitestgehende Vergleichbarkeit mit einem Korrespondenzanwalt nach Auffassung des Beschwerdegerichts indes zu bejahen. Das Gewerkschaftsmitglied, dass sich zum Zwecke der Einlegung einer Klage zu seiner Gewerkschaft begibt, geht davon aus, dass ab dem Zeitpunkt, in dem sich seine Gewerkschaft der Sache annimmt, seine Interessen nunmehr durch einen Dritten sei es ganz durch die Fachgewerkschaft selbst oder arbeitsteilig durch sie und die im weiteren eingeschaltete D. Rechtsschutz GmbH wahrgenommen werden. Wollte die Fachgewerkschaft eine bloße Botenfunktion mit unverbindlicher Hilfestellung bei der Zusammenstellung der Unterlagen und Informationen für die Klageerhebung einnehmen, müsste sie dies deutlich machen, anderenfalls der Arbeitnehmer davon ausgehen kann und muss, dass er nicht erst ab Klageerhebung und beschränkt auf das Prozessmandat sondern zuvor bereits aufgrund eines insoweit schon bestehenden Mandatsverhältnisses umfassend betreut und vertreten wird entsprechend der (satzungsmäßigen) Aufgabe der einzelnen Gewerkschaften.

3. Das Verschulden der Einzelgewerkschaft bezüglich der verspäteten Weiterreichung der Unterlagen ist dem Kläger nach § 85 Abs. 2 ZPO somit zuzurechnen.

Irgendwelche Umstände, die den für die Gewerkschaft tätig gewordenen Geschäftsführer bzw. Gewerkschaftssekretär hätten entlasten können, sind nicht vorgetragen worden so insbesondere auch nichts zur Frage, ob ausreichende Vorkehrungen getroffen worden waren, dass die Klage durch die D. Rechtsschutz GmbH noch rechtzeitig eingereicht werden konnte, wozu zumindest gehörte hätte, dass die (ansonsten zuverlässige) Kassenführerin eigens auf die Dringlichkeit der Angelegenheit und die Notwendigkeit sofortiger Erledigung hingewiesen worden wäre. Dazu findet sich im Sachvortrag des Kläger jedoch nichts.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

IV.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren entspricht dem Streitwert der Kündigungsschutzklage (§ 12 Abs. 7 KSchG).

V.

Die Rechtsbeschwerde war gemäß §§ 78 Satz 2, 72 Abs. 2 Ziff. 1, 2 ArbGG n. F. zuzulassen, da die dort genannten Voraussetzungen vorliegend gegeben sind.

Die Beschwerdekammer sieht keinen Grund, § 78 Satz 2 i. V. m. § 72 Abs. 2 ArbGG n. F. auf das Beschwerdeverfahren nach § 5 Abs. 4 Satz 2 KSchG nicht anzuwenden, wie es vereinzelt vertreten wird (so demnächst Vossen in Stahlhacke/Preis/Vossen KSchG 8. Aufl., Rdnr. 1869 m. w. N.; GK-ArbGG- Wenzel § 78 Rdnr. 121).

Wie zuvor bereits § 78 ArbGG in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung regelt auch § 78 ArbGG in der ab dem 01.01.2002 geltenden Fassung das Beschwerdeverfahren und so u. a. auch den für dieses geltenden Instanzenzug-, d. h. die Möglichkeit zur weiteren- Beschwerde gegen einen Beschluss des Landesarbeitsgerichts, welche nach dem alten Recht auf wenige Ausnahmefälle beschränkt war. Die in § 78 Abs. 2 ArbGG a. F. enthaltene Beschränkung findet sich in § 78 ArbGG n. F. nicht mehr. Auf die Regelung des Beschwerdeverfahrens gegen erstinstanzliche Entscheidungen folgt die Regelung der Rechtsbeschwerde, die nach dem Verweis auf § 72 Abs. 2 ArbGG immer dann zuzulassen ist, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder einer der in § 72 Abs. 2 Ziff. 2 ArbGG genannten Divergenzen vorliegt.

Die in § 5 Abs. 4 Satz 2 KSchG angesprochene sofortige Beschwerde ist eine Beschwerde im Sinne des § 78 Satz 1 ArbGG gesetzlich zugelassen und gerichtet gegen eine Entscheidung des Arbeitsgerichts (§ 567 Abs. 1 ZPO). Anders als etwa in § 98 Abs. 2 Satz 4 ArbGG ist die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts über die Beschwerde nach § 5 Abs. 4 Satz 2 KSchG nicht ausgeschlossen (worden). Ob ein solcher Ausschluss etwa aus Gründen der Verfahrensbeschleunigung im Verfahren nach § 5 Abs. 4 Satz 2 KSchG wünschenswert gewesen wäre oder ob nicht wegen des jahrzehntelangen Rufes der Landesarbeitsgerichte nach dem Gesetzgeber zwecks Ermöglichung einer Rechtsvereinheitlichung auf dem Gebiet der nachträglichen Kündigungsschutzklagenzulassung ein Ausschluss der Rechtsbeschwerde zum BAG gerade auf diesem Gebiet unangemessen gewesen wäre, hat die Beschwerdekammer nicht zu entscheiden. Diese (schwerwiegende) Entscheidung hat allein der Gesetzgeber zu treffen. Auch verbietet es sich, diese Entscheidung (über einen Ausschluss der Rechtsbeschwerde) in § 5 Abs. 4 Satz 2 KSchG ergänzend hineinzuinterpretieren-. § 5 Abs. 4 Satz 2 KSchG ist erkennbar keine abschließende Regelung, sondern nimmt mit dem verfahrensrechtlich selbst nicht näher geregelten terminus technicus sofortige Beschwerde- auf die einschlägigen Verfahrensregelungen zu diesem Rechtsinstitut Bezug, an deren Schicksal sie bei entsprechenden Gesetzesänderungen, wie hier z. B. vom 27.07.2001, dann entsprechend auch teilnimmt.

Ende der Entscheidung

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