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Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 09.10.2008
Aktenzeichen: 15 TaBV 96/07
Rechtsgebiete: BetrVG


Vorschriften:

BetrVG § 98
Moderierte Gesprächskreise (work-shops) stellen eine mitbestimmungspflichtige Maßnahme der betrieblichen Berufsbildung im Sinne des § 98 Abs. 1 BetrVG bzw. zumindest eine sonstige Bildungsmaßnahme nach § 98 Abs. 6 BetrVG dar, wenn diese nach vorgegebenem didaktisch-methodischen Konzept Hintergrundwissen und Erfahrungen in Form von "Selbsterfahrung" vermitteln.
Tenor:

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 28.09.2007 - 1 BV 101/07 - abgeändert:

Es wird festgestellt, dass die Betriebsvereinbarung zum Einsatz von internen Trainern vom 18.04.2007 auf den Einsatz von Moderatoren im Rahmen der Maßnahme Route 77 anzuwenden ist.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über die Frage der Anwendbarkeit einer Betriebsvereinbarung zur internen Weiterbildung auf ein bestimmtes Maßnahmekonzept, bei der Mitarbeiter der Antragsgegnerin als Moderatoren zum Einsatz kommen.

Antragsteller ist der Betriebsrat des Betriebes Niederlassung Region West der Arbeitgeberin, gegen die sich der vorliegende Antrag richtet. Die Beteiligten haben am 18.04.2007 eine "Betriebsvereinbarung zum Einsatz von internen Trainern" abgeschlossen. Nach ihrer Präambel hat diese Betriebsvereinbarung zum Ziel, Beschäftigten die Möglichkeit zu geben, als interne Trainer eingesetzt und bezahlt zu werden, um dadurch u.a. die Wissensweitergabe in der Niederlassung zu fördern. Wegen der Einzelheiten der Betriebsvereinbarung wird auf die zu den Akten gereichte Kopie (Bl. 8 bis 13) Bezug genommen.

In der zweiten Jahreshälfte 2006 erarbeitete die Arbeitgeberin ein Maßnahmekonzept "Route 77" der NL Region West" mit dem Ziel, einen Kundenzufriedenheitsindex von 77 zu erreichen. Hierbei sollen über einen Zeitraum von zwei Jahren in vier Entwicklungsschritten die weiteren Schritte in Teams entwickelt werden. Diese Teams werden von Mitarbeitern als Moderatoren gestaltet. Die vorgesehenen Moderatoren sind nicht speziell für diese Aufgabe ausgebildet; sie werden für ihre Aufgaben zweitägig vorab und dann noch einmal jeweils zweitägig vor jedem der vier Treffen ausgebildet. Das Konzept besteht im Wesentlichen aus einzelnen Workshops, in denen Mitarbeiter in internen Diskussionsrunden eigene Ideen und Vorschläge zur Verbesserung der Kundenzufriedenheit erarbeiten sollen.

In einem Informationsblatt zum Moderatorenprofil für die Maßnahme "Route 77" heißt es zur Frage "Was genau ist die Aufgabe des Moderators im Programm Route 77?":

"Organisation und Durchführung von jeweils vier unterschiedlichen Treffen pro "Streckenabschnitt". Jeder Streckenabschnitt bedeutet dabei die Bearbeitung eines bestimmten Themas und der Kundenorientierung...

Im Verlauf Programm Route 77 wird es dann mehrere solcher Streckenabschnitte mit jeweils diesen vier Treffen geben.

- Moderation und Leitung dieser Treffen

- Vermittlung von Inhalten und Wissen an die Kollegen mit Hilfe vorbereiteter Unterlagen

- Dokumentation der Arbeitsergebnisse und Erstellung von Berichten pro Treffen

- Enge Abstimmung und Zusammenarbeit mit dem eigenen Vorgesetzten in der Vorbereitung. Durchführung und auch Nachbereitung der Teamtreffen 1 und 4.

Unterstützt wird die Aufgabe des Moderators wie folgt:

- Zum Start Teilnahme an einem zweitägigen grundsätzlichen Moderatoren-Training

- Pro Streckenabschnitt Teilnahme an einem zweitägigen Moderatoren-Treffen zur konkreten inhaltlichen Vorbereitung auf die eigenen vier Treffen

- Umfangreiche Unterlagen zur Vorbereitung und Durchführung der Treffen: In Leitfäden wird genau beschrieben, was man wie im Treffen gestalten sollte. Umfangreiches Hintergrundwissen und Erläuterungen zu Folien etc. helfen dem Moderator, sich auf die Inhalte der Treffen vorzubereiten. Außerdem stehen für alle Punkte vorbereitete Präsentationen oder sonstige Dateien (z.B. zum Verteilen an die Kollegen) zur Verfügung..."

Mit seinem am 02.07.2007 bei Gericht eingegangenen Antrag machte der Betriebsrat geltend, dieser vorgesehene Einsatz von Moderatoren unterfalle der "Betriebsvereinbarung über den Einsatz interner Trainer" mit der Folge, dass die Moderatoren Anspruch auf eine entsprechende zusätzliche Vergütung haben. Aus der Durchführungsverpflichtung des Arbeitgebers folge, dass er den Einsatz von Moderatoren zu unterlassen habe, ohne die vorgesehene Vergütung zu zahlen. Jedenfalls handele es sich bei dem Programm "Route 77" um eine mitbestimmungspflichtige Bildungsmaßnahme.

Der antragstellende Betriebsrat hat beantragt,

1. Der Antragsgegnerin wird untersagt, in der Niederlassung Region West Moderatoren für das Programm "Route 77" einzusetzen, ohne diesen die Tätigkeit als Moderatoren gemäß § 3 der "Betriebsvereinbarung zum Einsatz von internen Trainern" vom 18.04.2007 zu vergüten und die Vorgaben des § 2 dieser Betriebsvereinbarung einzuhalten.

2. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung aus Nr. 1 wird der Antragsgegnerin - bezogen auf jeden Tag und jeden Arbeitnehmer - ein Ordnungsgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, ersatzweise Ordnungshaft, angedroht.

Hilfsweise:

Es wird festgestellt, dass die Antragsgegnerin durch den Einsatz von Moderatoren für das Programm "Route 77" gegen die "Betriebsvereinbarung zum Einsatz von internen Trainern" vom 18.04.2007 verstößt.

Weiter hilfsweise:

Es wird festgestellt, dass es sich bei dem Einsatz von Moderatoren bei dem Programm "Route 77" um eine Maßnahme der betrieblichen Berufsbildung gemäß § 98 BetrVG handelt.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

die Anträge zurückzuweisen.

Die Arbeitgeberin ist der Ansicht, das Programm "Route 77" sei keine seminarähnliche Veranstaltung im Sinne der Betriebsvereinbarung. Im Unterschied zu den internen Trainern dieser Betriebsvereinbarung beinhalte die dortige Moderatorentätigkeit keine didaktisch konzepierte Weitergabe von Wissen und Lösungen, sondern lediglich die Begleitung und Betreuung der einzelnen Work-Shops. Bei dem Projekt "Route 77" gehe es demnach nicht um die Vermittlung externer Kenntnisse, sondern vielmehr um eine interne Analyse und Selbsteinschätzung von Teams und Mitarbeitern mit dem Ziel, innerhalb des Betriebes eigene Lösungsmöglichkeiten zu finden und umzusetzen.

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 28.09.2007 die Anträge zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:

Der Hauptantrag sei unbegründet, da dem Antragsteller der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt zustehe. Einen Gesetzesverstoß reklamiere der Betriebsrat selbst nicht. Er gehe lediglich davon aus, dass die Arbeitgeberin gegen die abgeschlossene Betriebsvereinbarung dadurch verstoße, dass sie die Moderatoren nicht vergüte, wie interne Trainer. Vom Antragsteller werde gerade nicht verlangt, dass die Arbeitgeberin den Einsatz von Moderatoren schlechthin unterlasse, sondern lediglich, dass sie den Einsatz ohne entsprechende Vergütungszahlung unterlasse. Damit ziele das Begehren des Antragstellers darauf ab, für diese Moderatoren eine Vergütung zu erreichen, nicht aber, deren Einsatz tatsächlich zu verhindern. Diese (Vergütungs-)Ansprüche könne der Betriebsrat nicht im eigenen Namen geltend machen. Das Betriebsverfassungsrecht habe ihm nicht die Rolle eines gesetzlichen Prozessstandschafters zugewiesen. Der erste Hilfsantrag sei aus vergleichbaren Erwägungen ebenfalls unbegründet. Auch der weitere Hilfsantrag sei unbegründet, da es sich bei dem Programm "Route 77" nicht um eine (mitbestimmungspflichtige) Maßnahme der betrieblichen Berufsbildung im Sinne von § 98 BetrVG handele. Im Streitfall sei nicht erkennbar, inwiefern die Teilnehmer an dem Programm "Route 77" Kenntnisse und Erfahrungen vermittelt bekämen, die zur Ausfüllung ihres Arbeitsplatzes oder einer beruflichen Tätigkeit notwendig seien. Es handele sich vielmehr um Maßnahmen, bei denen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Rahmen von moderierten Gesprächskreisen ihre bisherigen Erfahrungen, aber auch neue Ideen einbringen sollen, um so zu einer stärkeren Kundenorientierung und damit Kundenzufriedenheit zu gelangen. Ziel der moderierten Gesprächskreise sei es nicht, dass die Moderatoren Kenntnisse und Fertigkeiten an die anderen Mitarbeiter weitergäben. Genau dies kennzeichne indes die Tätigkeit eines Trainers. Aufgabe eines Trainers sei es, unter Zurhilfenahme von pädagogischen und didaktischen Konzepten sein Wissen den Seminarteilnehmern zu vermitteln. Ziel sei es, dass die Seminarteilnehmer am Ende der Veranstaltung mehr könnten oder wüssten, als zu Beginn der Veranstaltung. Genau dies sei bei den moderierten Gesprächskreisen von "Route 77" nicht der Fall.

Der Beschluss des Arbeitsgerichts Düsseldorf wurde dem Antragsteller am 19.10.2007 zugestellt. Am 19.11.2007 ging die Beschwerdeschrift beim Landesarbeitsgericht ein. Nach Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist bis zum 19.01.2008 ging die Beschwerdebegründungsschrift am Montag, dem 21.01.2008 beim Landesarbeitsgericht ein. Zur Begründung seiner Beschwerde hat der Antragsteller darauf hingewiesen, dass die Beteiligten darüber streiten würden, ob die "Betriebsvereinbarung zum Einsatz von internen Trainern" vom 18.04.2007 auf den Einsatz von Moderatoren im Rahmen der Maßnahme "Route 77" anzuwenden sei, was entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts nicht bereits deshalb verneint werden könne, weil die Moderatoren im Rahmen der Maßnahme "Route 77" in dieser Betriebsvereinbarung nicht erwähnt seien, obgleich den Betriebsparteien, zumindest aber der Antragsgegnerin, die Maßnahme bei Abschluss der Betriebsvereinbarung bekanntgewesen sei. Erfasst vom Geltungsbereich der Betriebsvereinbarung seien nach deren § 2 a) "Seminare und seminarähnliche Veranstaltungen", wobei die hier streitgegenständliche zumindest seminarähnlich sei. Dass die Maßnahme "Route 77" keinen ausdrücklichen Eingang in den Text der Betriebsvereinbarung "zum Einsatz von internen Trainern" gefunden habe, sei schlichtweg damit zu erklären, dass nicht Inhalt der Betriebsvereinbarung habe sein sollen, einzelne, zeitlich überschaubare und sich im Zweifel aufgrund der raschen Entwicklung des Unternehmens immer wieder ablösende Einzelmaßnahmen in den Text der Betriebsvereinbarung aufzunehmen. Im Übrigen ergebe sich aus der Anlage 3 zur Betriebsvereinbarung interner Trainer, dass "Moderation" als eine der Form der Leistungserbringung durch interne Trainer im Sinne der Betriebsvereinbarung vorgesehen sei.

Die Vorinstanz - und ihr folgend auch die Antragsgegnerin - unterliege einem allzu engen Begriff der Berufsbildungsmaßnahme. Zum einen sei es keineswegs so, dass die herrschende Meinung der Literatur Qualitätszirkel dem Anwendungsbereich des § 96 ff. BetrVG und damit dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gemäß § 98 BetrVG entziehen würde, wobei hier ohnedies passender der Begriff des "Work-Shops" wäre. Wie im vorgelegten Moderatorenprofil aufgenommen, sei als Aufgabe der Moderatoren u.a. genannt "die Vermittlung von Inhalten und Wissen anhand vorbereitender Unterlagen". In der als Anlage 2 zur Antragsschrift vorgelegten Beschreibung des Grobkonzepts der Maßnahme "Route 77" heiße es "jeder Entwicklungsschritt wird in vier Treffen systematisch bearbeitet". Die Aussage der Antragsgegnerin, es finde kein Wissenstransfer vom Moderator zum Team statt, werde im Übrigen auch bereits zu Beginn des Moderatorenhandbuchs widerlegt, in dem die Vermittlung von Hintergrundwissen durch den Moderator in drei Abschnitten zu 45, 50 und 15 Minuten angesprochen ist. Des Weiteren habe sich der Moderator zur Vorbereitung der durch die Antragsgegnerin erstellter Dateien zu bedienen, deren Inhalt er den Teilnehmenden in den zeitlich konkretisierten Abschnitten und der dort beschriebenen Weise zu vermitteln habe.

Der Antragsteller beantragt,

festzustellen, dass die Betriebsvereinbarung zum Einsatz von internen Trainern vom 18.04.2007 auf den Einsatz von Moderatoren im Rahmen der Maßnahme "Route 77" anzuwenden ist.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Antragsgegnerin verteidigt den erstinstanzlichen Beschluss und verweist darauf, dass die Betriebsvereinbarung selbst keine klare Qualifikationsanforderung für interne Trainer stelle. Maßgebend sei, dass die internen Trainer eigene Kenntnisse, die sie selbst im Rahmen von vorausgegangenen eigenen Schulungen erworben hätten, an andere Mitarbeiter und Kollegen weitergeben würden. Im Gegensatz hierzu würden die Moderatoren im Programm "Route 77" kein eigenes erworbenes Wissen an Dritte im Rahmen einer Seminarveranstaltung vermitteln. Vom Begriff her würde es sich bei einem Moderator um eine Person handeln, die ein Gespräch lenke oder lenkend in eine Kommunikation eingreife. Sie würden helfen, Strategien zu entwicklen, Reorganisation voranzubringen, Pläne zu schmieden oder Erfahrungen auszutauschen. Dies erfolge insbesondere auch in Work-Shops, bei denen es sich um einen Erfahrungsaustausch zwischen den Teilnehmern handele. Dieser Erfahrungsaustausch müsse organisiert und gelenkt werden. Diese Aufgabe übernehme der Moderator, der den anderen Teilnehmern nicht immer fachlich voraus sei. Dieser Begrifflichkeit entspreche auch das Ziel des Programms "Route 77".

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Betriebsvereinbarung zum Einsatz von internen Trainern vom 18.04.2007 ist auf den Einsatz von Moderatoren im Rahmen der Maßnahme "Route 77" anzuwenden.

Dem diesbezüglichen Feststellungsantrag des Antragstellers war deshalb stattzugeben.

1. Der Feststellungsantrag des Antragstellers ist zulässig.

Soweit erstinstanzlich und anfangs auch noch im Beschwerdeverfahren zwischen den Beteiligten die Zulässigkeit der zunächst gestellten Anträge diskutiert worden war unter dem Gesichtspunkt, dass der Antragsteller mit diesen genau genommen im eigenen Namen die einzelnen Arbeitnehmer zustehenden Ansprüche geltend mache, wozu er nicht berechtigt sei, gelten diese Bedenken im Hinblick auf den zuletzt gestellten Antrag nicht mehr. Mit diesem macht der Antragsteller ein eigenes betriebsverfassungsrechtliches Recht geltend, zu dem auch der Anspruch auf abredegemäße Durchführung einer Betriebsvereinbarung gehört. Eine betriebsverfassungsrechtliche Streitigkeit entfällt nicht schon deshalb, weil durch die Auseinandersetzung über Inhalt, Reichweite und Wirksamkeit einer Betriebsvereinbarung wegen deren normativen Wirkung auch indivualrechtliche Rechtspositionen der unter ihren Geltungsbereich fallenden Arbeitnehmer betroffen sind. Entscheidend ist, ob sich das Verfahren auf das betriebsverfassungsrechtliche Verhältnis der Betriebspartner bezieht, was z.B. dann der Fall ist, wenn die Betriebspartner über die Auslegung einer Betriebsvereinbarung streiten und diese Auslegungsfrage im Beschlussverfahren klären lassen wollen (vgl. zu allem Vorstehenden BAG vom 18.01.2005 - 3 ABR 21/04 - AP Nr. 24 zu § 77 BetrVG 1972 Betriebsvereinbarung). Ein solcher Fall ist vorliegend gegeben.

2. Bei der hier in Rede stehenden Betriebsvereinbarung streiten die Beteiligten über die Frage, ob die bei der Maßnahme "Route 77" eingesetzten Moderatoren "interne Trainer" im Sinne dieser Betriebsvereinbarung sind. Zwar ist in der Betriebsvereinbarung der Begriff der "internen Trainer" definiert, und zwar dahingehend, dass damit Beschäftigte bezeichnet sind, die in der Niederlassung Seminare oder seminarähnliche Veranstaltungen durchführen. Nicht definiert ist in dieser Betriebsvereinbarung jedoch, was mit "Seminaren oder seminarähnlichen Veranstaltungen" gemeint ist. Diese Frage ist deshalb im Wege der Auslegung zu beantworten.

a) Betriebsvereinbarungen sind wie sonstige normative Regelungen auszulegen. Es gelten die für die Auslegung von Tarifverträgen entwickelten Grundsätze. Abzustellen ist dabei zunächst auf den Wortlaut der Bestimmung. Ist dieser nicht eindeutig, ist der wirkliche Wille der Betriebsparteien mitzuberücksichtigen, soweit er in den Vorschriften seinen Niederschlag gefunden hat. Ferner sind Gesamtzusammenhang und Sinn und Zweck der Regelung zu beachten. Verbleiben Zweifel, können weitere Kriterien, wie die Entstehungsgeschichte der Regelung ergänzend herangezogen werden. Außerdem ist die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse zu berücksichtigen. Im Zweifel ist derjenigen Auslegung den Vorzug zu geben, die zu einer vernünftigen und sachgerechten und praktisch brauchbaren Regelung führt (BAG vom 07.11.2000 - 1 ABR 17/00 -; BAG vom 28.03.2007 - 10 AZR 719/05 -).

b)

aa) Im Grundsatz ist davon auszugehen, dass die Betriebspartner mit Abschluss einer Betriebsvereinbarung bestehende Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats, wie hier die aus §§ 96 ff. BetrVG, haben wahren und eine mitbestimmungspflichtige Angelegenheit gemeinsam haben regeln wollen, und nicht jenseits bestehender Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats eine bestimmte Materie zum Gegenstand einer freiwilligen Betriebsvereinbarung haben machen wollen - dies im vorliegenden Fall um so weniger, als mit der hier in Rede stehenden Betriebsvereinbarung Zahlungsverpflichtungen des Arbeitgebers einhergehen. Von daher kommt es nach Auffassung der Kammer hier entscheidungserheblich darauf an, ob die streitgegenständliche Maßnahme "Route 77" eine mitbestimmungspflichtige Angelegenheit nach § 98 BetrVG ist.

bb) Letzteres ist hier zu bejahen.

(1) Nach § 98 Abs. 1 BetrVG hat der Betriebsrat bei der Durchführung von Maßnahmen der betrieblichen Berufsbildung mitzubestimmen. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG vom 24.08.2004 - 1 ABR 28/03 - AP Nr. 12 zu § 98 BetrVG 1972 m.w.N.) gehören zur Berufsbildung alle Maßnahmen, die Arbeitnehmern in systematischer, lehrplanartiger Weise Kenntnisse und Erfahrungen vermitteln, die diese zur ihrer beruflichen Tätigkeit im Allgemeinen befähigen.

§ 98 Abs. 6 BetrVG ordnet die entsprechende Geltung der Abs. 1 bis 5 für die Durchführung sonstiger Bildungsmaßnahmen im Betrieb an. Diese Vorschrift erfasst alle Bildungsmaßnahmen, die nicht Berufsbildungsmaßnahmen sind, d.h. sich nicht auf die aktuelle oder zukünftige berufliche Tätigkeit von Arbeitnehmern beziehen. Erfasst werden alle Veranstaltungen, die zur Vermittlung von Kenntnissen führen, um einen Lernprozess herbeizuführen (Richardi, Betriebsverfassungsgesetz § 98 Rdn. 67; Kraft NZA 1990, Seite 460; Fitting u.a. Betriebsverfassungsgesetz § 98 Rdn. 37; ErfK-Kania § 98 Rdn. 19 m.w.N.).

(2) Nicht gefolgt werden kann insofern der Antragsgegnerin, soweit sie in ihrem Schriftsatz vom 20.08.2008 (nochmals) darauf verweist, dass es sich um eine Berufsbildungsmaßnahme handeln müsse, eine solche aber bei dem Programm "Route 77" nicht vorliege. Letzteres kann hier dahinstehen, da ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats auch bei Fehlen des Merkmals "Berufsbildung" nach § 98 Abs. 6 BetrVG bestehen kann. Insofern kommt es (allein) darauf an, dass die Kenntnisse und Fähigkeiten den Arbeitnehmern nach einem (wenn auch nicht schriftlich fixierten) Lehrplan auf ein Lernziel hin systematisch vermittelt werden (so Kraft a.a.O.) bzw. die Maßnahmen unter didaktischen Gesichtspunkten gestaltet und auf die Erreichung eines bestimmten Lernergebnisses abzielen (so Stege-Weinspach, BetrVG §§ 96-98 Rdn. 15 b).

(3) Aus dem antragsgegnerseits vorgelegten Moderatorenhandbuch lässt sich unschwer ersehen, dass bei der hier in Rede stehenden Maßnahme systematisch nach vorgegebenem didaktisch-methodischen Konzept Kenntnisse - nämlich Hintergrundwissen - und Erfahrungen - nämlich "Selbsterfahrung" - vermittelt werden. Unerheblich ist nach Auffassung der Kammer dabei, dass die streitgegenständliche Maßnahme nicht auf ein passives Konsumieren eines Lernstoffes abzielt, sondern auf ein aktives (Dazu-)Lernen. Erkennbar zielt die hier streitgegenständliche Maßnahme auf die Erreichung eines bestimmten Lernprozesses ab - anders als Veranstaltungen zum bloßen Erfahrungsaustausch, in denen ein insoweit eingesetzter Moderator lediglich für einen geordneten Gesprächs- oder Diskussionsverlauf zu sorgen hat. Den hier in Rede stehenden Moderatoren sind detailreich die einzelnen Schritte einer Veranstaltung, deren Inhalt, die insoweit zu benutzenden Materialien, der grundsätzlich einzuhaltende Zeitrahmen und die diesbezüglichen Ausnahmen, die jeweiligen Ziele der einzelnen "Programmpunkte" und deren Ergebnisse, die zu erarbeiten sind - ja in Einzelfällen sogar die zu benutzende Stimmlage - vorgegeben (vgl. Bl. 259 d. A.: "Achtung: Nicht zu stark Betonen beim Vortragen der Regeln, sondern mit neutraler Stimme vorlesen"). Die so vermittelten Inhalte sollen die Mitarbeiter zu einer besseren, d.h. kundenorientierteren Wahrnehmung ihrer Aufgaben im Allgemeinen befähigen. Nach alledem kann nach Auffassung der Kammer vorliegend kein Zweifel daran bestehen, dass es sich bei hier streitgegenständlichen Maßnahme zumindest um eine solche nach § 98 Abs. 6 BetrVG handelt, d.h. ein mitbestimmungspflichtiger Tatbestand vorliegt.

c) Als mitbestimmungspflichtige Maßnahme würde das Programm "Route 77" nur dann nicht unter die hier streitgegenständliche Betriebsvereinbarung fallen, wenn sich aus dieser irgendwelche Anhaltspunkte dafür ergäben, dass der Kreis der von ihr geregelten Veranstaltungen begrenzt ist und jedenfalls solche, wie die hier vorliegende, nicht erfassen sollte. Dafür ergibt sich aus der Betriebsvereinbarung indes nichts. Gemäß der Präambel soll "die Wissensweitergabe in der Niederlassung als unternehmenskulturelles Element" gefördert werden, was eine Weitergabe von "Hintergrundwissen" ebenso betreffen kann wie die Vermittlung sonstigen Wissens. Dass die Durchführung der hier in Rede stehenden Maßnahme - zumal in ihrem Status als Pilotprojekt - gegebenenfalls gewisse Modifikationen gegenüber den in der Betriebsvereinbarung festgelegten organisatorischen Regelungen erfordert, steht ihrer grundsätzlichen Anwendung nicht entgegen. Zu Recht verweist der Antragsteller schließlich darauf, dass in der Anlage 3 zur Betriebsvereinbarung "interner Trainer" als Leistung die "Moderation" ausdrücklich genannt ist, sodass vorliegend nicht davon ausgegangen werden kann, dass Moderation, wenn sie als mitbestimmungspflichtige Bildungsmaßnahme im Sinne des § 98 BetrVG zu qualifizieren ist, von der Betriebsvereinbarung und deren Regeln ausgenommen sein sollte.

Der Beschwerde des Antragstellers konnte nach alledem der Erfolg nicht versagt bleiben.

III.

Die Rechtsbeschwerde war zuzulassen, da die Voraussetzung der §§ 92 Abs. 1, 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG gegeben ist.

Ende der Entscheidung

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