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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 29.11.2005
Aktenzeichen: 16 Sa 1030/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 125
BGB § 242
BGB § 623
1. Ein vom Arbeitnehmer auf dem Original unterzeichneter, aber lediglich per Telefaxkopie zurückgesandter Aufhebungsvertrag entspricht nicht dem Schriftformerfordernis des § 623 BGB.

2. Beruft sich der Arbeitnehmer später auf diesen Formmangel, liegt hierin nur in Ausnahmefällen ein Verstoß gegen Treu und Glauben.


LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

16 Sa 1030/05

Verkündet am 29. November 2005

In dem Rechtsstreit

hat die 16. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 29.11.2005 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Kaup als Vorsitzenden sowie den ehrenamtlichen Richter Briefs und den ehrenamtlichen Richter Fischer

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Duisburg vom 10.06.2005 - 3 Ca 3436/04 - abgeändert:

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch den Aufhebungsvertrag vom 26.11./ 01.12.2004 ("Arbeitsvertrag Transfergesellschaft") nicht aufgelöst worden ist.

2. Die Kosten des Rechtsstreit trägt die Beklagte.

3. Streitwert: unverändert (9.270,00 €).

4. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis durch Aufhebungsvertrag aufgelöst worden ist.

Die Beklagte, ein zum Konzern der E. C. AG gehörendes Unternehmen, befasst sich unter anderem mit dem Neubau und der Sanierung von Brückenbauwerken der E. C.. Der am 15.03.1958 geborene Kläger, zur Zeit 47 Jahre alt, Bauingenieur, war seit dem 01.09.2001 bei ihr bzw. deren Rechtsvorgängerin in der Niederlassung West als Planungsingenieur beschäftigt. Sein Monatseinkommen belief sich zuletzt auf ca. 3.090,00 € brutto.

Nach Abschluss einer Gesamtbetriebsvereinbarung zum Strukturwandel vom 28.04.2004 traf die Beklagte im Frühjahr 2004 wegen beabsichtigter Personalreduzierungen Vorbereitungen zur Sozialauswahl des davon betroffenen Personenkreises. Auf entsprechende Veranlassung der Beklagten füllte auch der Kläger einen "Erfassungsbogen zur Durchführung der Sozialauswahl" (vom 03.06.2004) aus. Mit Schreiben vom 27.09.2004 teilte die Beklagte ihm mit, dass unter anderem sein Funktionsbereich vom Beschäftigungswegfall betroffen und nach dem Ergebnis der getroffenen Sozialauswahl auch er vom Verlust seiner Beschäftigung betroffen sei. Hiergegen wandte sich der Kläger mit Schreiben vom 05.10.2004. Mit Antwortschreiben vom 11.10.2004 teilte die Beklagte ihm mit, dass bei vergeblicher Suche eines neuen Arbeitsplatzes innerhalb des Konzerns ab 01.12.2004 entsprechend den geltenden Tarifregelungen im Konzern seine Übernahme in eine Transfergesellschaft vorgesehen sei. Mit weiterem Schreiben vom 11.11.2004 übersandte sie ihm ein Beschäftigungsangebot mit einem beigefügten "Arbeitsvertrag Transfergesellschaft". Dieser sah eine Aufhebung des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten zum 01.12.2004 und daran anschließend die Begründung eines Arbeitsverhältnisses mit der Transfergesellschaft Q. Q.- und B. GmbH vor, befristet auf den Zeitraum 01.12.2004 bis 31.07.2006. Die Beklagte bat um Prüfung und Mitteilung des Klägers bis zum 26.11.2004, ob er das Angebot annehme. Zugleich bat sie für den Fall der Annahme um Rücksendung der von ihm unterschriebenen Vertragsexemplare.

Mit Klageschrift vom 22.11.2004, bei dem Arbeitsgericht Duisburg eingegangen ebenfalls am 22.11.2004, der Beklagten zugestellt am 26.11.2004, wandte sich der Kläger zunächst gegen die ihm gegenüber getroffene Sozialauswahl und machte deren Rechtswidrigkeit geltend. Am 26.11.2004 unterzeichnete er das Original des von der Beklagten übersandten Vertrags, fügte einen Vorbehalt über die gerichtliche Überprüfung der Sozialauswahl hinzu und übersandte ebenfalls am 26.11.2004 eine Faxkopie an die Beklagte. Diese und die Transfergesellschaft Q. unterzeichneten die übersandte Faxkopie am 01.12.2004. Im erstinstanzlichen Verfahren stritten die Parteien über die gegenüber dem Kläger getroffene Sozialauswahl.

Der Kläger hat dort zuletzt beantragt,

1. festzustellen, dass der Aufhebungsvertrag vom 26.11.2004 das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgelöst hat;

2. hilfsweise für den Fall des Obsiegens: festzustellen, dass die Sozialauswahl, die die Beklagte zur Durchführung des Arbeitsplatzverlustes des Klägers durchgeführt hat, soweit sie den Kläger betrifft, rechtswidrig ist.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht Duisburg hat die Klage mit Urteil vom 10.06.2005 - 3 Ca 3436/04 - abgewiesen. Es hat den Aufhebungsvertrag als rechtswirksam und die von der Beklagten getroffene Sozialauswahl als zutreffend angesehen. Auf die Entscheidungsgründe im Einzelnen wird verwiesen.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit der vorliegenden Berufung, die er zu den im Sitzungsprotokoll vom 29.11.2005 genannten Zeitpunkten eingelegt und begründet hat und mit der er weiterhin die Rechtsunwirksamkeit des Aufhebungsvertrags vom 26.11./01.12.2004 geltend macht. Er begründet dies nunmehr damit, dass es insoweit an der Schriftform des § 623 BGB fehle.

Die Beklagte beantragt demgegenüber die Zurückweisung der Berufung und beanstandet das Verhalten des Klägers als rechtsmissbräuchlich, da er selbst die Ursache für die fehlende Schriftform gesetzt und sich erstinstanzlich stets auf die Rechtswirksamkeit seines handschriftlich hinzugefügten Vorbehalts über die streitige Sozialauswahl berufen habe. Auf das weitere Berufungsvorbringen der Parteien wird Bezug genommen, ebenso wegen der sonstigen Einzelheiten des Sach- und Streitstands auf den übrigen Akteninhalt.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist zulässig: Sie ist nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes an sich statthaft (§ 64 Abs. 2 ArbGG) sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 11 Abs. 2, 66 Abs. 1 ArbGG).

II.

Sie hat auch in der Sache Erfolg. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch den Aufhebungsvertrag vom 26.11./01.12.2004 nicht aufgelöst worden.

1. Hierfür kann es dahingestellt bleiben, ob die vom Kläger erstinstanzlich beanstandete Sozialauswahl, die ihn in den Kreis der vom Arbeitsplatzverlust betroffenen Mitarbeiter einbezog, zutreffend war. Zum einen kommt es für die Entscheidung des Rechtsstreits hierauf nicht an. Zum anderen werden die Ausführungen des Arbeitsgerichts, mit denen dieses die getroffene Sozialauswahl als zutreffend angesehen hat, mit der Berufung nicht angegriffen.

2. Die Rechtswirksamkeit des Aufhebungsvertrags scheitert indessen an der fehlenden Schriftform des § 623 BGB. Die elektronische Form ist nach § 623 Halbs. 2 BGB ausgeschlossen. Die in § 126 Abs. 1 und 2 BGB bei gesetzlicher Schriftform vorausgesetzten Formerfordernisse sind hier nicht erfüllt. Weder liegt eine eigenhändige Unterschrift der Parteien auf derselben Urkunde vor. Die auf der Faxkopie befindliche Unterschrift des Klägers genügt nicht. Noch liegen eigenhändige Unterschriften der Parteien auf der jeweils für die andere Partei bestimmten Urkunde vor. Gemäß § 125 Satz 1 BGB hat dies die Nichtigkeit des Aufhebungsvertrags zur Folge.

3. Die erkennende Kammer hat auch geprüft, ob es dem Kläger nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt ist, sich auf die fehlende Schriftform zu berufen, und ob im Verhältnis der Parteien zueinander von einer Rechtswirksamkeit des Vertrags auszugehen ist. Sie hat dies im Ergebnis verneint.

a) Für einen Verstoß des Klägers gegen Treu und Glauben spricht, dass der Formmangel auf seinem Verhalten beruht. Er war von der Beklagten anlässlich der Übersendung der (dreifachen) Vertragsentwürfe mit Schreiben vom 11.11.2004 aufgefordert worden, im Falle seines Einverständnisses den Vertrag zu unterschreiben und die Unterlagen (dreifach) zurückzureichen. Dem ist der Kläger nicht nachgekommen, sondern hat nach Unterzeichnung des Vertragsoriginals am 26.11.2004 den Vertrag lediglich in Faxkopie übersandt und auch anschließend das Original nicht mehr überreicht. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass je nach den Umständen des Einzelfalles ausnahmsweise ein Verstoß gegen Treu und Glauben vorliegen kann, wenn sich jemand zu seinem Vorteil auf eine Rechtsvorschrift beruft, die nicht der andere Teil, sondern er selbst missachtet hat (vgl. BAG vom 14.12.1997 - 2 AZR 799/92 - AP Nr. 141 zu § 626 BGB, zu II 1 b der Gründe; BAG vom 16.09.2004 - 2 AZR 659/03 - AP Nr. 1 zu § 623 BGB; ferner BAG vom 16.03.2005 - 7 AZR 289/04 - AP Nr. 16 zu § 14 TzBfG, zu I 3 a der Gründe).

b) Demgegenüber ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Berufung auf einen Formmangel nur in Ausnahmefällen einen Verstoß gegen Treu und Glauben darstellen kann. Hier kann dem Kläger nicht unterstellt werden, mit der Rücksendung des Aufhebungsvertrags am 26.11.2004 bewusst gegen die in § 623 BGB enthaltene Formvorschrift verstoßen zu haben. Einiges spricht eher dafür, mit der Übersendung des Vertrags per Fax die von der Beklagten im Schreiben vom 11.11.2004 gesetzte Frist zum 26.11.2004 einhalten zu wollen. Wie dem auch sei: Der Kläger hat von Anfang an stets zu erkennen gegeben, mit der getroffenen Sozialauswahl, dem Verlust seines Arbeitsplatzes und der Überleitung seines Arbeitsverhältnisses auf eine Transfergesellschaft nicht einverstanden zu sein. Dies findet seinen Ausdruck unter anderem in dem Schreiben des Klägers an die Beklagte vom 05.10.2004, in der am 26.11.2004 zugestellten Klageschrift vom 22.11.2004 sowie insbesondere in dem auf der Faxkopie enthaltenen handschriftlichen Zusatz des Klägers vom 26.11.2004. Die Beklagte konnte angesichts dieser Umstände bei ihrer Vertragsunterzeichnung der Telefaxkopie am 01.12.2004 nicht darauf vertrauen, mit dem Kläger eine für die Parteien geltende Neuregelung der Vertragsverhältnisse endgültig getroffen zu haben. Insofern war das Verhalten des Klägers nicht widersprüchlich, sondern stets auf den Fortbestand seines bisherigen Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten ausgerichtet. Angesichts dieser Umstände ist es nach Auffassung der erkennenden Kammer nicht treuwidrig im Sinne des § 242 BGB, sich nach Erkennen des Schriftformmangels im Verlauf des Rechtsstreits nunmehr auf die fehlende Schriftform aus § 623 BGB und auf eine darauf gestützte Rechtsunwirksamkeit des Vertrags vom 26.11./01.12.2004 zu berufen.

c) Hierfür kann es auch dahingestellt bleiben, ob nach dem ergänzenden Vorbringen der Beklagten in der Berufungsverhandlung vor der erkennenden Kammer der Personalreferent C. den Kläger im Dezember 2004 mehrfach angesprochen und ihn um schriftliche Fixierung der vertraglichen Regelungen gebeten hat. Zum einen hatte die Beklagte den Vertrag am 01.12.2004 bereits in nicht der Form des § 623 BGB entsprechenden Weise gegengezeichnet. Zum anderen hatte sich der Kläger nach dem Vorbringen der Beklagten unmissverständlich geweigert, noch irgendetwas zu unterschreiben, und damit erneut seine Ablehnung des Aufhebungsvertrags zu erkennen gegeben.

3. Das erst in der Berufungsinstanz geltend gemachte Vorbringen des Klägers zur fehlenden Schriftform ist entgegen der Auffassung der Beklagten in ihrer Berufungserwiderung auch nicht verspätet. Es handelt sich um rechtliche Erwägungen, nicht um neuen oder gar streitigen Tatsachenvortrag.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Der Streitwert blieb unverändert. Die Zulassung der Revision erfolgt nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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