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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 27.07.1999
Aktenzeichen: 16 Sa 811/99
Rechtsgebiete: BGB, AO, AGBG


Vorschriften:

BGB § 398
BGB § 400
AO § 309
AGBG § 9 Abs. 1
Nach Abtretung der pfändbaren Lohnansprüche eines Arbeitnehmers an das Finanzamt als stille Zession zur Abwendung einer sonst möglichen Lohnpfändung (§ 309 AO) gehen nachfolgende Pfändungen Dritter ins Leere. Die Abtretung ist kein Verstoß gegen das AGB-Gesetz.
LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 16 Sa 811/99

Verkündet am: 27.07.1999

In dem Rechtsstreit

hat die 16. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 27.07.1999 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Kaup als Vorsitzenden sowie den ehrenamtlichen Richter Schöps und den ehrenamtlichen Richter Lorenz für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Krefeld vom 18.05.1999 ­ 5 Ca 589/99 ­ abgeändert: Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

3. Streitwert: unverändert (6.609,60 DM).

Tatbestand:

Der Kläger nimmt die Beklagte als Drittschuldnerin auf Zahlung von Lohn in Anspruch.

Die Beklagte betreibt ein Werttransportunternehmen. Der Streitverkündete T.revi ist dort als Arbeitnehmer beschäftigt. Er hat Steuerverbindlichkeiten, die sich laut einem Schreiben des für ihn zuständigen Finanzamts V.iers vom 11.06.1997 zum damaligen Zeitpunkt auf 111.751,19 DM beliefen. Mit Schreiben vom 24.10.1996 teilte das Finanzamt dem Streitverkündeten mit, daß es zur Sicherung der Steuerforderungen anstelle einer Arbeitslohnpfändung mit einer stillschweigenden Abtretung (stille Zession) einverstanden sei. Laut einer dem Gericht vorgelegten beglaubigten Kopie einer Forderungsabtretung (Bl. 100 d. A.) vereinbarten das Finanzamt V.iers und der Streitverkündete unter dem 06.11.1996 sodann die Abtretung der laufenden Forderungen des Streitverkündeten gegen die Beklagte, Firma H.er Transport GmbH, aus seiner dortigen Beschäftigung als Arbeitnehmer in Höhe des jeweils pfändbaren Betrags laut gesetzlicher Pfändungstabelle.

Aus einem vollstreckbaren Titel des Amtsgerichts N.ettet vom 25.03.1997 schuldete der Streitverkündete daneben dem Kläger aus einem Darlehen in Höhe von ursprünglich 20.000,-- DM seinerzeit noch 10.900,-- DM nebst Zinsen. Mit Pfändungs- und Überweisungsbeschluß vom 07.05.1997, der Beklagten zugestellt am 23.05.1997, ließ der Kläger die Lohnansprüche des Streitverkündeten bei der Beklagten pfänden. Die Beklagte erkannte die Forderung zunächst an und zahlte hierauf Teilbeträge. Mit Schreiben vom 07.07.1997 legte das Finanzamt V.iers daraufhin der Beklagten die Abtretungsurkunde vom 06.11.1996 offen. Mit Schreiben vom 15.07.1997 teilte die Beklagte nunmehr dem Kläger mit, daß weitere Zahlungen an ihn ab dem Abrechnungsmonat Juli 1997 nicht mehr erfolgen könnten, da ihr eine Abtretung vom 06.11.1996 vorgelegt worden sei.

Mit der am 05.03.1999 beim Arbeitsgericht Krefeld eingegangenen Klage macht der Kläger die Zahlung näher bezeichneter Pfändungsbeträge aus der Lohnpfändung des Streitverkündeten ab dem Monat Juli 1997 geltend. Hierzu hat er vorgetragen:

Die angebliche Abtretung vom 06.11.1996 sei rechtsunwirksam und gehe dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluß vom 07.05.1997 daher nicht vor. Die Bezeichnung laufende Forderungen" in der Abtretungsurkunde anstelle der im Vordruck vorgesehenen Formulierung künftige Forderung" bedeute, daß allenfalls die bis zum 06.11.1996 bereits bestehenden Forderungen erfaßt werden sollten, keineswegs aber die erst ab Juli 1997 entstehenden Lohnforderungen des Streitverkündeten. Auch werde die Vertretungsberechtigung des Unterzeichners der Urkunde vorsorglich bestritten. Zudem seien die Forderungen des Landes NRW bzw. des Finanzamts V.iers gegenüber dem Streitverkündeten nicht ausreichend konkret bezeichnet. Darüber hinaus beinhalte die Abtretung vom 06.11.1996 eine übermäßige Sicherung des Landes NRW und eine unzulässige Beeinträchtigung der übrigen Gläubiger des Streitverkündeten. Sie sei daher rechtsunwirksam. Im übrigen habe die Forderungsabtretung vom 06.11.1996, da es sich um eine stille Zession gehandelt habe, der Beklagten nicht bekanntgegeben werden dürfen.

Der Kläger hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn (für den Zeitraum Juli 1997 bis einschließlich November 1998) 6.609,60 DM nebst näher bezeichneten Zinsen zu zahlen. Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen: Der geltend gemachte Anspruch sei unbegründet, da der Streitverkündete T. die pfändbaren Gehaltsbestandteile am 06.11.1996 rechtswirksam abgetreten habe. Diese Abtretung sei gegenüber der im Mai 1997 erfolgten Pfändung vorrangig.

Das Arbeitsgericht Krefeld hat der Klage mit Urteil vom 18.05.1999 ­ 5 Ca 589/99 ­ stattgegeben und dies damit begründet, daß die Abtretungsvereinbarung vom 06.11.1996 zwischen dem Finanzamt V.iers und dem Streitverkündeten gemäß § 9 Abs. 1 AGBG rechtsunwirksam sei. Sie sei daher gegenüber der Pfändung des Klägers vom Mai 1997 nicht vorrangig. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe Bezug genommen.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, die sie zu den im Sitzungsprotokoll vom 27.07.1999 genannten Zeitpunkten eingelegt und begründet hat. Hierzu trägt sie vor:

Bereits vom Schutzzweck her erstrecke sich das Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB-Gesetz) hier nicht auf den Kläger, sondern regele allein das Verhältnis der Vertragsparteien, mithin allenfalls das Rechtsverhältnis zwischen dem Finanzamt V.iers und dem Streitverkündeten T.revi. Selbst bei Anwendbarkeit des AGB-Gesetzes liege hier im Gegensatz zur Auffassung des Arbeitsgerichts aber auch kein Verstoß gegen Bestimmungen des AGB-Gesetzes vor. Darüber hinaus berufe sich das Arbeitsgericht zu Unrecht auf eine von ihm zitierte Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 22.06.1989 (DB 1989, 2265), die hier nicht einschlägig sei. Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Krefeld vom 18.05.1999 ­ 5 Ca 589/99 ­ abzuändern und die Klage abzuweisen. Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt die angefochtene Entscheidung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den übrigen Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung der Beklagten ist zulässig: Sie ist nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes an sich statthaft (§ 64 Abs. 1 und 2 ArbGG) sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, §§ 518, 519 ZPO).

II.

Sie hat auch in der Sache Erfolg. Das Berufungsgericht schließt sich der Auffassung des Arbeitsgerichts nicht an. Die Klage ist unbegründet. Die hier vom Kläger gegenüber der Beklagten geltend gemachten Ansprüche sind nicht gegeben. Die von ihm im Mai 1997 erfolgte Pfändung der Lohnansprüche des Streitverkündeten T.revi ging ins Leere. Die (pfändbaren) Lohnansprüche des Streitverkündeten gegenüber der Beklagten waren zu diesem Zeitpunkt bereits rechtswirksam an das Land Nordrhein- Westfalen/Finanzamt V.iers abgetreten, so daß sie der Pfändung vom Mai 1997 nicht mehr zugänglich waren.

1. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang von einer angeblichen Abtretung spricht und bereits die Abtretungsvereinbarung vom 06.11.1996 als solche bestreitet, ist sein Vorbringen unsubstantiiert. Die Beklagte hat dem Kläger schon vorprozessual den Inhalt der Abtretungsurkunde vom 06.11.1996 bekanntgegeben. Der Kläger selbst war im Besitz einer Kopie dieser Urkunde und hatte diese als Anlage schon seiner Klageschrift vom 02.03.1999 beigefügt (Bl. 19 d. A.). Zudem sind Kopien dieser Urkunde im vorliegenden Rechtsstreit mehrfach überreicht worden. Auf entsprechende Anfrage des Berufungsgerichts hat darüber hinaus das Finanzamt V.iers eine beglaubigte Kopie der Urkunde vom 06.11.1996 erstellt und zu den Akten gereicht (Bl. 100 d. A.). Angesichts dieser Umstände und der zusätzlichen Stellungnahme des Finanzamts V.iersein dessen Schriftsatz vom 11.03.1999 (Bl. 26 d. A.) ist das bloße Bestreiten der Existenz der Abtretungsvereinbarung vom 06.11.1996 einschließlich der Vertretungsbefugnis der für das Finanzamt unterzeichnenden Person unsubstantiiert.

2. Die Abtretung vom 06.11.1996 hat auch die Lohnansprüche des Streitverkündeten für den hier geltend gemachten Klagezeitraum ab Juli 1997 erfaßt.

a) Daß eine Abtretung (§ 398 BGB) als Vorausabtretung innerhalb der Pfändungsfreigrenzen (§ 400 BGB) sich auch auf künftige Forderungen und insbesondere auf künftige Lohnansprüche aus einem laufenden Arbeitsverhältnis erstrecken kann, ist allgemein anerkannt und wird auch vom Kläger nicht in Frage gestellt.

b) Im Gegensatz zur Auffassung des Klägers läßt sich auch aus der Bezeichnung laufende Forderungen" in der Abtretungsvereinbarung vom 06.11.1996 nicht ableiten, daß hiermit allenfalls am 06.11.1996 bereits entstandene Lohnforderungen, nicht aber künftig erst entstehende Lohnforderungen des Streitverkündeten T.revi gegenüber seinem Arbeitgeber gemeint seien. Mit der Formulierung laufende Forderungen" des Streitverkündeten T.revi gegen die Firma H.eros... aus der Beschäftigung als Arbeitnehmer... in Höhe des jeweils pfändbaren Betrags..." haben die Vertragsparteien der Abtretungsvereinbarung vom 06.11.1996 ersichtlich und unmißverständlich die monatlich laufend fällig werdenden Lohnforderungen des Streitverkündeten gegenüber seiner Arbeitgeberin gemeint. Eine Beschränkung der Forderungsabtretung auf die allenfalls bis zum 06.11.1996 bereits entstandenen Lohnforderungen des Streitverkündeten, wie der Kläger meint, ergäbe keinen erkennbaren Sinn, zumal die bis dahin entstandenen Lohnansprüche des Streitverkündeten ohnehin damals bereits ausgezahlt gewesen sein dürften. Hinzu kommt, daß die Forderungsabtretung als stille Zession an die Stelle einer sonst erforderlichen Lohnpfändung treten sollte, die sich ebenfalls auf künftige Lohnforderungen des Streitverkündeten bezogen hätte. Im übrigen verwendet auch der Gesetzgeber im Zusammenhang mit der Pfändung von Arbeitseinkommen in den §§ 832 und 850 Abs. 2 ZPO den Begriff der fortlaufenden Bezüge/Einkünfte für erst künftig fällig werdendes Arbeitseinkommen.

3. Die Forderungsabtretung vom 06.11.1996 ist auch nicht materiell rechtsunwirksam, sondern rechtswirksam.

a) Es handelte sich um eine sogenannte stille Zession. Das Land/Finanzamt V.iers als Zessionar war berechtigt, im Fall einer nachfolgenden Pfändung, wie sie hier erfolgt ist, seine Vorrechte aus der bereits zuvor erfolgten Abtretung offenzulegen.

b) Die Forderungsabtretung entsprach auch dem Klarheits- und Bestimmtheitsgebot. Sie beinhaltete erkennbar die laufend fällig werdenden Lohnansprüche des Streitverkündeten aus seinem Arbeitsverhältnis zur Beklagten in Höhe des jeweils pfändbaren Betrags nach der gesetzlichen Lohnpfändungstabelle gemäß der Anlage zu § 850 c ZPO. Auch waren den Vertragsparteien der Abtretungsvereinbarung vom 06.11.1996 die Einzelheiten über Art und Höhe der Steuerforderungen des Finanzamts V.iers bekannt. Zusätzlich hatte das Finanzamt diese nochmals in dem Schreiben vom 11.06.1997 in Höhe des Betrags von 111.751,19 DM beziffert. Angesichts dieser Forderungshöhe kann auch nicht von einer Übersicherung gesprochen werden, zumal die Forderungsabtretung vom 06.11.1996 von vornherein auf das gesetzlich zulässige Maß des § 400 BGB beschränkt war.

c) Etwas anderes läßt sich hier entgegen der Auffassung des Klägers und des Arbeitsgerichts auch nicht aus der Entscheidung des BGH vom 22.06.1989 (AP Nr. 5 zu § 398 BGB = DB 1989, 2265 = BGHZ 108, 98) ableiten, soweit sie für den vorliegenden Fall einschlägig ist. Im dortigen Fall handelte es sich um Klauseln in Kreditvertragsformularen eines Kreditinstituts, das unter anderem Teilzahlungsfinanzierungen betreibt und in Ratenkreditverträgen näher bezeichnete Lohnabtretungen vereinbarte. Die dortigen Kredite erfolgten im Zusammenhang mit Anschaffungen und Bestellungen bei einem Versandhaus. Dies ist hier anders. Im vorliegenden Fall handelt es sich nicht um Kreditvergaben zur Anbahnung und zum Abschluß bestimmter Kaufgeschäfte auf Kredit, sondern um die ratenweise Begleichung feststehender Steuerschulden in Höhe des pfändbaren Teils des Arbeitseinkommens. Zweck und Umfang der Abtretung vom 06.11.1996 waren im einzelnen bekannt, ebenso die Verwendung der pfändbaren Beträge. Auch fehlt hier jegliche Verknüpfung von Anbahnungsgeschäften und Kreditvergaben, bei denen sich in der Tat Fragen der Zulässigkeit bestimmter Geschäftsbedingungen stellen. Dies trifft nicht den vorliegenden Fall.

4. Ein weiteres kommt hinzu: Nach § 249 Abs. 1 AO können die Finanzbehörden aus den von ihnen erlassenen Steuerbescheiden (§ 218 AO) eigenständig vollstrecken, unter anderem eine Geldforderung pfänden (§ 309 AO). Das Finanzamt V.iers hätte also ohne weiteres von sich aus und ohne Zutun des Streitverkündeten T.revi dessen Arbeitseinkommen bei der Beklagten pfänden können. Gesichtspunkte für eine vermeintliche Übersicherung oder sonstige Gesichtspunkte für eine Unwirksamkeit einer solchen Pfändung sind nicht erkennbar. Wenn das Finanzamt von dieser Möglichkeit vornehmlich im Interesse des Streitverkündeten vorerst absieht und sich auf eine stille Zession mit ihm verständigt, erscheint es nicht überzeugend, das Finanzamt in diesem Fall gegenüber weiteren Gläubigern schlechterzustellen und diesen gegenüber nachrangig zu behandeln. Insbesondere hat sich das Finanzamt mit der stillen Zession anstelle einer ansonsten möglichen Pfändung aus § 309 AO keinen unbilligen Vorteil gegenüber anderen Gläubigern verschafft.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Der Streitwert blieb unverändert. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 72 Abs. 2 ArbGG) liegen nicht vor. Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist nach Auffassung der Kammer nicht gegeben.

Ende der Entscheidung

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