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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 10.01.2006
Aktenzeichen: 16 Ta 668/05
Rechtsgebiete: ZPO, RVG VV


Vorschriften:

ZPO § 278 Abs. 6
RVG VV Nr. 3104
RVG VV Vorbem. 3 Abs. 3
Führen die Parteien außergerichtlich ohne Beteiligung des Gerichts Gespräche zur Beilegung eines Rechtsstreits, steht den beteiligten Rechtsanwälten auch ohne Termin eine Terminsgebühr aus Nr. 3104 VV RVG zu.
LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

16 Ta 668/05

In dem Verfahren

auf Festsetzung der Anwaltsvergütung im PKH-Verfahren

hat die 16. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf am 10.01.2006 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Kaup

beschlossen:

Tenor:

1. Die (befristete) Beschwerde der Antragsgegnerin vom 09.11.2005 gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Solingen vom 07.10.2005 - 2 Ca 2796/04 - wird zurückgewiesen.

2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

I.

Die Verfahrensbeteiligten streiten über die Entstehung einer Terminsgebühr aus Nr. 3104 VV RVG.

Die Parteien des Ausgangsrechtsstreits stritten vor dem Arbeitsgericht über restliche Lohnansprüche des damaligen Klägers. Das Arbeitsgericht bewilligte dem Kläger Prozesskostenhilfe und ordnete ihm den Antragsteller als Rechtsanwalt bei. Im März 2005 führten die Prozessbevollmächtigten mehrere außergerichtliche Vergleichsgespräche. Es kam zu einem Vergleich, dessen Zustandekommen das Arbeitsgericht gemäß § 278 Abs. 6 Satz 2 ZPO mit Beschluss vom 20.04.2005 feststellte. Ein Gerichtstermin war vom Prozessbevollmächtigten des Klägers bis dahin nicht wahrgenommen worden. Im vorliegenden Verfahren nach § 55 RVG setzte die Urkundsbeamtin antragsgemäß unter anderem eine Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV RVG fest. Hiergegen hat die Landeskasse, vertreten durch den Bezirksrevisor (Antragsgegnerin), Erinnerung eingelegt und diese damit begründet, dass in Verfahren, für die eine mündliche Verhandlung erforderlich sei, beim Abschluss eines Vergleichs nach § 278 Abs. 6 ZPO keine Terminsgebühr anfalle. Das Arbeitsgericht hat die Erinnerung, soweit sie gegen die Festsetzung der Terminsgebühr gerichtet war (hier: 270,00 € nebst anteiliger Mehrwertsteuer) mit Beschluss vom 07.10.2005 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragsgegnerin vom 09.11.2005, der das Arbeitsgericht nicht abgeholfen hat.

II.

1. Die (befristete) Beschwerde der Antragsgegnerin ist zulässig. Sie ist nach § 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 Satz 1 RVG statthaft. Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 200,00 €. Das Rechtsmittel ist auch nicht verspätet. Zwar ist die Beschwerde nach §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 Satz 3 RVG nur zulässig, wenn sie innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung der Entscheidung eingelegt wird. Hier war der Beschluss des Arbeitsgerichts vom 07.10.2005 dem Bezirksrevisor am 21.10.2005 zugeleitet worden, während seine dagegen eingelegte Beschwerde vom 09.11.2005 am 11.11.2005 beim Arbeitsgericht eingegangen ist. Der Beschluss des Arbeitsgerichts enthielt jedoch entgegen § 9 Abs. 5 Satz 1 ArbGG keine Rechtsmittelbelehrung. Es galt demgemäß die Jahresfrist aus § 9 Abs. 5 Satz 4 ArbGG, die hier gewahrt ist.

2. In der Sache hat das Rechtsmittel des Bezirksrevisors jedoch keinen Erfolg. Die Festsetzung einer Terminsgebühr nebst anteiliger Mehrwertsteuer war zutreffend.

a) Richtig ist zwar, dass zur Zeit der Geltung der BRAGO bei außerhalb eines gerichtlichen Termins geführten Verhandlungen und Erörterungen der Parteien und einem anschließend nach § 278 Abs. 6 ZPO festgestellten Vergleich nach allgemeiner Meinung neben der damaligen Vergleichsgebühr aus § 23 Abs. 1 BRAGO keine zusätzliche Verhandlungs-/Erörterungsgebühr aus § 31 Abs. 1 Nr. 2 bzw. 4 BRAGO anfiel. Vielmehr waren derartige Verhandlungen und Erörterungen mit der Prozessgebühr aus § 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO abgegolten (vgl. u. a. BGH vom 30.03.2004 - VI ZB 81/03 - MDR 2004, 965 = NJW 2004, 2311 m. w. N.; OLG Celle vom 18.02.2004, MDR 2004, 777; OLG Zweibrücken vom 30.07.2004, JurBüro 2004, 652; OLG Frankfurt/M. vom 02.12.2004, JurBüro 2005, 86).

b) Diese Rechtslage hat sich jedoch mit dem Inkrafttreten des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes - RVG - zum 01.07.2004 und der in Nr. 3104 VV RVG normierten 1,2-Terminsgebühr geändert. Nach der Vorbemerkung 3 Abs. 3 VV RVG entsteht die Terminsgebühr unter anderem für "die Mitwirkung an auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechungen ohne Beteiligung des Gerichts; dies gilt nicht für Besprechungen mit dem Auftraggeber". Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Der Antragsteller hat als Prozessbevollmächtigter nicht nur mit seiner Partei, sondern darüber hinaus mit der Gegenseite außergerichtliche Erörterungen zur Beilegung des Rechtsstreits geführt. Bereits dies reicht für die Entstehung der Terminsgebühr aus. Diese knüpft nicht an eine erfolgreiche Einigung an. Es genügt ein Tätigwerden mit der Zielrichtung der Erledigung des Verfahrens durch den hierfür beauftragten Anwalt (ebenso Göttlich/Mümmler/Rehberg/ Xanke, RVG 1. Aufl., "Terminsgebühr", Seite 942). Im vorliegenden Verfahren gilt dies umso eher, als es zusätzlich zum Abschluss eines Vergleichs gekommen ist.

c) Die Vorbemerkungen des Vergütungsverzeichnisses enthalten eigenständige Regelungen des Vergütungsrechts. Sie können zusätzliche Tatbestände enthalten (Enders, JurBüro 2004, 225, 227; OLG Nürnberg vom 01.06.2005 - 1 W 692/05 - JurBüro 2005, 530). Zielrichtung des Gesetzgebers für den Gebührentatbestand in Vorbemerkung 3 Abs. 3 VV RVG war es, dass der Anwalt nach seiner Bestellung zum Verfahrens- oder Prozessbevollmächtigten in jeder Phase des Verfahrens zu einer möglichst frühen, der Sach- und Rechtslage entsprechenden Beendigung des Verfahrens beitragen soll. Deshalb soll die Terminsgebühr auch schon dann verdient sein, wenn der Rechtsanwalt an auf die Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechungen ohne Beteiligung des Gerichts mitwirkt, insbesondere wenn diese auf den Abschluss des Verfahrens durch eine gütliche Beilegung zielen (BT-Drucks. 15/1971, Seite 209; Göttlich/Mümmler u.a., a.a.O.; Gerold/Schmidt/ von Eicken/Madert/Müller-Rabe, RVG 16. Aufl., VV Vorbem. 3 Rdn. 34). Auch angesichts dieser Umstände war die vom Arbeitsgericht erfolgte Festsetzung der Terminsgebühr zutreffend. Sie entspricht darüber hinaus in vergleichbaren Fällen zwischenzeitlich der herrschenden Meinung in Literatur und Rechtsprechung (vgl. Zöller/Greger, ZPO 25. Aufl., § 278 Rdn. 27; Gerold/Schmidt u.a., a.a.O., Nr. 3104 VV Rdn. 54 und 58; Enders, JurBüro 2005, 295, 297; ders. JurBüro 2005, 561 ff.; Bonnen, MDR 2005, 1084; Henke, AnwBl 2006, 53; OLG Koblenz vom 29.04.2005, NJW 2005, 2162 = JurBüro 2005, 417; vom 03.05.2005, JurBüro 2005, 416; OLG Nürnberg vom 11.05.2005 - 5 W 512/05 - MDR 2006, 56; OLG Nürnberg vom 01.06.2005 - 1 W 692/05 - JurBüro 2005, 530; OLG Stuttgart vom 16.06.2005 - 8 W 180/05 - JurBüro 2006, 21; LG Regensburg vom 04.07.2005, JurBüro 2005, 593; OLG Thüringen vom 21.07.2005, JurBüro 2005, 529; OLG Koblenz vom 20.09.2005, JurBüro 2005, 648; KG vom 27.10.2005, AnwBl 2006, 73; a. A. LAG Berlin vom 27.07.2005 - 17 Ta (Kost) 6024/05 - [JURIS]; OLG Naumburg vom 01.08.2005, JurBüro 2006, 22).

d) Soweit sich die Antragsgegnerin demgegenüber auf die abweichende Entscheidung des OLG Nürnberg im Beschluss vom 15.12.2004 - 3 W 4006/04 - (MDR 2005, 599 = JurBüro 2005 249) und auf die - für den dortigen Fall nicht tragenden - Ausführungen im Beschluss des BGH vom 30.03.2004 - VI ZB 81/03 - (MDR 2004, 965 = NJW 2004, 2311) berufen hat, ist dem angesichts der vorangegangenen Erwägungen nicht zu folgen. Die Ausführungen in den genannten Entscheidungen können darüber hinaus als überholt gelten, nachdem sich der BGH nunmehr in einer ausführlich begründeten Entscheidung (Beschluss vom 27.10.2005 - III ZB 42/05 - [JURIS]) mit der Problematik befasst und die Entstehung der 1,2-Terminsgebühr aus Nr. 3104 VV RVG in derartigen Fällen ausdrücklich bejaht hat. Das Beschwerdegericht schließt sich dem an und nimmt hierauf ergänzend Bezug.

3. Hinsichtlich der Gebührenfreiheit und des Ausschlusses der Kostenerstattung wird auf § 56 Abs. 2 S. 2 und 3 RVG verwiesen. Von einer Zulassung der Rechtsbeschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung wurde angesichts der zitierten Entscheidung des BGH vom 27.10.2005 abgesehen.

Ende der Entscheidung

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