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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 12.11.2007
Aktenzeichen: 17 Sa 1151/07
Rechtsgebiete: TVG, LohnTV Wach- und Sicherheitsgewerbe NRW


Vorschriften:

TVG § 1
LohnTV Wach- und Sicherheitsgewerbe NRW Ziff. 2.010
1. Kontrollschaffner sind Beschäftigte in der Bewachung in Verkehrsmitteln des öffentlichen Personennahverkehrs im Sinne der Entgeltgruppe 2.010 des Lohntarifvertrages für das Wach- und Sicherheitsgewerbe NRW v. 11.05.2006.

2. Unter Bewachung im Sinne des Lohntarifvertrages für das Wach- und Sicherheitsgewerbe NRW ist jedes dienstliche Aufpassen zu verstehen. Der Begriff wird insoweit in einem weiteren Sinne verwendet als in § 34a GewO.


Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 15.05.2007 - Aktenzeichen 11 Ca 1359/07 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung hat die Beklagte zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die tarifliche Eingruppierung der Klägerin und daraus resultierende Zahlungsansprüche.

Die Klägerin war vom 01.07.2006 bis zum 31.12.2006 bei der Beklagten beschäftigt. Auf der Grundlage einer Änderungsvereinbarung vom 15.08.2006 und eines am Folgetag unterzeichneten befristeten Arbeitsvertrages (Bl. 173 - 174 d.A.) war sie seit dem 16.08.2006 als Kontrollschaffnerin tätig. In dem letztgenannten Vertrag ist u.a. folgendes geregelt:

"§ 3 Vertragsdauer, Arbeitszeit und Tätigkeitsbereich

...

3.2 ...

Bewachung der ihm/ihr zugewiesenen Objekte: Rheinbahn"

Des Weiteren wurde ein Stundenlohn in Höhe von 8,32 € brutto vereinbart.

Grundlage der Tätigkeit der Klägerin ist ein Vertrag der Beklagten mit der Rheinischen Bahngesellschaft AG (im Folgenden: Rheinbahn). Der Vertragsgegenstand wird in § 1 des Vertrages wie folgt festgelegt:

"Durchführen von Fahrausweisprüfungen nach erfolgter Kontrollschaffnerausbildung nach Vorgaben der Rheinbahn gegenüber L..

Die Kosten der Ausbildung trägt L..

Berechtigung und Verpflichtung zur Entgegennahme des erhöhten Beförderungsentgeltes nach Maßgabe der allgemeinen Beförderungsbedingungen der Rheinbahn bei Zahlungswillen des Kunden.

Überwachung der Einhaltung der allgemeinen Beförderungsbedingungen.

Aktiver Dienst am Kunden in Form der Erteilung von Auskünften zu Verkehrsverbindungen, Tarifen und Örtlichkeiten sowie die Leistung von Hilfestellung gegenüber allen, insbesondere mobilitätsbehinderten Kunden.

Hilfestellung bei der Bedienung von Ticketautomaten.

Wahrnehmung des Hausrechtes in den Fahrzeugen und Anlagen der Rheinbahn.

Erkennen und Melden von Gefahrenzuständen."

Darüber hinaus schloss die Rheinbahn einen Vertrag mit einer Firma I.S.O. Die auf der Grundlage dieses Vertrages eingesetzten Mitarbeiter hatten folgende Aufgaben: Gleiskörpersicherheit in Bahnhöfen, Abfahren von gewissen Streckenteilen in Uniform auf Anweisung der Rheinbahn, Begleitung in Zivil als Schutz für Kontrollschaffner, Begleitung der Kunden/Fans in Shuttlebussen bei DEG - Spielen oder anderen Großveranstaltungen.

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden kraft beiderseitiger Tarifbindung die Tarifverträge für das Wach- und Sicherheitsgewerbe Anwendung. Der Lohntarifvertrag für das Wach- und Sicherheitsgewerbe NRW in der Fassung vom 11.05.2006 enthält u.a. folgende Regelungen:

"1. Geltungsbereich

Dieser Tarifvertrag gilt:

...

fachlich: für alle Betriebe des Bewachungs- und Sicherheitsgewerbes sowie für alle Betriebe, die Kontroll- und Ordnungsdienste betreiben, ...

2. Löhne

2.0 Die Mindestlöhne betragen

A

€ ab

06.06.2006

...

2.010 Beschäftigte in der Bewachung in Verkehrsmitteln des öffentlichen Personennah- und fernverkehrs

Stunden-Grundlohn 10,49

B

2.012 ... und Separatwachmann im Pförtnerdienst mit regelmäßiger Telefon-, Auskunfts- und Registriertätigkeit

...

2.016 Wachmann als Kassierer auf Parkplätzen und in Parkhäusern an Flughäfen und Messen

...

2.018 Wachmann im Kontroll-, Ordnungs- und Informationsdienst bei Messen und Veranstaltungen

Stunden-Grundlohn 7,62

...

5. Allgemeine Bestimmungen

...

5.2 Ansprüche aus diesem Lohntarifvertrag müssen spätestens drei Monate nach Fälligkeit geltend gemacht werden.

..."

Gemäß § 8 Ziffer 2 S.3 des Mantelrahmentarifvertrages für das Wach- und Sicherheitsgewerbe für die Bundesrepublik Deutschland hat die Abrechnung und Auszahlung des Entgelts bis zum 15. des Folgemonats zu erfolgen.

Die Klägerin machte mit einem Schreiben vom 29.11.2006 die Differenz zwischen dem gezahlten Stundenlohn von 8,32 € und dem Stundenlohn der Vergütungsgruppe 2.010 in Höhe von 10,49 € für die Monate August, September und Oktober 2006 geltend und wies gleichzeitig darauf hin, dass auch für November ein entsprechender Stundenlohn abzurechnen sei. Mit ihrer der Beklagten am 14.03.2007 zugestellten Klage hat sie diese Ansprüche weiter verfolgt und zusätzlich den Differenzlohn für Dezember 2006 eingefordert. Ursprünglich hat sie insgesamt einen Betrag in Höhe von 3.154,88 € brutto nebst Zinsen begehrt. In der mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht Düsseldorf am 15.05.2007 haben beide Parteien unstreitig gestellt, dass im Falle einer Eingruppierung in die Lohngruppe 2.010 ein Anspruch der Klägerin in Höhe von 2.863,04 € bestehe. Die weitergehende Klage hat die Klägerin sodann vor Stellung der Anträge zurückgenommen.

Die Klägerin hat vorgetragen, sie sei als Kontrollschaffnerin auch für die Bewachung in den Straßenbahnen zuständig gewesen. Sie hat die Ansicht vertreten, nur eine Vergütung nach Lohngruppe 2.010 sei sachgerecht, da dies die einzige Eingruppierungsmöglichkeit für eine Tätigkeit im öffentlichen Personennahverkehr sei.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie einen Betrag in Höhe von 2.863,04 € (i.W. zweitausendachthundertdreiundsechzig Euro,Cent wie nebenstehend) brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.03.2007 zu bezahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, für die Sicherheit und Bewachung im Bereich der Rheinbahn seien vorrangig die Mitarbeiter der Firma I.S.O. zuständig gewesen.

Die Tätigkeit der Klägerin sei als Servicedienstleistung zu qualifizieren. Durch die Kontrollschaffner würden weder die Verkehrsmittel noch die Reisenden gesichert.

Das Arbeitsgericht Düsseldorf hat über die Parteien Stellungnahmen der Tarifvertragsparteien einholen lassen. Wegen des Inhalts dieser Stellungnahmen wird auf die Anlage B 1 (Bl. 38 d.A.) sowie auf Bl. 49 - 50 d.A. Bezug genommen.

Mit Urteil vom 15.05.2007, Aktenzeichen 11 Ca 1359/07, hat das Arbeitsgericht Düsseldorf der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Seine Entscheidung hat es unter ausdrücklicher Bezugnahme auf ein zur gleichen Rechtsfrage ergangenes Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 22.08.2003 mit dem Aktenzeichen 13 Ca 4219/03 im Wesentlichen wie folgt begründet:

Es spreche viel dafür, dass die Tätigkeit eines Kontrollschaffners unmittelbar unter den Wortlaut der Regelung falle. Dies könne letztlich dahinstehen, da Ziffer 2.010 jedenfalls im Wege einer ergänzenden Tarifauslegung heranzuziehen sei. Sofern diese Vergütungsgruppe die Kontrollschaffner nicht mitumfasse, liege eine unbewusste Regelungslücke vor.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das vorgenannte Urteil, Bl. 64 - 73 d.A., Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil, welches der Beklagten am 11.06.2007 zugestellt worden ist, hat sie mit einem am 29.06.2007 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 11.09.2007 - mit einem am 06.09.2007 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Die Beklagte begründet ihre Berufung damit, das Arbeitsgericht sei zu Unrecht von einer Anwendbarkeit der Lohngruppe 2.010 ausgegangen.

Sie vertritt die Auffassung, die Subsumtion der Tätigkeit einer Kontrollschaffnerin unter das Tarifmerkmal "Beschäftigte in der Bewachung" sei abenteuerlich und widerspreche jedem Sprachempfinden. Richtigerweise sei ohnehin nicht auf das allgemeine Sprachverständnis abzustellen, vielmehr sei eine fachspezifische Definition zugrunde zu legen. Es sei davon auszugehen, dass die Tarifparteien den Begriff der "Bewachung" im Sinne des § 34a GewO bzw. der zu dieser Norm und der Bewachungsverordnung für NRW ergangenen Musterverwaltungsvorschrift verstanden hätten. Bewachung sei daher als die auf den Schutz des Lebens oder Eigentums fremder Personen vor Eingriffen Dritter gerichtete Tätigkeit zu verstehen. Für Bewachungsaufgaben bedürfe es gemäß § 34a GewO einer Unterweisung, für die Tätigkeiten eines Kontrollschaffners hingegen nicht. Zusätzlich sei bei der Tarifauslegung zu berücksichtigen, dass die Rheinbahn ihrerseits bei ihren eigenen Arbeitnehmern gemäß des Tarifvertrages für den Nahverkehr in Nordrhein - Westfalen zwischen Tätigkeiten als Fahrausweisprüfer und solchen zur Sicherheit der Fahrgäste unterscheide.

Auch eine ergänzende Tarifauslegung komme nicht in Betracht, da es an einer unbewussten Regelungslücke fehle. Hierzu trägt die Beklagte vor, die Tarifvertragsparteien hätten - insoweit unstreitig - spätestens seit dem Jahr 2003 aufgrund von Rechtsstreitigkeiten über die Eingruppierung von Kontrollschaffnern Kenntnis von der Problematik gehabt, den Tarifvertrag aber diesbezüglich nicht geändert.

Schließlich meint die Beklagte, wenn man dennoch eine ergänzende Tarifvertragsauslegung vornehmen würde, käme allenfalls die Lohngruppe 2.018 in Betracht.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 15.05.2007 - AZ. 11 Ca 1359/07 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

Die Klägerin vertritt die Ansicht, der im Tarifvertrag verwandte Begriff der Bewachung sei in einem weiten Sinne zu verstehen. Eine Kontrolle von Fahrkarten und des allgemeinen Fahrgastverkehrs diene dem Schutz und dem Eigentum fremder Personen. Sie trägt vor, selbst wenn sie Dienstleistungen erbringe, geschehe dies unter der Obertätigkeit der wachsamen Aufmerksamkeit, um die Fahrgäste des öffentlichen Nahverkehrs vor Beeinträchtigungen zu schützen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des zugrunde liegenden Sachverhaltes sowie des widerstreitenden Sachvortrages wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien in beiden Rechtszügen gewechselten Schriftsätze sowie auf die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

A.

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

I. Es bestehen keine Bedenken gegen die Zulässigkeit der Berufung. Sie ist nach Maßgabe der §§ 66 Abs.1, 64 Abs.6 ArbGG i.V.m. § 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie ist auch statthaft gemäß § 64 Abs.1, 2 Ziff. b) ArbGG.

II. Die Berufung ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat richtig entschieden.

1. Die Klägerin hat Anspruch auf Zahlung eines restlichen Entgelts in Höhe von 2.863,04 € gemäß § 611 BGB i.V.m. dem Lohntarifvertrag für das Wach- und Sicherheitsgewerbe in Nordrhein - Westfalen vom 11.05.2006.

a) Die Klägerin ist gemäß der Lohngruppe 2.010 des vorgenannten Tarifvertrages zu entlohnen. Als Kontrollschaffnerin ist sie eine Beschäftigte in der Bewachung in Verkehrsmitteln des öffentlichen Personennahverkehrs im Sinne dieser Lohngruppe.

Unzweifelhaft hat die Klägerin ihre Tätigkeit in Verkehrsmitteln des öffentlichen Personennahverkehrs erbracht. Sie war insoweit in der Bewachung im Sinne von Ziffer 2.010 des Lohntarifvertrages tätig, wie eine Auslegung der Tarifnorm ergibt.

aa) Die Auslegung des normativen Teils von Tarifverträgen folgt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln (vgl. nur BAG v. 22.10.2003 - 10 AZR 152/03 - AP Nr. 21 zu § 1 TVG Rückwirkung; BAG v. 31.07.2002 - 10 AZR 578/01 - AP Nr. 3 zu § 1 Tarifverträge: Wohnungswirtschaft). Auszugehen ist vom Tarifwortlaut. Zu erforschen ist der maßgebliche Sinn der Erklärung, ohne am Wortlaut zu haften (§ 133 BGB). Der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und damit der von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm ist mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang ist abzustellen. Verbleiben noch Zweifel, können weitere Kriterien wie Tarifgeschichte, praktische Tarifübung und Entstehungsgeschichte des jeweiligen Tarifvertrages ohne Bindung an eine bestimmte Reihenfolge berücksichtigt werden. Im Zweifel ist die Tarifauslegung zu wählen, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Lösung führt (BAG v. 22.10.2003 - 10 AZR 152/03 - AP Nr. 21 zu § 1 TVG Rückwirkung; BAG v. 31.07.2002 - 10 AZR 578/01 - AP Nr. 3 zu § 1 Tarifverträge: Wohnungswirtschaft).

Bei der Auslegung anhand des Wortlauts ist vom allgemeinen Sprachgebrauch auszugehen (BAG v. 18.11.2004 - 8 AZR 540/03 - AP Nr.88 zu § 1 TVG Tarifverträge: Einzelhandel). Der allgemeine Sprachgebrauch wird lediglich dann verdrängt, wenn die Tarifvertragsparteien den verwandten Rechtsbegriffen eine eigenständige Definition geben oder aber einen feststehenden Rechtsbegriff verwenden (BAG v. 18.11.2004 aaO; vgl. auch BAG v. 21.08.2001 - 4 AZR 223/01 - AP Nr. 1 zu § 1 Tarifverträge: Krankenkassen; BAG v. 13.05.1998 - 7 AZR 107/97 - BAGE 89, 6; BAG v. 27.06.1984 - 4 AZR 284/82 - AP Nr. 92 zu §§ 22, 23 BAT 1975).

bb) Der Begriff der Bewachung ist hier in einem weiten Sinne als Dienstlich aufpassen zu verstehen.

Dies entspricht dem allgemeinen Sprachgebrauch. So wird der Begriff "bewachen" in Wahrig, Deutsches Wörterbuch (Ausgabe 2006) wie folgt definiert:

1. Wache halten vor, über, dienstl. aufpassen auf, scharf beobachten

2. behüten, beschützen

Der Zugrundlegung des allgemeinen Sprachgebrauchs steht hier keine branchenspezifische Definition entgegen. Die Tarifvertragsparteien haben den Begriff "Bewachung" nicht in dem engeren Sinne des § 34 a GewO bzw. der hierzu ergangenen Musterverwaltungsvorschrift verstanden. Dies wird deutlich, wenn man weitere Regelungen des Tarifvertrages zum Vergleich heranzieht.

Schon die Überschrift des Lohntarifvertrages bringt zum Ausdruck, dass "Wachen" hier in einem weiteren Sinne verstanden wird, wenn dort allgemein nur vom "Wach- und Sicherheitsgewerbe" die Rede ist, obwohl nach dem fachlichen Geltungsbereich auch Unternehmen darunter fallen, die Kontroll- und Ordnungsdienste betreiben. Dieses weite Verständnis der Begriffe "Bewachung" bzw. "Wachen" zeigt sich auch durch die Verwendung entsprechender Bezeichnungen in mehreren Lohngruppen, die Bereiche regeln, welche nicht dem engen Begriff der Bewachung im Sinne des § 34 a GewO entsprechen. So wird ein Pförtner mit regelmäßigen Telefon-, Auskunfts- und Registriertätigkeiten als "Separatwachmann" bezeichnet. In der Lohngruppe 2.016 wird ein Kassierer auf Parkplätzen und in Parkhäusern als Wachmann aufgeführt. Ziffer 2.018 nennt den Wachmann im Kontroll-, Ordnungs- und Informationsdienst bei Messen und Veranstaltungen. Allen genannten Gruppen ist gemein, dass sie Tätigkeiten erfassen, bei denen nicht im engen Sinne Eigentum oder Leben beschützt wird, sondern Mitarbeiter neben der Erfüllung anderer Aufgaben darauf aufpassen, dass Unbefugte keinen Zutritt erhalten.

Bestätigt wird dieses Wortlautverständnis, wenn man zur Auslegung auf den Vorgängertarifvertrag, den Lohntarifvertrag für das Wach- und Sicherheitsgewerbe in Nordrhein - Westfalen vom 12.04.2005 zurückgreift. Die in dem hier auszulegenden Tarifvertrag mit "A" bzw. "B" überschriebenen - mit dem Vorgängertarifvertrag weitgehend identischen - Lohngruppen werden dort den Bereichen "Revierwachdienst" und "Separatwachdienst" zugeordnet. D.h. die Tarifvertragsparteien gingen davon aus, dass sämtliche geregelten Beschäftigungen eine Form des Wachdienstes darstellen, so u.a. "Beschäftigte ... in der Verwaltung" (Ziff. 2.02), "Beschäftigte in betriebseigenen Funkstellen bzw. Telefonzentralen ohne Anordnungsbefugnis" (Ziff. 2.03) und "Kurierfahrer" (Ziff. 2.05).

cc) Die Tätigkeiten der Klägerin als Kontrollschaffnerin stellen eine Bewachung im oben dargelegten Sinne dar.

Ein "Kontrolleur" wird nach dem allgemeinen Sprachgebrauch u.a. als Aufseher definiert (so Wahrig, Deutsches Wörterbuch 2006), was wiederum einem Aufpassen entspricht. Dementsprechend sind schon die ureigensten Aufgaben der Kontrollschaffner Bewachungstätigkeiten, denn durch die Kontrolle von Fahrscheinen passen diese auf, dass die Fahrgäste die Dienste der Rheinbahn nicht ohne Fahrschein in Anspruch nehmen. Nach der Aufgabenbeschreibung im Vertrag der Beklagten mit der Rheinbahn üben die Kontrollschaffner das Hausrecht aus, was u.a. bedeutet, dass sie Unbefugte aus den Fahrzeugen weisen können. Auch dies ist Bestandteil einer "Bewachung". Darüber hinaus hat die Klägerin auf etwaige Gefahren aufzupassen, denn sie muss nach der vorgenannten Aufgabenbeschreibung Gefahrenzustände erkennen und melden. Hierbei handelt es sich um eine Aufgabe, die während der gesamten Arbeitszeit im Sinne einer wachen Aufmerksamkeit mit anfällt.

Unverständlich ist, dass die Beklagte meint, die Subsumtion der Tätigkeit eines Kontrollschaffners unter das Tarifmerkmal "Beschäftigte in der Bewachung" sei abenteuerlich und widerspreche jedem Sprachempfinden. Immerhin hat sie selbst arbeitsvertraglich dokumentiert, dass sie die Aufgaben eines Kontrollschaffners als Bewachungstätigkeit ansieht, denn unter Ziffer 2.3 des Vertrages vom 16.08.2006 heißt es wörtlich: "Bewachung der ihm/ihr zugewiesenen Objekte: Rheinbahn".

Soweit die Beklagte darauf hinweist, die Tarifparteien hätten die Regelung in Lohngruppe 2.010 nicht geändert, obwohl ihnen die Problematik bewusst gewesen sei, führt dies nicht etwa zu dem Schluss, diese gingen davon aus, dass Kontrollschaffner nicht unter die fragliche Lohngruppe fielen. Aufgrund der Entscheidung des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 22.08.2003 in dem Verfahren 13 Ca 4219/03 mussten sie vielmehr umgekehrt davon ausgehen, dass Kontrollschaffner unter die Lohngruppe fallen. Wenn sie die Regelung dennoch in späteren Tarifverträgen nicht geändert haben, kann hieraus gefolgert werden, dass diese Auslegung dem Willen der Tarifpartner entspricht.

Ohne Wert sind demgegenüber die Stellungnahmen der Tarifparteien, die nunmehr lediglich nachträglich eine für ihre jeweiligen Mitglieder günstige Interpretation enthalten, ohne dass hieraus hervorgeht, welchen Willen die Tarifpartner bei Abschluss des Tarifvertrages tatsächlich hatten.

Der für die Rheinbahn gültige Tarifvertrag kann nicht vergleichsweise herangezogen werden. Dem steht schon der gänzlich abweichende Wortlaut entgegen. Darüber hinaus waren an diesem Tarifvertrag nicht die Tarifvertragsparteien beteiligt, die den Lohntarifvertrag für das Wach- und Sicherheitsgewerbe NRW abgeschlossen haben. Zudem ist zu bedenken, dass Kontrollschaffner von Unternehmen, die unter den Geltungsbereich des hier auszulegenden Tarifvertrages fallen, nicht nur bei der Rheinbahn, sondern auch bei anderen Verkehrsbetrieben des öffentlichen Nahverkehrs eingesetzt werden können.

Schließlich ist es entgegen der Ansicht der Beklagten ohne Bedeutung, dass die Rheinbahn ein weiteres Unternehmen - die Firma I.S.O. - mit Bewachungsaufgaben betraut. Da der Begriff der Bewachung in Ziffer 2.010 in einem weiten Sinne zu verstehen ist, können ganz unterschiedliche Tätigkeiten darunter fallen. Zudem ist keineswegs gewährleistet, dass die Mitarbeiter der Beklagten und der Firma I.S.O. zur gleichen Zeit auf denselben Bahnen eingesetzt werden, sondern dies dürfte angesichts der Zahl der bei der Rheinbahn eingesetzten Fahrzeuge eher die Ausnahme darstellen.

dd) Selbst wenn nach alldem noch Zweifel verblieben, käme man zu keinem anderen Ergebnis.

In diesem Fall wäre nämlich das Ergebnis zugrunde zu legen, welches zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Lösung führt. Eine solche Lösung kann hier nur die Subsumtion unter die Lohngruppe 2.010 sein, da die Kontrollschaffner andernfalls überhaupt nicht von dem Lohntarifvertrag erfasst würden. Sachgerecht ist es aber, wenn möglichst das Entgelt aller gewerblichen Arbeitnehmer der unter den Lohntarifvertrag für das Wach- und Sicherheitsgewerbe NRW fallenden Betriebe in diesem Tarifvertrag geregelt wird. Es ist davon auszugehen, dass die Tarifvertragsparteien darum bemüht sind, eine möglichst abschließende Regelung im Lohnbereich zu treffen und nicht einzelne Arbeitnehmergruppen dem freien Spiel der Kräfte zu überlassen.

b) Die gemäß § 4 Abs.1 TVG unmittelbar und zwingend wirkende Entgeltregelung des Lohntarifvertrages für das Wach- und Sicherheitsgewerbe in Nordrhein - Westfalen verdrängt die ungünstigere arbeitsvertragliche Lohnvereinbarung.

c) Aus der Anwendung von Ziffer 2.010 des Lohntarifvertrages ergibt sich für die Zeit vom 16.08. bis 31.12.2006 unstreitig der vom Arbeitsgericht ausgeurteilte Differenzlohn in Höhe von insgesamt 2.863,04 €.

d) Die Ansprüche der Klägerin sind nicht gemäß Ziffer 5.2 des Lohntarifvertrages verfallen.

Hinsichtlich der Ansprüche für August bis Oktober 2006 ist eine fristgerechte Geltendmachung durch das außergerichtliche Schreiben der Klägerin vom 29.11.2006 erfolgt, dessen rechtzeitiger Zugang von der Beklagten nicht in Frage gestellt worden ist. Die am 15.03. bzw. 15.04.2007 abgelaufenen Geltendmachungsfristen für die November- und Dezember- Ansprüche wurden durch die am 14.03.2007 zugestellte Klage gewahrt.

2. Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 288, 291 BGB.

B.

I. Die Kostenentscheidung folgt aus § 64 Abs.6 ArbGG i.V.m. § 97 Abs.1 ZPO.

II. Die Kammer hat gemäß § 72 Abs.2 Nr.1 ArbGG wegen grundsätzlicher Bedeutung die Revision zugelassen, weil die dem Rechtsstreit zugrunde liegende Rechtsfrage klärungsbedürftig ist und eine größere Anzahl von Arbeitsverhältnissen betrifft.

Ende der Entscheidung

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