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Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 30.05.2001
Aktenzeichen: 17 Sa 121/01
Rechtsgebiete: BAT
Vorschriften:
BAT § 15 Abs. 6 b | |
BAT § 17 Abs. 1 | |
BAT § 35 Abs. 3 Unterabs. 2 |
LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Geschäftsnummer: 17 Sa 121/01
Verkündet am: 30.05.2001
In dem Rechtsstreit
hat die 17. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf gemäß § 128 Abs. 2 ZPO in der Sitzung vom 30.05.2001 - ohne mündliche Verhandlung - durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Grigo als Vorsitzenden sowie den ehrenamtlichen Richter Priebe und die ehrenamtliche Richterin Oeftiger
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 13.12.2000 - 5 Ca 3511/00 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen - teilweise abgeändert und die Beklagte unter Abweisung der weitergehenden Klage verurteilt, an die Klägerin 125,35 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit dem 06.10.2000 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 4/5 und die Beklagte zu 1/5.
Die Revision wird für die Klägerin und Beklagte zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten darüber, ob der Klägerin für während der Rufbereitschaft an Wochenfeiertagen im April und Juni 2000 angefallene Arbeit eine zusätzliche Überstundenvergütung zusteht.
Die Klägerin ist seit Juli 1999 im Universitätsklinikum E. als Krankenschwester beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis richtet sich kraft beidseitiger Tarifbindung nach dem Bundes-Angestellten-Tarifvertrag (BAT) und den diesen ergänzenden und ändernden Tarifverträgen. Die Klägerin erhielt Vergütung nach der Vergütungsgruppe Kr V der Anlage 1 b (Angestellte im Pflegedienst) zum BAT.
Während der Rufbereitschaft Ostermontag, 24.04.2000, wurde die Klägerin für sechs Stunden zur Arbeit herangezogen, desgleichen während der Rufbereitschaft an Christi Himmelfahrt, 01.06.2000, für 7,5 Stunden und am Fronleichnamstag, 22.06.2000, für 10,5 Stunden. In den fraglichen Monaten erhielt die Klägerin ihre Grundvergütung und neben der Vergütung für die Rufbereitschaften für die Arbeitsstunden am 24.04., 01.06. und 22.06.2000 Zeitzuschläge an Wochenfeiertagen - ohne Freizeitausgleich - mit 135 v.H. ihrer Stundenvergütung sowie für die letzten 2,5 Arbeitsstunden des 22.06.2000 zudem Überstundenvergütung.
Die Klägerin meint, ihr stehe diese Überstundenvergütung für sämtliche Arbeitsstunden während der Rufbereitschaft mit einem Ansatz von 125 v.H. ihrer Stundenvergütung zu. Für insgesamt 21,5 verbleibende Arbeitsstunden errechnet sie unter Zugrundelegung einer der Höhe nach streitlosen Überstundenvergütung von 29,14 DM sodann 626,51 DM.
Die Klägerin, die mit ihrer am 28.09.2000 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage zunächst das Land N. verklagt hat, hat beantragt,
das beklagte Land zu verurteilen, an sie DM 626,51 brutto nebst 5 & Zinsen über den jeweiligen Leitzinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 06.10.2000 zu zahlen.
Das Land hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Klägerin habe die geschuldete Vergütung erhalten. Bei Arbeit an Wochenfeiertagen sei nur die über den normalen Regeldienst hinaus geleistete Arbeit als Überstunden zu vergüten, weil die Grundvergütung ohnehin durchgängig gezahlt worden sei. Deshalb seien allein die über die tägliche Regelarbeitszeit der Klägerin am 22.06.2000 hinausgehende weitere Arbeitszeit von 2,5 Stunden gesondert mit der Überstundenvergütung bezahlt worden.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben.
Gegen dieses dem Land N. zugestellte Urteil hat am 31.01.2001 das Universitätsklinikum E. Berufung eingelegt. Dazu hat es vorgetragen, dass mit seiner Errichtung als rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts zum 01.01.2001 durch VO vom 01.12.2000 (Gesetz- und Verordnungsblatt NW - Nr. 54 v. 22.12.2000) eine Gesamtrechtsnachfolge einhergegangen sei. Im Übrigen hält das Universitätsklinikum daran fest, dass die Klageforderung nicht gerechtfertigt sei. Das Arbeitsgericht habe verkannt, dass die Arbeitsleistung an einem Wochenfeiertag erst dann zur Ableistung von Überstunden im Tarifsinne führe, wenn die normalerweise an diesem Tag zu erbringende Regeldienstzeit stundenmäßig überschritten werde. Treffe dies nicht zu, werde während der Rufbereitschaft lediglich der Zuschlag von 135 v.H. geschuldet, der streitlos gezahlt worden sei.
Das Universitätsklinikum beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 13.12.2000 - 5 Ca 3511/00 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Dem Eintritt des Universitätsklinikums in den Rechtsstreit stimme sie zu. In der Sache habe das Arbeitsgericht zu Recht darauf abgestellt, dass nach Maßgabe des speziell die Vergütung für den Fall der Heranziehung zur Arbeitsleistung während der Rufbereitschaft regelnden § 15 Abs. 6 b BAT die Überstundenvergütung, wie gefordert, zu zahlen sei.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen und die Sitzungsniederschriften verwiesen.
Entscheidungsgründe
A.
Die Berufung des Universitätsklinikums ist zulässig.
Da der Wert des Streitgegenstandes 1.200,00 DM nicht übersteigt, war die Berufung nach § 64 Abs. 2 ArbGG nur zulässig, wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden war. Das ist hier der Fall. Zulässigkeitsbedenken bestehen auch nicht deshalb, weil das Universitätsklinikum Berufung eingelegt hat. Berechtigt zur Berufung sind die Hauptparteien erster Instanz sowie diejenigen, die in erster Instanz oder im Laufe des Rechtsstreits als Gesamtrechtsnachfolger in den Prozess eingetreten sind -vgl. Zöller-Gummer, ZPO, 22. Aufl., § 511 RN 9; Baumbach-Hartmann, ZPO, 56. Aufl., § 50 RN 20. Nach Art. l § 1 Abs. 2 Satz 2 der VO über die Errichtung des Klinikums E.der Universitäts-Gesamthochschule E. (Universitätsklinikum E.) als Anstalt des öffentlichen Rechts vom 01.12.2000 sind mit dem 01.01.2001 die dem Aufgabenbereich der Medizinischen Einrichtungen zuzurechnenden Rechte und Pflichten des Landes N. und der Universität im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf das Universitätsklinikum übergegangen. Die Passivlegitimation des Landes im vorliegenden Verfahren ist eine solche Rechtsposition, die von der Gesamtrechtsnachfolge durch das Universitätsklinikum erfasst wird. Mit der Einlegung der Berufung wurde die Prozessübernahme erklärt. Dabei kann dahinstehen, ob es zudem zur Übernahme des Verfahrens seitens des Universitätsklinikums der Zustimmung der Klägerin nach Maßgabe von § 265 Abs. 2 Satz 2 ZPO bedarf; mit Schriftsatz vom 30.03.2001 hat die Klägerin der Übernahme ausdrücklich zugestimmt.
B.
In der Sache ist die Berufung nur teilweise erfolgreich. Entgegen der Auffassung des Universitätsklinikums hat die Klägerin grundsätzlich einen Anspruch darauf, dass ihr zusätzlich Überstundenvergütung für die streitigen 21,5 Arbeitsstunden gezahlt wird. Andererseits verkennt die Klägerin jedoch, dass auf ihre Ansprüche bereits 501,16 DM brutto geleistet wurden und ihr mithin allein eine Restforderung von sodann 125,35 DM brutto zusteht.
Der Klägerin ist gemäß § 15 Abs. 6 b BAT für die hier während der Rufbereitschaft angefallenen Arbeitszeit Überstundenvergütung zu zahlen.
Sofern - wie im Streitfalle - für die Heranziehung zur Arbeit während der Rufbereitschaft nicht alternativ Freizeitausgleich gewährt wird (§15 Abs. 6 b Unterabs. 4 BAT), ist diese Arbeitszeit neben der Rufbereitschaftsvergütung gesondert zu vergüten.
Der Wortlaut des § 16 Abs. 6 b Unterabs. 3 BAT verweist unmissverstandlich auf diese gesonderte Vergütungspflicht und deren Berechnungsgrundlage, wenn es in dieser Tarifbestimmung heißt: "Für angefallene Arbeit einschließlich einer etwaigen Wegezeit wird daneben die Überstundenvergütung gezahlt". Mit der Verwendung des Begriffs "daneben" haben die Tarifvertragsparteien klargestellt, dass eine weitere zusätzliche Vergütung zu zahlen ist. Es wird ferner deutlich, dass diese Vergütung ungeachtet der Frage zu zahlen ist, ob es sich bei diesen Arbeitsstunden um Überstunden im Tarifsinne bzw. im arbeitszeitrechtlichen Sinne handelt. Das hat das Arbeitsgericht im Ergebnis richtig gesehen.
Dabei kann dahinstehen, ob, wie von einem Teil des Schrifttums angenommen, für die Dauer der Heranziehung zur Arbeit aus der Rufbereitschaft die Vergütungen nach §§ 15 Abs. 6 b Unterabs. 2 und nach Unterabs. 3 nicht nebeneinander zu zahlen sind (vgl. Ramdohr, Kleinke u.a., Das Tarifrecht der Angestellten im öffentlichen Dienst, § 15 BAT Anm. 47 f.). Vorliegend ist dies ohne Belang, weil alleiniger Streitgegenstand die Frage einer zusätzlichen Vergütung der Klägerin nach § 15 Abs. 6 b Unterabs. 3 BAT ist und nicht die anders gelagerte Fragestellung, ob die Vergütungspflicht nach den Rechengrößen des Unterabs. 2 des § 15 Abs. 6 b BAT für die Dauer der Heranziehung zur Arbeitsleistung suspendiert wird. Im Übrigen spricht nach Auffassung der Berufungskammer ungeachtet der arbeitszeitrechtlichen Dogmatik, auf die sich das angeführte Schrifttum stützt, der Wortlaut des § 15 Abs. 6 b Unterabs. 3 BAT eher für die gegenteilige Annahme. Nach dem Sprachsinn kann "daneben" nicht anders verstanden werden, als eine zusätzliche von den Tarifvertragsparteien hier normierte Zahlungspflicht (so im Ergebnis auch Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, BAT, § 15 - regelmäßige Arbeitszeit - Erl. 19 f.).
Auch nach Sinn und Zweck, die bei der Tarifauslegung mit zu berücksichtigen sind (st. Rspr. des BAG, vgl. Urteil vom 12.09.1984 - 4 AZR 336/82 - BAG 46, 308, 313 = AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung) kann die Regelung in § 15 Abs. 6 b Unterabs. 3 BAT nicht dahin verstanden werden, dass eine Zahlungspflicht erst dann eintritt, wenn Überstunden, wie in § 17 Abs. 1 BAT definiert, vorliegen. Ebenso wie die Tarifvertragsparteien den Bereitschaftsdienst vergütungsrechtlich - anteilig mit 15 % - wie Arbeitszeit nach § 15 Abs. 6 b Unterabs. 2 BAT bewerten, haben sie dem Arbeitgeber eine Vergütungspflicht "wie für Überstunden" in Unterabs. 3 aufgegeben für den Fall der Heranziehung zur Arbeit während der an sich laufenden Rufbereitschaft.
Auch der tarifliche Gesamtzusammenhang gibt für die gegenteilige Auffassung des Universitätsklinikums nichts her. Dem Anspruch der Klägerin auf Überstundenvergütung steht nicht etwa das Kumulierungsverbot des § 35 Abs. 2 BAT entgegen, wonach bei Vorliegen der Voraussetzungen für die Zahlung mehrerer Zeitzuschläge nur ein Zeitzuschlag, u.z. der höchste beansprucht werden kann. Die in § 35 Abs. 2 Unterabs. 3 Satz 2 BAT auf die Zeitzuschläge nach Abs. 2 Satz 2 Buchst, b) bis f) beschränkte Verweisung ist nicht dahin zu verstehen, dass im Streitfalle ein kumulativer Zeitzuschlag für Überstunden ausgeschlossen ist. Für die Vergütung der während der Rufbereitschaft geleisteten Arbeit als Überstunden ist allein § 15 Abs. 6 b BAT maßgeblich -vgl. BAG, Urteil vom 28.07.1994 - 6 AZR 76/94 - AP Nr. 33 zu § 15 BAT, zu II, 3 der Gründe; Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, a.a.O. § 35 - Zeitzuschläge, Überstundenvergütung - Erl. 8). Das Kumulierungsverbot des § 35 Abs. 2 BAT erfasst jedoch diesen speziellen Vergütungstatbestand des § 15 Abs. 6 b BAT nicht.
Der Klage war gleichwohl nur teilweise stattzugeben, weil beklagtenseits auf die streitigen Forderungen mit den Grundvergütungen der Monate April und Juni 2000 nach Kr. V mit jeweils 2.787,85 DM brutto zugleich insgesamt 501,16 DM brutto gezahlt und die Klageforderung deshalb in dieser Höhe erloschen ist (§ 362 Abs. 1 BGB).
Rechtsgrund der Zahlung der Grundvergütungen war die Entgeltfortzahlungspflicht der Beklagten gemäß § 2 Abs. 1 EntgeltfortzahlungsG für zwei Stunden des 24.04.2000 und 0,5 Stunden des 01.06.2000. Um diese wegen der Feiertage ausgefallene, ansonsten betriebsübliche für die Klägerin angefallenen Arbeitsstunden, hatte die Klägerin weniger gearbeitet als sonst an diesen Tagen. Mit der während der Rufbereitschaft angefallenen tatsächlichen Arbeitszeit korrespondierte eine Vergütungspflicht des beklagten Klinikums gemäß § 611 Abs. 1 BGB, die zunächst auf die Stundenvergütung abstellte, hier mit einem der Vergütungsgruppe Kr V. entsprechendem Betrag von 23,31 DM je Arbeitsstunde. Dieser Betrag, der beklagtenseits unstreitig - mit den Grundvergütungen - gezahlt wurde, ist gleichermaßen der Sockel von "100 v.H." der eingeklagten Überstundenvergütung, die gemäß § 35 Abs. 3 Unterabs. 2 BAT definiert ist als "Stundenvergütung zuzüglich des Zeitzuschlages nach Abs. 1 Satz 2 Buchstabe a), wobei der Zeitzuschlag für Angestellte der Vergütungsgruppe V BAT 25 v.H. beträgt.
Allein der verbleibende Teilbetrag des Überstunden-Zeitzuschlages von 25 v.H. war der Klägerin daher noch zuzuerkennen. Das sind rechnerisch 125,35 DM brutto. Verzugszinsen stehen der Klägerin entgegen der Auffassung des Universitätsklinikums zwar nicht lediglich auf den geminderten Nettobetrag zu, sondern auf die zuerkannte Bruttosumme (vgl. BAG, GS Beschluss vom 07.03.2000 - GS 1/00 -), dies jedoch mit lediglich 4 % Rechtshängigkeit nach Maßgabe der für die bis zum 01.05.2000 geltenden Fassung des § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB.
C.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin und das Universitätsklinikum gemäß § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO anteilig im jeweiligen Verhältnis ihres Obsiegens.
Die Berufungskammer hat angesichts der streitigen Tarifauslegung eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache bejaht und deshalb die Revision für beide Parteien zugelassen (§ 72 Abs. 2 Ziffer 1 ArbGG).
Ende der Entscheidung
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