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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 25.08.2009
Aktenzeichen: 17 Sa 618/09
Rechtsgebiete: BGB, BetrVG


Vorschriften:

BGB § 133
BGB § 157
BGB § 307
BGB § 611
BetrVG § 75
1. Verweisungen im Arbeitsvertrag auf eine Betriebsvereinbarung sind im Zweifel deklatorisch gemeint und begründen keinen eigenen individualrvertraglichen Anspruch.

2. Auf Betriebsvereinbarungen finden nach § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB die Vorschriften der § 305 ff. BGB keine Anwendung. Bindungsklauseln in Betriebsvereinbarungen unterliegen keiner Inhaltskontrolle. Dies gilt auch bei einer Bezugnahme auf die Betriebsvereinbarung im Arbeitsvertrag.


Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 26.03.2009 - 6 Ca 7714/08 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über den Anspruch des Klägers auf Zahlung einer variablen Vergütung für das Geschäftsjahr 2007/2008.

Der Kläger wurde am 01.11.2004 bei der Beklagten aufgrund Arbeitsvertrages vom 30.10.2004 als Kreditrisiko-Controller am Standort E. zu einem monatlichen Bruttogehalt von 4.600,00 € und einer Ziel-VE für das erste Geschäftsjahr in Höhe von 5200,00 € eingestellt. Zuletzt betrug das Bruttomonatsgehalt 5200,00 €.

Der Arbeitsvertrag (Bl. 113 ff d. A.) hat u.a. folgenden Inhalt:

"§ 3 Vergütung

Ihre Bezüge gliedern sich wie folgt:

Festgehalt

....

13. Monatsgehalt

....

Variable Erfolgsvergütung (VE)

Die nach Beendigung eines Geschäftsjahres von der Bank an Sie auszuzahlende variable Erfolgsvergütung erfolgt gemäß der entsprechenden Betriebsvereinbarung auf der Grundlage einer individuell festgelegten Zielgröße (Ziel-VE). In Ihrem Falle setzen wir für das erste volle Geschäftsjahr Ihrer Tätigkeit eine Ziel-VE in Höhe von EUR 5.200,-- (in Worten: Euro Fünftausendzweihundert) brutto fest. Bei einem Eintritt im laufenden Geschäftsjahr erfolgt die Auszahlung der VE zeitanteilig.

....

Abgeltung / Ausschluss

Mit der Zahlung der vereinbarten Bezüge ist die Leistung von Mehrarbeit abgegolten. Die Abtretung oder Verpfändung von Vergütungsansprüchen ist ausgeschlossen."

In der Betriebsvereinbarung "Variable Erfolgsvergütung" vom 25.02.2001 (Bl. 7- 15 d. A.) heißt es u.a.:

"§ 1 Gegenstand und Geltungsbereich

Diese Vereinbarung löst die Betriebsvereinbarung vom 02.Mai 1996 ab. Sie gilt für alle Mitarbeiter, sofern es nicht Auszubildende oder leitende Angestellte i.S.d. § 5 Abs. 3 BetrVG sind. Außerdem findet sie keine Anwendung auf Mitarbeiter mit befristeten Arbeitsverträgen, deren Anstellung nicht auf Dauer angelegt ist.

.......

§ 8 Ausnahmen

Eine Ist-VE kommt nicht zur Auszahlung, wenn der Mitarbeiter unterjährig durch Kündigung ausscheidet oder bis zum Auszahlungstag das Arbeitsverhältnis gekündigt wird. Bei Austritt durch Erreichen der Altersgrenze oder Vorruhestand sowie bei Mutterschutz-/Erziehungsurlaub und Erwerbsunfähigkeit kommt die Ist-VE pro rata temporis zur Auszahlung.

Bei einer Versetzung des Mitarbeiters wird der Leistungsfaktor bis zum Zeitpunkt der Versetzung entsprechend der ggf. zeitanteiligen Zielerreichung festgelegt. Für den neuen Aufgabenbereich des Mitarbeiters erfolgt eine neue Zielvereinbarung. Aus den pro rata temporis festgelegten Leistungsfaktoren wird der Durchschnittswert bei Ermittlung der Ist-VE berücksichtigt.

In Fällen unterjährigen Eintritts erfolgt die Zahlung der Ist-VE pro rata temporis entsprechend der persönlichen Zielerreichung.

§ 11 Schlussbestimmungen

1. Sonstige tarifliche oder gesetzliche Regelungen bleiben von der Betriebsvereinbarung unberührt. Sollten eine oder mehrere Bestimmungen dieser Regelung ganz oder teilweise unwirksam oder undurchführbar sein oder werden, so bleibt die Wirksamkeit dieser Betriebsvereinbarung im Übrigen davon unberührt. Der unwirksamen oder undurchführbaren Bestimmung gilt eine solche wirksame oder undurchführbare Bestimmung, die den Willen, der diese Vereinbarung schließenden Parteien am nächsten kommt. Gleiches gilt für den Fall einer Lücke dieser Vereinbarung."

Das Geschäftsjahr der Beklagten läuft jeweils vom 01.04. bis zum 31.03. des Folgejahres. Die variable Erfolgsvergütung ist fällig zum 15.07. des Folgejahres.

Mit Schreiben vom 12.06.2007 (Bl. 6 d. A.) teilte die Beklagte mit, dass der Kläger für das Geschäftsjahr 2006/2007 eine variable Erfolgsvergütung in Höhe von 8150,00 € brutto erhält. Die Ziel-VE für das Geschäftsjahr 2007/2008 wurde auf € 7.400,00 brutto festgelegt.

Mit der am 17.12.2008 beim Arbeitsgericht Düsseldorf eingegangenen Klage begehrt der Kläger zuletzt noch eine variable Erfolgsvergütung in Höhe von 5.920,90 € brutto.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass ihm gem. § 3 des Arbeitsvertrages in Verbindung mit der Betriebsvereinbarung ein Anspruch auf die variable Erfolgsvergütung zustehe. § 8 der Betriebsvereinbarung stünde dem nicht entgegen. Die Regelung sei unwirksam. Sie verstoße gegen § 75 BetrVG, da sie eine unangemessene lange Bindungsdauer enthalte. Sie differenziere auch nicht nach dem Beendigungsgrund. Es sei auch ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz gegeben, da die Regelung auf eine rückwirkende Entgeltkürzung für Arbeitnehmer wegen ihres bevorstehenden Ausscheidens hinauslaufe.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, ihm 5.920,90 € zuzüglich 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, dass § 3 des Arbeitsvertrages lediglich einen deklaratorischen Verweis auf die Regelungen der Betriebsvereinbarung beinhalte. Die Voraussetzungen für die Zahlung seien nicht erfüllt. § 8 der Betriebsvereinbarung verstoße weder gegen § 75 BetrVG noch gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz.

Das Arbeitsgericht Düsseldorf hat die Klage durch Urteil vom 26.03.2008 abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt, dass die Auslegung des Arbeitsvertrages ergebe, dass § 3 lediglich eine Verweisung auf die entsprechende Betriebsvereinbarung enthalte. Die Betriebsvereinbarung gelte gem. § 1 BV, § 77 Abs. 4 S. 1 BetrVG unmittelbar und zwingend für den Kläger. Da die Regelung im Arbeitsvertrag insgesamt auf die Betriebsvereinbarung Bezug nehme, spreche nichts für die Annahme einer konstitutiven einzelvertraglichen Zusage. Dagegen spreche auch nicht die Regelung für das Eintrittsjahr. Insoweit sei lediglich eine ergänzende Absprache getroffen worden. Dem Kläger könne auch nicht gefolgt werden, dass es sich nicht um eine dynamische Verweisung handele. Die Bezugnahme "entsprechende Betriebsvereinbarung" meine die jeweils einschlägige. Auch die Umstände bei Vertragsschluss führten nicht zu einer abweichenden Zusage. Selbst wenn man von einer konstitutiven Zusage einer Erfolgsvergütung im Arbeitsvertrag ausgehe, führe dies nicht zu einer anderen Beurteilung. Auch in diesem Fall gäbe es keinen Raum für eine Inhaltskontrolle des § 8 der Betriebsvereinbarung. Von der Inhaltskontrolle seien nur Regelungen erfasst, die von Rechtsvorschriften abweichen (§ 307 Abs. 3 S. 1 BGB). Rechtsvorschrift im Sinne der Vorschrift sei auch eine Betriebsvereinbarung, wie sich unmittelbar aus § 310 Abs. 4 S. 3 BGB ergebe. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf die variable Erfolgsvergütung. Dem stehe § 8 Abs. 1 S. 1 der Betriebsvereinbarung entgegen, da das Arbeitsverhältnis bis zum Auszahlungstag gekündigt worden sei. § 8 der Betriebsvereinbarung sei wirksam. Die Vorschriften der §§ 305 ff BGB fänden keine Anwendung. Ein Verstoß gegen § 75 BetrVG sei nicht gegeben. Die Betriebspartner hätten bei Abschluss einer Betriebsvereinbarung einen weiten Ermessensspielraum. Sie hätten allerdings den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten. Dies sei hier gegeben. In der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sei anerkannt, dass Sonderzahlungen davon abhängig gemacht werden dürften, dass das Arbeitsverhältnis beim Auszahlungstag überhaupt noch oder ungekündigt besteht. Es sei auch grundsätzlich möglich, die freiwillige Zahlung daran anzuknüpfen, dass das Arbeitsverhältnis über den Auszahlungstag hinaus innerhalb eines bestimmten Zeitraums fortbesteht. Für die zulässige Bindungsdauer sei die Höhe der Sonderzahlung maßgeblich. Solche Klauseln seien selbst dann zulässig, wenn der Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor Ablauf der Bindungsfrist nicht in der Sphäre der Arbeitnehmer liege. Soweit der Kläger davon ausgehe, dass die Grundsätze nicht zum Tragen kämen, weil die Vergütung einen Entgeltcharakter habe, könne dem nicht gefolgt werden. Mit einer variablen Erfolgsvergütung könnten auch andere Ziele, insbesondere die Schaffung von Anreizen für künftige Betriebstreue verfolgt werden. Dies sei hier gegeben, wie sich aus der Stichtagsregelung und aus § 1 ergebe, wonach befristet Beschäftigte von der Zahlung ausgenommen worden seien. Es sei auch kein Verstoß gegen höherrangiges Recht, namentlich Art. 2, 12 GG, gegeben. Jede Stichtagsregelung binde den Arbeitnehmer und greife in die Berufsfreiheit ein. Es finde im Rahmen der Prüfung der Betriebsvereinbarung gerade keine Inhaltskontrolle stand. Es sei nicht Aufgabe der Gerichte, die Interessenabwägung der Betriebspartner zu überprüfen, soweit nicht der Rahmen des § 75 BetrVG überschritten werde.

Der Kläger hat gegen das am 27.04.2009 zugestellte Urteil mit dem am 04.05. 2009 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz vom 04.05.2009 Berufung eingelegt und diese mit dem am 29.06.2009 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.

Der Kläger ist der Auffassung, dass sich ein Anspruch bereits aus § 3 des Arbeitsvertrages ergebe, da es sich um eine konstitutive Inbezugnahme handele. Die Parteien hätten individuelle Zielvereinbarungen getroffen. Aufgrund der konstitutiven Inbezugnahme fänden die Maßstäbe des § 307 Abs. 1 und Abs. 2 BGB unmittelbar Anwendung. Als individualvertragliche oder arbeitsvertraglich in Bezug genommene Klausel habe § 8 keinen Bestand, da es keinen sach-lichen Grund für eine Ungleichbehandlung von Arbeitnehmern mit gekündigtem Arbeitsverhältnis gebe. Der betriebsverfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz sei verletzt. Die vorliegende Erfolgsvergütung sei reines Entgelt und sollte die Leistung für die Vergangenheit belohnen. Dies ergebe sich aus der Präambel der Vereinbarung. Es werde erwartet, dass eine Mobilisierung aller Potenziale der Mitarbeiter/innen dadurch erreicht wird, dass hervorragende Leistungen auch entsprechend honoriert werden. Die Ausführungen der Beklagten, das auch die Betriebstreue belohnt werden sollte, seien falsch. Das gehe an der Realität vorbei. Dies ergebe sich auch nicht aus der Formulierung der Betriebsvereinbarung. Die Betriebsvereinbarung verstoße auch gegen die in Art. 2, 12 GG geschützte Berufsfreiheit, da die Bindungsdauer zu lang sei. Der Kläger sei noch neun Monate nach Beendigung des Geschäftsjahres an den Betrieb gebunden. Dies sei angesichts seines Arbeitseinkommens zu lang. Es würden auch Arbeitnehmer durch die Betriebsvereinbarung von einer Kündigung abgehalten, die gar keine Erfolgsbeteiligung verlangen könnten.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 26.03.2009, AZ.: 6 Ca 7714/08) wird aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger Euro 5920,90 zuzüglich 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen

Die Beklagte ist der Auffassung, dass die Berufung bereits unzulässig sei, da sie sich nicht mit den Urteilsgründen im Einzelnen auseinander setzt. Sie sei jedenfalls unbegründet. Der Arbeitsvertrag enthalte keine konstitutive Zusage einer variablen Vergütung. § 3 des Arbeitsvertrages verweise nur deklaratorisch auf die bei der Beklagten existierende Betriebsvereinbarung. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der Formulierung. Bereits der Wortlaut spreche dafür, dass die Vertragsparteien gerade nicht eine von der Betriebsvereinbarung losgelöste eigenständige Regelung schaffen wollten. Für einen deklaratorischen Verweis spreche zudem, dass der Kläger unabhängig von der Formulierung anspruchsberechtigt gewesen wäre. Denn die Betriebsvereinbarung gelte gemäß § 1 für alle Mitarbeiter. An keiner Stelle werde ein Wille erkennbar, einen eigenen arbeitsvertraglichen Anspruch schaffen zu wollen. Die Verweisung stelle auch keinen Verstoß gegen das AGB-Recht dar. Die Verweisung sei eindeutig. Es ergebe sich auch kein Anspruch aus der Betriebsvereinbarung, da nach § 8 der Betriebsvereinbarung eine Ist-VE nicht zur Auszahlung komme, wenn der Mitarbeiter unterjährig durch Kündigung ausscheide oder bis zum Auszahlungstag das Arbeitsverhältnis gekündigt werde. Diese Voraussetzung sei aufgrund der Kündigung des Klägers zum 31.03.2008 erfüllt. Es ergebe sich auch keine Unwirksamkeit von § 8 der Betriebsvereinbarung nach den Vorschriften der §§ 307 ff BGB, da die Vorschriften nach § 310 Abs. 4 S. 1 BGB auf Betriebsvereinbarungen nicht anzuwenden seien. Der nur vorzunehmenden Rechtskontrolle nach § 75 BetrVG halte die Betriebsvereinbarung stand. Stichtagsklauseln seien allgemeinen anerkannt. Der Arbeitgeber könne mit Jahressonderzahlungen unterschiedliche Zwecke verfolgen. Sie könne ausschließlich im Bezugszeitraum erbrachte Arbeitsleistung zusätzlich honorieren. Sie könne aber auch vergangenheits- und zukunftsbezogene Elemente miteinander verknüpfen und die Belohnung bisheriger Betriebstreue bezwecken und dem Anreiz künftiger Betriebstreue dienen. Dies sei hier gegeben. Die Voraussetzung, dass der Arbeitnehmer noch am Auszahlungstag in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis stehen müsse, führe nicht zu einer unbilligen Schlechterstellung des Klägers. Angesichts der Höhe der in Aussicht gestellten Sonderzahlung und der vorausgesetzten Bindungsdauer an das Arbeitsverhältnis sei keine Unangemessenheit zu erkennen. Es sei zu beachten, dass eine Stichtagsklausel weniger belastend sei als eine Rückzahlungsklausel. Ein Zeitraum von fünf Monaten zwischen Bezugszeitraum und Auszahlungszeitraum sei unschädlich. Es sei zu beachten, dass die Bindungsklausel in einer Betriebsvereinbarung enthalten sei. Eine Inhaltskontrolle nach den Vorschriften §§ 305 ff BGB finde nicht statt. Betriebsvereinbarungen unterlägen nur einer Billigkeitskontrolle. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass Maßstab der Kontrolle die Verpflichtung der Organe sei, dem Wohl des Betriebes und seiner Arbeitnehmer unter Berücksichtigung des Gemeinwohls zu dienen. Innerhalb dieser Verpflichtung hätten sie den billigen Ausgleich zwischen Interessen der Belegschaft und dem Betrieb zu suchen. Die richterliche Billigkeitskontrolle beziehe sich auf den Inhalt der getroffenen Regelung. Gemessen an den Grundsätzen erweise sich die Stichtagsregelung, die an den Auszahlungszeitpunkt der variablen Vergütung im Juli anknüpfe, während der Bezugszeitraum erst mit dem 31.03. ende, als zulässig.

Dem Kläger sei eine variable Vergütung von 7.400 € brutto in Aussicht gestellt worden. Der Kläger hätte lediglich auf eine Kündigungsmöglichkeit am 30.06 verzichten müssen. Darüber hinaus sei die Auszahlung lediglich um 3,5 Monate nach Ablauf des Bezugszeitraums verschoben worden. Bei der Beurteilung der Billigkeit der Regelung sei zudem zu berücksichtigen, dass sich die Kontrolle auf die Norm als solche (abstrakte Billigkeitskontrolle), nicht hingegen auf die Auswirkungen auf die einzelnen Arbeitsverhältnisse erstrecke. Unerheblich sei deswegen die individuell begründete Kündigungsfrist und die sich daraus ergebende Bindungsdauer. Unter Berücksichtigung dieser Umstände sei die Regelung nicht zu beanstanden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des zugrundeliegenden Sachverhaltes sowie des widerstreitenden Sachvortrags und der unterschiedlichen Rechtsauffassungen der Parteien wird ergänzend Bezug genommen auf die in beiden Instanzen zu den Akten gereichten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie Protokolle der mündlichen Verhandlungen und den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung ist zulässig.

Sie ist an sich statthaft (§ 64 Abs. 1 ArbGG), nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes zulässig (§ 64 Abs. 2 Ziffer b ArbGG) sowie in gesetzlicher Form und Frist eingelegt i. V. m. § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, § 66 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 ArbGG, § 519 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO) und innerhalb der Frist (§ 66 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 ArbGG) ordnungsgemäß (§ 520 Abs. 3 ZPO i. V. m. § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG) begründet worden.

II. Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht die Klage abgewiesen. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung der variablen Vergütung in Höhe von 5.920,90 € brutto für das Geschäftsjahr 2007/2008.

1. Der Kläger kann seinen Anspruch nicht auf den Arbeitsvertrag stützen. Der Arbeitsvertrag enthält keine individuelle Zusage auf Gewährung der variablen Vergütung.

a) Im Arbeitsvertrag ist zwar unter der Überschrift Vergütung in § 3 neben dem monatlichen Festgehalt das 13. Monatsgehalt und die variable Erfolgsvergütung (VE) aufgeführt. Zu Recht hat das Arbeitsgericht der Regelung aber keine konstitutive arbeitsvertragliche Zusage in der Weise entnommen, dass dem Kläger jährlich, unabhängig von den Bestimmungen der zwischen der Beklagten und dem Gesamtbetriebsrat vereinbarten Betriebsvereinbarung eine variable Vergütung zustehen sollte.

aa) Dies ergibt die Auslegung des Arbeitsvertrages. Der Inhalt von Willenserklärungen ist nach den §§ 133, 157 BGB objektiv unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles nach der Sicht des Empfängers zu bestimmen. Der in der auszulegenden Erklärung verkörperte rechtlich maßgebliche Wille ist zu ermitteln. Lässt sich dabei ein übereinstimmender Wille der Parteien feststellen, so ist dieser allein maßgeblich, auch wenn er in einer Vereinbarung nur einen unvollkommenen oder gar keinen Ausdruck gefunden hat. Das übereinstimmend Gewollte hat Vorrang vor dem insoweit falsch oder nicht ausdrücklich Erklärten. Kann eine solche Feststellung nicht getroffen werden, so sind die jeweiligen Erklärungen der Vertragsparteien jeweils aus der Sicht des Erklärungsempfängers so auszulegen, wie er sie nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen durfte und musste. Bei der Auslegung sind alle tatsächlichen Begleitumstände der Erklärung zu berücksichtigen, die für die Frage von Bedeutung sein können, welchen Willen der Erklärende bei seiner Erklärung gehabt hat und wie die Erklärung von ihrem Empfänger zu verstehen war, die Entstehungsgeschichte, das Verhalten der Parteien vor und nach Vertragsschluss, der Zweck einer Abmachung und die gegebene Interessenlage (BAG Urteil v. 03.05. 2006 - 10 AZR 310/05 - EzA BGB 2002 § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 18; BAG Urteil v. 24.09.2003 - 10 AZR 34/03 - NZA 2004, 149-152 = EzA BGB 2002 § 133 Nr. 3; BAG Urteil v. 26.09.2002 - 6 AZR 434/00 - EzA BBiG § 10 Nr. 6; BAG Urteil v. 12.06.2002 - 10 AZR 323/01 - EzA BetrVG 1972 § 112 Nr. 110) .

bb) Enthält der Vertrag allgemeine Geschäftsbedingungen i.S.v. § 305 Abs. 1 BGB, die von der Beklagten für eine Vielzahl von Verträgen gleichlautend verwendet und dem Arbeitnehmer bei Vertragsschluss gestellt wurden, so sind diese nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständlichen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zu Grunde zu legen ist (BAG Urteil v. 24.10.2007 - 10 AZR 825/06 - EzA BGB 2002 § 307 Nr. 26 m.w.N.; BAG Urteil v. 31.08.2005 - 5 AZR 50045/04 - AP ArbZG § 6 Nr.8). Maßgebend sind die Verständnismöglichkeiten des typischerweise bei Verträgen der geregelten Art zu erwartenden nicht rechtskundigen Vertragspartners.

Der Verwender ist demgemäß verpflichtet, die Rechte und Pflichten des Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar darzustellen; sie müssen so gestaltet sein, dass der nicht rechtskundige Durchschnittsarbeitnehmer die benachteiligende Wirkung ohne Einholung von Rechtsrat erkennen kann (Reinecke BB 2005, 378/379).

cc) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ergeben sich weder aus dem Wortlaut noch aus dem Gesamtzusammenhang und den Begleitumständen ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass dem Kläger konstitutiv die variable Vergütung zugesagt werden sollte.

1) Bei der Regelung in § 3 "variable Erfolgsvergütung" handelt es sich allerdings um eine allgemeine Geschäftsbedingung i. S. d. § 305 Abs. 1 S.1 BGB. Auch Vertragsbedingungen, die vor ihrer Verwendung kollektivrechtlich ausgehandelt worden sind, gehören dazu (BAG Urteil v. 21.04.2007 - 6 AZR 622/06 - EzA § 113 InsO Nr. 19 m.w.N.).

2) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG Urteil v. 12.03.2008 - 10 AZR 256/07 - NV; BAG Urteil v. 27.09.2000 - 7 AZR 390/99 EzA § 1 BeschFG 1985 Nr. 20 BAG 24.09.2003 - 10 AZR 34/03 - NZA 2004, 149-152 ; EzA BGB 2002 § 133 Nr. 3) sind Verweisungen im Arbeitsvertrag auf ohnehin anwendbare gesetzliche, tarifliche oder betriebsverfassungsrechtliche Vorschriften im Zweifel deklaratorisch gemeint. Die Arbeitsvertragsparteien wollen in der Regel durch die Verweisung auf ohnehin geltende kollektive Regelungen keinen eigenständigen individualvertraglichen Geltungsgrund für diese Regelungen schaffen. Sie bringen regelmäßig durch eine solche Verweisung nur zum Ausdruck, dass nicht sämtliche für das Arbeitsverhältnis maßgeblichen Bestimmungen im Text des Arbeitsvertrags wiedergegeben, sondern darüber hinaus in den genannten kollektiven Vereinbarungen enthalten sind (BAG 18.11.2003 - 1 AZR 604/02 - BAGE 108, 299, 302). Die Verweisungsklausel stellt dann schon kein Rechtsgeschäft dar. Ihr liegen keine Willenserklärungen zu Grunde, durch die Rechtsfolgen bewirkt werden sollen. Es handelt sich um einen bloßen rechtlichen Hinweis (BAG 18.11.2003 - 1 AZR 604/02 - a.a.O.).

3) Es liegen keine ausreichenden Umstände vor, die hier zu einer andern Beurteilung führen. Die Betriebsvereinbarung fand auch ohne die Verweisung im Arbeitsvertrag auf den Kläger (vgl. § 1 BV) Anwendung. Der Kläger war weder Auszubildender noch leitender Angestellter im Sinne des § 5 Abs. 3 BetrVG war. Er war auch nicht aufgrund eines befristeten Arbeitsvertrages beschäftigt. Mit dem Verweis im Arbeitsvertrag bringen die Parteien auch hier folglich nur zum Ausdruck, dass nicht alle für das Arbeitsverhältnis maßgeblichen Bestimmungen im Arbeitsvertrag festgelegt sind, sondern auch die Regelungen einer Betriebsvereinbarung zur Anwendung kommen.

4) Soweit der Kläger darauf hingewiesen hat, dass die Parteien für das Eintrittsjahr eine spezielle Regelung und für die Folgezeit jeweils individuelle Zielvereinbarungen getroffen haben, führt das nicht weiter. Das Arbeitsgericht weist zu Recht darauf hin, dass die Vereinbarung für das Eintrittsjahr nur als ergänzende Absprache zu verstanden werden kann. Mit den jährlichen Zielvereinbarungen haben die Parteien nur der Betriebsvereinbarung Rechnung tragen. Unter § 3 Zielvereinbarungen heißt es, "einmal jährlich vereinbaren Führungskraft und Mitarbeiter etwa drei bis fünf Ziele für das anstehende Geschäftsjahr. Die vereinbarten Ziele werden im Zielvereinbarungsgespräch schriftlich (siehe Anlage 1) dokumentiert.... Die Verweisung ist ansonsten auch nicht unklar. Die variable Erfolgsvergütung ist zwar unter der Überschrift Vergütung aufgeführt. Dies reicht aber nicht aus, um von einer konstitutiven Regelung auszugehen. Die Erwähnung der variablen Erfolgsvergütung unter § 3 Vergütung weist lediglich darauf hin, dass die Vergütungsansprüche zusammengefasst dargestellt werden sollten. Das § 3 BV nicht ausdrücklich auf die jeweils geltende Betriebsvereinbarung Bezug nimmt, spricht auch nicht für die Auffassung des Klägers. Die Formulierung, "gemäß der entsprechenden Betriebsvereinbarung", bringt ausreichend zum Ausdruck, dass die jeweils nach § 77 Abs. 4 S.1 BetrVG unmittelbar und zwingend geltende Betriebsvereinbarung zur Anwendung kommen soll.

2. Der Kläger kann seinen Anspruch auch nicht auf die Betriebsvereinbarung vom 20.02.2001 stützen. Die Berufungskammer folgt insoweit den Ausführungen des Arbeitsgerichts.

a) Die Voraussetzungen für die Auszahlung der variablen Erfolgsvergütung sind nicht erfüllt. Gemäß § 8 der Betriebsvereinbarung kommt eine Ist-VE nicht zur Auszahlung, wenn der Mitarbeiter unterjährig durch Kündigung ausscheidet oder bis zum Auszahlungstag das Arbeitsverhältnis gekündigt wird. Dies ist hier gegeben. Die variable Vergütung wird im Juli des folgenden Geschäftsjahres gezahlt. Zu diesem Zeitpunkt war der Kläger bereits ausgeschieden. Er hat das Arbeitsverhältnis zum 31.03.2008 gekündigt.

b) Die Betriebsvereinbarung ist auch nicht rechtsunwirksam.

aa) Entgegen der Auffassung des Klägers ist § 8 Abs. 1 der Betriebsvereinbarung nicht gemäß §§ 307 ff BGB unwirksam. Nach § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB finden die Vorschriften der §§ 305 ff. BGB auf Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen keine Anwendung. Nach § 310 Abs. 4 Satz 3 BGB stehen solche Kollektivregelungen Rechtsvorschriften i.S.v. § 307 Abs. 3 BGB gleich. (BAG, Urteil v. 01.02.2006 - 5 AZR 187/05 - EzA BGB 2002 § 308 Nr. 1 m.w.N.). Die Betriebsvereinbarung gilt gemäß § 77 Abs.3 BetrVG unmittelbar und zwingend. Daher unterliegen auch in einer Vielzahl von Fällen formularmäßig verwendete Klauseln in Arbeitsverträgen, die auf eine solche Kollektivregelung Bezug nehmen oder mit ihr übereinstimmen und lediglich deren gesamten Inhalt wiedergeben, nicht der Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB (BT-Drucks. 14/6857 S. 54; BAG Urteil v. 25.04.2007 - 6 AZR 622/06 - EzA § 113 InsO Nr. 19; BAG Urteil v. 27.07. 2005 - 7 AZR 486/04 - BAGE 115, 274; BAG Urteil v.12.09. 2006 - 9 AZR 675/05 - AP BGB § 611 Lehrer, Dozenten Nr. 176 = EzA BGB 2002 § 310 Nr. 4) . Bei den in § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB genannten kollektivrechtlichen Vereinbarungen besteht kein Bedürfnis auf Schutz durch Regelungen der allgemeinen Geschäftsbedingungen. Es wird unterstellt, dass diese Schutzfunktion durch die Tarifvertragsparteien bzw. Betriebspartner wahrgenommen wurde (vorliegend beim Abschluss des Interessenausgleichs und Sozialplans BAG v. 25.04.2007 a.a.O.).

bb) Etwas anderes kann gelten, wenn die Betriebsvereinbarung nur auf Grund einer Bezugnahme im Arbeitsvertrag Anwendung findet (die Bereichsausnahme des § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB gilt in diesem Fall nicht, so Richardi, BetrVG 11. Auflage 2008, § 77 Rdnr 134; Rieble /Schul RdA 2006, 339, 349 ff.). Dies ist hier aber nicht gegeben. Wie ausgeführt, handelt es sich entgegen der Auffassung des Klägers nicht um eine konstitutive sondern lediglich um eine deklaratorische Verweisung. Die Betriebsvereinbarung kommt auch ohne die Verweisung auf das Arbeitsverhältnis des Klägers zur Anwendung. Im Arbeitsvertrag wird zudem auf die gesamte Betriebsvereinbarung verwiesen.

c) Die Betriebsvereinbarung verstößt auch nicht wegen § 75 BetrVG.

aa) Die Betriebsparteien haben, soweit § 77 Abs. 3 BetrVG nicht eingreift, eine umfassende Kompetenz zur Regelung von formellen und materiellen Arbeitsbedingungen (BAG Urteil v. 19.02.2008 - 1 AZR 1004/06 - EzA § 112 BetrVG 2001 Nr. 26; BAG Urteil v. 12.12.2006 - 1 AZR 96/06 - , NZA 2007, 453; grundlegend BAG Urteil v. 07.11. 1989 - GS 3/85, NZA 1990, 816; auch BVerfG, 23.4. 1986, NJW 1987, 827; Fitting, BetrVG, 24. Aufl. 2008, § 88 Rn. 1, 2). Bei der Ausgestaltung der Betriebsvereinbarung steht den Betriebspartnern ein weiter Ermessensspielraum zu (BAG 19.02.08 a. a. O). Sie haben allerdings die Grundsätze von Recht und Billigkeit, insbesondere den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz des § 75 Abs. 1 Satz 1 BetrVG zu beachten, dem wiederum der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG zugrunde liegt. Er zielt darauf ab, eine Gleichbehandlung von Personen in vergleichbaren Sachverhalten sicherzustellen und eine gleichheitswidrige Gruppenbildung auszuschließen. Dabei verstößt eine sachverhaltsbezogene Ungleichbehandlung erst dann gegen den Gleichheitssatz, wenn sie willkürlich ist, weil sich ein vernünftiger Grund für die Differenzierung nicht finden lässt. Bei einer personenbezogenen Ungleichbehandlung ist der Gleichheitssatz bereits dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten. Die Übergänge zwischen sachverhaltsbezogenen und personenbezogenen Differenzierungen sind bisweilen fließend. Insbesondere kann eine Ungleichbehandlung von Sachverhalten mittelbar eine Ungleichbehandlung von Personengruppen bewirken (BAG Urteil v. 22.03.2005 - 1 AZR 49/04 -, EzA § 75 BetrVG 2001 Nr. 2; BAG Urteil v. 27.05.2004 - 6 AZR 129/03 - EzA GG Art. 3 Nr. 101).

bb) Maßgeblich für das Vorliegen eines die Bildung unterschiedlicher Gruppen rechtfertigenden Sachgrunds ist vor allem der mit der Regelung verfolgte Zweck (BAG Urteil v. 06. 11. 2007 - 1 AZR 960/06 - EzA § 112 BetrVG 2001 Nr. 25). Gewährt der Arbeitgeber auf Grund einer abstrakten Regelung eine freiwillige Leistung nach einem erkennbar generalisierenden Prinzip und legt er gemäß dem mit der Leistung verfolgten Zweck die Anspruchsvoraussetzungen für die Leistung fest, darf er einzelne Arbeitnehmer von der Leistung nur ausnehmen, wenn dies sachlichen Kriterien entspricht (BAG Urteil v. 28.03.2007 -10 AZR 261/06 - EzA § 611 BGB 2002 Gratifikation, Prämie Nr. 21; BAG Urteil v. 27.05.2004 - 6 AZR 129/03 - BAGE 111, 8). Bei freiwilligen Leistungen muss der Arbeitgeber deshalb die Anspruchsvoraussetzungen so abgrenzen, dass ein Teil der Arbeitnehmer von der Vergünstigung nicht sachwidrig oder willkürlich ausgeschlossen wird (BAG Urteil v. 08.03. 1995 - 10 AZR 208/94 - AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 184 = EzA BGB § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 131). Eine sachfremde Benachteiligung einzelner Arbeitnehmer liegt nicht vor, wenn sich nach dem Zweck der Leistung Gründe ergeben, die es unter Berücksichtigung aller Umstände rechtfertigen, diesen Arbeitnehmern die den anderen Arbeitnehmern gewährte Leistung vorzuenthalten. Die Zweckbestimmung einer Sonderzahlung ergibt sich nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG Urteil v. 10.01.1991 - 6 AZR 205/89 - BAGE 67, 1, 5) vorrangig aus den tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen, von deren Vorliegen und Erfüllung die Leistung abhängig gemacht wird. Die Bezeichnung ist nicht maßgeblich. Sie kann allenfalls als ein zusätzliches Indiz, nicht jedoch als ausschlaggebendes oder gar alleiniges Merkmal für einen bestimmten Zweck herangezogen werden (BAG 13.06.1991 - 6 AZR 421/89 - EzA BGB § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 86).

cc) Hier geht es um eine zusätzliche Jahresleistung. Mit Jahressonderzahlungen können unterschiedliche Zwecke verbunden werden. Die Sonderzahlung kann ausschließlich die im Bezugszeitraum erbrachte Arbeitsleistung zusätzlich honorieren. Hat sie nur diesen Zweck, entsteht der Anspruch auf sie bereits im Laufe des Bezugszeitraums entsprechend der zurückgelegten Zeitdauer und Arbeitsleistung und wird lediglich zu einem anderen Zeitpunkt insgesamt fällig.

Die Sonderleistung kann aber auch vergangenheits- und zukunftsbezogene Elemente miteinander verknüpfen und sowohl die Belohnung bisheriger Dienste und erwiesener Betriebstreue bezwecken, als auch als Anreiz für künftige Betriebstreue dienen (BAG Urteil v. 28.03.2007 - 10 AZR 261/06 - a. a. O; BAG Urteil v. 07.12.1989 - 6 AZR 324/88 - BAGE 63, 385; 18.03. 1981 - 5 AZR 952/78 - EzA BGB § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 70). Bei solchen Sondervergütungen wird die Belohnung künftiger Betriebstreue in der Regel dadurch sichergestellt, dass der Anspruch auf die Sonderzahlung den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses über einen Stichtag hinaus bis zum Ende eines dem Arbeitnehmer noch zumutbaren Bindungszeitraums voraussetzt und der Arbeitnehmer die Sondervergütung zurückzuzahlen hat, wenn das Arbeitsverhältnis vor Ablauf der Bindungsdauer endet. Die Sonderzahlung darf davon abhängig gemacht werden, dass das Arbeitsverhältnis am Auszahlungstag überhaupt noch oder noch ungekündigt besteht (BAG Urteil v. 04.05.1999 - 10 AZR 417/98 - AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 214 = EzA BGB § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 155; BAG Urteil v. 08.03.1995 - 10 AZR 208/94 - AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 184 = EzA BGB § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 131).

dd) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist es auch grundsätzlich möglich, dass der Arbeitgeber den Anspruch auf eine freiwillige Sonderzahlung daran knüpft, dass das Arbeitsverhältnis über den Auszahlungszeitpunkt hinaus innerhalb eines bestimmten Zeitraumes fortbesteht, wobei für die zulässige Bindungsdauer die Höhe der Sonderzahlung maßgeblich ist (BAG Urteil v. 24.10.2007 - 10 AZR 825/06 - EzA § 307 BGB 2002 Nr 26; BAG Urteil 28.03.2007 - 10 AZR 261/06 - a. a. O; BAG Urteil v. 28.04. 2004 -10 AZR 356/03 - BAGE 110, 244; 21.05.2003 - 10 AZR 390/02 - BAGE 106, 159). Solche Klauseln sind selbst dann zulässig, wenn der Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor Ablauf der Bindungsfrist nicht in der Sphäre des Arbeitnehmers liegt (BAG Urteil v. 24.10.2007 - 10 AZR 825/06 - a.a.O. m.w.N.).

ee) Unter Berücksichtigung der oben dargestellten Grundsätze, die vom Bundesarbeitsgericht für einzelvertraglich vereinbarte Sonderzahlungen entwickelt worden sind, kann im vorliegenden Fall keine sachfremde Schlechterstellung des Klägers festgestellt werden.

1) Entgegen der Auffassung des Klägers erschöpft sich hier der Zweck der Zahlung der variablen Erfolgsvergütung nicht in der zusätzlichen Honorierung der vergangenen Arbeitsleistung. Dies ergibt sich unzweifelhaft aus den Regelungen der Betriebsvereinbarung. Betriebsvereinbarungen sind wegen ihres normativen Charakters wie Gesetze auszulegen. (BAG Urteil v. 10.02.2009 - 1AZR 767/07 - juris.de; BAG Urteil v. 26.08.2008.2008 - 1 AZR 346/07 - Rn. 21, NZA 2009, 161) . Auszugehen ist danach vom Wortlaut und dem durch ihn vermittelten Wortsinn. Insbesondere bei unbestimmtem Wortsinn sind darüber hinaus der wirkliche Wille der Betriebsparteien und der von ihnen beabsichtigte Zweck der Regelung zu berücksichtigen, sofern sie im Regelungswerk ihren Niederschlag gefunden haben. Abzustellen ist außerdem auf den Gesamtzusammenhang der Regelung. Dieser kann Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Betriebsparteien bieten. Bleiben im Einzelfall weiterhin Zweifel, können die Gerichte auf weitere Kriterien zurückgreifen, etwa die Entstehungsgeschichte und die bisherige Anwendung der Regelung in der Praxis. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einer sachgerechten, zweckorientierten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Regelung führt (BAG 13.12.2005 - 1 AZR 551/04 - EzA BetrVG 2001 § 112 Nr. 16).

2) Ausgehend von diesen Auslegungsgrundsätzen beschränkt sich der Zweck der Leistung nicht nur auf die Honorierung der vergangenen Arbeitsleistung. Die vorliegende Betriebsvereinbarung enthält nicht nur Regelungen über die Bewertung und Berechnung der variablen Erfolgsvergütung, sondern auch die Voraussetzungen unter denen die IST-VE nicht zur Auszahlung kommt. In § 1 der Betriebsvereinbarung ist bereits festgelegt, dass die Betriebsvereinbarung etwa keine Anwendung auf Mitarbeiter mit befristeten Arbeitsverträgen findet, deren Anstellung nicht auf Dauer angelegt ist. Dies weist bereits darauf hin, dass die Betriebspartner den erfassen wollen, der auf Dauer bei der Beklagten beschäftigt und damit an die Beklagte gebunden ist. Die Vergütung wird an zwei anspruchsbegründende Voraussetzungen geknüpft. Erste Voraussetzung ist die Erfüllung der Zielvorgabe. Weitere Voraussetzung ist, dass der Mitarbeiter weder durch Kündigung unterjährig ausscheidet, noch dass das Arbeitsverhältnis vor dem Auszahlungstag gekündigt wird. Aus der Regelung dieser zweiten Voraussetzung ergibt sich nach Auffassung der Berufungskammer offenkundig, dass der Zweck der Leistung auch darin besteht, künftige Betriebstreue zu belohnen. Wenn man der Auffassung des Klägers folgen würde, hätten die Regelungen in §§ 1, 8 BV keinen Sinn. Es kann aber nicht davon ausgegangen werden, dass die Betriebspartner eine Regelung in der Betriebsvereinbarung aufnehmen, die keine Bedeutung haben soll. Der Zweck der variablen Erfolgsvergütung, die Mitarbeiter an das Unternehmen auch für die Zukunft zu binden und zu motivieren und damit künftige Betriebstreue zu belohnen, konnte im Falle des ausgeschiedenen Klägers nicht mehr erreicht werden. Der Kläger ist folglich nicht aus sachfremden Gründen von dem Anspruch auf Zahlung der Erfolgsvergütung ausgeschlossen worden.

3) Nach Auffassung der Berufungskammer ist die Stichtagsregelung auch nicht in Bezug auf die Bindungsdauer willkürlich und damit unzulässig, obwohl sie für den Kläger dazu führt, dass er erst vier Monate nach Ablauf des Geschäftsjahres von seinem Kündigungsrecht Gebrauch machen konnte, ohne seinen Anspruch auf die variable Erfolgsvergütung zu verlieren.

Für die Beurteilung der Zulässigkeit einer Bindungsklausel sind die Dauer der Bindung, die Höhe der Sonderzahlung und auch das Auslassen von Kündigungsmöglichkeiten von Bedeutung. Das Bundesarbeitsgericht hat zu einzelvertraglichen Regelungen (BAG Urteil v. 28.03.2007 - 10 AZR 261/06 - EzA § 611 BGB 2002 Gratifikation, Prämie Nr. 21 m.w.N.; vgl. auch LAG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 24.04.2008 - 11 Sa 87/08 - ) Grenzwerte für die Zulässigkeit von Stichtagsklausel und Rückzahlungsklauseln entwickelt. So kann ein Arbeitnehmer, dessen Zuwendung ein zweifaches Monatsgehalt nicht erreicht, an eine Rückzahlungsklausel jedenfalls dann nicht über den 30.06. des folgenden Jahres gebunden werden, wenn er bis dahin mehrere Kündigungsmöglichkeiten hatte (BAG, 24.10.2007 - 10 AZR 825/06 - AP Nr. 32 zu § 307 BGB m.w.N.).

Da die Bindungsklausel im vorliegenden Fall in einer Betriebsvereinbarung enthalten ist, kommt hier wegen § 310 Abs. 4 S. 1 BGB keine Inhaltskontrolle gem. §§ 305 BGB, sondern ein anderer Maßstab zum Tragen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG Urteil v. 09.12.1981 - 5 AZR 549/79 - EzA § 112 BetrVG 1972 Nr. 24; BAG, Urteil vom 17.02.1981 - 1 AZR 290/78 - AP Nr. 11 zu § 112 BetrVG 1972 m w. N.) unterliegen Betriebsvereinbarungen der Kontrolle zur Übereinstimmung mit Verfassung, Gesetzesrecht und guten Sitten, sowie der Billigkeitskontrolle, wie sie in § 75 BetrVG beschrieben ist. Maßstab der Kontrolle ist die Verpflichtung der Betriebsorgane, dem Wohl des Betriebes und seiner Arbeitnehmer unter Berücksichtigung des Gemeinwohls zu dienen. Innerhalb dieser Verpflichtung haben sie den billigen Ausgleich zwischen den Interessen der Belegschaft und dem Betrieb sowie den Ausgleich zwischen den verschiedenen Teilen der Belegschaft zu suchen (BAG Urteil v. 11.06.1975 - 5 AZR 217/74 - EzA § 77 BetrVG 1972 Nr.1). Die gerichtliche Billigkeitskontrolle bezieht sich auf den Inhalt der getroffenen Regelungen selbst. Es geht darum, ob die von den Betriebspartnern vereinbarte Regelung in sich der Billigkeit entspricht oder ob einzelne Arbeitnehmer oder Gruppen von ihnen in unbilliger Weise benachteiligt werden (BAG 17.02.1981 -1 AZR 290/78 - AP Nr. 11 zu § 112 BetrVG 1972; vgl. hierzu auch Rolfs, Die Inhaltskontrolle arbeitsrechtlicher Individual- und Betriebsvereinbarungen RdA 2006, 349, wonach ein unterschiedlicher Prüfungsmaßstab für Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen nicht mit § 310 Abs. 4 S. 1 BGB zu vereinbaren ist). Es geht um die Norm als solche (abstrakte Billigkeitskontrolle), nicht hingegen auf deren Auswirkung auf die einzelnen Arbeitsverhältnisse (BAG Urteil v. 20.11.1987 - 2 AZR 284/86 - EzA § 620 BGB Altersgrenze Nr. 1; konkrete Billigkeitskontrolle).

Dies haben die Betriebspartner nach Auffassung der Berufungskammer mit der vorliegenden Regelung beachtet, wobei dahinstehen kann, ob ein unterschied-licher Prüfungsmaßstab für Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen mit § 310 Abs. 4 S. 1 BGB zu vereinbaren ist.. Die Regelung verstößt nicht gegen Art. 2, 12 GG. Wie ausgeführt, bezweckt die variable Erfolgsvergütung die Mitarbeiter auch in Zukunft an das Unternehmen zu binden. Es handelt sich um eine generelle Regelung für alle Arbeitnehmer, die unter den Geltungsbereich fallen. Die konkrete Höhe der Jahressonderzahlung ist in der Betriebsvereinbarung nicht festgelegt, sondern nur, welche Berechnungsgrößen zu berücksichtigen sind. Sie wird nicht nur durch die individuelle Ziel-VE, sondern auch durch die Ergebnisse des Konzerns bestimmt (§ 6 BV). Je höher die Verantwortung des Mitarbeiters, je größer ist der Anteil der Ziel-VE an der Gesamtvergütung (§ 2 BV Abs. 2). Die Stichtagsregelung knüpft sowohl an das Geschäftsjahr, das im vorliegenden Fall erst am 01.04 des Jahres beginnt und am 31.03. des Folgejahres endet, als auch den Auszahlungszeitpunkt am 15.07. des Folgejahres an. Die Bindungsfrist nach dem Auszahlungszeitpunkt richtet sich nach der vereinbarten Kündigungsfrist. Die Regelung orientiert sich mithin mit der Bindung des Arbeitnehmers an das Unternehmen über den Auszahlungszeitraum hinaus am Zweck der Leistung. Bei dem Arbeitnehmer, der zu diesem Zeitpunkt bereits gekündigt hat, kann der Regelungszweck nicht erreicht werden.

Es kann auch nicht die Zeitspanne zwischen dem Ablauf des Geschäftsjahres und der Auszahlung für die Berechnung und Auszahlung der Ziel-VE insoweit nicht als unbillig lang angesehen werden. Es ist zu berücksichtigen, dass erst nach Ablauf des Geschäftsjahres die Berechnungsfaktoren (individuelle Zielvorgabe und die Ergebnisse des Konzerns) für die tatsächliche Höhe der variablen Vergütung zu ermitteln sind. Das die Regelung für den Kläger trotz einer Erfolgsvergütung unter zwei Monatsgehältern zu einer Bindung bis zum 31.12. des Jahres führt, führt nicht zu einer anderen Beurteilung. Stichtagsregelungen sind für die Schaffung von Ansprüchen vielfach üblich. Sie sind nicht deshalb unzulässig, weil sie im Einzelfall zu Härten führen (zu Stichtagsregelung in Sozialplänen, BAG 24. Januar 1996 - 10 AZR 155/95 - EzA BetrVG 1972 § 112 Nr. 83; 5. Oktober 2000 - 1 AZR 48/00 - AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 141). Stichtagsregelungen sind Ausdruck einer gebotenen pauschalierten Betrachtung und aus Gründen der Praktikabilität ungeachtet der damit verbundenen Härten zur Abgrenzung des begünstigten Personenkreises gerechtfertigt, wenn sich die Wahl der Stichtagsregelung am gegebenen Sachverhalt orientiert und demnach vertretbar ist (BAG Urteil v. 12.12.2007 - 10 AZR 24/07 -EzA § 242 BGB 2002 Gleichbehandlung Nr. 16 unter Hinweis auf BAG, 25.06.2003 - 4 AZR 405/02 - EzA Art 3 GG Nr. 99). Dies ist hier beachtet worden. Der Kläger muss in der Zeit zwischen Ablauf des Bezugszeitraums und dem Auszahlungstermin lediglich eine Kündigungsmöglichkeit am 30.06. des Jahres auslassen, um seinen Anspruch zu erhalten. Dies ist nach Auffassung der Berufungskammer nicht zu beanstanden. Im Übrigen ergibt sich die Bindung bis zum 31.12. des Jahres aufgrund der speziellen Kündigungsfrist des Klägers. Die Betriebsvereinbarung gilt gemäß § 1 für alle Arbeitnehmer, mit Ausnahme von Auszubildenden, leitenden Angestellten und befristet Beschäftigten, also auch für Arbeitnehmer mit eventuell gesetzlicher Kündigungsfrist. Für diese Personen ergibt sich ein erheblich kürzerer Bindungszeitraum. Das Interesse der Belegschaft, eine zusätzliche variable Erfolgsvergütung zu erhalten und andererseits das Interesse des Arbeitgebers einen Anreiz für zukünftige Betriebstreue und Motivation zu schaffen, ist mit der Stichtagsregelung ausreichend abgewogen.

Nach alledem hatte die Berufung keinen Erfolg und war zurückzuweisen.

III. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger als unterlegene Partei nach § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.

IV. Die Kammer hat den entscheidungserheblichen Rechtsfragen grundsätzliche Bedeutung beigemessen und daher gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 ArbGG für den Kläger die Revision an das Bundesarbeitsgericht zugelassen.

Ende der Entscheidung

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