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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 11.08.1999
Aktenzeichen: 17 Sa 620/99
Rechtsgebiete: BGB, RTV


Vorschriften:

BGB § 611
RTV § 5
RTV § 54 Dachdecker
Im Dachdeckerhandwerk beginnt und endet die Arbeitszeit regelmäßig auf der Baustelle. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitnehmer zuvor auf dem Betriebshof "stempelt" und in Vorbereitungsarbeiten einbezogen wird. "Vereinbarte Arbeitszeit" i. S. von § 5 RTV Dachdecker (vom 27.11.1990) ist dann der Betriebshof. Die Klagefrist als 2. Stufe der Ausschlussfristenregelung des § 54 RTV Dachdecker wird durch eine unzulässige Feststellungsklage nicht gewahrt.
LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 17 Sa 620/99

Verkündet am: 11.08.1999

In dem Rechtsstreit

hat die 17. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 11.08.1999 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Grigo als Vorsitzenden sowie den ehrenamtlichen Richter Lindner und den ehrenamtlichen Richter Fischer für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wuppertal vom 12.03.1999 ­ 7 Ca 1438/98 ­ unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen ­ teilweise abgeändert und die Beklagte verurteilt, an den Kläger 1.098,75 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich aus 502,50 DM brutto ergebenden Nettobetrag seit dem 01.12.1998 und aus dem sich aus 596,25 DM brutto ergebenden Nettobetrag seit dem 01.01.1999 zu zahlen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 13/14 und die Beklagte zu 1/14.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über Vergütungsansprüche des Klägers aus den Monaten Februar 1996 bis November 1998. Der Kläger fordert von der Beklagten die Wegezeiten als Arbeitszeit zu vergüten, die er in dieser Zeit jeweils vom Betriebssitz in R.emsche zu den einzelnen Arbeitsplätzen/Baustellen aufgewandt hat. Die Beklagte ist der Auffassung, vergütungspflichtige Zeiten lägen erst ab Arbeitsaufnahme an der jeweiligen Baustelle vor. Zum weitaus überwiegenden Teil seien zudem die vermeintlichen Ansprüche des Klägers nach Maßgabe der einschlägigen tariflichen Regelungen verfallen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 12.03.1999 abgewiesen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Berufung. Er begehrt weiterhin insgesamt 16.276,25 DM brutto nebst Verzugszinsen an Wegezeitvergütung.

Von der weiteren Darstellung des Tatbestandes sieht die Berufungskammer gemäß § 543 Abs. 1 ZPO ab.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wuppertal vom 12.03.1999 ­ 4 Ca 5342/98 ­ ist statthaft, da der Wert des Beschwerdegegenstandes 800,-- DM übersteigt (§ 64 Abs. 2 ArbGG). Die Berufung ist auch in der vorgeschriebenen Form und Frist eingelegt und ordnungsgemäß begründet worden, so weit der Kläger Zahlungsansprüche aus den Monaten August 1996 bis November 1998 mit insgesamt 13.912,50 DM brutto nebst Verzugszinsen verfolgt. Zulässigkeitsbedenken bestehen insoweit gemäß § 66 Abs. 1 ArbGG, §§ 518, 519 ZPO nicht.

Anders verhält es sich mit den vom Kläger verfolgten Vergütungsansprüchen für die Monate Februar bis Juli 1996 mit insgesamt 2.363,75 DM brutto nebst Verzugszinsen. Das Arbeitsgericht hat die Klage bezüglich dieser Anspruchspositionen als unzulässig abgewiesen; die selben Ansprüche seien bereits im Verfahren 7 Ca 1438/98 Arbeitsgericht Wuppertal geltend gemacht und mit Urteil vom 04.08.1998 rechtskräftig aberkannt worden - die Rechtskraft des Urteils stehe gemäß § 322 ZPO der erneuten Einforderung entgegen.

Dem ist der Kläger nicht, wie gemäß § 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO geboten, entgegen getreten.

Die Rechtsmittelbegründung muss ­ im Falle ihrer Berechtigung ­ geeignet sein, das gesamte Urteil in Frage zu stellen. Bei einem teilbaren Streitgegenstand muss sie sich auf alle Teile des Urteils erstrecken, hinsichtlich deren eine Abänderung beantragt ist; anderenfalls ist das Rechtsmittel für den nicht begründeten Teil unzulässig (BGHZ 22, 272, 278 = NJW 1957, 424; BGH, Beschluss vom 25.01.1990 ­ IX ZB 89/89 (Karlsruhe) ­ NJW 1990, 1184, jeweils m. w. N.).

Im Streitfalle hat sich der Kläger in der Berufungsbegründung allein mit den Fragen der sachlichen Begründung der geltend gemachten Wegezeitvergütungsansprüche und des Durchgreifens möglicher tarifvertraglicher Ausschlussfristen befasst. Es fehlt jegliche Berufungsbegründung zu den prozessualen Erwägungen des Arbeitsgerichts, mit denen die Klage hinsichtlich der vermeintlichen Ansprüche aus den Monaten Februar bis Juli 1996 abgewiesen wurde. Hinsichtlich dieser Ansprüche ist die Berufung des Klägers deshalb unzulässig.

II.

Der Kläger hat gegen die Beklagte auch keine Ansprüche auf Vergütung der Wegezeiten in den Monaten August 1996 bis September 1998.

Das Arbeitsgericht hat im Ergebnis richtig gesehen, dass Ansprüche des Klägers (12.813,75 DM) insoweit nach Maßgabe von § 54 Abs. 2 des allgemein verbindlichen Rahmentarifvertrages für gewerbliche Arbeitnehmer im Dachdeckerhandwerk vom 27.11.1990 (RTV) verfallen sind.

1. Die zweistufige Ausschlussfrist des § 54 RTV sieht vor, dass alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb von zwei Monaten nach Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich geltend gemacht werden müssen. Wird dies versäumt, verfallen die Ansprüche. Gleiches gilt dann, wenn sie nicht überdies innerhalb von zwei Monaten nach der Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht werden.

2. Mit der vom 30.12.1998 datierten Klageschrift, die am 31.12.1998 beim Arbeitsgericht einging und der Beklagten am 09.01.1999 zugestellt wurde, hat der Kläger zwar beide Stufen der maßgeblichen Ausschlussfristenregelung im Hinblick auf mögliche Vergütungsansprüche der Monate Oktober und November 1998 gewahrt. Für die Vormonate gilt dies nicht.

Sieht man von der im Vorprozess rechtskräftig bezifferten Leistungsklage für die Monate Februar bis Juli 1996 ab, so fehlte es vor der erneuten Klageerhebung und Zustellung bei der Beklagten am 09.01.1999 an detaillierter Einforderung der vermeintlichen Vergütungsansprüche seitens des Klägers.

Auch die frühere Feststellungsklage, die der Kläger mit klageerweiterndem Schriftsatz vom 15.04.1998 in dem Vorverfahren ­ 7 Ca 1438/98 Arbeitsgericht Wuppertal ­ erhoben hatte, erfüllte jedenfalls nicht die Voraussetzung der gerichtlichen Geltendmachung im Sinne des § 54 RTV. Die Feststellungsklage wurde rechtskräftig mit Urteil des Arbeitsgerichts Wuppertal vom 04.08.1998 ­ 7 Ca 1438/98 ­ als unzulässig abgewiesen. Damit war die frühere Feststellungsklage nicht geeignet, die Beklagte zu zwingen, eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem gerichtlich geltend gemachten Vergütungsanspruch des Klägers vorzunehmen und möglicherweise den Streit der Parteien endgültig zu entscheiden. Bei einer unzulässigen Feststellungsklage ist dies nicht der Fall. Sie ist ungeeignet, entsprechend dem Zweck der Verfallfristenregelung einer weiteren gebotenen gerichtlichen Geltendmachung, den Streit der Parteien zumindest dem Grunde nach zu bereinigen ­ vgl. BAG, Urteil vom 29.06.1989 ­ 6 AZR 459/98 = AP Nr. 103 zu § 4 TVG Ausschlussfristen.

III.

Hinsichtlich der Ansprüche für die Monate Oktober und November 1998 ­ und damit in der Sache ­ waren dem Kläger jedoch die streitigen Vergütungsansprüche zuzuerkennen und seine Berufung erfolgreich.

1. Die vergütungsrechtlich maßgebende Bestimmung des § 5 RTV lautet: Die Arbeitszeit beginnt und endet an der zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer vereinbarten bzw. im Einvernehmen mit dem Betriebsrat bestimmten Arbeits- oder Sammelstelle."

a) Im Sinne dieser Tarifnorm vereinbarte Arbeitsstelle" war der Betriebshof der Beklagten im R.emsche.

Die Beklagte verweist zwar zu Recht darauf, dass allein die Absprache eines morgendlichen Treffpunkts nicht als die allein maßgebliche Vereinbarung des Arbeitszeitbeginns gesehen werden kann. Besonderheiten des Dachdeckerhandwerks, die die stationären Wirtschaftszweige nicht kennen, sind mitbestimmend für den ständigen Wechsel des Arbeitsortes, dessen jeweilige Bestimmung grundsätzlich dem Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Dabei muss als Arbeitsstelle i. S. von § 5 RTV im Allgemeinen die Baustelle verstanden werden. Andererseits haben die Tarifvertragsparteien unmissverständlich herausgestellt, dass vergütungsrechtlich die Arbeitszeit an der jeweiligen Baustelle lediglich für den Fall beginnt und endet, dass zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer keine andere Vereinbarung getroffen wird. Eine solche Vereinbarung haben die Parteien im Streitfalle indes getroffen.

b) Der Kläger musste im Betrieb in R.emsche morgens und abends eine Stechuhr betätigen. Sofern Zeiterfassungsgeräte vom Arbeitgeber eingesetzt und deren Handhabe dem Arbeitnehmer vorgegeben werden, spricht jedoch bereits eine tatsächliche Vermutung dafür, dass zugleich mit dem Standort des Zeiterfassungsgeräts der Ort bestimmt ist, an dem die Arbeitszeit beginnt ­ vgl. Schliemann, ArbZG, § 2 RN 46. Diese tatsächliche Vermutung hat die Beklagte nicht widerlegt. Im Gegenteil ist ihre Richtigkeit dadurch weiter indiziert, dass der Kläger nach seinem insoweit unbestritten gebliebenen Vortrag allmorgendlich nach seiner Ankunft auf dem Betriebshof in Arbeitsabläufe einbezogen war, wie z. B. Beladen der Baustellenfahrzeuge mit Werkzeugen und Arbeitsmaterialien, zum Teil auch mit konkreten Vorbereitungsarbeiten wie etwa dem Zuschneiden von Blechen.

Damit ist insgesamt dokumentiert, dass der Betriebshof nicht lediglich als Sammelstelle für die Fahrt zur Arbeitsstelle mit firmeneigenem Fahrzeug diente, sondern hier die Arbeitszeit des Klägers begann. Wenn auch nicht ausdrücklich, so haben die Parteien mit dieser einvernehmlichen Praxis über Jahre hin auch eine entsprechende schlüssige Vereinbarung i. S. von § 5 RTV getroffen, die sodann gleichermaßen für das durch das Stempeln nach der Rückkehr zum Betriebshof zeitgleich dokumentierte Ende der täglichen Arbeitszeit galt.

2. Aus den vom Kläger vorgelegten Stundenaufstellungen der Monate Oktober und November 1998 in Abgleichung mit den Stempelkarten ließen sich die jeweiligen Zeitanteile ermitteln, die der Kläger der Berechnung seiner Vergütungsansprüche zu Grunde gelegt hat. Die Einzelbeträge sowie das Rechnungsergebnis insgesamt wurden in der letzten mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer streitlos gestellt. Demnach waren dem Kläger an weiterer Vergütung für die Monate Oktober und November 1998 insgesamt 1.098,75 DM brutto zuzuerkennen, dies neben den eingeforderten Verzugszinsen nach Maßgabe von §§ 284, 288 BGB.

IV.

Die Berufung des Klägers war demnach zum überwiegenden Teil mit der Kostenfolge aus § 92 ZPO zurückzuweisen.

Von der Zulassung der Revision ist abgesehen worden, weil der Streitsache weder eine grundsätzliche Bedeutung beigemessen werden kann (§§ 72 Abs. 2 Nr. 1, 72 a ArbGG) noch die Voraussetzungen für eine Divergenzrevision i. S. von § 72 Abs. 1 Nr. 2 ArbGG vorliegen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird gemäß § 25 Abs. 2 GKG auf 16.276,25 DM festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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