Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 17.03.2009
Aktenzeichen: 17 Sa 848/08
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 26
1. Die einvernehmliche Aufhebung der Mitgliedschaft eines Arbeitgebers in einem tarifschließenden Arbeitgeberverband mit sofortiger Wirkung ist nach vereinsrechtlichen Grundsätzen zulässig, wenn die Satzung des Arbeitgeberverbandes sie nicht ausdrücklich ausschließt.

2. Die Abgabe der zum Abschluss des Aufhebungsvertrages führenden Willenserklärung obliegt, soweit die Satzung nicht ausdrücklich anderes bestimmt, dem Vorstand des Vereins.


Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Solingen vom 06.05.2008 - Az. 1 Ca 1681/07 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über tarifvertragliche Zahlungsansprüche.

Die 59 Jahre alte Klägerin ist seit dem 09.04.1970 bei der Beklagten als Maschinenarbeiterin beschäftigt. Sie ist Mitglied der IG Metall. Bei der Beklagten handelt es sich um ein Unternehmen in T. ansässiges Unternehmen der Metall verarbeitenden Industrie. Sie stellt mit etwa 90 Arbeitnehmern Türbänder und Türscharniere her.

Die Beklagte war langjähriges Mitglied im für die Eisen-, Metall- und Elektroindustrie zuständigen Arbeitgeberverband Solingen e.V. (im folgenden B.), einem tarifschließenden Mitgliedsverband der Vereinigung Bergischer Unternehmerverbände e.V. - VBU. In der Satzung des B. in der aktuellen Fassung vom 04.04.2001 ist unter anderem bestimmt:

"§ 2

Zweck

1. Zweck des B. T. ist

a) die Wahrung und Förderung der gemeinsamen Interessen der Mitglieder in allen Fragen, die das Verhältnis der Arbeitgeber zu den Arbeitnehmer betreffen und

b) die Betreuung der Mitglieder in allen arbeits- und sozialpolitischen Angelegenheiten.

2. Diesen Zweck erfüllt der Verband, indem er

a) im Rahmen seiner Aufgaben mit den Vereinigungen der Arbeitnehmer Verhandlungen führt und Abmachungen über Entgelt- und Arbeitsbedingungen trifft,

b) an der Erhaltung des Arbeitsfriedens mitwirkt und den solidarischen Zusammenhalt der Mitglieder bei der Abwehr von Arbeitskämpfen, Streiks und streikähnlichem Verhalten anstrebt.

...

§ 4

Mitgliedschaft

1. Die Mitgliedschaft ist freiwillig.

2. Dem B. T. kann jeder Arbeitgeber beitreten, der im Verbandsgebiet seinen Sitz oder seine Betriebsstätte hat.

3. Arbeitgeber, die ihren Sitz nicht im Verbandsgebiet haben, können in Ausnahmefällen Mitglied werden. Über die Aufnahme entscheidet der Vorstand.

4. Gastmitglieder können solche Arbeitgeber werden, die Mitglied in Facharbeitgeberverbänden oder Handwerksinnungen sind.

5. Die Mitgliedschaft erstreckt sich grundsätzlich auf alle in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Betriebe, Betriebsabteilungen und Zweigniederlassungen des gleichen Unternehmens, dessen Hauptverwaltung im Verbandsgebiet liegt.

6. Die Mitgliedschaft ist schriftlich beim Vorstand zu beantragen.

7. Über die Aufnahme entscheidet der Vorstand. Der Vorstand kann diese Entscheidung auf die Geschäftsführung übertragen.

8. Lehnt der Vorstand oder die Geschäftsführung den Aufnahmeantrag ab, kann der Antragsteller den Vorstandsrat anrufen, der endgültig entscheidet.

§ 5

Ende der Mitgliedschaft

1. Die Mitgliedschaft endet durch:

a) Kündigung

Ein Mitglied kann mit sechsmonatiger Frist zum Ende eines jeden Kalenderjahres kündigen.

b) Auflösung

Wenn ein Unternehmen aufgelöst wird, endet die Mitgliedschaft mit Beendigung der Liquidation.

c) Insolvenz, unabhängig von der Einstellung der Betriebstätigkeit

wenn nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Gläubigerversammlung im Berichtstermin gemäß §§ 156, 157 Insolvenzordnung nicht die Fortführung des Unternehmens beschließt sowie bei Ablehnung der Eröffnung oder Einstellung des Insolvenzverfahrens mangels Masse.

d) Ausschluss

Ein Mitglied kann durch Beschluss des Vorstandsrates ausgeschlossen werden:

- Aus wichtigem Grund, z.B. wenn es die Satzung grob verletzt oder die Verbandszwecke schädigt,

- wenn es trotz dreimaliger Mahnung die Verbandsbeiträge nicht zahlt.

...

§ 10

Vorstandsrat

1. Der Vorstandsrat besteht aus höchstens 24 Mitgliedern, die von der Mitgliederversammlung gewählt werden.

...

4. Der Vorstandsrat hat folgende Aufgaben:

a) Wahl der Vorstandsmitglieder

b) den Vorstand zu beraten und zu unterstützen

...

g) die Mitgliederversammlung vorzubereiten

h) über eine vom Vorstand verweigerte Mitgliedsaufnahme zu entscheiden

i) über den Ausschluss eines Mitgliedes erstinstanzlich zu beschließen.

...

§ 11

Vorstand

1. Der Vorstand besteht aus

a) dem Vorsitzenden

b) drei Stellvertretern und

c) dem Schatzmeister.

...

3. Der Vorstand hat folgende Aufgaben:

a) Leitung des B. T.

b) Überwachung der laufenden Verbandsgeschäfte

c) Verwaltung des Verbandsvermögens

d) Errichtung einer Geschäftsstelle

e) Einstellung und Entlassung des Geschäftsführers

f) Vorlage des Buchprüfungsberichtes an den Vorstandsrat

g) Entscheidung über die Aufnahme eines Mitgliedes."

Wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten der Beklagten wurden bereits in den Jahren bis 2006 tarifliche Arbeitsbedingungen durch Sanierungstarifvertrag abgesenkt. Anfang März 2007 beantragte die Beklagte beim B. die einvernehmliche sofortige Beendigung ihrer Mitgliedschaft. Mit Schreiben vom 23.04.2007 (Bl. 26 d.A.) teilte der B. der Beklagten mit, der Vorstand des Verbandes habe dem Antrag auf einvernehmliches Ausscheiden zum 30.04.2007 zugestimmt. Voraussetzung sei allerdings, dass die Beklagte mit Wirkung zum 01.05.2007 einem Arbeitgeberverband ohne Tarifbindung beitrete, der ebenfalls Mitglied im VBU sei. Unter dem 24.04.2007 gab die Beklagte mit einem dem B. übersandten Schreiben eine Beitrittserklärung zur Unternehmerschaft Rhein-Wupper e.V. ab (Blatt 27 d.A.).

Am 08.05.2007 wurde ein tarifliches Entgeltabkommen für die Metall- und Elektroindustrie NRW abgeschlossen, an das die Beklagte gebunden wäre, wenn ihre Mitgliedschaft im B. nicht zum 30.04.2007 wirksam beendet worden sein sollte. Nach dem Entgeltabkommen erhalten die Arbeitnehmer ab dem 01.05.2007 monatlich 4,1 % mehr Lohn; das entspräche bei der Klägerin monatlich 80,30 € brutto. Darüber hinaus sieht das Entgeltabkommen eine Einmalzahlung vom 400,00 € brutto vor. Mit Schreiben vom 10.07.2007 machte die Klägerin eine Zahlung von 480,30 € brutto bei der Beklagten geltend. Die Beklagte verweigerte und verweigert die Weitergabe der Tariflohnerhöhung unter Hinweis auf die zum 30.04.2007 beendete Mitgliedschaft im B.. Gegen die Beklagte gerichtete Streikmaßnahmen hat es zumindest seit dem Jahre 2002 nicht gegeben.

Mit der vorliegenden, am 01.10.2007 beim Arbeitsgericht anhängig gemachten und am 15.04.2008 erweiterten Klage hat die Klägerin die Einmalzahlung nach Maßgabe des Entgeltabkommens 2007 sowie die auf die Monate Mai bis August 2007 entfallenden Lohnerhöhungen begehrt. Sie hat die Auffassung vertreten, die Mitgliedschaft der Beklagten im B. habe satzungsrechtlich nicht zum 30.04.2007 beendet werden können. Die Satzung sehe eine Kündigungsfrist von 6 Monaten zum Jahresende vor, die durch eine einvernehmliche Beendigung nicht unterlaufen werden könne. Die Möglichkeiten der Beendigung der Mitgliedschaft seien vielmehr abschließend in § 5 der Satzung geregelt. Abgesehen davon habe dem Vorstand des B. die Kompetenz zur Aufhebung der Mitgliedschaft der Beklagten gefehlt.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 721,20 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz von 480,30 € ab dem 31.07.07 und von 240,90 € brutto ab dem 15.04.2008 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Beendigung ihrer Mitgliedschaft im B. für wirksam gehalten. Es habe sich im Ergebnis nicht um einen Austritt, sondern um einen Statuswechsel innerhalb des VBU gehandelt, der jederzeit möglich sei. Im Übrigen sei der Vorstand des B. für Entscheidungen über die einvernehmliche Beendigung von Mitgliedschaften zuständig. Da es insoweit an einer ausdrücklichen Einschränkung im Sinne von § 26 Abs. 2 BGB in der Satzung fehle, sei von einer Ermächtigung des Vorstandes auszugehen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 06.05.2008 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Klägerin könne keine Leistungen aus dem Entgeltabkommen 2007 beanspruchen. Die Beklagte und der B. hätten deren Mitgliedschaft einvernehmlich zum 30.04.2007 aufgehoben. Da die Satzung ein solches Vorgehen nicht ausdrücklich ausschließe, sei die Vereinbarung wirksam. Die einschlägigen Satzungsbestimmungen besäßen keine Außenwirkung. Die Aufhebung habe zu den Leitungsaufgaben des Vorstands gehört. Da der B. den Austritt des Mitglieds nicht verhindern könne, sei es durch die mit der Beklagten getroffenen Vereinbarung nur zu einer Vorverlegung des Endes der Mitgliedschaft gekommen. Damit aber seien allein wirtschaftliche Interessen des B. betroffen gewesen, die zu verfolgen Sache des Vorstands sei. Der Wechsel in die OT-Mitgliedschaft sei schließlich nicht tarifrechtlich unwirksam, da eine Beeinträchtigung der Tarifautonomie weder behauptet noch zu erkennen sei.

Gegen das ihr am 13.05.2008 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit einem am 12.06.2008 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz der von ihr bevollmächtigten DGB-Rechtsschutz GmbH Berufung eingelegt und diese - nach Verlängerung der berufungsbegründungsfrist bis zum 04.08.2008 - mit einem weiteren, am 04.08.2008 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz auch begründet.

Zur Begründung ihrer Berufung verweist die Klägerin auf § 5 der Satzung des B., der ihrer Meinung nach eine abschließende Regelung zu den Möglichkeiten der Beendigung der Mitgliedschaft im B. beinhalte. Dafür spreche auch § 39 BGB. Weiterhin zeige der Umstand, dass der B. den Wechsel vom Erwerb einer OT-Mitgliedschaft abhängig gemacht habe, dass die Beklagte nach wie vor tariflich angebunden bleiben solle. Überdies hätten sich die Beklagte und der B. durch ihre Vereinbarung gegenüber der Gewerkschaft wegen Verletzung des Tarifrechts schadensersatzpflichtig gemacht.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Solingen vom 06.05.08, Az.: 1 Ca 1681/07, abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 721,20 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 480,30 € ab dem 31.07.07 und aus 240,90 € brutto ab dem 15.04.08 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hält ihren Austritt aus dem B. für wirksam. Sie meint, die Argumentation der Klägerin unterscheide nicht hinreichend zwischen einem Austritt und dem einvernehmlichen Ausscheiden aus dem Verband. Der Beitritt zu einem OT-Verband im VBU sei nicht Bedingung für die Beendigung der Mitgliedschaft im B., sondern lediglich Wunsch des B. gewesen, um die Kontinuität in der Betreuung der Beklagten sicherzustellen. Die Beklagte habe schon vorher angezeigt, dass sie das wolle. Im Übrigen nimmt die Beklagte Bezug auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts im angefochtenen Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze, die zur Akte gereichten Unterlagen sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen beider Instanzen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

A.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist gemäß § 64 Abs. 1, 2 lit. b) ArbGG an sich statthaft und form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, § 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG.

B.

Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht und mit zutreffender Begründung, die sich das Gericht gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG zu eigen macht, entschieden, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Zahlung von 721,20 € brutto in Ansehung der Tariflohnerhöhung 2007 für die Metall- und Elektroindustrie NRW gegen die Beklagte hat.

I.

Das Entgeltabkommen vom 08.05.2007 findet auf das Arbeitsverhältnis der Parteien keine normative Anwendung (§§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 TVG), da die Beklagte bereits zum 30.04.2007 aus dem tarifschließenden B. ausgeschieden ist.

1.

Die Beklagte und der B. sind sich inhaltlich einig gewesen, dass die Beklagte zum 30.04.2007 aus dem B. ausscheiden sollte. Dabei kann dahin stehen, ob die Beklagte in ihrem Antrag vom März 2007 vorgesehen oder auf andere Weise zum Ausdruck gebracht hatte, dass ihr Ausscheiden aus dem B. mit der Begründung einer Neumitgliedschaft in einem OT-Verband unter dem Dach des VBU einhergehen solle. War das nicht der Fall, stellte sich das Schreiben des B. vom 23.04.2007 dann gemäß § 150 Abs. 2 BGB als Ablehnung des ursprünglichen Angebotes der Beklagten verbunden mit einem neuen Angebot auf Aufhebung der Mitgliedschaft im B. zu geänderten Bedingungen dar. Dieses modifizierte Angebot hat die Beklagte durch Übersendung der Beitrittserklärung zur Unternehmerschaft Rhein-Wupper vom 24.04.2007 an den B. zumindest konkludent angenommen. Gleichzeitig hat sie die vereinbarte Bedingung für die Beendigung der Mitgliedschaft im B. erfüllt. Dass die Wirksamkeit der Aufhebung der Mitgliedschaft von einer aufschiebenden Bedingung abhängig gemacht wurde, begegnet keinen rechtlichen Bedenken, da es sich hier um ein zweiseitiges Rechtsgeschäft und nicht um die (bedingungsfeindliche) Ausübung eines einseitigen Gestaltungsrechts gehandelt hat (vgl. zur Frage der Bedingungsfeindlichkeit allgemein Palandt-Heinrichs, BGB, 68. Auflage, Einf v § 158 Rdz. 12 f.).

2.

Die Beendigung der Mitgliedschaft der Beklagten im B. ist nicht aus vereinsrechtlichen Gründen unwirksam.

a.

Nach vereinsrechtlichen Grundsätzen und unter Berücksichtigung der Satzung des B. ist die einvernehmliche, fristlose Aufhebung der Mitgliedschaft nicht unzulässig.

(1)Nach der Rechtsprechung des BAG und einer in der Literatur verbreiteten Meinung gebietet der Grundsatz der Vereinsautonomie, die Möglichkeit einer fristlosen einvernehmlichen Aufhebung einer Mitgliedschaft in einem tarifschließenden Arbeitgeberverband selbst dann anzuerkennen, wenn die Vereinssatzung hierzu schweigt bzw. solange die Satzung keine Regelung trifft, nach der eine Aufhebung mit sofortiger Wirkung ausgeschlossen wird (BAG, Urteil vom 20.02.2008 - 4 AZR 64/07, NZA 2008, 946; ErfK-Ranzen, 8. Aufl. § 3 TVG Rdz. 11, Löwisch/Rieble, TVG, 2. Aufl. § 3 Rdz. 59; Wiedemann/Oetker, TVG, 7. Aufl. § 3 Rdz. 55). Jedenfalls ist mit der Regelung der Ausübung des Kündigungsrechts des Mitglieds in der Satzung keine Aussage zu einer einvernehmlichen Aufhebung der Mitgliedschaft verbunden, weil derartige Regelungen dem Schutz des Verbandes und seiner verbleibenden Mitglieder vor einem kurzfristigen Verlust von Mitgliedern und Mitgliedschaftsbeiträgen durch einseitige Austritte dienen. Demgegenüber sind Situationen denkbar, in denen eine Aufhebung der Mitgliedschaft ohne Einhaltung von Fristen im Interesse aller Beteiligten - Verein, austrittswilliges Mitglied, verbleibende Mitglieder - liegt. Soweit Plander (NZA 2005, 897) hiergegen einwendet, eine Beschränkung auf die in der Satzung ausdrücklich benannten Beendigungsmöglichkeiten sei aus Gründen des Schutzes der verbleibenden Mitglieder vor Zustimmungserklärungen bereit willig handelnder Vereinsorgane (Vorstand etc.) geboten, überzeugt dies nicht. Dahin gehender Schutz kann durch eine entsprechende Kompetenzverteilung zwischen den Organen des Vereins in der Satzung gewährleistet werden; ein kompletter Ausschluss der Möglichkeit einer einvernehmlichen Aufhebung der Mitgliedschaft schösse über das Ziel hinaus.

(2)Nach diesen Grundsätzen steht § 5 der Satzung des B. einer einvernehmlichen Aufhebung der Mitgliedschaft der Beklagten nicht entgegen, weil dort zwar das "Ende der Mitgliedschaft" geregelt ist, aber die Möglichkeit der Aufhebung der Mitgliedschaft nicht ausgeschlossen wird. Eine solche Interpretation würde Sinn und Zweck des § 5 nicht gerecht. Die Satzung regelt nur die nicht selbstverständlichen oder ausgestaltungsbedürftigen Mitgliedschaftsverlusttatbestände der Kündigung durch das Mitglied, Auflösung und Insolvenz des Mitgliedsunternehmens und des Ausschlusses durch den Verband. Betroffen sind damit nur Fälle der automatischen Beendigung der Mitgliedschaft bei Eintritt einer Bedingung und der Beendigung durch einseitige Erklärung. In allen genannten Fällen dient die Satzung dabei erkennbar dem Schutz des Vereins und seines Vermögens:

- Automatische Beendigung der Mitgliedschaft bei Auflösung des Mitgliedsunternehmens und in bestimmten Konstellationen in der Insolvenz, wenn und weil das Mitglied keine Beiträge mehr leisten wird

- Kündigung durch das Mitglied nur unter Einhaltung einer sechsmonatigen Frist zum Jahresende, damit sich der Verein auf den Wegfall der Beiträge einstellen kann

- Ausschluss des Mitglieds aus wichtigen Gründen, um weiteres vereinsschädigendes Verhalten oder das Auflaufen weiterer Beitragsrückstände zu verhindern.

All das gebietet nicht, eine unter Umständen im Interesse aller Beteiligten liegende entfristete Aufhebung der Mitgliedschaft als ausgeschlossen anzusehen. Das folgt im Übrigen entgegen der Auffassung der Berufung auch nicht aus § 39 BGB, der allein die Möglichkeit der Kündigung durch das Mitglied betrifft und zugunsten des Mitglieds verhindern will, dass er sich einseitig nicht mehr aus der Vereinsbindung lösen kann (vgl. Palandt-Ellenberger, BGB, 68. Aufl., § 39 Rdz. 1).

b.

Es begegnet weiterhin keinen Bedenken, dass die Entscheidung über die Aufhebung der Mitgliedschaft der Beklagten im B. seitens des Verbandes durch dessen Vorstand getroffen worden ist.

Wie das Arbeitsgericht in der angefochtenen Entscheidung zutreffend festgestellt hat, folgt die Zuständigkeit des Vorstandes für derartige Beschlüsse aus § 26 Abs. 2 Satz 1 BGB, wonach der Vorstand den Verein gerichtlich und außergerichtlich vertritt. Soll durch Satzung die Vertretungsmacht des Vorstands mit Wirkung für und gegen Dritte beschränkt werden (§ 26 Abs. 2 Satz 2 BGB), so muss die Satzung dies eindeutig erkennen lassen, andernfalls wirkt eine Einschränkung des Handlungsspielraum des Vorstandes nur vereinsintern (BGH, Urteil vom 22.04.1996 - II ZR 65/95, NJW-RR 1996, 866). In der Satzung des B. ist indes nicht bestimmt, dass über die Aufhebung der Mitgliedschaft die Mitgliederversammlung (§ 9) oder der Vorstandsrat (§ 10) beschließen müsste. Soweit für den Mitgliedsbestand von Bedeutung, entscheidet der Vorstandsrat über eine vom Vorstand verweigerte Aufnahme (Nr. 4 h)) und über den Ausschluss eines Mitglieds (Nr. 4 i)). Dabei handelt es sich um Tatbestände, in denen der Wille des Verbandes von dem des (potentiellen) Mitglieds abweicht und zu Lasten des Mitglieds eine weitreichende Entscheidung zu treffen ist. Demgegenüber geht es bei der Beschließung über die Aufhebung der Mitgliedschaft in der Sache um das Vorziehen eines Austritts eines Mitglieds, den der Verband gemäß §§ 5 Nr. 1a) der Satzung, 39 Abs. 1 BGB an sich nicht verhindern könnte. Es spricht daher alles dafür, mit dem Arbeitsgericht die Entscheidung über die Aufhebung der Mitgliedschaft den nach § 11 Nr. 3 der Satzung originären Befugnissen des Vorstandes - Leitung des B. Solingen (lit. a)), Verwaltung des Verbandsvermögens (lit. c)) - zuzuordnen, weil im Wesentlichen finanzielle Belange infolge der Verkürzung von Mitgliedsbeiträgen im Raume stehen.

3.

Die zwischen der Beklagten und dem B. getroffene Vereinbarung ist nicht unter koalitionsrechtlichen Gesichtspunkten unwirksam.

a.

In der Rechtsprechung des BAG ist anerkannt, dass ein einvernehmliches und kurzfristiges Ausscheiden eines Mitglieds eines tarifschließenden Arbeitgeberverbandes unter dem Gesichtspunkt des aus Art. 9 Abs. 3 GG vermittelten Grundrechtsschutzes der koalitionsmäßigen Betätigung Probleme aufwerfen kann, wenn und weil ein solcher Austritt ohne Kenntnis der Gewerkschaft während laufender Tarifverhandlungen erfolgt. Das über Art. 9 Abs. 3 GG als Institution geschützte Tarifvertragssystem ist darauf angelegt, die strukturelle Unterlegenheit der einzelnen Arbeitnehmer beim Abschluss von Arbeitsverträgen durch kollektives Handeln auszugleichen und dadurch ein annähernd gleichgewichtiges Aushandeln der Löhne und Arbeitsbedingungen zu ermöglichen. Die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie kann aber gestört sein, wenn Arbeitgeber, von deren Verbandszugehörigkeit bei Beginn der Tarifverhandlungen die Gewerkschaft ausgeht und die an der Festlegung der Tarifziele und der möglichen Formen eines Arbeitskampfes mitgewirkt haben, sich durch das Ausscheiden aus dem tarifschließenden Arbeitsgeberverband der Wirkung der von ihnen mitgestalteten Tarifergebnisse entziehen; gleichzeitig wird dadurch die inhaltliche Angemessenheit des vereinbarten Tarifvertrages in Frage gestellt. Ob eine rechtlich relevante Störung der Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie vorliegt, hängt unter anderem von der Belegschaftsgröße des betreffenden Unternehmens, seiner Verflechtung mit anderen Unternehmen, dem persönlichen Einfluss der Unternehmensrepräsentanten im Arbeitgeberverband und dem Zeitpunkt des Austritts ab. Dies zu entscheiden, ist grundsätzlich nicht Aufgabe der Gerichte, sondern obliegt wegen der Tarifautonomie der Gewerkschaft als Verhandlungspartner. Das BAG leitet daraus ab, dass die Gewerkschaft über das Ausscheiden von Mitgliedsunternehmen oder deren Wechsel in eine OT-Mitgliedschaft konkret zu informieren ist, um überhaupt in die Lage versetzt zu werden, hierauf mit Wirkung für den vor dem Abschluss stehenden Tarifvertrag zu reagieren. Fehlt es hieran, ist das dem Ausscheiden des Mitglieds zugrunde liegende Rechtsgeschäft gemäß Art. 9 Abs. 3 Satz 2 GG, § 134 BGB nichtig. Für die gerichtliche Feststellung der Nichtigkeit gilt eine abgestufte Darlegungs- und Beweislast. Macht der Arbeitnehmer die Nichtigkeit des Ausscheidens seines Arbeitgebers aus dem Arbeitgeberverband oder des Wechsels in eine OT-Mitgliedschaft geltend, hat er zunächst vorzutragen, dass die Tarifvertragsverhandlungen beim Austritt oder Statuswechsel bereits begonnen hatten und sich zu diesem Zeitpunkt in einem Stadium befanden, in dem eine Störung der Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie in Betracht kam. Darüber hinaus muss der Arbeitnehmer darlegen, dass der Austritt oder Statuswechsel des Arbeitgebers für die andere Tarifvertragspartei nicht transparent war. Der Arbeitgeber hat sodann substantiiert darzulegen, aus welchen Gründen sich eine Transparenz des Verhaltens für die Gewerkschaftsseite ergeben haben soll (Grundsätze nach BAG, Urteil vom 04.06.2008 - 4 AZR 419/07, NZA 2008, 1366, vom 20.02.2008 - 4 AZR 64/07, NZA 2008, 946).

b.

Nach diesen Grundsätzen kann im vorliegenden Fall eine Nichtigkeit der Ausscheidensvereinbarung zwischen Beklagter und B. gemäß Art. 9 Abs. 3 satz 2 GG, § 134 BGB nicht angenommen werden.

(1) Die Klägerin ist ihrer oben skizzierten primären Darlegungslast nicht gerecht geworden. Weder erst- noch zweitinstanzlich und trotz des Hinweises des Gerichts vom 23.12.2008 hat sich die Klägerin zum Ablauf der Tarifverhandlungen in der Metallindustrie NRW im Jahre 2007 bzw. zur Transparenz der Aufhebung der Mitgliedschaft der Beklagten im B. verhalten. Sie hat die vermeintliche Unwirksamkeit der Aufhebungsvereinbarung durchgehend nur auf vereins- und satzungsrechtliche Bestimmungen gestützt.

(2) Abgesehen davon hält das Gericht dafür, dass in Anbetracht der Umstände des Falles eine Störung der Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie in der Metallindustrie NRW durch den Austritt der Beklagten aus dem B. offensichtlich ausgeschlossen war und dies deshalb ausnahmsweise gerichtlich feststellbar ist. Sie repräsentiert mit ihren 90 Arbeitnehmern gerade einmal 0,018% der gesamten, 500.000 Köpfe zählenden Arbeitnehmerschaft in der nordrhein-westfälischen Metall- und Elektroindustrie. Sie ist in keine brancheninterne Zulieferkette, etwa in der Automobilindustrie, eingebunden und nimmt daher keine Stellung ein, die es der Gewerkschaft mit nadelstichartigen Arbeitskampfmaßnahmen ermöglichte, Wirkung für einen größeren Kreis der verbandsangehörigen Arbeitgeber zu erzielen. Konsequenterweise hat die Beklagte in der Vergangenheit allgemein und im Jahre 2007 speziell denn auch keine Rolle in der tariflichen Auseinandersetzung gespielt. Der Inhalt des Entgeltabkommens für die Metall- und Elektroindustrie NRW vom 08.05.2007 wäre nicht anders ausgefallen, wenn die Beklagte im B. verblieben wäre.

II.

Zu Recht hat das Arbeitsgericht schließlich festgestellt, dass die Klägerin keinen individualvertraglichen Anspruch auf Zahlung der geltend gemachten 721,20 € brutto hat. Auf die einschlägigen Ausführungen unter Ziffer 2 der Entscheidungsgründe, gegen die die Klägerin keine Einwendungen erhoben hat, wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen.

C.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Kammer hat den entscheidungserheblichen Rechtsfragen grundsätzliche Bedeutung beigemessen und die Revision gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen.

Ende der Entscheidung

Zurück