Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 28.10.1999
Aktenzeichen: 2 Sa 1047/99
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 626
Eine fristlose Verdachtskündigung kommt regelmäßig nicht mehr in Betracht, wenn der zu kündigende Arbeitnehmer bei Ausspruch der Kündigung bereits unwiderruflich bis zum Ende der ordentlichen Kündigungsfrist freigestellt war.
LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 2 Sa 1047/99

Verkündet am: 28.10.1999

In dem Rechtsstreit

hat die 2. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 28.10.1999 durch den Vizepräsidenten des Landesarbeitsgerichts Kinold als Vorsitzenden sowie die ehrenamtliche Richterin Baumanns und die ehrenamtliche Richterin Wiese für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wuppertal vom 09.03.1999 abgeändert. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung vom 23.09.1998 nicht beendet worden ist.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der 36 Jahre alte, verheiratete, von seiner Ehefrau getrennt lebende Kläger war seit dem 01.06.1983 bei der Beklagten zuletzt als Kundenberater in der Filiale W.uppertal F.riedrich-EberStr. , zu einem Monatsgehalt in Höhe von 6.000,-- DM brutto beschäftigt.

Mit Schreiben vom 30.07.1998 sprach die Beklagte gegenüber dem Kläger eine Abmahnung aus, da er es versäumt habe, im Zusammenhang mit einem Betrugsfall H.a F.a/ P.et K.ocherschei am 02.07.1998 den vorgelegten EC-Scheck in Höhe von 92.000,00 DM vor Barauszahlung einem Autorisierten zur zweiten Unterschrift vorzulegen, obwohl nach der DB-Betriebsordnung eine derartige Verpflichtung bei Beträgen ab 50.000,00 DM bestehe.

Wegen des dieser Abmahnung zugrunde liegenden Sachverhalts schlossen die Parteien am 27.08.1998 eine schriftliche Vereinbarung, wonach das Anstellungsverhältnis der Parteien aus dringenden betrieblichen Gründen zur Vermeidung einer ansonsten zum gleichen Termin auszusprechenden betriebsbedingten Kündigung auf Veranlassung der Beklagten unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist zum 31.03.1999 unter gleichzeitiger unwiderruflicher Freistellung von seiner Dienstverpflichtung unter Fortzahlung der Bezüge und gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe von 106.000,00 DM brutto beendet werden sollte.

Mit Schreiben vom 23.09.1998, dem Kläger zugegangen am 25.09.1998, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis nach Anhörung des Betriebsrats, der der Kündigung widersprach fristlos, hilfsweise fristgerecht zum 31.03.1999. Die Kündigung wurde von der Beklagten ausdrücklich als Verdachtskündigung bezeichnet. Wegen der weiteren Einzelheiten des Inhalts der Kündigung wird auf die bei den Akten befindliche Kopie (vgl. Bl. 9 ­ 12 d. A.) verwiesen.

Der Kläger hält die außerordentliche Kündigung seines Arbeitsverhältnisses für rechtsunwirksam.

Hinsichtlich des bereits mit der Abmahnung vom 30.07.1998 abgemahnten Verhalten bei der Auszahlung eines Euroschecks über 92.000,00 DM sei zwar richtig, dass der Kläger den Auszahlungsbeleg nicht noch von einer dazu legitimierten vorgesetzten Person habe abzeichnen lassen, da er der Meinung gewesen sei, dass dies nur erforderlich sei, wenn Beträge über 100.000,-- DM ausgezahlt werden. Dieser Meinung sei offensichtlich auch die Kassiererin gewesen, da sie sonst den Betrag ja nicht an den Kläger ausgezahlt hätte. Im Übrigen habe er festgestellt, dass auch zahlreiche andere Mitarbeiter der Auffassung gewesen seien, dass lediglich Auszahlungsbeträge ab 100.000,-- DM von einem Vorgesetzten zusätzlich hätten abgezeichnet werden müssen. Weiter habe der Kläger die Unterschrift mit der im Computer verglichen, wobei diese übereingestimmt habe. Da auch das Konto genügend Deckung aufwies, habe der Kläger sich den Betrag auszahlen lassen, noch den Personalausweis der Kundin mit Rücksicht auf das Geldwäschegesetz fotokopiert sowie die Unterschrift auf dem Auszahlungsbeleg seitens der Kundin kontrolliert und mit dem Personalausweis und der hinterlegten Unterschrift verglichen. Da alles übereingestimmt habe, hätten aus seiner Sicht keine Bedenken bestanden, den Betrag auch auszuzahlen.

Soweit die Beklagte den Kläger weiter verdächtige, am 28.04.1998 zu Lasten der Zeugin B.rüba 480 Stück Euro Renta mit einem Wert von 48.369,60 DM sowie einen Barbetrag von 3.030,40 DM veruntreut zu haben, sei dies nicht zutreffend. Richtig sei, dass der Kläger der Kundin an diesem Tage 480 Stück Euro Renta verkauft habe und weiter den noch verbleibenden Barbetrag von rund 3.000,-- DM an die Kundin in bar ausgezahlt habe. Gleichzeitig habe die Kundin bei der Beklagten ein Bankschließfach angemietet. Er habe die Kundin nach Aushändigung eines Umschlages mit dem Euro Renta-Fonds zu dem Schließfach begleitet. Die Zeugin B.rüba habe dann, ohne dass er dies näher beobachtet habe, Papiere in das Schließfach gelegt, worauf der Safe wieder verschlossen worden sei.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die am 23.09.1998 und am 25.09.1998 zugestellte außerordentliche Kündigung nicht beendet ist;

2. festzustellen, dass auch durch die hilfsweise erklärte ordentliche

Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht beendet ist;

3. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch den Auflösungsvertrag vom 27.08.1998 endet und dieser Auflösungsvertrag nach

wie vor Gültigkeit hat.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen, Anlass zu der Kündigung habe eine Straftat des Klägers gegeben, von der sie bei Abschluss der Vereinbarung vom 27.08.1998 noch keine Kenntnis gehabt habe. Wie sie zwischenzeitlich festgestellt habe, habe der Kläger am 28.04.1998 in der Filiale W.uppert ein Kundengespräch mit der Zeugin B.rüba geführt, die seit 1971 Kundin der Beklagten sei. In dem Gespräch sei es um die Wiederanlage des Guthabens von Frau B. aus einem fälligen Festzinssparen in Höhe von 50.000,00 DM gegangen. Der Kläger habe der Zeugin B.rüba die Anlage in Aktien empfohlen. Tatsächlich habe der Kläger sich dann einen Auszahlungsquittungsbeleg über 51.400,00 DM von der Zeugin B.rüba unterschreiben lassen. Vom Kläger seien dann 480 Stück Euro Renta im Gesamtwert von 48.369,60 DM erworben worden. Weder diese 480 Stück Euro Renta noch den Differenzbetrag in Höhe von 3.030,40 DM, der laut Auszahlungsquittung an die Zeugin B.rüba ausgezahlt worden sei, habe die Zeugin jemals vom Kläger erhalten. Soweit der Kläger Gegenteiliges behaupte, könne dies nicht richtig sein, da er die Papiere erst am Nachmittag des 28.04.1998 verbucht habe, während die Zeugin B.rüba am 28.04.1998 nachmittags überhaupt nicht ihr Schließfach benutzt hat, sondern bei diesem neu eingerichteten Schließfach lediglich am 28.04.1998 vormittags zwischen 10.00 und 11.00 Uhr gewesen sei. Demgegenüber sei die Buchung des Betrages von 51.400,-- DM, der den Kauf der Euro Renta-Anteile und die vom Kläger behauptete Restbarauszahlung betreffe, erst um 14.27 Uhr gebucht worden sei. Die Beklagte sei erst bei einem Gespräch mit der Zeugin B.rüba, das die hierfür zuständige Angestellte S.chu geführt habe, auf diese Unregelmäßigkeiten aufmerksam geworden. Die Angestellte S.chu habe über das Gespräch einen Vermerk gefertigt (vgl. Bl. 19 d. A.), woraufhin Überprüfungen durch die Revision stattgefunden hätten, deren Ergebnis dem Kläger ­ wie unstreitig ist ­ bei einem Gespräch am 11.09.1998 vorgehalten worden sei. Der Kläger habe hierauf seine schriftliche Stellungnahme vom 11.09.1998 (vgl. Bl. 20/21 d. A.) abgegeben, die bei der Beklagten am 14.09.1998 eingegangen sei. An diesem Tage sei gemeinsam mit der Zeugin B.rübacdas Schließfach geöffnet worden. Hierbei seien die Euro Renta-Fonds nicht vorgefunden worden. Aus der Besucherkarte ergebe sich, dass das Schließfach zwischen dem 28.04.1998 und dem 02.09.1998 nicht mehr geöffnet worden sei. Nach internen Überprüfungen habe die Beklagte sodann am 18.09.1998 erfahren, dass am 07.05.1998 um 11.22 Uhr bei der Filiale S.oling insgesamt 150 Euro Renta-Anteile und am selben Tag in der Filiale in L.everkus 130 Euro Renta-Anteile um 10.26 Uhr verkauft worden seien. Die restlichen 200 Euro Renta-Anteile seien ebenfalls am 07.05.1998 um 9.33 Uhr bei der Filiale in K.ö/A.ndreasklost angekauft worden, so dass sämtliche 480 Stück am 07.05.1998 gegen Auszahlung des Gegenwertes in bar verkauft worden seien. Der Kläger habe an diesem 07.05.1998 unstreitig seinen freien Tag gehabt.

Das Arbeitsgericht Wuppertal hat durch Urteil vom 09.03.1999 die Klage nach Beweiserhebung durch uneidliche Vernehmung der Zeugin B.rüba abgewiesen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht, auf dessen Entscheidungsgründe im Übrigen verwiesen wird, im Wesentlichen ausgeführt:

Die Beklagte habe eine Verdachtskündigung ausgesprochen. Eine solche sei gerechtfertigt, wenn das Arbeitsverhältnis durch den schweren Verdacht einer schweren Straftat zu Lasten des Arbeitgebers belastet sei. Das sei hier der Fall. Aufgrund der Beweisaufnahme durch Vernehmung der Zeugin B.rüba und nach dem unstreitigen Sachverhalt stehe zur Überzeugung der Kammer fest, dass die Zeugin B.rüba am 28.04.1998 bei dem Kläger Euro Renta-Fond-Anteile im Wertt von knapp 50.000,-- DM erworben habe. Dass diese sich am 14.09.1998 nicht mehr im Schließfach der Kundin befunden hätten und dass nichts dafür spreche, dass Frau B.rüba diese Anteile ihrerseits verkauft oder noch in Besitz habe. Vernünftigerweise lasse sich unter diesen Voraussetzungen nur der Schluss ziehen, dass der Kläger sich in den Besitz der Fond- Urkunden gesetzt habe, um sie zu seinen Gunsten zu verwerten oder zu behalten. Im Rahmen der Beweisaufnahme habe das Gericht den Eindruck gewonnen, dass die Zeugin B.rüba zwar als geeignetes Opfer, wohl aber kaum als Täterin in Betracht zu ziehen sei. Auch für ein Komplott anderer (Mitarbeiter der Bank) zu Lasten des Klägers gebe es keine vernünftigen Anhaltspunkte. Letztlich bedürfe es nicht des Nachweises der Tat. Für den Ausspruch einer Verdachtskündigung genüge ein schwerer Verdacht. Dieser sei aus der Sicht der Kammer begründet. Es handele sich auch um eine schwere Straftat. Die Unterschlagung von Kundengeldern oder der Bank anvertrauten Vermögensanteilen durch einen Mitarbeiter der Bank seien stets auch ein schwerer Verstoß gegen die arbeitsvertraglichen Verpflichtungen.

Der Kläger hat gegen dieses ihm am 23.06.1999 zugestellte Urteil mit einem am 21.07.1999 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem weiteren am 16.08.1999 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Zur Begründung des Rechtsmittels führt der Kläger aus, das erstinstanzliche Urteil könne keinen Bestand haben, da der zugrundeliegende Sachverhalt völlig falsch gewürdigt worden sei. Soweit das Arbeitsgericht ausgeführt habe, dass es aufgrund der glaubhaften Aussage der Zeugin B.rüba davon überzeugt sei, dass der Kläger dieser Bankkundin pflichtwidrig weder die gekauften Euro Renta-Anteile ausgehändigt habe noch den Differenzbetrag zu dem Kaufpreis, habe sich das erstinstanzliche Gericht offensichtlich davon leiten lassen, dass die Zeugin B.rüba vormittags bei dem Kläger gewesen sein wolle, sich von diesem habe beraten lassen und dann die Euro Renta- Anteile gekauft habe. Demgegenüber habe der Kläger festgestellt, dass er an dem besagten 28.04.1998 vormittags etwa in der Zeit von 10.15 Uhr bis 11.30 Besuch von einem Kunden namens P.örschma gehabt habe, der dann letzten Endes 9.000,-- DM bar abgehoben und diese durch den Kläger habe auszahlen lassen. Damit sei widerlegt, dass die Zeugin B.rüba vormittags bei dem Kläger gewesen sein will. Hinzu komme, dass die Zeugin B.ogus in einem Parallelverfahren ausgesagt habe, dass die Zeugin B.rüba vormittags bei dem Kläger gewesen sei, weil sie, die Zeugin B.ogus, eine Tasse Kaffee auf dem Schreibtisch gehabt hätte und sie nur vormittags Kaffee trinken würde. Bereits hieraus werde ersichtlich, dass die Verdachtskündigung nicht gerechtfertigt sei, weil ein Verdacht auf den Kläger allein jedenfalls nicht habe fallen dürfen. Hinzu komme, dass es schon recht erstaunlich sei, wenn die Zeugin B.rüba am 28.04.1998 ein sogenanntes Tafelgeschäft gemacht habe und ihr angeblich erst im September 1998 aufgefallen sei, dass die entsprechenden Papiere nicht in ihrem Schließfach waren. Weiter sei es erstaunlich, dass der Zeugin B.rüba auch erst im September aufgefallen sein wolle, dass sie den Differenzbetrag von gut 3.000,-- DM nicht ausgezahlt bekommen habe. Da die Zeugin B.rüba offensichtlich einigermaßen erfahren in Wertpapiergeschäften und Geldanlagen gewesen sei, dürfte es ihr auch nicht entgangen sein, ob man ihr 3.000,-- DM am 28.04.1998 ausgezahlt habe oder nicht. Die Zeugin selbst habe im Übrigen im Termin vom 09.03.1999 erklärt, dass sie in den früheren Jahren oft Festzinsverträge gehabt hätte und in der Vergangenheit sehr oft Geld wieder angelegt bzw. Geld behalten habe, wenn sie Geld benötigte. Dies stehe in völligem Widerspruch dazu, dass sie behaupte, dem Kläger insofern blind vertraut zu haben als dieser ihr angeblich mitgeteilt habe, die Papiere und auch der überschießende Betrag von den 50.000,-- DM blieben bei der Bank. Die gesamten Aussagen der Zeugin B.rüba sowohl im vorliegenden Rechtsstreit als auch in dem Parallelverfahren seien derart widersprüchlich, dass diese Aussage alleine nicht ausreichen könne, den Kläger zu überführen, die Euro Renta-Anteile nicht an die Zeugin B.rüba ausgehändigt zu haben und auch nicht den Differenzbetrag, der dann noch übrig gewesen sei in Höhe von gut 3.000,-- DM. Es sei immerhin denkbar, dass die Zeugin in das Schließfach lediglich die Papiere hineingelegt habe, die sie von der Stadtsparkasse mitgebracht habe aus ihrem anderweitigen Safe. Sie habe dann entweder die hier in Rede stehenden Euro Renta-Anteile in ihrer Handtasche belassen und versehentlich mitgenommen und irgendwie sonst verschludert, so wie sie auch ein Sparbuch verschludert habe, was sich dann hinterher zwischen irgendwelchen dubiosen Möbelstücken wiedergefunden habe. Auch könne es sein, dass sie diese Papiere im Saferaum vergessen und dass jemand anders diese mitgenommen habe, möglicherweise sogar zusammen mit dem ausgezahlten Betrag von 3.000,-- DM. Insgesamt müsse davon ausgegangen werden, dass die Zeugin B.rüba offensichtlich altersbedingt schon relativ verwirrt sei, so dass letzten Endes ihre Aussage allein nicht die Aussage des Klägers bzw. dessen Vortrag entkräften könne und daher kein Grund bestehe, den Kläger zu verdächtigen, die Wertpapiere unterschlagen zu haben.

Außerdem habe das erstinstanzliche Gericht den Vortrag der Beklagten als zutreffend unterstellt, dass am 07.05.1998 die hier in Rede stehenden Euro Renta-Papiere teilweise bei der Filiale S.oling, teilweise bei der Filiale L.everkus und teilweise bei der Filiale K.ö angekauft worden seien und dass der Kläger am 07.05.1998 einen freien Tag gehabt habe. Es sei zwar zutreffend, dass der Kläger an diesem Tage frei gehabt habe; dies könne ihn jedoch noch nicht in den Verdacht bringen, besagte Euro Renta- Anteile in den genannten Filialen verkauft zu haben. Aus den im Parallelprozess überreichten Unterlagen ergebe sich, dass ein Teil der Euro Renta-Anteile bei der Filiale K.ö um 9.33 Uhr am 07.05.1998 verkauft worden sei. Zu dieser Zeit habe der Kläger jedoch unmöglich bereits in K.ö sein können. Er habe nämlich am 07.05.1998 zusammen mit seiner Ehefrau gefrühstückt, die dann gegen 8.50 Uhr bis 8.55 Uhr aus dem Haus gegangen sei, um pünktlich um 9.00 Uhr ihre wenige Minuten entfernte Arbeitsstelle zu erreichen. Innerhalb einer guten halben Stunde habe der Kläger keineswegs von R.emscheid-Lenne nach K.ö fahren können, zumal in den Morgenstunden die Autobahnen in Richtung K.ölgrundsätzlich verstopft seien. Auch dies spreche gegen einen Verdacht gegen den Kläger.

Weiter habe das Arbeitsgericht es unterlassen, den Sachverhalt ordnungsgemäß aufzuklären und eine Gegenüberstellung mit den Kassierern in den Filialen K.ö, L.ever und S.oling zu ermöglichen, die am 07.05.1998 die Euro Renta-Anteile eingelöst haben.

Insgesamt stehe der gegenüber dem Kläger geäußerte Verdacht auf so tönernen Füßen, dass dieser nicht ausreichend sei, um eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers zu rechtfertigen.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die am 23.09.1998 und am 25.09.1998 zugestellte außerordentliche Kündigung nicht beendet worden ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wuppertal vom 09.03.1999 zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und trägt zu den Angriffen der Berufung wie folgt vor:

Es sei nicht richtig, dass der Kunde P.örschma am 28.04.1998 von 10.15 Uhr bis 11.30 Uhr vom Kläger beraten worden sei. Es sei zwar richtig, dass dieser Kunde um 10.17 Uhr einen Betrag in Höhe von 9.000,-- DM in bar abgehoben habe. Indessen habe eine Nachfrage bei Herrn P.örschma ergeben, dass dieser sich lediglich eine Viertelstunde in den Räumen der Beklagten aufgehalten habe, was für die simple Abhebung eines Barbetrages von seinem Konto auch ausgereicht habe. Wenn die Zeugin B.rüba demgegenüber ihre Anwesenheit in der Filiale mit 10.00 bis 11.00 Uhr angegeben habe, so stehe dies der kurzen Anwesenheit von Herrn P.örschma nicht entgegen. Der Kläger könne im Übrigen auch damit keinen Erfolg haben, dass er die Zeugin B.rüba als verwirrt doch aber als erfahren in Wertpapiergeschäften darstelle. Es sei nicht verwunderlich und habe noch nicht einmal zwingend etwas mit dem Alter der Zeugin zu tun, wenn sie sich nicht mehr an alle Einzelheiten des Vorgangs konkret erinnern könne. Der Kern der Aussage der Zeugin B.rüba sei jedoch immer übereinstimmend, dass sie vom Kläger keinerlei Wertpapiere und keinen überschießenden Barbetrag erhalten habe, dass nämlich der Kläger sie hier getäuscht habe. Dies habe die Zeugin in mehreren Aussagen sowohl im vorliegenden Verfahren als auch im Parallelrechtsstreit deutlich gemacht und am Wahrheitsgehalt dieser Aussage keinen Zweifel aufkommen lassen. Auch im Übrigen könne nicht von einer Widersprüchlichkeit der Aussage der Zeugin gesprochen werden. Wenn Frau B.rüba vom Kläger schlicht keine Wertpapiere erhalten habe, werde dies gestützt durch den Einkaufsbeleg der Euro Renta-Anteile. Die Zeugin habe definitiv gewusst, dass sie am Vormittag vom Kläger in der Bank beraten worden sei. Der Ankauf der Wertpapiere sei vom Kläger am Nachmittag veranlasst worden. Die Variante des Klägers, dass Frau B.rüba die Euro Renta-Anteile in der Handtasche belassen und versehentlich mitgenommen oder sonst irgendwie verschludert habe, scheidet daher aus, da die Wertpapiere am 07.05.1998, als der Kläger freigehabt habe, eingelöst worden seien. Ob der Kläger selbst diese Anteile bei den Niederlassungen der Beklagten eingelöst oder sich hierzu einer dritten Person bedient habe, entziehe sich der Kenntnis der Beklagten, könne aber auch offenbleiben.

Wegen der gegenüber dem Kläger erhobenen Vorwürfe ist ein Ermittlungsverfahren gegen den Kläger bei der Staatsanwaltschaft Wuppertal mit dem Aktenzeichen 25 Js 1192/98 anhängig.

In einem Parallelverfahren hat der Kläger vor dem Arbeitsgericht Wuppertal eine Zahlungsklage gegen die Beklagte auf Auszahlung eines Kontoguthabens erhoben. Die Beklagte hatte in diesem Rechtsstreit mit den ihr entstandenen Schäden in Höhe von 51.400,-- DM, die sie der Zeugin B.rüba erstattet hat und in Höhe von 92.000,-- DM, die sie dem Kunden Fach gutgeschrieben hat, die Aufrechnung erklärt und Widerklage erhoben.

Das Arbeitsgericht Wuppertal hat durch ein inzwischen rechtskräftig gewordenes Urteil vom 15.01.1999 ­ 2 Ca 4335/98 ­ die Klage des Klägers abgewiesen und ihn auf die Widerklage der Beklagten verurteilt, an die Beklagte 108.681,56 DM zu zahlen. Die Akten sind vom Landesarbeitsgericht beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze und der Sitzungsprotokolle verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist an sich statthaft (§ 64 Abs. 1 ArbGG); da der Wert des Beschwerdegegenstandes den Betrag von 800,-- DM übersteigt und das Rechtsmittel auch in der gesetzlich vorgeschriebenen Form und Frist eingelegt und begründet worden ist, ist die Berufung insgesamt zulässig (§§ 64 Abs. 2, 66 Abs. 1 ArbGG, 518, 519 ZPO).

II.

Das Rechtsmittel ist auch begründet.

Entgegen der vom Arbeitsgericht vertretenen Auffassung ist das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die von der Beklagten mit Schreiben vom 23.09.1998 ausgesprochene außerordentliche Verdachtskündigung nicht rechtswirksam fristlos beendet worden.

1. Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Das Arbeitsgericht ist insoweit zutreffend davon ausgegangen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auch der Verdacht, dass der Arbeitnehmer eine strafbare Handlung oder eine sonstige Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten begangen hat, wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung sein kann. Allerdings sind an eine derartige Verdachtskündigung besonders strenge Anforderungen zu stellen. Es ist erforderlich, dass der Verdacht objektiv durch bestimmte Tatsachen begründet ist. Auf die subjektive Wertung des Arbeitgebers kommt es nicht an. Vielmehr ist nur ein solcher Verdacht als Kündigungsgrund geeignet, der einen verständigen und gerecht abwägenden Arbeitgeber zum Ausspruch der Kündigung verlangen kann. Bei kritischer Prüfung muss sich ergeben, dass eine auf Beweisanzeichen (Indizien) gestützte große Wahrscheinlichkeit für die Tat gerade dieses Arbeitnehmers besteht.

Aber nicht nur das Gewicht des Verdachtes muss schwer sein, sondern auch die strafbare Handlung selbst, deren der Arbeitnehmer verdächtigt wird. Außerdem muss der Arbeitgeber alles ihm Zumutbare zur Aufklärung des Einzelfalles getan haben. Dazu gehört, dass er dem verdächtigen Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat. Bleibt nach Klärung all dieser Punkte ein schwerer Verdacht gegen den Arbeitnehmer bestehen, dann bedarf es wie bei jeder Kündigung aus wichtigem Grund der Prüfung, ob dem Arbeitgeber unter Würdigung aller Umstände die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zugemutet werden kann oder nicht. Hierbei sind Persönlichkeit und Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb zu berücksichtigen. Eine besondere Vertrauensstellung oder die Erwartung, dass die Weiterbeschäftigung besondere Gefahren für den Arbeitgeber mit sich bringt, können hierbei eine Rolle spielen. Stets ist zu beachten, dass eine nur auf Verdacht gestützte Kündigung meist ähnlich diskriminierend wirkt wie eine Strafe und für den entlassenen Arbeitnehmer nicht nur die augenblickliche Lebensgrundlage beseitigt wird, sondern auch die Erlangung eines neuen Arbeitsplatzes erschwert werden kann (vgl. BAG Urteil vom 18.08.1982 ­ 7 AZR 235/80 ­ sowie zuletzt BAG Urteil vom 20.08.1997 ­ 2 AZR 620/96 ­ NZA 1997, 1340 ff. jeweils m. w. N.). Eine Verdachtskündigung in diesem Sinne liegt dann vor, wenn und soweit der Arbeitgeber seine Kündigung damit begründet, gerade der Verdacht eines strafbaren bzw. vertragswidrigen Verhaltens habe das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zerstört. Der Verdacht einer strafbaren Handlung stellt gegenüber dem Vorwurf, der Arbeitnehmer habe die Tat begangen, einen eigenständigen Kündigungsgrund dar, der in dem Tatvorwurf nicht enthalten ist. § 626 Abs. 1 BGB lässt eine Verdachtskündigung somit dann zu, wenn die Verdachtsmomente geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören (BAG a. a. O.).

2. Unter Berücksichtigung des unstreitigen Sachverhalts und des Ergebnisses der vom Arbeitsgericht durchgeführten Beweisaufnahme geht auch die Berufungskammer in Übereinstimmung mit dem Arbeitsgericht davon aus, dass gegenüber dem Kläger der dringende Verdacht besteht, dass er am 28.04.1998 zu Lasten des Kontos der Zeugin B.rüba 480 Stück Euro Renta Investmentzertifikate im Wert von 48.369,60 DM erworben hat und weder diese Investmentanteile noch den Differenzbetrag in Höhe von 3.030,40 DM zu den vom Konto der Zeugin ausgezahlten 51.400,00 DM an die Zeugin B.rüba ausgehändigt hat. Weiter besteht der dringende Verdacht, dass der Kläger am 07.05.1998, seinem freien Tag, in der K.öln Filiale der Beklagten um 9.33 Uhr 200 Stück Euro Renta-Anteile für 19.374,21 DM um 10.25 Uhr bei der Filiale L.ever130 Stück für 12.593,24 DM sowie um 11.22 Uhr in der Filiale S.oling 150 Stück Euro Renta-Anteile für 14.530,66 DM eingelöst und sich die Gegenwerte hat auszahlen lassen. Die Zeugin B.rüba hat insoweit ausgesagt, am 28.04.1998 seien 50.000,-- DM fällig gewesen, wobei es sich um Beträge aus Festzinssparen gehandelt habe, die auf das Girokonto überwiesen worden seien. Sie sei dann in der Bank gewesen und habe ein neues Schließfach haben wollen. Wegen der 50.000,-- DM, die aufs Girokonto gebucht worden waren, habe sie etwas unterschrieben, dass die vom Konto runterkamen. Sie habe aber nichts in bar bekommen, sondern gerne etwas anlegen wollen. Im Übrigen gehe sie nur vormittags, nie nachmittags zur Bank. Weiter hat die Zeugin ausgesagt, mit den 50.000,-- DM sei nichts gemacht worden. Sie sei schätzungsweise eine bis anderthalb Stunden in der Bank gewesen. Auf ausdrückliches Befragen hat die Zeugin dann weiter erklärt, sie sei ganz sicher, dass sie weder Bargeld noch Papiere bekommen habe, als sie wegen der 50.000,-- DM in der Bank gewesen sei. Allerdings habe sie das Geld später von der Bank wiederbekommen. Bei dieser Sachlage steht zumindest fest, dass gegenüber dem Kläger der dringende Verdacht besteht, dass er sich sowohl in den Besitz der 480 Euro Renta-Anteile als auch des Differenzbetrages von rund 3.000,-- DM Bargeld gesetzt hat. Dies wird bestätigt durch die von der Kundenbetreuerin S.chu am 02.09.1998 gefertigte Aktennotiz (vgl. Bl. 19 d. A.) über ein zwischen der Zeugin B.rüba und der Mitarbeiterin S.chu geführtes Gespräch vom 02.09.1998, in dem die Zeugin B.rüba gegenüber der Mitarbeiterin S.chu geäußert hat, dass sie am 28.04.1998 in der Filiale W.uppert mit dem Kläger über ihre gesamten Geldanlagen gesprochen habe. Nach diesem Gespräch sei es am 28.04.1998 um die Wiederanlage des Guthabens aus einem fälligen Festzinssparen gegangen, wobei Herr M.au empfohlen habe, das Geld in Aktien anzulegen. Hiermit habe sich die Zeugin B.rüba ausweislich des Vermerks einverstanden erklärt. Weiter habe Herr M.ausdarauf hingewiesen, dass die Zeugin bei dieser Anlageform keinerlei Unterlagen ausgehändigt bekommen würde. Die Papiere, die er für sie kaufen würde, würden in Verwahrung der Bank bleiben, was absolut üblich sei. Auch hiermit habe sich die Zeugin B.rüba einverstanden erklärt. Weiter habe sich ausweislich des Gesprächsvermerks vom 02.09.1998 die Zeugin B.rübaczu Hause Notizen gemacht, dass sie dem Kläger sämtliche Unterlagen über ihre Geldanlagen ausgehändigt habe und dass sie für ca. 50.000,-- DM Aktien gekauft habe. Diese Aussage der Zeugin B.rüba gegenüber der Mitarbeiterin S.chu sowie im Termin vom 09.03.1998 stimmen auch überein mit der Aussage der Zeugin B.rüba im Termin vom 10.12.1998 vor dem Arbeitsgericht Wuppertal in der Parallelsache 2 Ca 4335/98. Auch hier hat die Zeugin klar bekundet, dass in ihr Schließfach am 28.04.1998 keine Papiere, ob Aktien oder Investmentzertifikate deponiert worden seien, die für 51.400,-- DM zu ihren Gunsten gekauft worden sein sollten. Die Zeugin hat auch hier weiter bekundet, dass sie am 28.04.1998 keinen Betrag in Höhe von ca. 3.000,-- DM ausgehändigt erhalten hat. Schließlich hat die Zeugin auch bestätigt, dass sie das Gespräch mit dem Kläger am 28.04.1998 vormittags geführt hatte. Dies wird dadurch bestätigt, dass die Zeugin B.us bei ihrer Vernehmung am 15.01.1999 in der Parallelsache ebenfalls bestätigt hat, dass die Eröffnung eines Wertschließfaches zugunsten der Zeugin B.rübacam Vormittag des 28.04.1998 gewesen sei, weil die Zeugin glaube, dass sie bei der Gelegenheit eine Tasse Kaffee auf dem Schreibtisch stehen gehabt habe. Bei dieser Sachlage bestand jedenfalls ein dringender Tatverdacht, dass der Kläger der Zeugin B.rüba am 28.04.1998 weder die zu ihren Lasten erworbenen 480 Euro Renta-Anteile noch den Betrag von 3.000,-- DM ausgehändigt hat. Dies ergibt sich insbesondere daraus, dass die Buchung des Betrages von 51.400,-- DM zu Lasten des Kontos der Zeugin B.rüba am 28.04.1998 erst um 14.27 erfolgt ist. Da auch die Euro Renta-Anteile erst Zug um Zug gegen Bezahlung gekauft worden sind, war es bei dieser Sachlage gar nicht möglich, dass der Kläger am Vormittag des 28.04.1998 die Euro Renta-Anteile bzw. das Bargeld an die Zeugin B.rüba ausgezahlt hat. Soweit der Kläger demgegenüber rügt, die Zeugin B.rüba könne schon deshalb nicht am Vormittag des 28.04.1998 in der Filiale der Beklagten in W.uppert gewesen sein, da er an diesem Tag in der Zeit von 10.15 bis 11.30 Uhr Besuch von einem Kunden P.örschma gehabt habe, der dann letzten Endes 9.000,-- DM in bar abgehoben und sich durch den Kläger habe auszahlen lassen, vermag dieser Vortrag die Aussage der Zeugin B.rüba nicht entscheidend zu entwerten, da, worauf die Beklagte zu Recht hinweist, selbst bei Unterstellung der Richtigkeit dieses Vortrages des Klägers auch der weitere Verlauf des Vormittags des 28.04.1998 ab 11.30 Uhr einen hinreichenden Zeitraum zur Verfügung gestellt hat, in dem sich der Vorfall B.rüba abgespielt haben könnte. Weiter wird der gegen den Kläger bestehende dringende Tatverdacht, sich die 480 Euro Renta-Anteile rechswidrig zugeeignet zu haben und sie dann am 07.05.1998 bei den Filialen der Beklagten in K.ö, L.everkus und S.oling unter Auszahlung des Gegenwertes eingeliefert zu haben, nicht durch seinen Vortrag entkräftet, er habe am 07.05.1998 bis ca. 8.50 bis 8.55 Uhr zusammen mit seiner Ehefrau in R.emscheid-Lenne gefrühstückt, so dass er nicht bereits um 9.33 Uhr bei der Filiale in K.ö habe sein können. Einmal ist durchaus nicht ausgeschlossen, dass der Kläger bei einer Abfahrt um 8.50 Uhr von zu Hause aus die K.öln Filiale bis 9.33 Uhr hätte erreichen können. Im Übrigen steht jedoch nicht einmal fest, dass der Kläger persönlich die entsprechenden Euro Renta-Anteile in K.ölhätte einliefern müssen. Er hätte sich hierzu auch einer anderen Person bedienen können. Soweit der Kläger weiter rügt, dass das Arbeitsgericht nicht die Kassierer der Filialen in K.ö, L.everkus und S.oling ihm gegenübergestellt habe, um feststellen zu können, dass er die Euro Renta-Stücke nicht eingeliefert habe, entkräftet auch dieses Vorbringen dem gegenüber dem Kläger bestehenden dringenden Tatverdacht nicht, da einmal der Kläger nicht persönlich die Euro Renta-Anteile eingeliefert haben muss, sondern sich hierzu einer weiteren Person hat bedienen können. Zum anderen erscheint es völlig ausgeschlossen, dass sich angesichts einer Vielzahl von Kassenvorgängen einer der drei Kassierer der Filialen der Beklagten konkret an die Person hätte erinnern können, die die hier in Rede stehenden Euro Renta-Anteile am 07.05.1998 eingeliefert hat. In jedem Falle würde weiter zumindest ein erheblicher dringender Tatverdacht gegenüber dem Kläger bestehen bleiben.

Die Beklagte hat dem Kläger auch vor Ausspruch der außerordentlichen Verdachtskündigung Gelegenheit zur Stellungnahme zu den ihm gegenüber erhobenen Vorwürfen gegeben, indem sie ihn am 11.09.1998 hierzu angehört hat, was zu einer schriftlichen Stellungnahme des Klägers zu dem erhobenen Tatverdacht geführt hat.

Die von der Beklagten aufgrund dieses dringenden Tatverdachts am 23.09.1998 ausgesprochene außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses ist gleichwohl rechtswirksam, da die auch im Streitfall gebotene Interessenabwägung zu dem Ergebnis führt, dass der Beklagten die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf des durch die Auflösungsvereinbarung vom 27.08.1998 vereinbarten Beendigungstermins des Arbeitsverhältnisses am 31.03.1999 zumutbar war. Hierfür entscheidend ist die Erwägung, dass die Beklagte in der Aufhebungsvereinbarung vom 27.08.1998 den Kläger unwiderruflich bis zum vereinbarten Ende des Arbeitsverhältnisses am 31.03.1999 von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt hatte. Unter Berücksichtigung dieser Tatsache kommt im Streitfall eine fristlose Verdachtskündigung nicht in Betracht. Es überwiegt vielmehr das Interesse des Klägers, sein Arbeitsverhältnis bis zum vereinbarten Beendigungszeitpunkt fortzusetzen, das Interesse der Beklagten an einer fristlosen Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Der maßgebliche Grund hierfür ist darin zu sehen, dass der Kündigungsgrund bei der Verdachtskündigung nicht die Schwere einer begangenen Straftat oder sonstigen schweren Vertragspflichtverletzung ist, sondern das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen gerade durch den Verdacht eines nicht erwiesenen strafbaren bzw. vertragswidrigen Verhaltens zerstört worden ist (vgl. BAG, Urteil vom 26.03.1992 ­ 2 AZR 519/91 ­ NZA 1992, 1121 ff. m. w. N.). Wenn aber im Zeitpunkt des Ausspruchs der Verdachtskündigung der Arbeitnehmer bereits unwiderruflich bis zum Ablauf der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses freigestellt worden ist, kann auch ein dringender Tatverdacht letztlich das für die Fortsetzung eines aktiven in Vollzug befindlichen Arbeitsverhältnisses nicht mehr zerstören. Denn die Parteien des Arbeitsverhältnisses haben sich in diesem Fall bis auf die Abwicklung der Aufhebungsvereinbarung bereits endgültig getrennt, so dass auch nicht mehr die Gefahr besteht, dass der Arbeitnehmer, der unter dem dringenden Tatverdacht steht, weiter mit der Kundschaft des Arbeitgebers in Kontakt tritt, für die das erforderliche Vertrauen im aktiven Arbeitsverhältnis vorhanden sein muss, nicht hingegen in einem außer Vollzug gesetzten Arbeitsverhältnis, in dem der Arbeitnehmer unwiderruflich von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt ist. Wenn man davon ausgeht, dass eine auf einen dringenden Tatverdacht gestützte Kündigung ähnlich diskriminierend wirkt wie eine Strafe und für den entlassenen Arbeitnehmer auch die Erlangung eines neuen Arbeitsplatzes erschwert werden kann, muss folgerichtig eine Verdachtskündigung regelmäßig in den Fällen ausscheiden, in denen der Arbeitnehmer bereits unwiderruflich bis zur rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses von seiner Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt war.

Die Berufung des Klägers musste nach alledem mit der Kostenfolge aus § 91 ZPO Erfolg haben.

Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG).

Ende der Entscheidung

Zurück