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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 08.06.2000
Aktenzeichen: 2 Sa 374/00
Rechtsgebiete: EFZG, BRTV


Vorschriften:

EFZG § 4 Abs. 1
EFZG § 4 Abs. 1 a
BRTV § 4 Ziffer 2
§ 4 Ziffer 2 BRTV enthält keine eigenständige Regelung, nach der bei der Berechnung der Höhe der Entgeltfortzahlung vom Arbeitnehmer regelmäßig geleistete Überstunden nebst Überstundenzuschlägen zu berücksichtigen sind. Sie gehören daher gemäß § 4 Abs. 1 a EFZG nicht zum fortzuzahlenden Arbeitsentgelt im Sinne des § 4 Abs. 1 EFZO.
LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 2 Sa 374/00

Verkündet am: 08.06.2000

In dem Rechtsstreit

hat die 2. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 11. Mai 2000 durch den Vizepräsidenten des Landesarbeitsgerichts Kinold als Vorsitzenden sowie die ehrenamtliche Richterin Tack und den ehrenamtlichen Richter Baumgarten für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 28.01.2000 ­ 5 Ca 181/00 ­ wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Parteien besteht Streit darüber, ob bei der Berechnung der Entgeltfortzahlung des Klägers von ihm geleistete Überstunden zu berücksichtigen sind.

Der Kläger ist bei der Beklagten seit dem 02.06.1998 als Gas- und Wasserinstallateur beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe (BRTV) Anwendung.

Der Kläger war am 30.09., am 01.10., vom 04.10. bis 08.10., vom 14.10. bis 31.10., vom 01.11. bis 05.11., vom 08.11. bis 10.11., vom 18.11. bis 19.11. sowie vom 22.11. bis 26.11.1999 arbeitsunfähig erkrankt.

Die Beklagte vergütete dem Kläger die Ausfalltage mit jeweils acht Stunden in Anwendung des § 3 Ziffer 1.2 BRTV, wonach in der Zeit von der 13. bis zur 43. Kalenderwoche die regelmäßige werktägliche Arbeitszeit ausschließlich der Ruhepausen montags bis freitags acht Stunden, die wöchentliche Arbeitszeit 40 Stunden beträgt.

Der Kläger ist demgegenüber der Auffassung, die Beklagte müsse bei der Berechnung der Entgeltfortzahlung auch die von ihm geleisteten Überstunden berücksichtigen.

Der Kläger leistete im Juni 1999 94 Überstunden, im August 57,5 und im September 54 Überstunden, mithin von Juni bis September 1999 durchschnittlich 68,5 Überstunden. Im Jahre 1999 leistete der Kläger bis zum 31.10. insgesamt 492 Überstunden.

Der Kläger hat von der Beklagten für die Tage seiner Arbeitsunfähigkeit in den Monaten September bis November über die von der Beklagten vergüteten arbeitstäglichen acht Stunden hinaus die Bezahlung der arbeitstäglich im Durchschnitt geleisteten Überstunden sowie der hierauf entfallenden 25-prozentigen Überstundenzuschläge verlangt.

Zur Begründung hat er ausgeführt, nach § 4 BRTV erhalte der Arbeitnehmer während des krankheitsbedingten Arbeitsausfalles das ihm bei der für ihn maßgebenden Arbeitszeit zustehende Arbeitsentgelt, wobei der Tarifvertrag das sogenannte modifizierte Entgeltausfallprinzip zugrundelege. Danach sei der Arbeitnehmer fiktiv so zu stellen, als hätte er gearbeitet. Mithin sei grundsätzlich das Arbeitsentgelt zu ermitteln und fortzuzahlen, das während der Arbeitsunfähigkeit sonst an den Arbeitnehmer zu zahlen gewesen wäre. Im Übrigen wären die unstreitig vom Kläger in der Vergangenheit geleisteten Überstunden für ihn auch im Entgeltfortzahlungszeitraum angefallen. So hätten vier Arbeitskollegen des Klägers, die ebenfalls als Monteure bei der Beklagten beschäftigt seien, in den Monaten September bis November jeweils ca. 100 Überstunden geleistet.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von 3.854,24 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus 109,60 DM brutto seit dem 15.10.1999, 4 % Zinsen aus 2.100,40 DM brutto seit dem 15.11.1999 und 4 % Zinsen aus 1.644,24 DM brutto seit dem 15.12.1999 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, bei der Berechnung der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall seien Überstunden und Überstundenzuschläge gemäß § 4 Abs. 1 a EFZG nicht zu berücksichtigen.

Das Arbeitsgericht Düsseldorf hat durch Urteil vom 28.01.2000 die Klage abgewiesen.

Zur Begründung hat das Arbeitsgericht, auf dessen Entscheidungsgründe im Übrigen verwiesen wird, im Wesentlichen ausgeführt:

Nach § 4 Abs. 1 a EFZG gehöre das zusätzlich für Überstunden gezahlte Arbeitsentgelt nicht zu dem fortzuzahlenden Entgelt während der Dauer der Arbeitsunfähigkeit. Aus § 4 Ziffer 2 BRTV ergebe sich nichts anderes. Insbesondere enthalte diese Bestimmung keine für den Kläger gegenüber § 4 Abs. 1 a EFZG günstigere tarifliche Regelung. § 4 Ziffer 2 BRTV treffe nämlich keine eigenständige Regelung über die Bemessung der Entgeltfortzahlung. Zwar enthalte diese Bestimmung im Verhältnis zur gesetzlichen Regelung in der bis zum 31.12.1998 geltenden Fassung eine eigenständige Regelung, die sich aber lediglich auf die Beschränkung der Leistung auf 80 % für die ersten drei krankheitsbedingten Ausfalltage erstrecke. Im Übrigen gebe § 4 Ziffer 2 BRTV den Wortlaut der bis zum 31.12.1998 geltenden gesetzlichen Regelung wieder. Dies gelte nicht nur für die Anspruchsvoraussetzungen, sondern auch für die Höhe der Krankenvergütung.

Der Kläger hat gegen dieses ihm am 17.02.2000 zugestellte Urteil mit einem am 14.03.2000 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem weiteren am 23.03.2000 eingegangenen Schriftsatz begründet. Der Kläger verfolgt sein Klagebegehren mit der Maßgabe weiter, dass er für den 30.09. sowie den 01. und 04.10.1999 nur noch 80 % Entgeltfortzahlung verlangt. Zur Begründung des Rechtsmittels führt er weiter aus:

Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts ergebe sich der Anspruch des Klägers aus § 4 Ziffer 2 des BRTV für das Baugewerbe. Bei dieser Bestimmung handele es sich nicht nur um eine deklaratorische, sondern um eine eigenständige, günstigere tarifliche Regelung. Ob dies der Fall sei, müsse durch Auslegung des Regelungswillens der Tarifvertragsparteien ermittelt werden. In § 4 Ziffer 2 BRTV für das Baugewerbe sei zum Teil auf die bis zum 31.12.1998 geltende gesetzliche Regelung zurückgegriffen worden. Gleichlautend sei die Bestimmung, dass der Arbeitnehmer im Krankheitsfall Entgeltfortzahlung in Höhe von 80 bzw. 100 % des ihm bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit zustehenden Arbeitsentgeltes beanspruchen könne. Allein daraus resultiere jedoch nicht, dass die Tarifparteien lediglich auf die jeweils gültige Gesetzesfassung hätten verweisen wollen.

Im Rahmen der Auslegung dürfe nicht nur auf einen einzelnen Satz abgestellt werden, sondern es müsse eine Gesamtbetrachtung der tariflichen Regelung erfolgen. Das Arbeitsgericht habe in seiner Entscheidung lediglich auf § 4 Ziffer 2 des BRTV abgestellt. Im Rahmen der Gesamtbetrachtung müssten allerdings auch die weiteren Regelungen in die Auslegung miteinbezogen werden. Insbesondere sei § 4 Ziffer 1 BRTV miteinzubeziehen, der bestimme, dass grundsätzlich nur für wirklich geleistete Arbeitszeit Lohn gezahlt werde. Weiter heiße es, dass hiervon die folgenden erschöpfend aufgezählten Ausnahmen gelten. Daraus werde deutlich, dass die Tarifparteien eigenständige, konstitutive Regelungen getroffen hätten, auch wenn diese zum Teil mit dem Gesetzeswortlaut übereinstimmten. Die Eigenständigkeit der Regelung sei auch anhand der Tarifgeschichte zu beurteilen. Seit dem 01.01.1999 gelte die neue Fassung des Entgeltfortzahlungsgesetzes, wonach Überstunden ausgenommen seien. Im Bundesanzeiger Nr. 167 vom 17.09.1999 sei der Antrag der Tarifparteien vom 31.08.1999 auf allgemeinverbindliche Erklärung des Tarifvertrages für das Baugewerbe bekannt gemacht worden. Zugrunde liege der BRTV vom 03.02.1981 in der Fassung vom 30.06.1999. An der Regelung des § 4 Ziffer 2 BRTV seien keine Änderungen vorgenommen worden. Wäre keine eigenständige Regelung beabsichtigt gewesen, hätten die Tarifparteien hier einen klarstellenden Hinweis eingearbeitet.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 28.01.2000 ­ 5 Ca 181/00 ­ die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 3.650,12 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus 87,86 DM brutto seit dem 15.10.1999, 4 % Zinsen aus 1.983,90 DM brutto seit dem 15.11.1999 und 4 % Zinsen aus 1.578,54 DM brutto seit dem 15.12.1999 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und führt ergänzend aus:

Die Höhe der dem Kläger zustehenden Entgeltfortzahlungen bestimme sich nach § 4 Abs. 4 a EFZG in seiner seit dem 01. Januar 1999 geltenden Fassung. Danach sei dem Kläger das ihm bei der für ihn maßgeblichen regelmäßigen Arbeitszeit zustehende Arbeitsentgelt fortzuzahlen. Hierzu gehöre nicht das zusätzlich für Überstunden geleistete Arbeitsentgelt. Der vom Kläger geltend gemachte Zahlungsanspruch stehe ihm nur zu, wenn es sich bei der Regelung des § 4 Ziffer 2 BRTV um eine eigenständige Regelung des Inhalts handeln würde, dass das für Überstunden erzielte Arbeitsentgelt bei der Bemessung der Entgeltfortzahlung zu berücksichtigen sei. Das sei jedoch nicht der Fall. Vielmehr beinhalte § 4 Ziffer 2 BRTV auf der Grundlage der von der Rechtsprechung entwickelten Auslegungsgrundsätze lediglich eine deklaratorische Regelung. § 4 Ziffer 2 BRTV treffe hinsichtlich der Höhe der Entgeltfortzahlung insofern eine eigenständige Regelung, als abweichend von der gesetzlichen Regelung ab dem vierten krankheitsbedingten Ausfalltag die Leistung 100 % des Entgelts betrage. Hinsichtlich des zu berücksichtigenden Arbeitsentgelts bzw. dessen Berechnung gebe die tarifliche Norm hingegen den Gesetzestext wieder, in dem bestimmt werde, dass der Arbeitnehmer Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall in Höhe von 80 bzw. 100 von Hundert des ihm bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit zustehenden Arbeitsentgelts habe. Es sei deshalb davon auszugehen, dass es den Tarifvertragsparteien bei der wörtlichen Übernahme des Gesetzestextes allein darum gegangen sei, eine unvollständige Darstellung der Rechtslage zu vermeiden und im Interesse der Klarheit und Übersichtlichkeit die unverändert gebliebenen gesetzlichen Regelungen in den Tarifvertrag aufzunehmen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze und der Sitzungsprotokolle verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung ist an sich statthaft (§ 64 Abs. 1 ArbGG); da der Wert des Beschwerdegegenstandes den Betrag von 800,-- DM übersteigt und das Rechtsmittel auch in der gesetzlich vorgeschriebenen Form und Frist eingelegt und begründet worden ist, ist die Berufung insgesamt zulässig (§§ 64 Abs. 2, 66 Abs. 1 ArbGG, 518, 519 ZPO).

II.

Das Rechtsmittel hatte jedoch keinen Erfolg.

Das Arbeitsgericht hat zu Recht entschieden, dass der Kläger gegen die Beklagte keinen Anspruch darauf hat, dass für die Berechnung der Entgeltfortzahlung für die Zeiten der Arbeitsunfähigkeit des Klägers in den Monaten September bis November mehr als acht Stunden arbeitstäglich zugrundegelegt werden. Soweit der Kläger in den Monaten Juni, August und September 1999 durchschnittlich 68,5 Stunden monatlich an Überstunden geleistet hat, sind diese gemäß § 4 Abs. 1 a EFZG nicht zu berücksichtigen. Aus § 4 Ziffer 2 BRTV ergibt sich für den Kläger kein günstigeres Ergebnis.

1. Der Anspruch des Klägers auf Berücksichtigung der von ihm in den Monaten Juni, August und September 1999 geleisteten Überstunden bei der Berechnung der Entgeltfortzahlungsansprüche für die Monate September bis November 1999 lässt sich nicht aus § 4 Abs. 1 EFZG in der ab 01.01.1999 geltenden Fassung herleiten. Nach dieser Bestimmung ist dem Arbeitnehmer das ihm bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit zustehende Arbeitsentgelt fortzuzahlen.

Demgemäß kommt es für die Berechnung der Entgeltfortzahlung nach herrschender Meinung grundsätzlich nicht auf die allgemein im Betrieb geltende Arbeitszeit, sondern allein auf die individuelle Arbeitszeit gerade des erkrankten Arbeitnehmers an. Diese richtet sich in erster Linie nach dem Arbeitsvertrag, kann sich aber auch aus Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder betrieblicher Übung ergeben (vgl. Schmitt, Entgeltfortzahlungsgesetz, 4. Aufl., § 4 EFZG, Rz. 15, Vossen, Entgeltfortzahlung, Rz. 535). Da der Kläger in den Monaten vor Eintritt seiner Arbeitsunfähigkeit in den Monaten September bis November 1999 regelmäßig Überstunden geleistet und vorgetragen hat, dass auch zur Zeit seiner Arbeitsunfähigkeit von seinen Kollegen Überstunden geleistet worden seien, könnte einiges dafür sprechen, auch die vom Kläger regelmäßig geleisteten Überstunden bei der Berechnung der Entgeltfortzahlung in der Weise zu berücksichtigen, dass die durchschnittlich arbeitstäglich angefallenen Überstunden mit dem hierfür geschuldeten Stundenlohn zuzüglich des 25-prozentigen Überstundenzuschlags zu vergüten sind. Dem steht indessen § 4 Abs. 1 a EFZG entgegen, wonach zum Arbeitsentgelt im Sinne des § 4 Abs. 1 EFZG nicht das zusätzlich für Überstunden gezahlte Arbeitsentgelt gehört. Würde man nämlich regelmäßig anfallende Überstunden bei der Berechnung der Entgeltfortzahlung im Gegensatz zu gelegentlich und unregelmäßig anfallenden Überstunden zugunsten des Arbeitnehmers bei der Berechnung des Entgeltfortzahlungsanspruchs berücksichtigen, könnte der mit der ab 01.01.1999 geltenden gesetzlichen Regelung verfolgte Zweck nicht erreicht werden. Sinn und Zweck der gesetzlichen Neuregelung, die die Überstunden bei der Berechnung des Arbeitsentgelts ausklammert, ist nämlich, dass hierdurch eine Entlastung vor allem für die nichttarifgebundenen Arbeitgeber erreicht werden sollte. Diese Entlastungswirkung würde verfehlt, wenn man regelmäßig anfallende Überstunden als nicht vom Ausnahmetatbestand des § 4 Abs. 1 a EFZG erfasst ansehen wollte (vgl. ebenso Erf. K. ­ Nachtrag 1999/Dörner, EFZG, § 4 Rzn. 4 und 8).

2. Der Kläger kann die Berücksichtigung der von ihm geleisteten Überstunden bei der Berechnung der Entgeltfortzahlung auch nicht auf § 4 Ziffer 2 des für ihn kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung anwendbaren BRTV stützen. Nach dieser Bestimmung hat ein durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhinderter Arbeitnehmer unter den gesetzlichen Voraussetzungen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für die ersten die krankheitsbedingten Ausfalltage eines Krankheitsfalles in Höhe von 80 v. H. und für die restliche Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen in Höhe von 100 v. H. des ihm bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit zustehenden Arbeitsentgelts. Entgegen der vom Kläger vertretenen Auffassung handelt es sich bei dieser Regelung nicht um eine gegenüber der gesetzlichen Regelung günstigere konstitutive Tarifbestimmung, die den Arbeitgeber dazu verpflichtet, bei der Berechnung der Entgeltfortzahlung regelmäßig anfallende Überstunden zugunsten des Arbeitnehmers zu berücksichtigen. Es handelt sich vielmehr im Hinblick auf die Berechnung der Höhe der Entgeltfortzahlung um eine deklaratorische Regelung mit der Folge, dass die ab 01.01.1996 geltende Ausnahmebestimmung des § 4 Abs. 1 a EFZG auch für die Berechnung der Entgeltfortzahlung des Klägers maßgebend ist.

Ob es sich im Einzelfall bei der tariflichen Regelung um eine eigenständige, gesetzesunabhängige Regelung zur Höhe der Entgeltfortzahlung handelt oder ob die jeweilige Tarifbestimmung nur deklaratorisch auf den jeweiligen Inhalt der Gesetzesregelung verweist, ist im Wege der Auslegung zu ermitteln. Insoweit hat das Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung die Auslegungsregel entwickelt, im Zweifel seien Verweisungen auf gesetzliche Vorschriften ­ ebenso wie die wort- oder inhaltsgleiche Übernahme des Gesetzestextes ­ deklaratorisch. Wenn nicht gegenteilige Anhaltspunkte vorlägen, sei davon auszugehen, dass es den Tarifvertragsparteien lediglich darum gegangen sei, eine unvollständige Darstellung der Rechtslage zu vermeiden und die Tarifgebundenen im Interesse von Klarheit und Übersichtlichkeit möglichst umfassend zu unterrichten (vgl. BAG, Urteil vom 01.07.1998 ­ 5 AZR 545/97 ­ NZA 1999, 43 sowie BAG, Urteil vom 10.02.1999 ­ 5 AZR 698/98 ­ jeweils m. w. N.).

Darüber hinaus ist anerkannt, dass eine in Teilbereichen konstitutive Tarifregelung in anderen Teilbereichen durchaus deklaratorische Regelungen enthalten kann (vgl. BAG, Urteil vom 14.02.1996 ­ 2 AZR 166/95 ­ NZA 1997, 97 ff. unter II 4 der Entscheidungsgründe).

Unter Berücksichtigung dieser Auslegungsregeln stellt sich im Streitfall § 4 Ziffer 2 BRTV als eine tarifliche Regelung dar, die sowohl konstitutive als auch deklaratorische Regelungen enthält. Hinsichtlich der Höhe der Entgeltfortzahlung trifft § 4 Ziffer 2 BRTV insofern eine eigenständige Regelung, als er abweichend von der damaligen gesetzlichen Regelung ab dem vierten krankheitsbedingten Ausfalltag eine Entgeltfortzahlung in Höhe von 100 % festlegte. Hinsichtlich der Berechnungsfaktoren im Einzelnen gibt die Tarifnorm indessen lediglich den Gesetzestext wieder, indem sie regelt, dass der Arbeitnehmer Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle in Höhe von 80 bzw. 100 v. H. des ihm bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit zustehenden Arbeitsentgelts" hat. In Übereinstimmung mit der Rechtsauffassung der Beklagten ist daher davon auszugehen, dass es den Tarifvertragsparteien bei der wörtlichen Übernahme des Gesetzestextes insoweit allein darum ging, eine unvollständige Darstellung der Rechtslage zu vermeiden und im Interesse der Klarheit und Übersichtlichkeit die unverändert gebliebenen gesetzlichen Regelungen in den Tarifvertrag aufzunehmen. Ein eigenständiger Regelungswille der Tarifvertragsparteien dahingehend, dass der damalige Inhalt des § 4 Abs. 1 EFZG im Hinblick auf die Berechnungsmodalitäten der Höhe des fortzuzahlenden Arbeitsentgelts konstitutiv festgeschrieben werden sollte, lässt sich entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht aus § 4 Ziffer 1 BRTV herleiten. Wenn es dort heißt, dass grundsätzlich Lohn nur für wirklich geleistete Arbeitszeit" gezahlt wird und hiervon die folgenden erschöpfend aufgezählten Ausnahmen gelten", lässt sich dem mangels weitergehender Anhaltspunkte nicht der Wille der Tarifvertragsparteien entnehmen, sämtliche folgenden Einzelregelungen als eigenständige konstitutive Tarifregelungen festzuschreiben.

Dies ergibt sich schon daraus, dass § 4 Ziffer 2 BRTV auch im Übrigen keine geschlossene vollständige Regelung der Entgeltfortzahlung enthält, wenn es in Satz 1 der Bestimmung heißt, so hat er unter den gesetzlichen Voraussetzungen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall". Damit ist klar, dass es sich bei dieser Bestimmung gerade nur in Teilbereichen um konstitutive Regelungen handelt, während die Regelung deklaratorisch ist, soweit sie auf gesetzliche Voraussetzungen verweist bzw. bei der Berechnung der Entgeltfortzahlung wörtlich den Gesetzestext des Entgeltfortzahlungsgesetzes übernimmt.

Dem widerspricht entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht die Entstehungsgeschichte der hier maßgeblichen Tarifnorm. Wenn der Kläger darauf hinweist, dass an der Regelung des § 4 Ziffer 2 BRTV in der Fassung vom 30.06.1999 keinerlei Änderungen vorgenommen worden seien, so spricht dies gerade nicht dafür, dass die Tarifparteien hier einen klarstellenden Hinweis eingearbeitet hätten, wenn keine eigenständige Regelung beabsichtigt gewesen wäre. Es ist vielmehr ganz im Gegenteil davon auszugehen, dass die Parteien dies ausdrücklich geregelt hätten, wenn sie von der jeweiligen gesetzlichen Regelung der Berechnungsfaktoren bei der Ermittlung der Höhe der Entgeltfortzahlung in der Weise zugunsten der Arbeitnehmer hätten abweichen wollen, dass etwa regelmäßig geleistete Überstunden bei der Ermittlung des dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit zustehenden Arbeitsentgelts zu berücksichtigen seien.

Die Berufung des Klägers musste demgemäss mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO erfolglos bleiben.

Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1. ArbGG.

Ende der Entscheidung

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