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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 16.12.1999
Aktenzeichen: 2 Sa 946/99
Rechtsgebiete: EFZG, TV ü. Entgeltfort. im Krankheitsfall f. d. Besch. im Einzelhandel NRW vom 23.07.1993


Vorschriften:

EFZG § 3 Abs. 3
TV ü. Entgeltfort. im Krankheitsfall f. d. Besch. im Einzelhandel NRW vom 23.07.1993
1. Ziffer 1. Satz 1 des Entgeltfortzahlungstarifvertrages vom 23.07.1993 enthält lediglich eine deklaratorische Verweisung auf die bei Abschluss des Tarifvertrages geltende gesetzliche Regelung der Lohnfortzahlung.

2. Der Beschäftigte im Einzelhandel hat daher keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, wenn sein Arbeitsverhältnis noch nicht vier Wochen ununterbrochen bestanden hat (§ 3 Abs. 3 EFZG).


LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 2 Sa 946/99

Verkündet am: 16.12.1999

In dem Rechtsstreit

hat die 2. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 25.11.1999 durch den Vizepräsidenten des Landesarbeitsgerichts Kinold als Vorsitzenden sowie den ehrenamtlichen Richter Dr. Heidorn und den ehrenamtlichen Richter Armknecht für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 20.05.1999 ­ 12 (11) Ca 268/99 ­ wird kostenpflichtig zurückgewiesen

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin war vom 15.06. bis 09.07.1998 im Einzelhandelsbetrieb der Beklagten beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden die Tarifverträge für den Einzelhandel in Nordrhein-Westfalen kraft beiderseitiger Verbandszugehörigkeit Anwendung. Die Klägerin war in der Zeit vom 23.06. bis 09.07.1998 arbeitsunfähig erkrankt. Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin von der Beklagten Entgeltfortzahlung für die Zeit vom 23.06. bis 09.07.1998 unter Bezugnahme auf den Tarifvertrag über Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall vom 23.07.1993. Dieser regelt, soweit hier von Bedeutung, folgendes:

1. Die Beschäftigten des Einzelhandels im Land Nordrhein-Westfalen haben in Fällen unverschuldeter, mit Arbeitsunfähigkeit verbundener Krankheit Anspruch auf Entgeltfortzahlung für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen, nicht jedoch über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinaus. Die folgenden gesetzlichen Bestimmungen bleiben, da tariflich nicht abdingbar, unberührt. §§ 616 Abs. 2 Sätze 4 und 5 BGB, 63 Abs. 1 Sätze 3 und 4 HGB, 133 c Abs. 1 und 2 GewO und 9 LFZG.

2. Die tarifvertragschließenden Gewerkschaften erklären, dass sie nach Inkrafttreten einer gesetzlichen Regelung, die Karenztage im Krankheitsfall oder andere Formen der Einschränkung der Entgeltfortzahlung im Fall unverschuldeter Arbeitsunfähigkeit vorsieht und damit die zur Zeit geltende Praxis außer Kraft setzt, eine tarifvertragliche Regelung fordern werden, die die Entgeltfortzahlung ohne Karenztage in vollem Umfang wieder sichert.

3. Die tarifvertragschließenden Arbeitgeberverbände verpflichten sich ihrerseits, unverzüglich entsprechende Verhandlungen aufzunehmen mit dem Ziel, einen Tarifvertrag über die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall abzuschließen."

Zu dem Tarifvertrag besteht ein Übereinkommen zwischen den vertragschließenden Parteien vom 28.11.1997. Dieses regelt unter Ziffer 1.:

Bei der Entgeltfortzahlung gemäß Ziffer 1. des o. g. Tarifvertrages handelt es sich der Höhe nach um das Entgelt gemäß Entgeltfortzahlungsgesetz vom 26.05.1994 in der am 01.06.1994 in Kraft getretenen Fassung."

Die Klägerin ist der Auffassung, bei der Ziffer 1. des Tarifvertrages über Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall handele es sich um eine konstitutive tarifliche Regelung der Entgeltfortzahlung für die ersten sechs Wochen. Eine ununterbrochene Dauer des Arbeitsverhältnisses von mindestens vier Wochen sehe der Tarifvertrag nicht vor. Dass es sich bei der tariflichen Regelung um eine eigenständige Regelung handele, ergebe sich daraus, dass Ziffer 1 Satz 1 nicht etwa auf eine gesetzliche Regelung Bezug nehme, sondern inhaltlich selbst Tatbestand und Rechtsfolge ohne Verweisung auf eine gesetzliche Regelung enthalte. Die tarifrechtliche Eigenständigkeit werde durch Satz 2 der genannten Ziffer bestätigt, da die beiden ersten Halbsätze nur dann einen Sinn ergäben, wenn Satz 1 als eigenständige tarifliche Regelung verstanden werde. Auch Ziffer 2. weise darauf hin, dass es sich bei Ziffer 1 um eine eigenständige tarifliche Regelung handele und zwar deshalb, weil im Jahre 1993 eine Gesetzesnovellierung angestanden habe, die auch in bestehende Tarifverträge habe eingreifen wollen. Für diesen Fall habe durch Ziffer 2. deutlich gemacht werden sollen, dass anschließend von den Gewerkschaften eine erneute tarifliche Regelung gefordert werden solle, welche die Entgeltfortzahlung in vollem Umfang wieder sichere. Bei der damals beabsichtigten Gesetzesnovellierung habe kein Zweifel bestanden, dass die in Aussicht genommene Novellierung zwar bestehende tarifliche Regelungen, auch solche konstitutiver Art, habe außer Kraft setzen wollen, andererseits aber nach ihrem Inkrafttreten zustande gekommene neue anderslautende tarifliche Regelungen nicht habe ausschließen wollen. Dies werde bestätigt durch das zusätzliche Übereinkommen zum Tarifvertrag über Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall in der Fassung vom 28.11.1997.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.307,86 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich hieraus ergebenden Nettobetrag seit dem 17.09.1998 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, die Klägerin könne von der Beklagten für die Zeit vom 23.06. bis 09.07.1998 keine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall verlangen, da sie für die Zeit ihrer Arbeitsunfähigkeit nicht die Voraussetzung des § 3 Abs. 3 des Entgeltfortzahlungsgesetzes in der Fassung vom 12.12.1996 erfüllt habe, wonach ein Entgeltfortzahlungsanspruch im Krankheitsfall erst nach vierwöchiger ununterbrochener Dauer des Arbeitsverhältnisses entstehe. Die Klägerin könne sich insoweit auch nicht erfolgreich auf die Tarifverträge über Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall vom 23.07.1993 und das Übereinkommen zu diesem Tarifvertrag vom 28.11.1997 berufen. Der Tarifvertrag wiederhole, wenn auch nicht wörtlich, so doch sinngemäß die bisherige Regelung der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Damit fehle der Charakter einer eigenständigen Regelung. Dies werde insbesondere durch den Hinweis auf tariflich nicht abdingbare Vorschriften unterstützt. Weiter werde diese Auffassung durch Ziffer 2. des Tarifvertrages bestätigt. Danach hätten die Gewerkschaften für den Fall einer irgend gearteten Einschränkung der gegenwärtigen Entgeltfortzahlungsregelungen den ursprünglichen Zustand durch eine entsprechende neue tarifliche Regelung fordern wollen. Eine derartige Forderung wäre indessen überflüssig, wenn die Ziffer 1. bereits für sich eine eigenständige Regelung beinhalte. Mit Ziffer 2. korrespondiere die Ziffer 3. des Tarifvertrages, in der den Arbeitgeberverbänden die Verpflichtung auferlegt werde, einen neuen Tarifvertrag ohne Einschränkungen mit den Gewerkschaften zu verhandeln. Außerdem hätten die Parteien im Übereinkommen zum Tarifvertrag über Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall vom 23.07.1993, das am 28.11.1997, also 11 Monate nach Inkrafttreten des Entgeltfortzahlungsgesetzes abgeschlossen worden sei, keine ausdrückliche Regelung dahingehend aufgenommen, dass die 100-prozentige Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall auch für den Zeitraum der ersten vier Wochen des Bestehens des Arbeitsverhältnisses gelten solle.

Das Arbeitsgericht Düsseldorf hat durch Urteil vom 20.05.1999 die Klage abgewiesen.

Zur Begründung hat das Arbeitsgericht, auf dessen Entscheidungsgründe im Übrigen verwiesen wird, im Wesentlichen ausgeführt:

Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung für den Zeitraum ihrer Arbeitsunfähigkeit aus dem Tarifvertrag über Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall vom 23.07.1993 in Verbindung mit dem Übereinkommen zum Tarifvertrag über Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall vom 28.11.1997 für den Einzelhandel in Nordrhein- Westfalen. Die Auslegung der Ziffern 1. und 2. des Tarifvertrages ergebe, dass für die Arbeitnehmer des Einzelhandels während der ersten vier Wochen der Betriebszugehörigkeit kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber bestehe. Ziffer 1. des Tarifvertrages stelle keine eigenständige tarifliche Regelung dar, sondern wiederhole sinngemäß die zum Zeitpunkt des Abschlusses des Tarifvertrages bestehende gesetzliche Regelung der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Die fehlende Eigenständigkeit dieser Regelung ergebe sich insbesondere aus den Ziffern 2. und 3. des Tarifvertrages. Diese wären überflüssig gewesen, wenn die Gewerkschaften zum Zeitpunkt des Abschlusses des Tarifvertrages davon ausgegangen wären, dass es sich bei Ziffer 1. um eine eigenständige Regelung handele. Daran ändere sich auch nichts durch das Übereinkommen zum Tarifvertrag über Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall vom 28.11.1997. Dieses Übereinkommen habe für die Arbeitnehmer des Einzelhandels eine Entgeltfortzahlung zu 100 % bedeutet. die Tarifvertragsparteien hätten jedoch in diesem Übereinkommen keine Regelung zu § 3 Abs. 3 Entgeltfortzahlungsgesetz getroffen, obwohl diese Norm ebenfalls eine Einschränkung der Entgeltfortzahlungsgesetz im Fall unverschuldeter Arbeitsunfähigkeit vorsehe. Den Tarifvertragsparteien sei zum Zeitpunkt des Übereinkommens bereits seit 11 Monaten bekannt gewesen, dass das Entgeltfortzahlungsgesetz den Anspruch auf Entgeltfortzahlung erst nach vierwöchiger ununterbrochener Dauer des Arbeitsverhältnisses entstehen lasse. Trotz dieser Kenntnis hätten sei keine tarifvertragliche Regelung getroffen, die diese Einschränkung der Entgeltfortzahlung aufhebe.

Die Klägerin hat gegen dieses ihr am 04.06.1999 zugestellte Urteil mit einem am 05.07.1999 (Montag) beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 06.09.1999 mit einem weiteren am 06.09.1999 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Zur Begründung des Rechtsmittels bezieht sich die Klägerin auf ihren erstinstanzlichen Vortrag und führt ergänzend aus:

Weil die Tarifvertragsparteien im Übereinkommen zum Tarifvertrag vom 28.11.1997 ausdrücklich auf das Entgeltfortzahlungsgesetz vom 26.05.1994 Bezug genommen und die Entgeltfortzahlung in Ziffer 1. des Entgeltfortzahlungstarifvertrages geregelt hätten, sei auch die Wartefrist des § 3 Abs. 3 Entgeltfortzahlungsgesetz 1996 nicht übernommen worden. Mit der ausdrücklichen Bezugnahme auf den Gesetzeszustand vom 01.06.1994 hätten die Tarifvertragsparteien festgeschrieben, dass der Anspruch auf Entgeltfortzahlung bereits nach dem ersten Tag des Beschäftigungsverhältnisses entstehen könne. Dies sei den Tarifvertragsparteien auch bei Abschluss der Vereinbarung bewusst gewesen.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 20.05.1999 ­ 12 (11) Ca 2689/99 ­ die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.307,86 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich hieraus ergebenden Nettobetrag seit dem 17.09.1998 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und führt ergänzend aus:

Ziffer 1. des am 28.11.1997 abgeschlossenen Übereinkommens zum Tarifvertrag über Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall regele, dass es sich bei der Entgeltfortzahlung der Höhe nach um das Entgelt gemäß Entgeltfortzahlungsgesetz vom 26.05.1994 in der am 01.06.1994 in Kraft getretenen Fassung handele. Der Arbeitgeber müsse also nicht 80 %, sondern 100 % Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall leisten. Die weitere Einschränkung aufgrund des Entgeltfortzahlungsgesetzes aus 1996, nämlich eine Anspruchsberechtigung auf Entgeltfortzahlung erst nach vierwöchiger ununterbrochener Dauer des Arbeitsverhältnisses sei damit von dem Wortlaut der Ziffer 1. des Übereinkommens zum Tarifvertrag über Entgeltfortzahlung nicht aufgehoben worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze und der Sitzungsprotokolle verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist an sich statthaft (§ 64 Abs. 1 ArbGG); da der Wert des Beschwerdegegenstandes den Betrag von 800,-- DM übersteigt und das Rechtsmittel auch in der gesetzlich vorgeschriebenen Form und Frist eingelegt und begründet worden ist, ist die Berufung insgesamt zulässig (§§ 64 Abs. 2, 66 Abs. 1 ArbGG, 518, 519 ZPO).

I.

Das Rechtsmittel hatte jedoch keinen Erfolg.

Das Arbeitsgericht hat zu Recht entschieden, dass der Klägerin gegen die Beklagte für die Zeit ihrer Arbeitsunfähigkeit vom 23.06. bis 09.07.1998 kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall zusteht.

1. Die Klägerin kann ihren Entgeltfortzahlungsanspruch nicht auf § 3 Abs. 1 Entgeltfortzahlungsgesetz stützen. Zwar hat ein Arbeitnehmer, der durch Arbeitsunfähigkeit in Folge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert wird, ohne dass ihn ein Verschulden trifft, nach dieser Bestimmung Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall durch den Arbeitgeber für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen. Indessen entsteht dieser Anspruch nach § 3 Abs. 3 Entgeltfortzahlungsgesetz erst nach vierwöchiger ununterbrochener Dauer des Arbeitsverhältnisses. Daran fehlt es im Falle der Klägerin, da sie bei Beginn ihrer Arbeitsunfähigkeit am 23.06.1998 erst gut eine Woche im Arbeitsverhältnis bei der Beklagten stand.

2. Die Klägerin kann ihre Forderung auf Entgeltfortzahlung auch nicht mit Erfolg auf die Ziffer 1. des kraft beiderseitiger Verbandszugehörigkeit auf das Arbeitsverhältnisses der Parteien anwendbaren Tarifvertrages über Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall vom 23.07.1993 stützen. Nach dieser Bestimmung können die Beschäftigten des Einzelhandels in Fällen unverschuldeter mit Arbeitsunfähigkeit verbundener Krankheit Anspruch auf Entgeltfortzahlung für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen geltend machen. Da diese Regelung der Entgeltfortzahlung für die Beschäftigten des Einzelhandels ihrem Wortlaut nach nicht davon ausgeht, dass der Entgeltfortzahlungsanspruch erst nach vierwöchiger ununterbrochener Dauer des Arbeitsverhältnisses entsteht, könnte die Klägerin von der Beklagten für die Zeit ihrer Arbeitsunfähigkeit vom 23.06. bis 09.07.1998 Entgeltfortzahlung von der Beklagten verlangen, wenn es sich bei dieser tariflichen Regelung um eine eigenständige, gesetzesunabhängige Regelung zur Höhe der Entgeltfortzahlung handelte. Das ist jedoch entgegen der Auffassung der Klägerin nicht der Fall. Das Bundesarbeitsgericht hat in ständiger Rechtsprechung die Auslegungsregel entwickelt, im Zweifel seien Verweisungen auf gesetzliche Vorschriften ­ ebenso wie die wort- oder inhaltsgleiche Übernahme des Gesetzestextes ­ deklaratorisch. Wenn nicht gegenteilige Anhaltspunkte vorlägen, sei davon auszugehen, dass es den Tarifvertragsparteien lediglich darum gegangen sei, eine unvollständige Darstellung der Rechtslage zu vermeiden und die Tarifgebundenen im Interesse von Klarheit und Übersichtlichkeit möglichst umfassend zu unterrichten (vgl. BAG Urteil vom 01.07.1998 ­ 5 AZR 545/97 ­ NZA 1999, 43 sowie BAG Urteil vom 10.02.1999 ­ 5 AZR 698/98 ­ jeweils m. w. N.).

Bei Anwendung dieser Auslegungsregel ergibt sich, dass Ziffer 1. Satz 1 des Entgeltfortzahlungstarifvertrages vom 23.07.1993 eine deklaratorische Regelung der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall enthält, da diese Regelung eine inhaltsgleiche Wiederholung des bei Abschluss des Tarifvertrages geltenden Lohnfortzahlungsgesetzes bzw. der entsprechenden Bestimmungen der §§ 616 BGB, 63 HGB und 133 c Gewerbeordnung darstellt.

Gegenteiliges kann die Klägerin auch nicht aus den Ziffern 2. und 3. des Entgeltfortzahlungstarifvertrages herleiten. Wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, ergibt sich die fehlende Eigenständigkeit der Ziffer 1. des Entgeltfortzahlungstarifvertrages gerade aus diesen Ziffern 2. und 3. Nach diesen Bestimmungen haben sich die Gewerkschaften und die Arbeitgeberverbände bereit erklärt, nach Inkrafttreten einer gesetzlichen Regelung, die Karenztage im Krankheitsfall oder andere Formen der Einschränkung der Entgeltfortzahlung im Fall unverschuldeter Arbeitsunfähigkeit vorsieht und damit die zur Zeit geltende Praxis außer Kraft setzt, eine tarifvertragliche Regelung zu fordern, die die Entgeltfortzahlung ohne Karenztage in vollem Umfang wieder sichert. Eine solche Vereinbarung zwischen den beteiligten Tarifvertragsparteien wäre überflüssig gewesen, wenn die Gewerkschaften zum Zeitpunkt des Abschlusses des Tarifvertrages davon ausgegangen wären, dass es sich bei Ziffer 1. um eine eigenständige Regelung handelt. In einem solchen Fall hätten eventuelle gesetzliche Neuregelungen, soweit sie sich zu Lasten der Arbeitnehmer ausgewirkt hätten, für die Arbeitnehmer keine Anwendung gefunden, da die Ziffer 1. des Entgeltfortzahlungstarifvertrages als eigenständige tarifvertraglich günstigere Regelung dem vorgegangen wäre (vgl. ebenso LAG Düsseldorf, Urteil vom 13.08.1999 ­ 10 Sa 791/99 -).

Gegenteiliges lässt sich entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht aus Satz 2 der Ziffer 1. des Entgeltfortzahlungstarifvertrages herleiten. Wenn in dieser Bestimmung u. a. von den Tarifvertragsparteien darauf hingewiesen wird, dass u. a. die §§ 6 und 9 LohnFG unberührt bleiben, da sie tariflich nicht abdingbar sind, lässt sich hieraus nicht der Schluss ziehen, dass die Tarifvertragsparteien mit der Regelung im ersten Satz der Ziffer 1. eine eigenständige tarifliche Regelung treffen wollten. Letztlich haben die Tarifvertragsparteien hier mit dem Hinweis auf die nicht abdingbaren §§ 6 und 9 des LohnFG auch nur auf die gesetzliche Regelung hingewiesen, was wiederum dafür spricht, dass es sich insgesamt nur um eine deklaratorische Regelung der Entgeltzahlung im Krankheitsfall handelt (ebenso zutreffend LAG Düsseldorf a. a. O.).

Die Klägerin kann sich für ihre Rechtsauffassung weiter auch nicht auf das Übereinkommen zum Tarifvertrag über Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall vom 28.11.1997 berufen. Zwar regelt Ziffer 1. dieses Übereinkommens, dass es sich bei der Ziffer 1. des Entgeltfortzahlungstarifvertrages vom 23.07.1993 der Höhe nach um das Entgelt gemäß Entgeltfortzahlungsgesetz vom 26.05.1994 in der am 01.06.1994 in Kraft getretenen Fassung handelt. Denn dieses Übereinkommen bezieht sich nur darauf, dass der Höhe nach das Entgelt wieder nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz vom 26.05.1994 in der am 01.06.1994 in Kraft getretenen Fassung, d. h. zu 100 % zu zahlen ist. Hätten die Tarifvertragsparteien bei Abschluss des Übereinkommens vom 28.11.1997 auch regeln oder zum Ausdruck bringen wollen, dass Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ohne die Voraussetzung einer vierwöchigen ununterbrochenen Dauer des Arbeitsverhältnisses zu zahlen ist, hätte nichts näher gelegen, als sich in der Vereinbarung vom 28.11.1997 nicht nur hinsichtlich der Höhe der Entgeltfortzahlung auf 100 % zu verständigen, sondern gleichzeitig festzulegen, dass die in § 3 Abs. 3 des Entgeltfortzahlungsgesetzes 1996 enthaltene Einschränkung tarifvertraglich zugunsten der Arbeitnehmer rückgängig gemacht wurde. Dies gilt umso mehr, als im Zeitpunkt des Abschlusses des Übereinkommens vom 28.11.1997 den Tarifvertragsparteien bereits seit 11 Monaten bekannt war, dass das Entgeltfortzahlungsgesetz den Anspruch auf Entgeltfortzahlung erst nach vierwöchiger ununterbrochener Dauer des Arbeitsverhältnisses entstehen lässt. Wenn die Tarifvertragsparteien trotz dieser Kenntnis keine tarifvertragliche Regelung getroffen haben, die diese Einschränkung der Entgeltfortzahlung aufhebt, spricht alles dafür, dass die Tarifvertragsparteien bewusst keine den §§ 3 Abs. 3 Entgeltfortzahlungsgesetz ausschließende Regelung getroffen haben, worauf schon das Arbeitsgericht zu Recht hingewiesen hat.

Soweit sich die Klägerin darauf beruft, den Tarifvertragsparteien sei bei Abschluss der Vereinbarung vom 28.11.1997 bewusst gewesen, dass die Wartefrist des § 3 Abs. 3 Entgeltfortzahlungsgesetz 1996 nicht übernommen werden sollte, bedurfte es nicht der Einholung einer von der Klägerin beantragten Auskunft der vertragsschließenden Tarifvertragsdateien. Diese von der Klägerin behaupteten übereinstimmenden subjektiven Vorstellungen der Tarifvertragsparteien können indessen nach der Rechtsprechung nur berücksichtigt werden, wenn sich für sie Anhaltspunkte im Tarifwortlaut oder Tarifzusammenhang ergeben (vgl. BAG Urteil vom 23.02.1994 ­ 4 AZR 242/93 ­ AP Nr. 2 zu § 1 TVG Tarifverträge Kirchen sowie LAG Düsseldorf a. a. O.). Im Streitfall sind Anhaltspunkte insoweit nicht ersichtlich. Es ergibt sich im Gegenteil aus den vorstehenden Ausführungen, dass es sich bei Ziffer 1 des Entgeltfortzahlungstarifvertrages lediglich um eine deklaratorische Regelung handelt.

Die Berufung der Klägerin musste nach alledem mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO erfolglos bleiben.

Die Revision war gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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