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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 04.06.2008
Aktenzeichen: 2 TaBV 2/08
Rechtsgebiete: BetrVG


Vorschriften:

BetrVG § 77 Abs. 6
BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 10
BetrVG § 99 Abs. 4
1. Nachwirkende Betriebsvereinbarungen in mitbestimmten Angelegenheiten (hier: § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG) gelten auch für neu eingestellte Arbeitnehmer. Bis zum Abschluss einer neuen Betriebsvereinbarung ist der Arbeitgeber daher auch bei diesem Mitarbeitern an das in der nachwirkenden Betriebsvereinbarung in Bezug genommene Vergütungssystem gebunden.

2. Tritt eine Betriebsvereinbarung, die dynamisch auf einen Tarifvertrag verweist, in das Stadium der Nachwirkung nach § 77 Abs. 6 BetrVG ein, so endet die Dynamik. Aus der dynamischen wird eine statische Verweisung auf den Tarifvertrag in der Fassung, die er bei Ablauf der verweisenden Betriebsvereinbarung hat (im Anschluss an BAG 29.01.2008 - 3 AZR 426/06 - NZA 2008, 541 ff).


Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerinnen gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Oberhausen vom 29.06.2007 - 3 BV 11/07 - wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

A.

Die Beteiligten streiten in der Beschwerdeinstanz noch über die Eingruppierung der Pflegehelferin T..

Die Antragstellerinnen (Arbeitgeberinnen), die nicht tarifgebunden sind, betreiben zusammen ein Senioren- und Pflegezentrum. Antragsgegner ist der in ihrem gemeinsamen Betrieb gebildete Betriebsrat.

Für den Bereich Pflege existiert im Betrieb der Arbeitgeberinnen eine Betriebsvereinbarung aus September 1995. In dieser heißt es zur Vergütung der Beschäftigten auszugsweise:

" § 2 Lohn- und Vergütungsrichtlinien

1. Für die Angestellten nach § 1 dieser Betriebsvereinbarung gelten analog die für die Angestellten des Bundes und der Länder vereinbarten Bestimmungen des Lohn- und Vergütungstarifvertrages - BAT - vom 11. Januar 1961.

2. Für die Arbeiter/-innen nach § 1 dieser Betriebsvereinbarung gelten analog die für die Arbeiter/-innen des Bundes und der Länder vereinbarten Lohntarifvertrages des Bundesmanteltarifvertrages für Arbeiter vom 31. Januar 1962.

3. für die Auszubildenden nach § 1 dieser Betriebsvereinbarung gelten analog die für die Auszubildenden des Bundes und der Länder vereinbarten Vergütungsregelungen des Manteltarifvertrages für Auszubildende vom 6.Dezember 1974.

4. Änderungen beziehungsweise Ergänzungen der Bestimmungen der Absätze 1, 2 und 3 treten zu dem Zeitpunkt in Kraft, in denen die Änderungen beziehungsweise Ergänzungen für Angestellte, Arbeiter/-innen und Auszubildende des Bundes und der Länder wirksam werden.

5. Absatz 4 gilt sinngemäß für die in den Absätzen 1, 2 und 3 genannten Bestimmungen, die außer Kraft treten. (...)".

Die Betriebsvereinbarung wurde arbeitgeberseitig mit Schreiben vom 27.09.2001 zum 31.12.2001 gekündigt. In der Folgezeit konnten sich die Betriebspartner nicht auf eine neue Regelung verständigen. Ein entsprechendes Einigungsstellenverfahren ruht.

Mit einem dem Betriebsrat am gleichen Tag zugegangenen Schreiben vom 31.01.2007 baten die Arbeitgeberinnen diesen um Zustimmung zur befristeten Einstellung von Frau T. T. als Pflegehelferin in der Lohngruppe EG 3 A. Der Betriebsrat stimmte der Einstellung mit Schreiben vom 06.02.2007, den Arbeitgeberinnen einen Tag später zugegangen, zu. Gleichzeitig widersprach er der beabsichtigten Eingruppierung mit der Begründung, sie entspreche nicht der hausüblichen Vergütung. Die Arbeitgeberinnen stellten die Mitarbeiterin T. zunächst befristet bis zum 31.07.2007 ein. Ihr Arbeitsvertrag wurde während des anhängigen Beschlussverfahrens um ein weiteres Jahr verlängert.

Mit dem am 14.02.2007 beim Arbeitsgericht Oberhausen eingegangenen Antrag begehren die Arbeitgeberinnen, soweit in dieser Instanz noch von Interesse, die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur beabsichtigten Eingruppierung der Mitarbeiterin nach dem TVöD.

Sie haben insoweit geltend gemacht:

Der vom Betriebsrat angeführte Zustimmungsverweigerungsgrund liege nicht vor. Die Eingruppierung der Mitarbeiterin T. richte sich nicht nach der Vergütungsordnung des BAT. Die Betriebsvereinbarung aus September 1995 wirke zwar nach, soweit sie Regelungen zur Vergütung vorsehe. Da der BAT zwischenzeitlich aber durch den TVöD ersetzt worden sei, gelte hinsichtlich der Vergütung für neu eingestellte Beschäftigte der zuletzt genannte Tarifvertrag.

Die Arbeitgeberinnen haben beantragt,

1. die fehlende Zustimmung des Antragsgegners zur Eingruppierung der Mitarbeiterin T. T. in die Lohngruppe TVöD EG 3 A zu ersetzen,

2. festzustellen, dass in ihrem Betrieb in N. für den Bereich Service keine betriebliche Vergütungsordnung vorhanden ist.

Der Betriebsrat hat beantragt,

die Anträge zurückzuweisen.

Er hat im Wesentlichen vorgetragen:

Die Zustimmung zu der beabsichtigten Eingruppierung sei zu Recht verweigert worden. Bis zum Inkrafttreten einer neuen Vergütungsregelung seien die Mitarbeiter, die neu eingestellt würden, kraft Nachwirkung der Betriebsvereinbarung aus September 1995 nach dem BAT einzugruppieren.

Mit seinem am 29.06.2007 verkündeten Beschluss hat das Arbeitsgericht Oberhausen die Anträge der Arbeitgeberinnen zurückgewiesen und dies, soweit in zweiter Instanz noch von Interesse, wie folgt begründet:

Die Zustimmung des Betriebsrates zur beabsichtigten Eingruppierung der Mitarbeiterin T. sei nicht zu ersetzen. Die Betriebsvereinbarung aus September 1995 wirke zwar nach, die Nachwirkung gelte aber nicht für Arbeitsverhältnisse, die erst während des Nachwirkungszeitraums begründet würden. In diesen Fällen könne der Arbeitgeber frei darüber befinden, ob er Vergütungsabsprachen treffe, ohne auf eine bestimmte Vergütungsordnung zurückzugreifen, oder ob er die bisherigen Entlohnungsgrundsätze durch eine neue Vergütungsordnung ersetzen wolle, die dann der Mitbestimmung unterliege. Eine Eingruppierung der Mitarbeiterin T. nach den Vergütungsgrundsätzen des TVöD komme danach nicht in Betracht. Mit der Anwendung der Vergütungsgrundsätze des TVöD werde ein neues Entlohnungssystem eingeführt, das der Mitbestimmung des Betriebsrates unterliege. Kraft Nachwirkung gelte eine Vergütungsordnung nur in der Fassung, die sie zum Zeitpunkt der Beendigung ihres Bestandes gehabt habe.

Gegen den ihnen am 23.07.2007 zugestellten Beschluss haben die Antragstellerinnen mit einem am 20.08.2007 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Beschwerde eingelegt und diese - nach Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist bis zum 15.10.2007 - mit einem hier am 15.10.2007 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Die Arbeitgeberinnen, die im Verlaufe der Beschwerdeinstanz ihr Begehren hilfsweise um einen Feststellungsantrag erweitert und an dem erstinstanzlich gestellten Antrag zu Ziff. 2 nicht weiter festgehalten haben, machen vor allem geltend:

Das Arbeitsgericht habe die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Nachwirkung von Tarifverträgen zu Unrecht auf Betriebsvereinbarungen angewandt. Für diese vertrete die herrschende Literaturmeinung die Auffassung, dass deren Nachwirkung auch neu eingestellte Arbeitnehmer erfasse, weil sie nur auf diese Weise in die mitbestimmte Ordnung einbezogen werden könnten. Da die nachwirkende Betriebsvereinbarung hinsichtlich der Vergütung eine dynamische Verweisung auf den BAT enthalte und dieser durch den TVöD abgelöst worden sei, gelte für neu eingestellte Beschäftigte die Entgeltordnung des TVöD.

Die Arbeitgeberinnen beantragen zuletzt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Oberhausen abzuändern und die fehlende Zustimmung des Betriebsrates zur Eingruppierung der Mitarbeiterin T. T. in die Lohngruppe TVöD EG 3 A zu ersetzen,

hilfsweise

festzustellen, dass sie nicht verpflichtet sind, bei der Vornahme der Eingruppierung der Mitarbeiterin T. T. die Zustimmung des Betriebsrates einzuholen.

Der Betriebsrat beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er teilt die Auffassung der Antragstellerinnen, dass die in dem Betrieb geltende Vergütungsordnung auch neu eingestellte Beschäftigte erfasse, und meint, maßgebend sei die tatsächlich praktizierte Vergütungsordnung des BAT. Diese könne nicht einseitig durch den Arbeitgeber abgeändert werden, sondern nur durch Betriebsvereinbarung oder Tarifvertrag.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der Akte ausdrücklich Bezug genommen.

B.

Die Beschwerde, gegen deren Zulässigkeit keinerlei Bedenken bestehen, ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat den Zustimmungsersetzungsantrag der Antragstellerinnen nach § 99 Abs. 4 BetrVG im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen. Denn er ist unbegründet. Auch der erstmals in der Beschwerdeinstanz gestellte Hilfsantrag hat keinen Erfolg.

I.

Der Zustimmungsersetzungsantrag der Arbeitgeberinnen ist zulässig. Das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis ist gegeben.

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hat ein Arbeitgeber regelmäßig kein rechtliches Interesse mehr an einem Zustimmungsersetzungsbeschluß, wenn der Arbeitnehmer, um dessen Eingruppierung gestritten wird, aus seinem Betrieb ausgeschieden ist (vgl. BAG 10.02.1999 - 10 ABR 42/98 - AP ArbGG 1979 § 83 a Nr. 5; BAG 26.04.1990 - 1 ABR 79/89 - AP ArbGG 1979 § 83 a Nr. 3). Die Mitarbeiterin T. war zwar zunächst nur befristet bis zum 31.07.2007 beschäftigt. Ihr Arbeitsverhältnis ist aber im Anschluss daran um ein weiteres Jahr verlängert worden, sodass die Beschäftigung zum Zeitpunkt der Entscheidung noch andauerte. Auch war eine erneute Eingruppierung anlässlich des Abschlusses des zweiten Arbeitsvertrages - mit der Folge, dass sich das hier streitbefangene Eingruppierungsbegehren erledigt hätte - nicht erforderlich. Schließt sich nämlich unmittelbar an ein befristetes Arbeitsverhältnis ein weiteres Arbeitsverhältnis an, so bedarf es einer erneuten Eingruppierung nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG nur, wenn sich die Tätigkeit des Arbeitnehmers oder das maßgebliche Entgeltgruppenschema ändert (BAG 11.11.1997 - 1 ABR 29/97 - AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 17). Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt. Die Tätigkeit der Mitarbeiterin T. hat sich im Zusammenhang mit dem zweiten befristeten Arbeitsvertrag nicht geändert, jedenfalls ist dies von keinem der Beteiligten vorgetragen worden. Auch eine Änderung des Entgeltgruppenschemas ist zwischen der ersten und zweiten Befristung des Arbeitsvertrages nicht erfolgt.

II.

Der Zustimmungsersetzungsantrag ist unbegründet. Der Betriebsrat hat die erforderliche und ordnungsgemäß beantragte Zustimmung zu der geplanten Eingruppierung der Mitarbeiterin T. in die Entgeltgruppe 3 A TVöD zu Recht nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG verweigert.

1. Die Arbeitgeberinnen benötigen die Zustimmung des Betriebsrates zur Eingruppierung gemäß § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG.

a. Eingruppierung i.S. von § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ist die Zuordnung eines Arbeitnehmers zu einer in einer Vergütungsordnung festgelegten Lohn- oder Gehaltsgruppe (BAG 23.09.2003 - 1 ABR 35/02 - AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 28; BAG 17.03.2005 - 8 ABR 8/04 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Einzelhandel Nr. 90; BAG 12.12.2006 - 1 ABR 13/06 - AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 32). Sie ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kein konstitutiver Akt, sondern ein Akt der Rechtsanwendung verbunden mit der Kundgabe einer Rechtsansicht (vgl. etwa BAG 12.12.2000 - 1 ABR 23/00 - EzA BetrVG 1972 § 87 Betriebliche Lohngestaltung Nr. 20 zu B I der Gründe; BAG 23.09.2003 - 1 ABR 35/02 - AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 28). Die Richtigkeit dieser Beurteilung unterliegt dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats (BAG 31.10.1995 - 1 ABR 5/95 - AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 5 [B I 2 a der Gründe]; BAG 23.09.2003 - 1 ABR 35/02 - AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 28). Voraussetzung für eine betriebsverfassungsrechtliche Pflicht des Arbeitgebers zur Eingruppierung ist aber, dass für den Arbeitnehmer eine Vergütungsgruppenordnung überhaupt gilt (vgl. BAG 12. 12. 2000 - 1 ABR 23/00 - EzA BetrVG 1972 § 87 Betriebliche Lohngestaltung Nr. 20; BAG 23.09.2003 - 1 ABR 35/02 - AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 28). Dabei ist unerheblich, woraus sich die Geltung der Vergütungsordnung ergibt. Sie kann insbesondere in einem auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Tarifvertrag enthalten sein, auf einer Betriebsvereinbarung beruhen, auf Grund einzelvertraglicher Vereinbarungen im Betrieb allgemein zur Geltung kommen oder vom Arbeitgeber einseitig geschaffen sein (BAG 12. 12. 2000 - 1 ABR 23/00 - EzA BetrVG 1972 § 87 Betriebliche Lohngestaltung Nr. 20; BAG 23.09.2003 - 1 ABR 35/02 - AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 28).

b. Ausgehend von diesen Grundsätzen sind die Arbeitgeberinnen zur Eingruppierung der Mitarbeiterin T. verpflichtet. Denn in ihrem Betrieb besteht eine Vergütungsordnung.

aa. Eine Vergütungsordnung gilt allerdings nicht schon unmittelbar gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG für die Arbeitsverhältnisse der im Betrieb der Arbeitgeberinnen beschäftigten Arbeitnehmer, da die Arbeitgeberinnen nicht tarifgebunden sind (§ 3 Abs. 1 TVG).

bb. Eine Vergütungsordnung kommt aber nach § 2 der gekündigten Betriebsvereinbarung aus September 1995 zur Anwendung.

(1.) Gemäß § 2 Nr. 1, 4, 5 der für den Bereich Pflege bestehenden Betriebsvereinbarung gelten für die dortigen Angestellten hinsichtlich der Vergütung die Bestimmungen des BAT vom 11. Januar 1961 einschließlich der Änderungen und Ergänzungen. Nach Abschluss der Betriebsvereinbarung waren danach zunächst die Entlohnungsgrundsätze des BAT maßgebend.

(2.) Die Kündigung der Betriebsvereinbarung zum 31.12.2001 hat daran nichts geändert. Die Bestimmungen zur Vergütung wirken nach. Nach § 77 Abs. 6 BetrVG gelten nach Ablauf einer Betriebsvereinbarung ihre Regelungen in Angelegenheiten, in denen ein Spruch der Einigungsstelle die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ersetzen kann, weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden. Bei den Vergütungsbestimmungen handelt es sich gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG um erzwingbare Regelungen, die nach Kündigung der Betriebsvereinbarung auch nicht durch eine andere Abmachung ersetzt worden sind. Die zwischen den Betriebspartnern geführten Gespräche über eine neue Vereinbarung haben bislang zu keinem Erfolg geführt. Zu Recht haben die Arbeitgeberinnen deshalb in ihrem Betrieb auch weiter das Vergütungssystem des BAT angewendet.

(3.) Ob die Ablösung des BAT durch den TVöD zum 01.10.2005 zur Anwendung des Vergütungssystems des TVöD führt, kann an dieser Stelle offen bleiben, da auch in diesem Fall im Betrieb der Arbeitgeberinnen im Bereich Pflege ein tarifliches Vergütungssystem existieren würde, das eine Eingruppierung erforderlich macht.

(4.) Soweit das Arbeitsgericht unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu Tarifverträgen darauf abgestellt hat, dass sich die Nachwirkung der Betriebsvereinbarung gemäß § 77 Abs. 6 BetrVG nicht auf Arbeitsverhältnisse erstreckt, die erst während des Nachwirkungszeitraums begründet werden, folgt die Kammer dem nicht.

(4.1) Die Regelungen der Betriebsvereinbarung haben zwar im Nachwirkungszeitraum keine zwingende Wirkung mehr (§ 77 Abs. 6 BetrVG). Von ihnen kann deshalb bei neu eintretenden Mitarbeitern auch zuungunsten der Arbeitnehmer grundsätzlich abgewichen werden. Jede im Nachwirkungszeitraum getroffene andere Abmachung, gleichgültig, ob es sich um einen Tarifvertrag, eine Betriebsvereinbarung oder eine arbeitsvertragliche Absprache handelt, beendet die Nachwirkung (Fitting u.a., BetrVG, 24. Aufl. 2008, § 77 Rn. 183). Betrifft die andere Abmachung i.S.d. § 77 Abs. 6 BetrVG aber Angelegenheiten, die der Mitbestimmung der Betriebsrates unterliegen, ist dessen Mitbestimmungsrecht zu beachten (Fitting u.a., BetrVG, 24. Aufl. 2008, § 77 Rn. 183 m.w.N.). In mitbestimmten Angelegenheiten sind Arbeitsverträge daher nur zulässig, soweit sie mit dem Mitbestimmungsrecht vereinbar sind. Deshalb müssen nachwirkende Betriebsvereinbarungen in mitbestimmten Angelegenheiten auch für neu eingestellte Arbeitnehmer gelten, da sie nur so in die mitbestimmte Ordnung einbezogen werden können (vgl. ErfK/Kania, 8. Aufl. 2008, BetrVG § 77 Rn. 104 m.w.N).

(4.2) Im Streitfall bedeutet dies, dass die hinsichtlich der Vergütungsregelung nachwirkende Betriebsvereinbarung aus September 1995 auch für die in der ersten Jahreshälfte 2007 eingestellte Mitarbeiterin T. gilt. Nach Kündigung der Betriebsvereinbarung war das Vergütungssystem des BAT auch nach dem 31.12.2001 weiter die im Betrieb geltende Vergütungsordnung. Fraglich ist nur, ob diese nach den nachwirkenden Bestimmungen der Betriebsvereinbarung mit Inkrafttreten des TVöD durch dessen Vergütungssystem abgelöst worden ist. Der Entschluss, bei neu eingestellten Mitarbeitern keine Vergütungsordnung oder eine andere als diejenige, die sich aus der Betriebsvereinbarung ergibt, anzuwenden, würde eine Änderung bestehender Entlohnungsgrundsätze darstellen, die nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG der Mitbestimmung des Betriebsrates bedürfte, und die ohne Zustimmung des Betriebsrates individualrechtlich durch die Arbeitgeberinnen nicht durchgesetzt werden könnte (vgl. ebenso zu nachwirkenden Tarifverträgen: BAG 02.03.2004 - 1 AZR 271/03 - AP TVG § 3 Nr. 31). Eine Maßnahme des Arbeitgebers, die der notwendigen Mitbestimmung entbehrt, ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nämlich rechtswidrig und unwirksam. Dies gilt sowohl für einseitige Maßnahmen als auch für einzelvertragliche Vereinbarungen (z.B. BAG 02.03.2004 - 1 AZR 271/03 - AP TVG § 3 Nr. 31). Die Arbeitgeberinnen sind damit bis zum Abschluss einer neuen Betriebsvereinbarung auch bei neu eingestellten Mitarbeitern an das aus der nachwirkenden Betriebsvereinbarung folgende Vergütungssystem gebunden.

2. Die Arbeitgeberinnen haben das Zustimmungsverfahren ordnungsgemäß eingeleitet. Zwar haben sie in dem Unterrichtungsschreiben vom 31.01.2007 in erster Linie beim Betriebsrat um Zustimmung zur Einstellung von Frau T. gebeten. Die gleichzeitig mitgeteilte Entgeltgruppe machte aber deutlich, dass es ihnen auch um deren Eingruppierung i.S. von § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ging. Wie die Zustimmungsverweigerung mit Schreiben vom 06.02.2007 zeigt, hat der Betriebsrat die Unterrichtung als Einleitung des Mitbestimmungsverfahrens nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG auch betreffend die Eingruppierung verstanden.

3. Die Zustimmung gilt nicht schon nach § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG als erteilt, da der Betriebsrat seine Zustimmungsverweigerung dem Arbeitgeber gegenüber form- und fristgerecht mitgeteilt hat.

a. Der Betriebsrat hat die Wochenfrist des § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG mit dem Zugang seines Schreibens vom 06.02.2007, eingegangen einen Tag später, eingehalten (vgl. §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB). Denn der Zustimmungsantrag der Arbeitgeberinnen war ihm am 31.01.2007 zugegangen.

b. Die Zustimmungsverweigerung ist auch ausreichend schriftlich begründet worden.

aa. Für die Wahrung der Schriftform genügt es, dass die Zustimmungsverweigerungsgründe des Betriebsrats sich einem der gesetzlichen Tatbestände des § 99 Abs. 2 BetrVG zuordnen lassen, mithin die vorgetragene Begründung es als möglich erscheinen lässt, dass einer der gesetzlichen Zustimmungsverweigerungsgründe geltend gemacht wird (st. Rspr., z.B. BAG 26.01.1988 - 1 AZR 531/86 - AP BetrVG 1972 § 99 Nr. 50; BAG 18.01.1994 - 1 ABR 42/93 - EzA § 99 BetrVG 1972 Nr. 120).

bb. Diesen Anforderungen genügt die für die Zustimmungsverweigerung erteilte Begründung des Betriebsrats.

(1.) Der Betriebsrat hat die Zustimmungsverweigerung darauf gestützt, die Eingruppierung entspreche nicht der hausüblichen Vergütung. Gemeint hat er damit, die Vergütung entspreche nicht der anzuwendenden Vergütungsordnung des BAT. Nicht anders haben auch die Antragstellerinnen vor dem Hintergrund des zwischen den Beteiligten bestehenden grundsätzlichen Streits über die Anwendung des BAT bzw. TVöD die Begründung verstanden.

(2.) In Betracht kommt danach der Zustimmungsverweigerungsgrund aus § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG wegen einer Verletzung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrates nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann der Betriebsrat einer beabsichtigten Eingruppierung auch mit der Begründung widersprechen, die vom Arbeitgeber angewandte Vergütungsgruppenordnung sei nicht diejenige, welche im Betrieb zur Anwendung kommen müsse (BAG 27.01.1987 - 1 ABR 66/85 - AP BetrVG 1972 § 99 Nr. 42; 12.08.1997 - 1 ABR 13/97 - AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 14; BAG 27.06.2000 - 1 ABR 36/99 - AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 23). Zum mitbestimmungspflichtigen Eingruppierungsvorgang (§ 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG) gehört auch die Frage, ob der Arbeitgeber die für den Arbeitnehmer zutreffende Vergütungsordnung anwendet (BAG 12.08.1997 - 1 ABR 13/97 - AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 14). Es geht bei der Eingruppierung nicht nur darum, ob innerhalb der einen oder anderen Vergütungsordnung die richtige Fallgruppe bzw. Vergütungsgruppe ermittelt worden ist (BAG 27.01.1987 - 1 ABR 66/85 - AP BetrVG 1972 § 99 Nr. 42; BAG 01.03.1995 - 1 ABR 43/94 - ZTR 1995, 427), vielmehr ist bereits die Entscheidung des Arbeitgebers, nicht mehr das bisherige Eingruppierungsschema des BAT anzuwenden, sondern mit dem TVöD ein neues Vergütungssystem eine Eingruppierungsentscheidung (vgl. BAG 27.06.2000 - 1 ABR 36/99 - AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 23). Sofern das Vergütungssystem nicht dem im Betrieb geltenden entspricht, könnte das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates bei der Änderung von Entlohnungsmethoden (§ 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG) verletzt sein.

4. Der Betriebsrat hat die Zustimmung zu Recht verweigert, weil die vom Arbeitgeber beabsichtigte Eingruppierung der Mitarbeiterin T. in eine Entgeltgruppe nach dem TVöD gegen ein Gesetz verstößt (§ 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG). Die Arbeitgeberinnen möchten die Eingruppierung in eine neue Vergütungsordnung vornehmen, der der Betriebsrat nicht zugestimmt hat (§ 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG).

a. Das Vergütungssystem des TVöD entspricht nicht der betrieblichen Vergütungsordnung. Die Arbeitgeberinnen haben bislang hinsichtlich der Vergütung den BAT angewendet.

b. Das Vergütungssystem des TVöD findet auch nicht aufgrund der nachwirkenden Betriebsvereinbarung aus September 1995 Anwendung.

aa. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob bei Fortgeltung der Betriebsvereinbarung der TVöD den BAT abgelöst hätte. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG 23.09.1992 - 1 ABR 9/92 - AP BetrVG 1972 § 77 N. 55) sind dynamische Blankettverweisungen, d.h. Verweisungen auf einen Tarifvertrag in der jeweils geltenden Fassung, in Betriebsvereinbarungen grundsätzlich unzulässig, da die Betriebspartner sich durch eine solche Verweisung ihrer gesetzlichen Normsetzungsbefugnis entäußern. Eine Ausnahme wird zugelassen, wenn ein enger Sachzusammenhang zu den tariflichen Regelungen besteht. Selbst wenn dies im Streitfall angenommen werden könnte und die in § 2 Nr. 3 und 4 der Betriebsvereinbarung vorgesehene Verweisung auf künftige Änderungen und Ergänzungen danach wirksam wäre, und auch wenn die in der Betriebsvereinbarung geregelte Einbeziehung der Änderungen und Ergänzungen des BAT die Ersetzung der Regelungen durch den TVöD einschließen würde, hätte dennoch die Kündigung der Betriebsvereinbarung die Geltung des TVöD verhindert.

bb. Nach der Kündigung der Betriebsvereinbarung zum 31.12.2001 wirken deren Regelungen zwar hinsichtlich der Vergütungsbestimmungen nach. Der erst im Nachwirkungszeitraum zum 01.10.2005 in Kraft getretene TVöD wird von der dynamischen Verweisung aber nicht erfasst, weil mit dem Beginn der Nachwirkung gemäß § 77 Abs. 6 BetrVG der zu diesem Zeitpunkt bestehende Rechtszustand "eingefroren" wurde. Tritt eine Betriebsvereinbarung, die dynamisch auf einen Tarifvertrag verweist, in das Stadium der Nachwirkung nach § 77 Abs. 6 BetrVG ein, so endet die Dynamik. Aus der dynamischen wird eine statische Verweisung auf den Tarifvertrag in der Fassung, die er bei Ablauf der verweisenden Betriebsvereinbarung hat.

(1.) Zu der Konstellation, dass in einem Tarifvertrag dynamisch auf die Regelungen in einem anderen Tarifvertrag verwiesen wird und der Tarifvertrag abläuft, hat das Bundesarbeitsgericht (zuletzt BAG 29.01.2008 - 3 AZR 426/06 - NZA 2008, 541, 542) grundsätzlich erkannt, dass die Nachwirkung gem. § 4 Abs. 5 TVG dazu führe, dass der in Bezug genommene Tarifvertrag genauso wie der Bezug nehmende lediglich so weiter gelte, wie dieser bei seinem Ablauf gegolten habe. Davon sei jedenfalls dann auszugehen, wenn der in Bezug genommene Tarifvertrag zum Zeitpunkt des Ablaufs keine zukünftigen Änderungen vorgesehen habe und erst später, im Nachwirkungszeitraum abgeschlossene Tarifverträge zu einer Änderung führen (vgl. auch BAG vom 29.08.2007 - 4 AZR 561/06 - AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 61; BAG 10.03.2004 - 4 AZR 140/03 - ZTR 2004, 407; BAG 24.11.1999 - 4 AZR 666/98 - ZTR 2000, 216).

(2.) Diese Erwägungen gelten gleichermaßen, wenn in einer Betriebsvereinbarung dynamisch auf die Regelungen in einem Tarifvertrag verwiesen wird und die Betriebsvereinbarung abläuft. Dies ergibt sich aus Folgendem: Bei einer dynamischen Verweisung in einer Betriebsvereinbarung auf eine tarifliche Regelung ist die verweisende Betriebsvereinbarung selbst unvollständig. Sie wird erst durch die in Bezug genommenen Regelungen vervollständigt. Die Bezugnahme wirkt wie eine wörtliche Übernahme der Regelung aus dem in Bezug genommenen Tarifvertrag in die verweisende Betriebsvereinbarung. Die Nachwirkung gemäß § 77 Abs. 6 BetrVG ist darauf beschränkt, bis zum Abschluss einer anderen Abmachung den bisherigen materiell-rechtlichen Zustand für das Arbeitsverhältnis beizubehalten. Daher führt die Nachwirkung dazu, dass der in Bezug genommene Tarifvertrag genauso wie die bezugnehmende Betriebsvereinbarung lediglich so weiter gilt, wie diese bei ihrem Ablauf galt.

(3.) Von diesen Grundsätzen ist im Streitfall auszugehen, da der in Bezug genommene BAT zum Zeitpunkt des Ablaufs der Betriebsvereinbarung die zukünftigen Änderungen noch nicht vorsah, sie vielmehr erst durch den im Nachwirkungszeitraum abgeschlossenen TVöD bewirkt wurden.

III.

Der erstmals zulässigerweise (vgl. § 81 Abs. 3 Satz 1 mit Satz 2 ArbGG i.V.m. § 87 Abs. 2 Satz 3 ArbGG) in der Beschwerdeinstanz gestellte Hilfsantrag der Arbeitgeberinnen ist ebenfalls unbegründet. Den obigen Ausführungen folgend bedarf es angesichts der in ihrem Betrieb bestehenden Vergütungsordnung einer Eingruppierung der Mitarbeiterin T.. Hierüber besteht zwischen den Beteiligten im Grunde auch Einvernehmen.

C.

Die Kammer hat der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beigemessen und die Rechtsbeschwerde deshalb für die Antragstellerinnen zugelassen (vgl. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG i.V.m. § 92 Abs. 1 Satz 2 ArbGG).

Ende der Entscheidung

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