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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 30.10.2007
Aktenzeichen: 3 Sa 1388/07
Rechtsgebiete: ArbGG, NV Bühne v. 15.10.2002, GG


Vorschriften:

ArbGG § 101 Abs. 2
NV Bühne v. 15.10.2002 § 1 Abs. 3
NV Bühne v. 15.10.2002 § 1 Abs. 3 S. 3
GG Art. 9 Abs. 3
1. Die in § 101 II 3 ArbGG eröffnete Möglichkeit der einzelvertraglichen Vereinbarung einer Schiedsklausel ist nur für solche Arbeitsverhältnisse zulässig, die nach dem konkreten Inhalt der ausgeübten Tätigkeit einer Berufsgruppe zuzuordnen sind, für die nach § 101 II 1 ArbGG bei Tarifbindung der Vorrang der Schiedsgerichtsbarkeit wirksam geregelt werden kann (vgl. BAG v. 06.08.1997 - 7 AZR 156/96, AP Nr. 5 zu § 101 ArbGG 1979).

2. Nehmen die Parteien im Arbeitsvertrag mit einem Maskenbildner den NV-Bühne in Bezug und vereinbaren zugleich gem. § 1 III NV-Bühne, dass überwiegend künstlerische Tätigkeit erbracht wird, so bedarf es im Regelfall zur Feststellung der wirksamen Inbezugnahme des Tarifvertrages i.S.v. § 101 II 3 ArbGG einer weiteren Aufklärung des Umfangs der künstlerischen Zeitanteile nicht.

3. Mit der Regelung in § 1 III S. 2 NV-Bühne haben die Tarifvertragsparteien Maskenbildner nicht in einer ihre Befugnis aus Art. 9 III GG überschreitenden Weise dem staatlichen Justizgewährleistungsanspruch entzogen.


Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wuppertal vom 19.06.2007 - 7 Ca 1206/07 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

3. Streitwert: 14.154,52 €.

Tatbestand:

Die Parteien streiten insbesondere um die Frage, ob auf das Arbeitsverhältnis zwischen ihnen der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) oder der Normalvertrag (NV) Bühne Anwendung findet.

Die am 08.06.1967 geborene Klägerin ist seit dem 31.10.2004 bei der Beklagten beschäftigt. Ihr monatliches Bruttoarbeitsentgelt beträgt ca. 1.700,-- €. Die Klägerin wurde zunächst befristet nach § 14 Abs. 2 TzBfG vom 31.10.2004 bis zum 31.07.2005 eingestellt. Zu diesem Zeitpunkt war sie in die Vergütungsgruppe VIII BAT eingruppiert. Im Anschluss hieran war sie für die Zeit vom 01.08.2005 bis 31.07.2006 erneut befristet beschäftigt und wiederum in die VergGr. VII BAT eingruppiert.

Unter dem 27.04.2006 schloss die Beklagte mit der Klägerin einen "Arbeitsvertrag im Sinne des Normalvertrages (NV) Bühne" (im Folgenden: NV-Bühne), der u.a. folgende Regelungen enthält:

§ 1

Frau C. wird als Bühnentechniker mit der Tätigkeitsbezeichnung Maskenbildnerin für die X. Bühnen GmbH und Gastspielorte eingestellt. Der Bühnentechniker ist überwiegend künstlerisch tätig.

§ 2

Das Arbeitsverhältnis wird für die Spielzeiten 2006/2007 und 2007/2008 geschlossen. Es beginnt am 01.08.2006 und endet am 31.07.2008.

...

§ 4

Im Übrigen bestimmt sich das Arbeitsverhältnis nach dem Normalvertrag Bühne in der jeweils geltenden Fassung und den ihn ergänzenden oder an seine Stelle tretenden Tarifverträgen.

...

§ 6

Für alle Rechtsstreitigkeiten i.S. des § 2 ArbGG zwischen den Arbeitsvertragsparteien sind unter Ausschluss der Arbeitsgerichtsbarkeit ausschließlich die zwischen den Tarifvertragsparteien des NV Bühne vereinbarten Schiedsgerichte zuständig. Gehört der Bühnentechniker bei Vertragsabschluss und bei Klageerhebung keiner auf Arbeitnehmerseite beteiligten Tarifvertragspartei an, bestimmt der Kläger, welches Schiedsgericht zuständig sein soll.

Der zwischen dem Bundesverband Deutscher Theater (DBV) einerseits und der Genossenschaft Deutscher Bühnenangehöriger (GdBA) sowie der Vereinigung deutscher Opernchöre und Bühnentänzer (VdO) andererseits geschlossene Normalvertrag (NV) Bühne vom 15.10.2002 i.d.F. v. 15.01.2006 enthält u.a. folgende Regelungen:

§ 1 Geltungsbereich

(1) Dieser Tarifvertrag gilt für Solomitglieder und Bühnentechniker sowie Opernchor- und Tanzgruppenmitglieder (im Folgenden insgesamt als Mitglieder bezeichnet) an Bühnen innerhalb der Bundesrepublik Deutschland, die von einem Lande oder von einer Gemeinde oder von mehreren Gemeinden oder von einem Gemeindeverband oder mehreren Gemeindeverbänden ganz oder überwiegend rechtlich oder wirtschaftlich getragen werden.

...

(3) Oberinspektoren und Inspektoren, Theater- und Kostümmaler, Beleuchtungsmeister und Beleuchter, Bühnenplastiker (Kascheure), Maskenbildner, Requisitenmeister und Requisiteure, Gewandmeister, Bühnenmeister, Veranstaltungstechniker, Tontechniker und Personen in ähnlicher Stellung sind Bühnentechniker im Sinne des Tarifvertrages, wenn mit ihnen im Arbeitsvertrag vereinbart wird, dass sie überwiegend künstlerisch tätig sind.

Der zwischen dem DBV und der GdBA geschlossene Tarifvertrag über die Bühnenschiedsgerichtsbarkeit - Bühnenschiedsgerichtsordnung - vom 01.10.1948 in der Fassung vom 15.01.2006 enthält u.a. folgende Regelungen:

§ 1 Geltungsbereich

(1) Über bürgerliche Rechtsstreitigkeiten i.S. des § 2 des Arbeitsgerichtsgesetzes zwischen Theaterveranstaltern und Bühnenmitgliedern entscheiden unter Ausschluss der Arbeitsgerichtsbarkeit ständige Schiedsgerichte.

(2) Bühnenmitglieder im Sinne des Tarifvertrages sind die auf Normalvertrag Bühne beschäftigten Mitglieder.

Mit der am 25.04.2007 bei dem Arbeitsgericht Wuppertal erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, entgegen der Vereinbarung im Arbeitsvertrag sei sie in ihrer Tätigkeit als Maskenbildnerin nicht überwiegend künstlerisch tätig. Von daher gelte für das Arbeitsverhältnis nicht der NV Bühne, sondern der TVöD. Hiernach sei sie in EntgGr. 3 des TVöD einzugruppieren. Die in § 6 des Arbeitsvertrages aufgenommene Schiedsabrede sei unbeachtlich. Da das Arbeitsverhältnis in den Geltungsbereich des TVöD falle, ergebe sich die Schiedsabrede nicht aufgrund des Tarifvertrages. Eine einzelvertragliche Bezugnahme auf eine tarifliche Schiedsvereinbarung sei zwar erlaubt, dies jedoch lediglich bei den Arbeitsverhältnissen, für die nach § 101 Abs. 2 S. 1 ArbGG die tarifvertragliche Vereinbarung einer Schiedsklausel erlaubt sei. Diese Norm ermögliche nur die einzelvertragliche Bezugnahme bei fehlender Tarifbindung.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die vereinbarte Befristung sei mangels Sachgrundes rechtsunwirksam. Hilfsweise sei die Klägerin zu mehr als 50 % ihrer Tätigkeit mit künstlerischen Tätigkeiten bei eigenem Gestaltungsspielraum zu beschäftigen.

Die Klägerin hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 312,03 € brutto zu zahlen;

2. die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin ab Oktober 2006 nach EntgGr. 3 TVöD, zzgl. der Besitzstandszulage für den kinderbezogenen Ortszuschlag in Höhe von 157,07 € monatlich, zzgl. der jeweiligen Theaterbetriebszulage, zu vergüten;

3. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Befristung am 31.07.2008 enden wird, sondern darüber hinaus unbefristet fortbesteht hilfsweise, für den Fall des Unterliegens mit den Anträgen zu 1.-3. ;

4. die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin zu mehr als 50 % ihrer Tätigkeit mit künstlerischen Tätigkeiten mit einem eigenen Gestaltungsspielraum und Entscheidungsfreiheiten zu beschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Klage sei unzulässig. Gem. § 101 Abs. 2 ArbGG i.V. mit § 6 des Arbeitsvertrages sei das Bühnenschiedsgericht zuständig, da der NV-Bühne auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden sei. Maskenbildner würden gem. § 1 Abs. 1 i.V. mit Abs. 3 des Tarifvertrages NV-Bühne von dem Geltungsbereich des Tarifvertrages umfasst, wenn mit ihnen im Arbeitsvertrag vereinbart sei, dass sie überwiegend künstlerisch tätig seien. Diese Vereinbarung sei mit der Klägerin getroffen worden. Die Beklagte hat behauptet, überdies sei die Klägerin auch tatsächlich überwiegend künstlerisch tätig.

Durch Urteil vom 19.06.2007, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe ergänzend Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht Wuppertal die Klage kostenpflichtig abgewiesen und den Streitwert auf 14.154,52 € festgesetzt. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, der NV-Bühne und damit dessen Schiedsklausel in § 53 des Tarifvertrages finde kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme auf das Arbeitsverhältnis Anwendung. Für die Klägerin sei der persönliche Geltungsbereich des NV-Bühne eröffnet, da schriftlich vereinbart worden ist, dass sie als Maskenbildnerin überwiegend künstlerisch tätig sei. Die entsprechende Regelung in § 1 NV-Bühne unterliege keinen rechtlichen Bedenken. Das Abstellen auf die schriftliche Vereinbarung einer überwiegend künstlerischen Tätigkeit sei von der Einschätzungsprärogative der Tarifvertragsparteien gedeckt.

Gegen das ihr am 26.07.2007 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit einem am 15.08.2007 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem weiteren, dem Gericht am 20.09.2007 vorliegenden Schriftsatz begründet.

Mit der Berufung greift die Klägerin das Urteil in tatsächlicher wie rechtlicher Hinsicht an und hält unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens an der Auffassung fest, die einzelvertraglich vorgenommene Einordnung in den NV-Bühne sei tarifwidrig. Entscheidend sei die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit und nicht ihre formale Bezeichnung im Arbeitsvertrag. Von daher sei die Klägerin keiner Berufsgruppe zuzuordnen, für die eine einzelvertragliche Schiedsvereinbarung zulässig wäre. Von der Einschätzungsprärogative der Tarifvertragsparteien sei es nicht mehr gedeckt, nicht künstlerisch tätige Arbeitnehmer der Arbeitsgerichtsbarkeit zu entziehen.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Wuppertal vom 19.06.2007 - 7 Ca 1206/07 -

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 312,03 € brutto zu zahlen;

2. die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin ab Oktober 2006 nach EntgGr. 3 TVöD, zzgl. der Besitzstandszulage für den kinderbezogenen Ortszuschlag in Höhe von 157,07 € monatlich, zzgl. der jeweiligen Theaterbetriebszulage, zu vergüten;

3. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Befristung am 31.07.2008 enden wird, sondern darüber hinaus unbefristet fortbesteht hilfsweise, für den Fall des Unterliegens mit den Anträgen zu 1.-3.

4. die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin zu mehr als 50 % ihrer Tätigkeit mit künstlerischen Tätigkeiten mit einem eigenen Gestaltungsspielraum und Entscheidungsfreiheiten zu beschäftigen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung und hält an der Auffassung fest, durch die einzelvertragliche Bezugnahme sei lediglich die fehlende Tarifbindung ersetzt worden. Die Tarifvertragsparteien seien im Rahmen der Tarifautonomie nicht gehindert gewesen, die Eröffnung des Geltungsbereiches des NV-Bühne an die vertragliche Vereinbarung einer überwiegend künstlerischen Tätigkeit zu knüpfen, um diese rechtssicher zu gestalten. Von daher müsse sich die Klägerin an der getroffenen Vereinbarung festhalten lassen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in beiden Rechtszügen wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze verwiesen (§§ 525, 313 Abs. 2 ZPO, 64 Abs. 6 ArbGG).

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wuppertal vom 19.06.2007 ist zulässig, hingegen unbegründet.

I. Die Berufung ist an sich statthaft (§ 64 Abs. 1 ArbGG), gem. § 64 Abs. 2 lit. a ArbGG zulässig sowie in gesetzlicher Form und Frist eingelegt und begründet worden (§§ 519, 520 Abs. 2 u. 3 ZPO, 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG).

II. Die Berufung hatte hingegen in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Arbeitsgericht die Unzulässigkeit der Klage im Hinblick auf die sich aus § 101 Abs. 2 ArbGG i.V. mit § 6 des Arbeitsvertrages, §§ 1 Abs. 3, 53 NV-Bühne vom 15.10.2002 i.d.F.v. 02.10.2006 ergebende Zuständigkeit der Bühnenschiedsgerichtsbarkeit festgestellt.

Mit den Angriffen der Berufung vermochte die Klägerin nicht zu einer Abänderung der angefochtenen Entscheidung zu gelangen. Unter Bezugnahme auf die angefochtenen Entscheidungsgründe gem. §§ 540 Abs. 1 ZPO, 64 Abs. 6 ArbGG ist in Auseinandersetzung mit dem Berufungsvortrag sowie zugleich ergänzend Folgendes festzustellen:

Soweit die Klägerin mit der Berufung weiterhin an der Auffassung festgehalten hat, der Klage stehe die Einrede des Schiedsvertrages gem. § 102 Abs. 1 ArbGG nicht entgegen, vermochte sie hiermit auch im zweitinstanzlichen Verfahren nicht durchzudringen.

1. Zutreffend ist das Arbeitsgericht von der gesetzlichen Regelung in § 101 Abs. 2 ArbGG ausgegangen. Hiernach können die Parteien des Tarifvertrages für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten aus einem Arbeitsverhältnis, das sich nach einem Tarifvertrag bestimmt, die Arbeitsgerichtsbarkeit im Tarifvertrag durch die ausdrückliche Vereinbarung ausschließen, dass die Entscheidung durch ein Schiedsgericht erfolgen soll, wenn der persönliche Geltungsbereich des Tarifvertrages überwiegend u.a. Bühnenkünstler umfasst. Die Vereinbarung gilt zwar nur für tarifgebundene Personen, erstreckt sich jedoch gem. § 101 Abs. 2 S. 3 ArbGG auf Parteien, deren Verhältnisse sich aus anderen Gründen nach dem Tarifvertrag regeln, wenn die Parteien dies ausdrücklich und schriftlich vereinbart haben. Hierzu muss sich das jeweilige Arbeitsverhältnis aus anderen Gründen als denen der Tarifbindung nach diesem Tarifvertrag richten (vgl. BAG v. 31.10.1963 - 5 AZR 283/62, AP Nr. 11 zu § 101 ArbGG 1953; BAG v. 10.12.1992 - 2 AZR 340/92 - n.v.; BAG v. 06.08.1997 - 7 AZR 156/96, AP Nr. 5 zu § 101 ArbGG 1979).

a) In § 4 des Arbeitsvertrages vom 27.04.2006 haben die Parteien auf den "Normalvertrag Bühne in der jeweils geltenden Fassung und den ihn ergänzenden oder an seine Stelle tretenden Tarifverträgen" Bezug genommen (Bl. 13 d.A.). Bedenken gegen die Wirksamkeit der vorformulierten Bezugnahmeklausel unter dem Blickwinkel der gesetzlichen Anforderungen der §§ 310 Abs. 3 Ziff. 2, Abs. 4 i.V. mit §§ 306 ff. BGB bestehen nicht und sind auch von der Klägerin nicht erörtert worden. Insbesondere ermangelt es der typischen Bezugnahmevereinbarung nicht an der erforderlichen Transparenz i.S. von § 307 I 2 BGB (vgl. auch BAG v. 19.03.2003, AP Nr. 33 zu § 1 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag; BAG v. 26.09.2001, AP Nr. 21 zu § 1 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag; Gaul, ZfA 2003, 75, 92).

Der Ansicht der Klägerin, die einzelvertragliche Bezugnahme des NV-Bühne im Arbeitsvertrag sei rechtsunwirksam, da die Klägerin tatsächlich der durch den Tarifvertrag erfassten Berufsgruppe nicht angehöre und die schriftliche Kennzeichnung ihrer Tätigkeit als "überwiegend künstlerisch" insoweit nicht maßgeblich sei, vermochte nicht gefolgt zu werden. Entgegen der Auffassung der Berufung konnte dahinstehen, ob die Klägerin derzeit tatsächlich als Maskenbildnerin überwiegend künstlerisch oder handwerklich tätig ist. Das Arbeitsverhältnis erfüllt im Streitfall die tariflichen Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 2. Unterabs. NV-Bühne.

Wie zwischen den Parteien nicht streitig ist, ist die Klägerin bei der Beklagten als Maskenbildnerin im Sinne des Tarifwortlautes eingestellt worden und auch tätig. Die Parteien haben in § 1 des Arbeitsvertrages schriftlich niedergelegt, dass die Klägerin als "Bühnentechniker mit der Tätigkeitsbeschreibung Maskenbildnerin" "überwiegend künstlerisch tätig" ist (Bl. 13 d.A.).

Die tarifliche Regelung in § 1 Abs. 3 NV-Bühne, wonach auf die schriftliche Vereinbarung im Arbeitsvertrag abzustellen ist, begegnet auch nach dem zweitinstanzlichen Vorbringen der Klägerin keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Insoweit hat das Arbeitsgericht zutreffend eine Verletzung des Grundrechts auf Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes gem. Art. 19 Abs. 4, 20 Abs. 3, 103 Abs. 1 GG bereits im Hinblick auf die Möglichkeit der Aufhebungsklage über § 110 ArbGG verneint. Auch genügt die Vorschrift dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot (vgl. BAG v. 10.12.1992 - 2 AZR 340/92, n.v.). Gleiches gilt für eine etwaige Verletzung von Art. 92 GG bzw. Art. 101 GG im Hinblick auf die Regelung in § 103 ArbGG (vgl. BAG v. 22.03.2001 - 8 AZR 565/00, EzA Nr. 5 zu Art. 101 GG).

Hiermit hat sich die Berufung auch nicht mehr weiter auseinandergesetzt.

b) Auch ist für eine etwaige Überschreitung der Befugnisse der Tarifvertragsparteien - wie von der Klägerin geltend gemacht - nichts ersichtlich.

Grundsätzlich folgt aus Art. 9 Abs. 3 GG für die Tarifparteien ein weiter Gestaltungsfreiraum und eine Einschätzungsprärogative in Bezug auf die sachlichen Gegebenheiten und betroffenen Interessen. Die größere Sachnähe der Tarifvertragsparteien eröffnet auch Gestaltungsmöglichkeiten, die dem Gesetzgeber im Einzelfall verschlossen sind (BAG v. 23.01.1992, AP Nr. 37 zu § 622 BGB). Dies gilt insbesondere bei der Begrenzung des persönlichen Geltungsbereiches eines Tarifvertrages. Gleichheitssatz und Individualgerechtigkeit können zueinander in einem Spannungsverhältnis stehen. Hierbei ist für die Tarifvertragsparteien - vor allem bei der Ordnung von Massenerscheinungen - die Notwendigkeit einer Typisierung und Pauschalierung von Tatbeständen als sachliche Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen anerkannt, wobei die Typisierung sach- und realitätsgerecht sein muss (vgl. BAG v. 28.07.1992, AP Nr. 10 zu § 1 Tarifverträge: Vorruhestand; BVerfG v. 08.04.1987, NJW 1987, 3115). Da die durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Tarifautonomie nicht nur die Entscheidung über den Regelungsinhalt tariflicher Normen umfasst, sondern auch einen entsprechenden Regelungsverzicht deckt, ist den Tarifvertragsparteien eine Einschätzungsprärogative in Bezug auf die tatsächlichen Gegebenheiten und betroffenen Interessen zuzugestehen. Insbesondere sind sie nicht dazu verpflichtet, die jeweils zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung zu wählen (vgl. BAG v. 18.01.2001 - 6 AZR 492/99, AP Nr. 8 zu § 52 BAT; BAG v. 12.10.2004 - 3 AZR 571/03, AP Nr. 2 zu § 3 g BAT; BAG v. 30.07.1992 - 6 AZR 11/92, BAGE 71, 68, 75; BVerfG v. 15.10.1985 - 2 BvL 4/83, BVerfGE 71, 39, 58). Für die tarifliche Normsetzung gilt eine relative Sachlichkeitsvermutung.

c) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze war auch auf der Grundlage des Berufungsvortrages nicht ersichtlich, dass die Tarifvertragsparteien in einer ihre Befugnis aus Art. 9 Abs. 3 GG überschreitenden Weise Maskenbildner etwa dem staatlichen Justizgewährleistungsanspruch entzogen hätten.

Gem. § 2 Abs. 2 Nr. 13 des früheren Bühnentechniker-Tarifvertrages (BTT) waren Maskenbildner von dessen persönlichem Geltungsbereich erfasst, "wenn sie überwiegend künstlerisch tätig" waren. Insoweit hatte das Bundesarbeitsgericht durch Urteil vom 27.01.1993 im Falle eines Chefmaskenbildners festgestellt, durch die vertragliche Inbezugnahme des BTT hätten die Parteien ausdrücklich gebilligt, dass die Tätigkeit des Klägers als künstlerisch anzusehen sei, woran sich dieser festhalten lassen müsse (vgl. BAG v. 27.01.1993 - 7 AZR 124/92, AP Nr. 3 zu § 110 ArbGG 1979). In seiner Entscheidung vom 10.12.1992 (- 2 AZR 340/92 - n.v.) hat das Bundesarbeitsgericht im Hinblick auf die einzelvertragliche Inbezugnahme des BTT durch einen Chefmaskenbildner angeführt, aufgrund der in der damaligen Inbezugnahme liegenden Billigung, dass überwiegend künstlerische Tätigkeit gegeben sei, brauche nicht mehr darauf eingegangen zu werden, wie der Kläger nunmehr diesbezüglich seine Tätigkeit einschätze. Zuvor hatte das Bundesarbeitsgericht durch Beschluss v. 28.10.1986 - 1 ABR 16/85 -, (AP Nr. 32 zu § 118 BetrVG 1972) ausgeführt, die Tätigkeit der Maskenbildner sei als künstlerisch anzusehen.

Im Rahmen der Integrierung des BTT in den NV-Bühne AT haben die Tarifvertragsparteien entsprechend § 2 Abs. 2 S. 2 BTT Maskenbildner von dem Geltungsbereich des NV-Bühne dann erfasst, wenn mit ihnen im Arbeitsvertrag vereinbart wird, dass sie künstlerisch tätig sind, § 1 Abs. 1 i.V. mit Abs. 3 NV-Bühne AT, mithin die Eröffnung des tariflichen Geltungsbereichs von einer entsprechenden Regelung im Arbeitsvertrag mit den Maskenbildnern abhängig gemacht.

Die Tarifvertragsparteien haben mit dem Abstellen auf das Erfordernis der entsprechenden Vereinbarung im Arbeitsvertrag durch § 1 Abs. 3 NV-Bühne ersichtlich vor allem Praktikabilitätserwägungen in den Vordergrund gestellt, um eine im Einzelfall schwierige und kostenaufwendige Tatsachenfeststellung über die genaue Verteilung handwerklicher und künstlerischer Zeitanteile bei der Maskenbildnertätigkeit zu vermeiden. Hierbei handelt es sich um eine sachlich vertretbare und praktikable Regelung, u.a. um derartige Feststellungen bereits im Vorfeld der rechtlichen Auseinandersetzung, nämlich bei der Frage der Anwendbarkeit der tariflichen Regelungen, nach Möglichkeit auszuschließen.

2. Hierdurch wird auch nicht etwa entgegen § 101 Abs. 2 ArbGG die dortige Ausnahmeregelung, welche die Ersetzung der fehlenden Tarifbindung durch einzelvertragliche Vereinbarung ermöglicht (vgl. BAG v. 06.08.1997, AP Nr. 5 zu § 101 ArbGG 1979), auf eine nicht vom Gesetz erfasste Berufsgruppe erweitert. Die Regelung in § 1 Abs. 3 NV-Bühne soll ersichtlich vielmehr dem Umstand Rechnung tragen, dass die künstlerischen und handwerklichen Anteile bei dieser Berufsgruppe je nach Arbeitssituation schwankend, zudem deren Grenzen zueinander im Einzelfall fließend sein können.

Korrespondierend zu dem Erfordernis der schriftlichen Kennzeichnung seiner Tätigkeit im Arbeitsvertrag wird dem Maskenbildner damit auch zugleich der Anspruch dokumentiert, sodann auch überwiegend mit künstlerischen Tätigkeiten beschäftigt zu werden, worauf zu Recht das Arbeitsgericht hingewiesen hat. Zu berücksichtigen ist zudem, dass ihm ohnedies gerichtlicher Rechtsschutz gerade nicht endgültig entzogen, sondern das schiedsgerichtliche Verfahren im Hinblick auf die Möglichkeit der Aufhebungsklage nach § 110 ArbGG lediglich vorgeschaltet wird.

Auch war der Auffassung der Klägerin nicht beizutreten, ähnlich wie in dem der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 06.08.1997 (7 AZR 156/96, AP Nr. 5 zu § 101 ArbGG 1979) zugrunde liegenden Sachverhalt erfolge auch im Streitfall eine Inbezugnahme des Tarifvertrages mit Schiedsklausel auf eine nicht dem persönlichen Geltungsbereich unterfallende Berufsgruppe. Anders als im Streitfall gehörte der Kläger des dortigen Verfahrens als Tontechniker keiner Berufsgruppe an, für die der Bühnentechniker-Tarifvertrag wegen zumindest überwiegend künstlerischer Tätigkeit den Vorrang der Bühnenschiedsgerichtsbarkeit i.S. von § 101 Abs. 2 S. 1 ArbGG wirksam regeln könnte. Die Gruppe der Tontechniker wird von diesem Tarifvertrag generell nicht mitumfasst, § 2 BTT. Eine Unterwerfung dieser Berufsgruppe unter den Tarifvertrag und die dortige Schiedsklausel kam von daher bereits im Ansatz nicht in Betracht. Anders verhält es sich gem. § 1 Abs. 3 NV-Bühne bei der Berufsgruppe der Maskenbildner, für deren Einbeziehung es sodann allein auf das Kriterium überwiegend künstlerischer Tätigkeit ankommt.

III. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wuppertal vom 19.06.2007 war nach alledem als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kosten des erfolglos gebliebenen Rechtsmittels waren gem. §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 97 Abs. 1 ZPO der Klägerin aufzuerlegen.

Gem. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG war die Revision für die Klägerin zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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