Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 02.06.1999
Aktenzeichen: 4 (16) Sa 603/99
Rechtsgebiete: BMT-G II


Vorschriften:

BMT-G II § 15
Der Arbeitgeber ist aufgrun der Regelung in § 15 BMT-G II (Bundesmanteltarifvertrag für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen in Betrieben) im Wegedes Direktionsrechtes berechtigt, die angestellten Kontrollschaffnerinnen undKontrollschaffner anzuweisen, in Abkehr von der bisherigen Praxis den Dienst auf einem der Betriebshöfe aufzunehmen und in gleicher Weise auf einem der Betriebshöfe zu beenden. Die bisherige Praxis, den Dienst mit der Aufnahme der Kontrolltätigkeit an der dem Wohnort nahe gelegenen Bus- oder Bahnstation beginnen bzw. enden zu lassen, stellt demgegenüber keine individuelle Arbeitszeitregelung dar, die nur durch den Ausspruch einer rechtswirksamen Änderungskündigung hätte geändert werden können.
LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 4 (16) Sa 603/99

Verkündet am: 02.06.1999

In dem Rechtsstreit

hat die 4. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 09.06.1999 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Peter als Vorsitzenden sowie den ehrenamtlichen Richter Westedt und den ehrenamtlichen Richter Müller, B für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 30.03.1999 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird für den Kläger zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger ist ­ ebenso wie die anderen Kläger und Klägerinnen der Parallelverfahren ­ bei der Beklagten langjährig als Kontrollschaffnerin beschäftigt.

In dem Arbeitsvertrag ist die Geltung des Bundesmateltarifvertrages für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe (BMT-G) und der zusätzlich abgeschlossenen Tarifverträge in der jeweils geltenden Verfassung vereinbart.

Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger eine Anordnung der Beklagten, wonach ihre Arbeitsbedingungen mit Wirkung zum 01.01.1998 geändert werden, hinnehmen muß. Bisher hatte er seinen Dienst in der Weise aufgenommen, daß er zur festgesetzten Zeit des Dienstbeginns an der seinem Wohnort nahegelegenen Bus- oder Bahnstation einstieg und seine Kontrolltätigkeit dort aufnahm. Entsprechend verfuhr er bei Dienstende.

Mit Zustimmung des Betriebsrates wies die Beklagte die Kontrollschaffner und Kontrollschaffnerinnen Ende Dezember 1997 mit Wirkung vom 01.01.1998 an, den Dienst auf einem der Betriebshöfe aufzunehmen bzw. zu beenden. Zugleich versucht die Beklagte, dieses Ziel durch den Ausspruch einer Änderungskündigung zu erreichen.

Der Kläger hält die Weisung der Beklagten insbesondere deshalb für rechtswidrig, weil er der Auffassung ist, die bisherige Dienstregelung sei Bestandteil des Anstellungsvertrages zwischen den Parteien geworden, so daß sie nur durch Ausspruch einer Änderungskündigung habe geändert werden können. Diese Änderungskündigung sei aber wiederum aus den von ihm dargestellten Gründen unwirksam.

Die Beklagte verweist demgegenüber darauf, daß die bisherige praktizierte Handhabung über den Dienstbeginn bzw. dem Dienstende nicht Inhalt des Arbeitsvertrages zwischen den Parteien geworden sei.

Wegen der weiteren Darstellung des Tatbestandes sowie die erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf das angefochtene Urteil des Arbeitsgerichts Bezug genommen.

Das angefochtene Urteil hat die Klage abgewiesen und hierbei insbesondere darauf abgestellt, daß die zwischen den Parteien streitigen Arbeitsbedingungen rechtswirksam durch Ausübung des Direktionsrechtes zum 01.01.1998 geändert worden seien.

Mit der zulässigen Berufung verfolgt der Kläger unter Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens sein Klageziel weiter. Er weist insbesondere darauf hin, daß die angefochtene Entscheidung des Arbeitsgerichtes im Widerspruch zu der Entscheidung des Landesarbeitsgericht Düsseldorf vom 05.11.1998 - 13 (14) Sa 853/98 ­ stehe und verkannt worden sei, daß vorliegend gerade eine bindende Absprache zwischen den Parteien über den Dienstbeginn bzw. das Dienstende vorgelegen habe.

Er beantragt,

1. in Abänderung des angefochtenen Urteils festzustellen, daß die Anordnung der Beklagten unwirksam ist, wonach der Dienst des Klägers am Betriebshof M.ettma zu beginnen und zu enden habe,

2. festzustellen, daß die Änderungskündigung der Beklagten vom 30.04.1998 unwirksam ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil erster Instanz und weist insbesondere darauf hin, bei der betrieblichen Praxis habe es sich allein um eine Anweisung im Sinne des § 15 BMT-G hinsichtlich des Ortes für die Arbeitsaufnahme und die Arbeitsbeendigung gehandelt, die jederzeit habe aus den von ihr dargelegten Gründen geändert werden könne.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der Akte ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

I.

Das Arbeitsgericht hat mit zutreffenden Erwägungen, auf die ausdrücklich Bezug genommen wird, die Klage abgewiesen.

II.

Ergänzend ist hierzu und zu den Einwänden der Berufung im einzelnen festzustellen:

1. Im Anschluß an die Erklärungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf am 02.06.1999 legt die Kammer die von dem Kläger gestellten Anträge entsprechend dem hiermit verfolgten Rechtsschutzziel dahingehend aus, daß es ihm zunächst um die Unwirksamkeit der ihm mit Wirkung zum 01.01.1998 im Wege des Direktionsrechtes mit Zustimmung des Betriebsrates erteilten Anordnung der Beklagten geht, den Dienst in dem ihm zugewiesenen Betriebshof aufzunehmen und zu beenden, mithin die Dienstaufnahme bzw. Dienstbeendigung unverändert in der bisherigen Weise fortbestehen soll. Für den Fall, daß sich die Anordnung der Beklagten als unwirksam erweist, will der Kläger die Unwirksamkeit der seitens der Beklagten unstreitig vorsorglich ausgesprochenen Änderungskündigung und der Dienstordnung festgestellt wissen.

Die Anträge des Klägers sind schon deshalb unbegründet, weil die Beklagte rechtswirksam aufgrund des ihr zustehenden Direktionsrechtes mit Zustimmung des Betriebsrates Dienstbeginn und Dienstende im Betriebshof ab 01.01.1998 festsetzen konnte.

2. Ausgangspunkt der rechtlichen Würdigung ist die Regelung in § 15 Ziff. 1 des auf das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien anwendbaren BMT-G 2, wonach die Arbeitszeit an dem vorgeschriebenen Arbeitsplatz, bei wechselnden Arbeitslätzen an dem jeweils vorgeschriebenen Arbeits- oder Sammelplatz beginnt und endet.

Durch die verwandte Formulierung vorgeschriebener Arbeits- bzw. Sammelplatz" überlassen es die Tarifvertragsparteien ersichtlich einer arbeitsvertraglichen Vereinbarung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber bzw. dem Direktionsrechts des Arbeitgebers, zu bestimmen, was im Einzelfall für diesen vorgeschriebenen Arbeits- bzw. Sammelplatz" zu verstehen ist.

3. Das Bundesarbeitsgericht hat bereits in der Entscheidung vom 23.06.1992 ­ 1 AZR 57/92 ­ erkannt, daß in einer Vereinbarung der Arbeitsvertragsparteien, über die zu diesem Zeitpunkt im Betrieb geltende Regelung über Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit und die Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage keine individuelle Arbeitszeitvereinbarung liegt, vielmehr der Arbeitnehmer, der aus persönlichen Gründen an einer bestimmten, von der betriebsüblichen Arbeitszeit unabhängigen Regelung der Arbeitszeit Interesse habe, diese Unabhängigkeit mit dem Arbeitgeber auch dann vereinbaren muß, wenn die zur Zeit des Abschlusses des Arbeitsvertrages geltende betriebliche Arbeitszeit gerade seinem Interesse entspricht. Gerechtfertigt hat dies der Senat mit der Erwägung, daß die Lage der Arbeitszeit, wie jedem Arbeitnehmer bekannt sei, aus unterschiedlichen Gründen einem ständigen Wechsel unterliege und der Arbeitgeber daher aufgrund seines Direktionsrechtes, begrenzt durch die Gesetze, des Kollektiv- und des Einzelarbeitsvertragsrechtes, berechtigt sei, einseitig die im Arbeitsvertrag vereinbarte Arbeitspflicht des Arbeitnehmers unter anderem auch hinsichtlich der Arbeitszeit, zu regeln (so II 2 der Entscheidungsgründe). Daher könne in der Vereinbarung der zur Zeit des Abschlusses des Arbeitsvertrages im Betrieb geltenden Lage der Arbeitszeit nicht eine Vereinbarung des Inhalts gesehen werden, daß diese derzeit geltende Arbeitszeit unabhängig von der jeweiligen betrieblichen Arbeitszeit unverändert für dieses Arbeitsverhältnis gelten solle.

4. In entsprechender Weise hat vorliegend bis zum 31.12.1997 im Betrieb der Beklagten die betriebliche Gepflogenheit bestanden, daß die angestellten Kontrollschaffner und Kontrollschaffnerinnen in Anwendung des § 15 BMT-G II ihren Dienst in der Weise aufnehmen bzw. beenden konnten, daß sie zur festgesetzten Zeit des Dienstbeginnes an der ihrem Wohnort jeweils nahegelegenen Bus- oder Bahnstation einstiegen und dort ihre Kontrolltätigkeit aufnahmen und in entsprechender Weise bei Dienstende verfuhren. Diese Praxis wurde unstreitig dem jeweiligen Kontrolleur bzw. der jeweiligen Kontrolleurin bei Vertragsabschluß durch die Personalabteilung mitgeteilt. In dieser Praxis liegt jedoch entgegen der Auffassung der Klägerin und dem Urteil des Landesarbeitsgericht Düsseldorf vom 05.11.1998 Aktenzeichen: 13 (14) Sa 853/99 keine arbeitsvertraglich bindende Absprache zwischen den Parteien über den Arbeitsort, an dem der Dienst aufzunehmen bzw. zu beenden ist (§ 133 BGB). Es ging allein um eine für den jeweiligen Arbeitnehmer günstige betriebliche (Einheits-)Regelung über die Dienstaufnahme bzw. Dienstbeendigung, die den Vorteil für ihn hatte, nicht an einem anderen nach der tariflichen Regelung möglichen Arbeitsplatz bzw. Sammelplatz seinen Dienst aufnehmen bzw. beenden zu müssen, sondern bereits mit Einstieg bzw. Ausstieg aus dem seiner Wohnung nächstgelegenen Beförderungsmittel. Diese betriebliche Handhabung hat aber nichts mit einer individuellen Festlegung des Arbeitsortes mit Rechtsbindungswillen zu tun, der gerade auch aus unterschiedlichen Gründen einem Wechsel unterliegt bzw. unterliegen kann, weil das Direktionsrechts des Arbeitgebers, wie jeder Arbeitnehmer weiß, sich gerade auf Inhalt, Zeit und Ort der Arbeitsleistung innerhalb der Grenzen der bestehenden gesetzlichen, einzelvertraglichen oder kollektivrechtlichen Regelung erstreckt. Es geht daher vorliegend auch nicht darum, daß die Beklagte eine quantitative Erhöhung der Arbeitszeit verlangt ­ der Umfang der zu leistenden Kontrolltätigkeit bleibt unverändert ­ sondern die vorgenommene Änderung des Arbeitsortes, an der der Dienst aufzunehmen bzw. zu beenden ist, kann allein zu längeren Wegzeiten für den betreffenden Arbeitnehmer führen. Hierdurch wird aber die geschuldete vertragliche Leistung weder ihrem Inhalt noch ihrem zeitlichen Umfange nach geändert. Vielmehr geht es allein darum, daß die Beklagte in Ausübung des ihr zustehenden Dirketionsrechtes in Anwendung des § 15 BMT-G II den Ort der Dienstaufnahme bzw. des Dienstbeginnes in anderer Weise bestimmt hat als zuvor.

5. Es sind auch keine Gründe ersichtlich, weshalb die von der Beklagten vorgenommene Änderung des Arbeitsortes billigem Ermessen widersprechen sollte. Für die Kammer ist ohne weiters nachvollziehbar, daß durch die angeordnete gemeinsame Aufnahme der Kontrolltätigkeit ab dem jeweiligen Betriebshof die Effektivität des Kontrolldienstes durch Erhöhung der Kontrolldichte verbessert werden soll. Schutzwürdige Belange des Klägers sind demgegenüber nicht betroffen, da er gerade darauf keinen Anspruch hat, eine für ihn zufällig günstige Regelung über den Ort des Dienstbeginn bzw. des Dienstendes künftig beizubehalten.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Kammer hat die Revision für den Kläger im Hinblick auf die Regelung in § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG zugelassen.

Ende der Entscheidung

Zurück