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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 17.04.2002
Aktenzeichen: 4 (8) Sa 1565/01
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 611
Die Besonderheiten eines Ruhestandsverhältnisses sprechen nicht gegen die Anerkennung einer betrieblichen Übung gegenüber Versorgungsempfängern.
LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 4 (8) Sa 1565/01

Verkündet am: 17.04.2002

In dem Rechtsstreit

hat die 4. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 17.04.2002 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Peter als Vorsitzenden sowie den ehrenamtlichen Richter Nölle und den ehrenamtlichen Richter Panter

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Wesel vom 19.09.2001 wird das Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts Wesel vom 27.06.2001 aufrecht erhalten.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten in dem vorliegenden Pilotverfahren über die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung eines sogenannten Rentnerweihnachtsgeldes für das Jahr 2000 in Höhe von 150,-- DM netto.

Der Kläger war bei der Beklagten bis zum Eintritt in das Rentenalter als Arbeitnehmer beschäftigt. Seither erhält er neben den Bezügen aus der gesetzlichen Rentenversicherung eine Betriebsrente. Die durchschnittliche Betriebsrente bei der Beklagten beträgt ca. 100,-- DM monatlich.

Darüber hinaus zahlt die Beklagte seit Jahrzehnten an ihre sogenannten Werksrentner ohne Vorbehalt und in gleichbleibender Höhe jeweils im Dezember eines Jahres ein sogenanntes Rentnerweihnachtsgeld in Höhe von 150,-- DM. Dieses Rentnerweihnachtsgeld wird unabhängig von der Dauer der Beschäftigungszeit und der Funktion des Mitarbeiters bezahlt.

Streitig zwischen den Parteien ist insoweit allein, ob in den 60er Jahren bis zum Jahre 1972 am Schwarzen Brett Aushänge vorhanden waren, in denen so der Kläger auf die Freiwilligkeit des an die aktiven Belegschaftsmitglieder gezahlten Weihnachtsgeldes und des Rentnerweihnachtsgeldes hingewiesen worden sei oder so die Beklagte diese Aushänge sich nur auf Sonderzahlungen zu Gunsten der aktiven Belegschaftsmitglieder bezogen haben. Jedenfalls gab es spätestens seit Anfang der 70er Jahre solche Aushänge am Schwarzen Brett nicht mehr.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, durch die jahrelange vorbehaltslose Zahlung des Rentnerweihnachtsgeldes an alle Werksrentner sei ein Rechtsanspruch auf die Zahlung dieses Geldbetrages erwachsen, die Beklagte hat demgegenüber den Standpunkt vertreten, die Streichung der Sonderzahlung für Werksrentner sei aus wirtschaftlichen Gründen erforderlich gewesen, auch sei eine betriebliche Übung bei Werksrentnern nicht entstanden.

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, zwar sei durch die hier vorliegende vorbehaltslose Zahlung im Ruhestandsverhältnis ein Vertrauenstatbestand zu Gunsten der Werksrentner begründet worden, die Beklagte habe jedoch sachliche und billigenswerte wirtschaftliche Gründe für die Einstellung der Zahlung im Jahre 2000 dargetan. Die Beklagte habe sich seit 1996 in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befunden und die aktive Belegschaft habe durch eine Reihe von Maßnahmen Einkommenseinbußen hinnehmen müssen. Angesichts dieser Umstände sei aber die Streichung des Weihnachtsgeldes gerade nicht unbillig. Dieses sei auch im Hinblick darauf gerechtfertigt, dass sich die Beklagte hierdurch einer konzerneinheitlichen Handhabung habe anschließen wollen, weil in allen Konzernunternehmen des T.-Konzerns keine Sonderzahlung an Werksrentner gezahlt werde.

Mit der zulässigen Berufung verfolgt der Kläger seinen Klageantrag unter Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens weiter. Er weist insbesondere darauf hin, dass das Arbeitsgericht bei seiner Würdigung nicht berücksichtigt habe, dass die zitierte Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts aus dem Jahre 1983 und damit vor Inkrafttreten des Betriebsrentengesetzes ergangen sei. Auch habe gerade im Jahre 2000 kein Grund für eine Streichung bestanden, weil die Beklagte schon zu diesem Zeitpunkt schwarze Zahlen- geschrieben habe.

Er beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Wesel vom 19.09.2001, - (5) 2 Ca 832/01 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger DM 150,-- netto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB hinaus zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie weist unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens insbesondere darauf hin, dass von einer betrieblichen Übung schon aufgrund der Höhe des ausgezahlten Betrages nicht gesprochen werden könne. Es müsse ihr möglich sein, gegenüber Betriebsrentnern aus den genannten wirtschaftlichen Gründen die Zahlung des Weihnachtsgeldes einzustellen.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der Akte ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet und führt zur Abänderung des erstinstanzlichen Urteils in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang.

Da bereits gegen die Beklagte ein Versäumnisurteil ergangen war, war der Antrag des Klägers entsprechend auszulegen und das Versäumnisurteil aufrechtzuerhalten.

I.

Dem Kläger steht ein Anspruch aufgrund betrieblicher Übung zu.

1. Die Kammer verweist hierzu zunächst auf die den Parteien bekannten Entscheidungsgründe des Urteils des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 18.01.02 (14 Sa 1339/01).

2. Unabhängig hiervon seien die für die Kammer insoweit maßgeblichen Erwägungen im Hinblick auf die Einwände der Beklagten herausgestellt:

a) Das Bundesarbeitsgericht hatte in der Entscheidung vom 16.04.1997 10 AZR 705/96 im Gegensatz zu einer ähnlichen Fallgestaltung in der Entscheidung vom 30.10.1984 3 AZR 236/83 ausdrücklich offen gelassen, ob sich der Kläger als Betriebsrentner überhaupt auf eine betriebliche Übung als Anspruchsgrundlage stützen kann, weil nach der dort zu beurteilenden Fallgestaltung die Voraussetzungen einer betrieblichen Übung bereits nicht gegeben waren (dort zu II 1 der Entscheidungsgründe).

b) Die Kammer kann zwar die Bedenken nachvollziehen, die vorliegend gegen die Zuerkennung einer betrieblichen Übung gegenüber Werksrentnern sprechen, meint jedoch, dass im Ergebnis die Besonderheiten eines Ruhestandsverhältnisses aus den Gründen, die das Landesarbeitsgericht Düsseldorf in seinem Urteil vom 18.01.2002 dargestellt hat (Seite 6 bis 9 der Entscheidungsgründe) eine abweichende Beurteilung letztlich nicht rechtfertigen.

c) Vorliegend sind die Voraussetzungen einer betrieblichen Übung gegeben:

Unabhängig davon, welchen Inhalt die Aushänge am Schwarzen Brett in den 60er Jahren hatten, hat jedenfalls die Beklagte durch ihr Verhalten seit 1972 und damit über 20 Jahre lang eine Übung geschaffen, die die versorgungsberechtigten Arbeitnehmer und Pensionäre als verbindlich angesehen hatten und auf deren Beibehaltung sie vertrauen durften. Dies ergibt sich aus dem unstreitigen Umstand, dass die Beklagte vorbehaltslos an alle Rentner in gleicher Höhe jeweils im Dezember eines Jahres ein Weihnachtsgeld in Höhe von 150,-- DM überwiesen hat. Damit tritt die verpflichtende Wirkung dieser Verhaltensweise aus zu Gunsten derjenigen Arbeitnehmer ein, die unter der Geltung dieser Übung in dem Betrieb gearbeitet haben unabhängig davon, ob gerade ihnen gegenüber die Voraussetzung einer dreimaligen vorbehaltslosen Zahlung erfolgt ist (so bereits BAG vom 30.10.1984 a. a. O. zu I 2 b der Gründe). Dies ist aber unstreitig bei dem Kläger sowie bei allen anderen Werksrentner auch der Fall.

Entgegen der Auffassung der Beklagten rechtfertigt die Höhe des gezahlten Weihnachtsgeldes allein nicht den Entgeltcharakter der Leistung und damit unter diesem Gesichtspunkt einen entsprechenden Verpflichtungswillen des Arbeitgebers zu verneinen: Zum einen geht der Hinweis der Beklagten auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 16.04.1997 fehl, weil dort ausweislich der Entscheidungsgründe tragender Grund für eine Verneinung der betrieblichen Übung allein war, dass der Arbeitgeber im jeweiligen Kalenderjahr die Entscheidung getroffen hatte, ob er eine Sonderzahlung gewähren wolle oder nicht (zu II 1 c der Gründe), der Gesichtspunkt der Höhe also keine tragende Rolle gespielt hat. Zum anderen ist der Hinweis der Beklagten auf die Höhe ambivalent und damit deshalb nicht allein tragfähig, wie gerade der vorliegende Fall zeigt: Angesichts einer durchschnittlichen Rente von 100,-- DM erscheint ein Weihnachtsgeld von 150,-- DM gerade als zumindest nicht mehr unerheblich.

II.

Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts bestand für die Beklagte im Jahre 2000 kein sachlicher Grund mehr, die Zahlung des Weihnachtsgeldes einzustellen.

1. Ausgangspunkt ist insoweit zunächst, dass der Arbeitgeber nur bei einer wirtschaftlichen Notlage zur Einstellung der Zahlung berechtigt ist (vgl. bereits BAG vom 30.10.1984 a. a. O. zu II 1 a der Gründe).

2. Eine solche wirtschaftlichen Notlage ist aber aus dem eigenen Vortrag der Beklagten für die Kammer nicht ersichtlich: Die Beklagte hat danach seit 1996 zur Behebung existenzieller Schwierigkeiten zwar eine Reihe von Maßnahmen durchgeführt, die was die aktive Belegschaft angeht jedenfalls am 31.12.1999 abgeschlossen waren (vgl. den eigenen Vortrag der Beklagten im Schriftsatz vom 26.03.02 auf Seite 9). Die Beklagte hat weiterhin im Jahre 2000 und im Folgejahr erstmals unstreitig schwarze Zahlen- geschrieben, so dass es vor diesem Hintergrund für die Kammer nicht nachvollziehbar ist, ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt 20.05.2000 die Zusage des Weihnachtsgeldes zu streichen. Denn ein nachhaltiger Spareffekt lässt sich hierbei unter dem Gesichtspunkt einer wirtschaftlichen Notlage weder begründen noch erzielen. Insoweit geht nach Auffassung der Kammer auch der Hinweis der Beklagten auf eine Rosinentheorie- fehl, da es alleine darauf ankommt, ob eine wirtschaftliche Notlage durch ein Bündel von Maßnahmen beseitigt werden kann, von einem Bündel von Maßnahmen aber dann nicht mehr gesprochen werden kann, wenn diese Maßnahmen gegenüber der aktiven Belegschaft unstreitig abgeschlossen worden sind und zumindest zu einem vorübergehenden Erfolg geführt haben. Vielmehr dürfte wahrer Grund für die Einstellung des Weihnachtsgeldes durch die Beklagte nach Auffassung der Kammer allein sein, eine Gleichbehandlung mit den übrigen Werksrentnern des Unternehmens herzustellen, die unstreitig kein Weihnachtsgeld im T.-Konzern (mehr) beziehen. Die Herstellung einer solchen Gleichbehandlung hat aber mit einem sachlichen Grund zur Behebung einer wirtschaftlichen Notlage nichts mehr zu tun und ist für sich genommen nicht tragfähig, die vorgenommene Entscheidung zu begründen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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