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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 07.02.2001
Aktenzeichen: 4 Sa 1404/00
Rechtsgebiete: TV ü. d. tar. Abs. eines 13 ME v. 11.12.1996 der Eisen-, Metall-, Elektro- u. Zentralheizungsindustrie NRW v. 11.12.1996


Vorschriften:

TV ü. d. tar. Abs. eines 13 ME v. 11.12.1996 der Eisen-, Metall-, Elektro- u. Zentralheizungsindustrie NRW v. 11.12.1996 § 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 4 Sa 1404/00

Verkündet am: 07.02.2001

In dem Rechtsstreit

hat die 4. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 07.02.2001 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Peter als Vorsitzenden sowie den ehrenamtlichen Richter Hens und die ehrenamtliche Richterin Frau Ophey

für Recht erkannt:

Tenor:

Unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Wesel vom 16.08.2000 wird die Klage kostenpflichtig abgewiesen.

Die Revision wird für den Kläger zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger, Betriebsratsvorsitzender, ist bei der Beklagten, die zum Konzern der S.chaltb AG gehört, als Maschinenschlosser beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis finden die Tarifverträge für die Arbeiter, Angestellten und Auszubildenden in der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie Nordrhein-Westfalen vom 11. Dezember 1996 Anwendung. Der Tarifvertrag über die tarifliche Absicherung eines Teiles eines 13. Monatseinkommens (TV 13. ME) sieht die Zahlung eines 13. Monatsgehaltes in Höhe von 55 % des letzten Bruttogehaltes einschließlich Zulagen vor.

Aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten wurde zwischen der Industriegewerkschaft Metall, der Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands und sämtlicher der Schaltbau AG zugehörigen Betriebe ein Sanierungstarifvertrag geschlossen (vgl. B. 24-30 d. A.), der u. a. für die Jahre 1999, 2000, 2201 eine Reduzierung des 13. Monatsgehaltes auf pauschal 1.000 DM vorsieht. Alle außertariflichen Mitarbeiter sollten durch analoge Regelungen einen gleichwertigen finanziellen Beitrag zur Sanierung leisten. Hierzu heißt es in dem Sanierungsvertrag (Bl. 25, 26 d. A.) auszugsweise:

§ 2 Tariflich abgesicherter Teil eines 13.

Monatseinkommens/betriebliche Sonderzahlung

Abweichend von den Bestimmungen der jeweiligen regionalen Flächentarifverträge erhalten die Arbeitnehmer/innen in den Jahren 1999, 2000, 2001 als Teil eines 13. Monatseinkommens / betriebliche Sonderzahlung von je 1.000 DM. (...) § 3 Urlaubsgeld/Urlaubsentgelt Abweichend von den Bestimmungen der jeweiligen regionalen Flächentarifverträge erhalten die Arbeitnehmer/innen in den Jahren 2000 und 2001 ein reduziertes zusätzliches Urlaubsgeld, nämlich einen pauschalierten Betrag von 1.000 DM. (...) § 4 Lohn und Gehaltserhöhungen Die zwischen der Industriegewerkschaft Metall und den unterzeichnenden regionalen Arbeitgeberverbänden der Metall- und Elektroindustrie für die Jahre 2000 und 2001 vereinbarten Lohn- und Gehaltserhöhungen treten für die vom Geltungsbereich erfassten Betriebe mit einer Zeitverzögerung von 6 Monaten in Kraft. (...) - 3 -

§ 5

Außertarifliche Angestellte, leitende Angestellte, Geschäftsführer und Vorstandsmitglieder

Zwischen den Parteien dieses Tarifvertrages besteht Übereinstimmung darin, dass alle außertariflichen Angestellten, leitende Angestellte, Geschäftsführer und Vorstandsmitglieder analog den Regelungen in § 3 und § 4 für die Tarifbeschäftigten behandelt werden. Die Vorstände bzw. zuständigen Geschäftsleitungen der Unternehmen des Schaltbau- Konzerns stellen sicher, dass die jeweiligen einzelvertraglichen mit dem genannten Personenkreis getroffen oder außerordentliche Änderungskündigungen ausgesprochen werden. (...)"

§ 5 (vgl. Bl. 45 d. A.) ist wie folgt berichtigt:

§ 5

Außertarifliche Angestellte, leitende Angestellte, Geschäftsführer und Vorstandsmitglieder

Zwischen den Parteien dieses Tarifvertrages besteht Übereinstimmung darin, dass alle außertariflichen Angestellten, leitende Angestellte, Geschäftsführer und Vorstandsmitglieder analog den Regelungen in § 2, § 3 und § 4 für die Tarifbeschäftigten behandelt werden. Die Vorstände bzw. zuständigen Geschäftsleitungen der Unternehmen des Schaltbau- Konzerns stellen sicher, dass die jeweiligen einzelvertraglichen Vereinbarungen mit dem genannten Personenkreis getroffen oder außer-ordentliche Änderungskündigungen ausgesprochen werden."

Zunächst wurde nur das Verhandlungsergebnis der Sanierungsverhandlungen vom 04.11.1999 (Bl. 17 - 22 d. A.) im Rahmen einer Betriebsversammlung, die vom Arbeitgeber einberufen worden ist, unter dem 11.11.1999 bekannt gegeben, der tatsächliche Sanierungstarifvertrag erst am 22.02.2000 veröffentlicht. Ein Protokoll über die Betriebsversammlung gibt es nicht.

Dementsprechend erhielt der Kläger als 13. Monatsgehalt für das Jahr 1999 nur einen Betrag von 1.000 DM.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass die Beklagte aufgrund der tarifvertraglichen Regelungen nicht berechtigt gewesen sei, seinen Anspruch zu reduzieren.

Er hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.745,00 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem entsprechenden Nettobetrag seit dem 13.03.2000 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht gewesen, durch den Sanierungstarifvertrag seien die Tarifvertragsparteien auch berechtigt gewesen, Regelungen zum Nachteil der Arbeitnehmer zu treffen, was auch rückwirkend habe geschehen können. Auf einen Vertrauensschutz habe sich der Kläger gleichfalls nicht berufen können, weil das Verhandlungsergebnis der Tarifvertragsparteien am 11.11.1999 bekannt gemacht worden sei.

Das Arbeitsgericht hat der Klage entsprochen. Wegen des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe wird auf das angefochtene Urteil des Arbeitsgerichts Bezug genommen.

Mit der zulässigen Berufung verfolgt die Beklagte ihr Ziel der Klageabweisung unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens weiter.

Sie beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten gegen das angefochtene Urteil zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil erster Instanz und weist insbesondere darauf hin, dass vorliegend durch die Zahlung eines 13. Monatseinkommens gerade auch die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers im zurückliegenden Jahr habe vergütet werden sollen und der Kläger daher darauf habe vertrauen dürfen, diese tarifliche Leistung zu erhalten.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der Akte ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet und führt unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils zur Abweisung der Klage.

Die Kammer folgt hierbei der den Parteien bekannten Entscheidung des LAG Düsseldorf in dem Verfahren M.ettArbeitsgericht Wesel - 3 Ca 3946/95 - und fasst die für sie maßgeblichen Erwägungen wie folgt zusammen:

I.

Es entspricht gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl. zuletzt Urteil des 4. Senats vom 17.05.2000 - 4 AZR 216/99 -), dass in einem Tarifvertrag tarifliche Ansprüche der Arbeitnehmer nachträglich auch rückwirkend reduziert werden können, wenn und sobald der Normunterworfene mit einer Änderung der tariflichen Bestimmungen hat rechnen müssen. Wann dies der Fall ist - so das BAG a. a. O. - ist stets eine Frage des Einzelfalles; es bedarf hierzu nicht einer Ankündigung der beabsichtigten Änderung durch eine gemeinsame Erklärung der Tarifvertragsparteien, auch andere (sonstige) Umstände können, je nach Einzelfall, geeignet sein, einen Vertrauensschutz des Normunterworfenen in Fortfall zu bringen.

II.

Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts führt die Anwendung dieser Grundsätze zur Abweisung der Klage.

1. Ausgangspunkt dieser rechtlichen Würdigung ist zunächst, dass der Kläger, mit dem unstreitig im Arbeitsvertrag kein Anspruch auf Zahlung eines 13. Monatseinkommens vereinbart worden ist, ebenso wie die tarifgebundenen Arbeitnehmer allein einen Anspruch darauf haben, entsprechend den tariflichen Bestimmungen behandelt zu werden. Denn insoweit ist unstreitig, dass die Beklagte unterschiedslos die Tarifverträge auf alle Arbeitnehmer unabhängig ihrer Tarifzugehörigkeit angewandt hat, so dass der aus dieser betrieblichen Übung folgende Anspruch des Klägers seinem Inhalt nach nicht weiter gehen kann als der Umfang, den dieser Anspruch aufgrund der jeweiligen tariflichen Regelungen erfährt (§ 133 BGB). Der Beklagten ging es - für alle Arbeitnehmer ohne weiteres erkennbar - allein darum, die in ihrem Betrieb geltenden tariflichen Regelungen unterschiedslos auf alle Arbeitnehmer unabhängig ihrer Tarifzugehörigkeit anzuwenden, sofern nicht im Einzelfall entgegenstehende arbeitsvertragliche Regelungen vereinbart worden waren.

2. Inhalt dieses Anspruchs ist - vergleiche § 2 Ziffer 1 des Tarifvertrages über die tarifliche Absicherung eines Teiles eines 13. Monatseinkommens vom 11.12.1996 in der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie Nordrhein-Westfalen - der Bestand eines Arbeitsverhältnisses am Auszahlungstag - gemäß § 3 Ziffer 2 der 01.12., soweit nicht etwas anderes mit Betriebsvereinbarungen bestimmt worden ist -, soweit nicht zu diesem Zeitpunkt das Arbeitsverhältnis seitens des Arbeitnehmers gekündigt worden ist.

Vorliegend hatte daher der Kläger nach dieser tariflichen Regelung einen Anspruch darauf, unter den dort genannten Voraussetzungen am 01.12. die hier streitige Zahlung zu erhalten. Daraus ergibt sich zugleich, dass unabhängig von der Frage, ob es vorliegend um eine Gratifikation oder um ein 13. Monatseinkommen geht, jedenfalls ein Anspruch nur dann bestand, sofern die tarifliche Voraussetzung - Bestehen eines Arbeitsverhältnisses am Auszahlungstag (01.12.) erfüllt worden war. Folglich konnte damit der Kläger - wie auch die anderen Arbeitnehmer - erst ab dem Auszahlungstag (01.12.) darauf vertrauen, diese Leistung zu erhalten.

3. Dieser Anspruch des Klägers ist rückwirkend auf den von der Beklagten ausbezahlten Betrag von 1.000,-- DM aufgrund des am 22.02.2000 veröffentlichten Verbandstarifvertrages - in Kraft treten gemäß § 16: 11.11.1999 - reduziert worden, weil tarifvertragliche Regelungen den immanenten Vorbehalt ihrer rückwirkenden Abänderbarkeit des Tarifvertrages in sich tragen (statt aller BAG zuletzt vom 18.09.1997 - 2 AZR 614/96 -) und vorliegend Gründe des Vertrauensschutzes nicht entgegenstehen.

Entscheidend ist insoweit, dass unstreitig der Belegschaft der zu erwartende Text des Verhandlungsergebnisses auf der Betriebsversammlung am 11.11.1999 mitgeteilt worden ist. Reichen aber Bekanntmachungen über Verhandlungen und Schlichtungen bereits aus, dass Vertrauen in den Fortbestand der ungeschmälerten Tarifposition auf der Arbeitnehmerseite objektiv zu erschüttern (vgl. BAG vom 17.05.2000 a. a. O.), ist dies vorliegend in gleicher Weise aufgrund der Bekanntmachung des Verhandlungsergebnisses gegeben.

Unerheblich ist demgegenüber, wann der zustande gekommene Verbandstarifvertrag zum Tarifvertrag angemeldet worden ist und wann der Betriebsrat oder Konzernbetriebsrat bzw. deren Vorsitzenden davon Kenntnis erhalten haben.

4. Diese tarifvertragliche Regelung verletzt auch weder Artikel 3 Grundgesetz noch den Gleichbehandlungsgrundsatz, so dass die Frage, ob die Beklagte tatsächlich die ihr obliegende Verpflichtung, außertarifliche Arbeitnehmer und leitende Angestellte entsprechend zu behandeln, erfüllt hat.

Denn der Verbandstarifvertrag macht gerade bei der Reduzierung des 13. Monatseinkommens keinen Unterschied zwischen tarifgebundenen und nichttarifgebundenen Arbeitnehmern. Entscheidend ist insoweit die Regelung in § 5 des Verbandstarifvertrags, wonach alle außertariflichen Angestellten, leitenden Angestellten, Geschäftsführer und Vorstandsmitglieder analog den Regelungen in §§ 3 und 4 für die Tarifbeschäftigten behandelt werden sollten. Soweit dort § 2 des Verbandstarifvertrages (tariflich abgesicherte Teil eines 13. Monatseinkommens/betriebliche Sonderzahlung) ursprünglich nicht genannt wurde, handelte es sich ersichtlich um ein redaktionelles Versehen, das durch eine spätere Protokollnotiz der Tarifvertragsparteien behoben worden ist. Damit ist aber nicht ersichtlich, dass der hier streitige Tarifvertrag den Grundsatz der Gleichbehandlung verletzt.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Kammer hat die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen.

Ende der Entscheidung

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