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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 20.05.2009
Aktenzeichen: 4 Sa 1734/08
Rechtsgebiete: BetrAVG


Vorschriften:

BetrAVG § 1
Zu der Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Energiekostenerstattung ein Bestandteil einer betrieblichen Altersversorgung ist.
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Duisburg vom 10.11.2008 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über den Fortbestand eines Anspruchs auf Energiekostenerstattung.

Der am 26.04.1946 geborene Kläger trat 1979 als Rohrleger in die Dienste der Beklagten, einem Stromversorgungsunternehmen. Das Arbeitsverhältnis wurde durch Aufhebungsvertrag vom 05.04.2001 zum 30.04.2004 beendet.

Ein Anspruch auf Erstattung von Energiekosten war bei der Beklagten in Betriebsvereinbarungen vom 13.02.1969 und vom 06.05.1976 geregelt. Zuletzt wurde eine Betriebsvereinbarung über einen Preisnachlass auf Verbrauchsbeiträge für den Bezug von Gas, Strom und Fernwärme (Energieerstattung) am 20.02.2001 abgeschlossen. Wegen deren Einzelheiten wird auf die Anlage zur Klageschrift (Bl. 8 ff. der Akte) Bezug genommen.

Unter Nr. 8 des Aufhebungsvertrages vereinbarten die Parteien Folgendes:

"Nach dem Austritt finden die Regelungen (z. B. Betriebsvereinbarung Energieerstattung) Anwendung, die für Rentner gültig sind."

Wegen der weiteren Einzelheiten des Aufhebungsvertrages wird auf die Anlage A 1 zur Klageschrift (Bl. 6 ff.) Bezug genommen.

Auf Grundlage der vorgenannten Betriebsvereinbarung erhielt der Kläger für die Kalenderjahre bis einschließlich 2006 jährlich einen Betrag in Höhe von 358,00 € gegen Vorlage der Verbrauchsabrechnungen erstattet.

Am 24.03.2006 vereinbarte die Beklagte mit ihrem Betriebsrat, dass Stromkostenerstattungen nur noch für die bis zum 31.12.2006 laufenden Verbrauchszeiträume vorgenommen würden. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage B 1 zur Klageerwiderung (vgl. Bl. 57 der Akte) Bezug genommen.

Als Ersatz für den wegfallenden Anspruch wurde eine Betriebsvereinbarung über die Zahlung von Weihnachtsgeld an ehemalige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter abgeschlossen, die mit Wirkung zum 01.01.2007 in Kraft trat. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage A 6 zur Klageschrift (vgl. Bl. 16 ff. der Akte) Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 21.12.2006 teilte die Beklagte mit, dass die bisherige Betriebsvereinbarung vom 20.02.2001 über die Erstattung der Stromkosten mit Ablauf des 31.12.2006 entfällt. Danach werde ab dem 01.01.2007 eine Stromkostenerstattung nur noch für den Verbrauchszeitraum bis zum 31.12.2006 erfolgen.

Mit Schreiben vom 22.01.2007 ließ der Kläger geltend machen, dass er weiterhin Anspruch auf Energieerstattungsleistungen habe.

Mit bei Gericht am 13.12.2007 eingegangener Klage, die der Beklagten am 24.12.2007 zugestellt wurde, hat der Kläger die Feststellung beantragt, dass ihm auch zukünftig eine Energieerstattung in Höhe von 358,00 € pro Jahr zusteht.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der Ausschluss der Leistungen für die Betriebsrentner verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, da für die Rentner keine ausreichende Kompensation vorgesehen sei. Er habe nach dem Ausscheiden darauf vertrauen können, dass er die jährliche Erstattungsleistung als finanziellen Ausgleich erhalte. Der Betriebsrat sei nicht befugt gewesen, im Nachhinein eine nachteilige Betriebsvereinbarung zu Lasten der Rentner rechtswirksam abzuschließen.

Er hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 358,-- Euro zu zahlen.

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, bei Vorliegen der Voraussetzungen der Betriebsvereinbarung zwischen dem Vorstand der Stadtwerke Duisburg AG und dem Betriebsrat der Stadtwerke Duisburg AG zur Energieerstattung vom 20.02.2001 die Stromkosten bis zu einer Höhe von 358,00 Euro jährlich, beginnend ab dem Jahr 2008, zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, die Betriebsvereinbarung aus dem Jahre 2001 habe gerade der Gleichstellung der aktiven Belegschaft mit den Rentnern gedient. Aufgrund der vereinbarten Jeweiligkeitsklausel sei sie berechtigt gewesen, in der hier erfolgten Weise die Leistungen der Betriebsrentner einzustellen. Dies gilt erst Recht vor dem Hintergrund der in dem Aufhebungsvertrag vereinbarten Regelung.

Wegen der weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes sowie der Entscheidungsgründe wird auf das angefochtene Urteil des Arbeitsgerichtes Bezug genommen.

Mit der zulässigen Berufung verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter.

Er weist unter Vertiefung auf sein erstinstanzliches Vorbringen insbesondere darauf hin, dass keine Leistung der betrieblichen Altersversorgung aufgrund der hier in Frage stehenden Regelungen in der Betriebsvereinbarung in Frage stehe und die hier im Aufhebungsvertrag enthaltene Klausel nichts dran ändere, dass hiernach allenfalls geringfügige Verschlechterungen gerechtfertigt sein könnten. Dies sei aber im Streitfall nicht der Fall, weil durch die hier in Frage stehenden Regelungen die ehemaligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter benachteiligt worden seien gegenüber der Gruppe der aktiven Beschäftigten, die entsprechende Kompensationen auf Dauer erhalten.

Er beantragt,

1. das Urteil des Arbeitsgerichts Duisburg vom 10.11.2008, 3 Ca 2635/07, abzuändern,

2. nach den Schlussanträgen erster Instanz zu erkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie macht insbesondere unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens geltend, dass der Anspruch des Klägers nicht nur an der im Aufhebungsvertrag vereinbarten Regelung sondern auch daran scheitere, dass der Betriebsrat berechtigt gewesen sei, auch zum Nachteil der ehemaligen Beschäftigten entsprechende Regelungen, wie vorliegend geschehen, abzuschließen. Daher werde auch heute schon vom überwiegenden Teil der Literatur eine nachwirkende Regelungsbefugnis des Betriebsrates für Betriebsrentner zu Recht angenommen.

Wegen der weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der Akte, sowie das Urteil des Landesarbeitsgericht Düsseldorf vom 26.06.2008 - 11 Sa 450/08 -, das einen zumindest in weiten Teilen ähnlichen Sachverhalt betrifft, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet.

I.

Das Arbeitsgericht hat mit zutreffenden Erwägungen, auf die ausdrücklich Bezug genommen wird, die Klage abgewiesen.

II.

Des Weiteren schließt sich die erkennende Kammer der Auffassung des Landesarbeitsgerichtes Düsseldorf in dem Urteil vom 26.06.2008 - 11 Sa 450/08 -, das beiden Parteien im Einzelnen bekannt ist, an.

III.

Ergänzend hierzu und zu den Einwänden der Berufung ist noch einmal herauszustellen:

1. Nach Auffassung der Kammer ist die Klage bereits allein deshalb nicht begründet, weil der Kläger sich mit der Regelung in Ziffer 8 der Aufhebungsvereinbarung vom 05.04.2001 (Bl. 6,7 d. A.) den Regelungen unterworfen hat, die für Rentner gültig sind. Entgegen der seitens des Klägers vertretenen Rechtsauffassung ist diese Klausel sowohl klar formuliert, als auch angemessen im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB: Danach wird die hier in Frage stehende Betriebsvereinbarung Energieausstattung ausdrücklich in der hier erfolgten Regelung genannt und unmissverständlich erklärt, dass sie nur in der Form Anwendung findet, die für Rentner gültig ist (§§ 133, 157 BGB). Aus Sicht eines verständigen Erklärungsempfängers war damit Sinngehalt dieser Regelung, nicht die hier zur Zeit der Aufhebungsvereinbarung geltende Betriebsvereinbarung "festzuschreiben", sondern bezüglich der hier in Frage stehenden Energieerstattung künftigen Regelungen zu unterwerfen und zwar sowohl in positiver als auch in negativer Hinsicht.

Soweit die Berufungsbegründung in diesem Zusammenhang die Auffassung vertritt, auch aufgrund dieser Regelungen könnten Veränderungen nach Eintritt des Versorgungsfalles, die auf dieser Klausel beruhten, allenfalls geringfügige Verschlechterungen rechtfertigen - so unter Bezugnahme auf das Urteil des BAG vom 12.10.2004 - 3 AZR 557/03 -, kann dieser Ansicht nicht gefolgt werden:

Gerade weil vorliegend im Streit ist, ob die hier vorliegende Engergiebeihilfe überhaupt eine Leistung der betrieblichen Altersversorgung darstellt oder nicht, kann es nicht beanstandet werden, wenn die Parteien in einer Aufhebungsvereinbarung die Frage einvernehmlich dahin regelt, sich bezüglich der hier in Frage stehenden Regelung der Stromkosten einer künftigen Regelung der Betriebspartner zu unterwerfen. Wenn auch das Bundesarbeitsgericht - zuletzt im Urteil vom 12.12.2006 - 3 AZR 476/05 - davon ausgeht, dass die Betriebspartner durch Betriebsvereinbarung nicht Rechte und Pflichten derjenigen Mitarbeiter begründen oder modifizieren können, die bereits aus dem aktiven Arbeitsverhältnis ausgeschieden und in den Ruhestand eingetreten sind, ist diese Rechtsprechung nach Auffassung der Kammer jedenfalls nicht auf eine Fallgestaltung zu übertragen, in der - wie vorliegend - die Arbeitsvertragsparteien individualrechtlich sich einer solchen künftigen Regelung durch die Betriebspartner unterwerfen. Denn da der Kläger mit Zustimmung des Betriebsrates gemäß § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG auf die Rechte aus der Betriebsvereinbarung Energieerstattung hätte verzichten können, muss es unter Berücksichtigung des Sinngehaltes dieser Regelung in gleicher Weise möglich sein, sich individualrechtlich in einer Aufhebungsvereinbarung einer einverständlichen Regelung der Betriebspartner bezüglich der Energiekosten zu unterwerfen. Insoweit geht es nicht mehr um ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht des Arbeitgebers, sondern allein darum, dass durch das im Rahmen einer Betriebsvereinbarung erfolgte Einverständnis des Betriebsrates mit einer Regelung den Interessen des Betriebsrentners in jeder Weise Rechnung getragen wird.

Unabhängig hiervon unterliegt eine solche Betriebsvereinbarung den Regelungsschranken des § 77 BetrVG (vgl. dazu statt aller Düwell, BetrVG, 2. Aufl., § 77 Rz. 30 ff.), sodass auch unter diesem Gesichtspunkt Rechte der Betriebsrentner gewahrt sind.

2. Unabhängig hiervon ist der Anspruch des Klägers auch dann nicht gerechtfertigt, wenn man entgegen der hier vertretenen Auffassung die Regelung in Ziffer 8 der Aufhebungsvereinbarung als unwirksam ansieht und weiterhin zugunsten des Klägers unterstellt, dass im Streitfall die hier vereinbarte Energieausstattung in Folge der Regelung in § 1 Ziffer 2 und § 2 Ziffer 1 eine Leistung der betrieblichen Altersversorgung darstellt. Die Kammer folgt insoweit der in der Literatur vertretenen Auffassung (vgl. insbesondere Waltermann NZA 96, 357, 364 ff., Höfer BetrAVG ART. 378, GK Kreuz BetrVG § 77 Rz. 178 ff., jeweils m. w. N.), wonach eine nachwirkende Regelungsbefugnis des Betriebsrates für Betriebsrentner jedenfalls dann besteht, wenn es um Leistungen geht, die sowohl betriebszugehörigen Arbeitnehmer als auch ausgeschiedenen Arbeitnehmern gewährt werden und daher allen Beteiligten klar ist, dass diese in einer Betriebsvereinbarung aktuell geregelten Leistungen jederzeit durch eine nachträgliche Betriebsvereinbarung in anderer Form abgelöst werden können.

Insbesondere hat die Beklagte die Einstellung der Stromkostenerstattung in Bezug auf die Betriebsrentner durch die Zahlung eines Weihnachtsgeldes und in Bezug auf die aktiven Mitarbeiter durch eine Leistungszulage ausgeglichen. Der Hinweis der Berufungsbegründung, bei aktiven Arbeitnehmern sei insoweit eine unbefristete Kompensation vorgesehen, überzeugt schon deshalb nicht, weil auch diese Leistungen jederzeit durch eine andere Betriebsvereinbarung im Bereich der hier vorliegenden freiwilligen Mitbestimmung ersetzt und abgelöst werden können.

III.

Die Kammer hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung der hier angesprochen Frage die Revision für den Kläger zugelassen.

Ende der Entscheidung

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