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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 19.08.2009
Aktenzeichen: 4 Sa 388/09
Rechtsgebiete: TV-Ärzte KF


Vorschriften:

TV-Ärzte KF § 5
TV-Ärzte KF § 8
TV-Ärzte KF § 15
TV-Ärzte KF § 19
1. Ein Anspruch auf Jahressonderzahlung für das Jahr 2007 gemäß § 19 TV-Ärzte KF besteht nicht, weil in zulässiger Weise rückwirkend durch den TV-Ärzte KF der Anspruch auf Jahressonderzahlungen ausgeschlossen werden konnte.

2. Auf Grund der tariflichen Regelung des TV-Ärzte KF ist der Arbeitgeber nicht berechtigt, das Gehalt des Arztes anteilsmäßig um den Betrag zu kürzen, welcher der Arbeitszeit entspricht, die der Arzt infolge der tariflich rückwirkend erhöhten Arbeitszeit in der Vergangenheit nicht geleistet hat; der Arbeitgeber ist allein berechtigt, im tariflichen Ausgleichszeitraum die nicht geleistete Arbeitszeit nachzufordern.

3. Rufbereitschaft II wird gem. § 8 TV-Ärzte KF mit 25 % der Arbeitszeit vergütet.


Tenor:

Das Urteil des Arbeitsgerichts Duisburg vom 12.02.2009 wird teilweise abgeändert:

Unter Abweisung der Klage im Übrigen wird die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 2.370,80 € brutto zu zahlen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt bei einem Streitwert von 27.954,35 € die Klägerin zu 91,52 % und die Beklagte zu 8,48 %.

Die Revision wird für beide Parteien zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um Vergütungsansprüche.

Die Klägerin ist bei der Beklagten, die ein Krankenhaus betreibt, als Ärztin beschäftigt.

Auf das Arbeitsverhältnis war kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme zunächst der BAT-KF anwendbar, der durch tarifliche Änderung überführt wurde in den TV-Ärzte-KF. Vorliegend sind Vergütungsansprüche für die Übergangszeit sowie Vergütungen für Rufbereitschaftsdienste und die Sondervergütung für das Jahr 2007 im Streit.

Für die Zeit von Juli 2007 bis einschließlich Januar 2008 wurde das Arbeitsverhältnis zunächst abgerechnet auf der Basis des BAT-KF, der unter anderem eine regelmäßige Arbeitszeit von 38,5 Stunden zugrunde legte.

Durch Beschluss der arbeitsrechtlichen Schiedskommission vom 22.10.2007 wurde der Tarifvertrag TV-Ärzte-KF rückwirkend zum 01.07.2007 verabschiedet, der durch Verkündung und Veröffentlichung im kirchlichen Amtsblatt am 15.01.2008 wirksam wurde.

Im Februar 2008 erfolgte eine Rückrechnung der Vergütung für den Zeitraum Juli 2007 bis einschließlich Januar 2008. Der neue Tarifvertrag (TV Ärzte-KF) sieht eine Arbeitszeit von 42 Wochenstunden vor bei einer erhöhten Grundvergütung. Die Beklagte rechnete den Zeitraum von Juli 2007 bis Januar 2008 im Februar 2008 nunmehr ab auf der Basis von 38,5/42 des neuen Grundgehaltes.

Weiterhin vergütete die Beklagte rückwirkend ab dem 01.07.2007 Rufbereitschaft II mit 25% des tariflichen Stundenlohnes.

Der TV-Ärzte-KF enthält unter anderem die folgenden Regelungen:

"§ 5

Regelmäßige Arbeitszeit

[...]

(2) Für die Berechnung des Durchschnitts der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit ist ein Zeitraum von einem Jahr zugrunde zu legen. [...]

§ 8

Ausgleich für Rufbereitschaft und Bereitschaftsdienst

[...]

(2) Der Arbeitgeber darf Rufbereitschaft II nur anordnen, wenn erfahrungsgemäß eine durchschnittliche Arbeitsbelastung von höchstens 25% der Zeit der angeordneten Rufbereitschaft zu erwarten ist. Die Zeit der Rufbereitschaft II wird zu 50% als Arbeitszeit gewertet und dafür 50 % des tariflichen Stundenentgeltes der jeweiligen Entgeltgruppe und Stufe (individuelles Stundenentgelt) gezahlt."

Wegen der Einzelheiten und weiteren Regelungen wird auf den zur Akte gereichten Text des TV-Ärzte KF nebst Anlagen zu Bl. 84-118 d.A. Bezug genommen.

Die Klägerin hat vorgetragen, die Beklagte sei nicht berechtigt gewesen, in Höhe eines Betrages von 5.366,91 € brutto ihre Vergütung für das Jahr 2007 rückwirkend zu kürzen. Sie sei zumindest unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges zur Nachzahlung des Betrages verpflichtet.

Des Weiteren stehe ihr für die Rufbereitschaft eine Vergütung von 50 % der regelmäßigen Vergütung gemäß der tariflichen Regelung zu. Würde diese - wie geschehen - kontinuierlich mit 25 % vergütet, würden die restlichen Stunden der Rufbereitschaft gar nicht mehr vergütet.

Der Rest der Klageforderung beziehe sich auf die Sondervergütung für das Jahr 2007, die die Beklagte in Höhe von 50 % jedenfalls habe leisten müssen.

Sie hat beantragt,

die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin für die Zeit vom 01.07.07 bis 30.06.08 neue Lohnabrechnungen zu erteilen und ihr weitere brutto 36.369,06 € zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, dass es sich bei der von der Klägerin nunmehr geschuldeten Arbeitsleistung um eine Fixschuld handle, die nicht nachholbar sei. Da sie auch die Unmöglichkeit der Leistung nicht zu vertreten habe, sei sie zur Kürzung nachträglich berechtigt gewesen.

Die Beklagte hat weiterhin die Auffassung vertreten, die Rufbereitschaft sei mit 25 % der Arbeitszeit zu vergüten. Hierfür streite auch die Systematik des Tarifvertrages. Die Rufbereitschaft I werde nur angeordnet, wenn erfahrungsgemäß Arbeit nur in Ausnahmefällen anfalle; die Rufbreitschaft II wenn eine Arbeitsbelastung von höchstens 25 % zu erwarten sei.

Im Übrigen könne eine Vergütung der Rufbereitschaft als Bereitschaftsdienst nicht erfolgen, weil hierfür andere Voraussetzungen und Regelungen greifen würden.

Sie sei auch berechtigt gewesen, die Jahressondervergütung zu kürzen, die Klägerin könne sich insoweit auf Vertrauensschutz nicht berufen.

Das Arbeitsgericht hat die Beklagte zur Zahlung eines Betrages von 7.036,35 € verurteilt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Klägerin einen Betrag von 4.665,55 € verlangen könne, weil es sich insoweit um Zahlungen handle, die unstreitig in der Zeit vom Februar 2008 an geleisteter Dienste in der Rufbereitschaft I entfielen (Seite 9 zu II der Entscheidungsgründe).

Die Beklagte sei auch nicht zur Kürzung des Gehaltes in dem streitgegenständlichen Zeitraum berechtigt gewesen, sodass die Klägerin Zahlung des Entgeltes für 91 Stunden wegen der Nichtberücksichtigung von 3,5 Stunden pro Woche verlangen könne. Entscheidend sei insoweit, dass es sich nach den tariflichen Regelungen bei der Arbeitszeit nicht um eine Schuld handle, die nicht mehr nachholbar sei.

Im Übrigen sei die Klage abzuweisen gewesen, da nach den Regeln des Tarifvertrages dem Arbeitnehmer bei einer Rufbereitschaft II allein eine Vergütung von 12,25 % zustehe. Ein Anspruch auf Bezahlung der abgeleisteten Rufbereitschaft des Bereitschaftsdienst II bestehe nicht, da sich ein solcher Anspruch werde aus dem Tarifvertrag, noch aus dem Arbeitsvertrag der Parteien ergebe.

Wegen der weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes und der Entscheidungsgründe wird auf das Urteil des Arbeitsgerichts verwiesen.

Mit den zulässigen Berufungen verfolgen beide Parteien unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens ihr Klageziel weiter.

Die Klägerin macht unter Bezugnahme auf ihr erstinstanzliches Vorbringen geltend, dass sie noch weitere 20.918,-- € über den seitens des Arbeitsgerichtes ausgeurteilten Betrag hinaus zu beanspruchen habe.

Entgegen der seitens des Arbeitsgerichtes vertretenen Rechtsauffassung stehe der Klägerin 50 % der Jahresvergütung zu. Die Klägerin habe zumindest darauf vertrauen dürfen, dass die anteilige Jahressonderleistung Teil der Vergütung bis zum 30.06.2007 gewesen sei, so dass sie durch die tariflichen Regelungen nicht habe rückwirkend in Wegfall gebracht werden können.

Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichtes müsse die tarifliche Regelung zur Rufbereitschaft so verstanden werden, dass hierfür 50 % des tariflichen Stundenentgeltes insgesamt zu zahlen sei. Diese Regelung werde auch deutlich durch die tarifliche Neuregelung, die ab 01.04.2009 in Kraft getreten sei.

Unabhängig hiervon habe sie geltend gemacht, dass der Beklagten bekannt gewesen sei, dass jeden Monat, also durchgängig mehr als 25 % Arbeitszeit in die Bereitschaftszeit fielen, und danach kein Bereitschaftsdienst eingerichtet worden sei. Es hätten daher die Monate Juli und August 2007 so abgerechnet werden müssen wie er dies beispielhaft auf Seite 5, 6 der Berufungsbegründung dargelegt habe. Hieraus ergebe sich, dass eine Abrechnung auf der Basis der Rufbereitschaft überhaupt nicht richtig sein könne, sondern nur eine Vergleichsberechnung auf der Basis des Bereitschaftsdienstes angemessen sei.

Zu Recht habe dagegen - so die Klägerin unter Bezugnahme auf die Berufungsbegründung der Beklagten - das Arbeitsgericht die ausgeurteilten Klagebeträge zugesprochen. Insbesondere stelle die Arbeitsleistung nach den tariflichen Bestimmungen keine Fixschuld dar. Zwar sei richtig - so auf Seite 2 ihres Schriftsatzes vom 01.07.2009 - dass für den Zeitraum ab Februar 2008 von der Beklagten die nach ihrer Berechnungsmethode angefallenen Vergütungen bei Rufbereitschaftszeiten bezahlt worden seien; dies ändere jedoch nichts daran, dass die Berechnungen der Beklagten fehlerhaft seien.

Die Beklagte beantragt,

das am 12.02.2009 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Duisburg Az. 2 Ca 1673/08, aufzuheben und die Klage abzuweisen und die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Duisburg vom 12.02.2009 (2 Ca 1673/08) aufgehoben und abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, über den Betrag von 7.036,35 € brutto hinaus an die Klägerin weitere 20.918,00 €, insgesamt also 27.954,35 € brutto zu zahlen.

Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

Die Beklagte macht unter Bezugnahme auf ihr erstinstanzliches Vorbringen geltend, dass das Arbeitsgericht zu Unrecht die Arbeitsleistung des Klägers als Fixschuld beurteilt habe. Dies sei auch nicht sachgerecht, weil für sie die Nachholung der Arbeitsleistung durch die Klägerin ohne wirtschaftlichen Wert sei.

Übersehen habe das Arbeitsgericht, dass der ausgeurteilte Betrag von 4.665,55 € brutto tatsächlich seitens der Beklagten gezahlt worden sei, wie sie durch ihre vorgelegten Abrechnungen dargestellt habe. Darüber hinaus folge dies aus Seite 7 des Schriftsatzes der Klägerin vom 01.08.2008 folge. Zu Recht habe das Arbeitsgericht im Übrigen die tarifliche Regelung in § 8 Abs. 2 dahingehend ausgelegt, dass danach die Klägerin nur eine Gesamtvergütung von 25 % zu beanspruchen habe.

Ein Anspruch der Klägerin auf Zahlung der Jahressondervergütung bestehe auch nicht in anteiliger Höhe. Entscheidend sei insoweit, dass der Tarifvertrag Ärzte-KF eindeutig bestimmte, dass die Sonderzahlung der Ärzte bis 31.12.2009 gänzlich entfalle.

Das Landesarbeitsgericht hat - ebenso wie in dem Parallelverfahren Dr. X. - eine Tarifauskunft der Parteien eingeholt. Hierzu hat der Marburger Bund Stellung genommen (Bl. 219 ff. des Parallelverfahrens Dr. X.). Eine Stellungnahme seitens der Arbeitgeberseite ist nicht erfolgt.

Wegen der weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der Akte ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die seitens der Parteien eingelegten zulässigen Berufungen führen zur Abänderung des angefochtenen Urteils in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang. Diese Rechtslage ergibt sich aufgrund folgender Erwägungen:

A.

Berufung der Klägerin

Soweit die Klägerin einen über den seitens des Arbeitsgerichtes zugunsten der Klägerin ausgeurteilten Betrag von "weiteren 20.918,-- € brutto" verlangt, besteht hierfür aus mehreren Gründen keine Rechtsgrundlage:

I.

Soweit die Klägerin - so versteht die Kammer die Ausführungen zu Ziffer 2 auf Seite 3 - 7 der Berufungsbegründung - sich gegen die Ausführungen des Arbeitsgerichtes wendet, wonach der Klägerin kein Anspruch auf weitere Vergütung für die Rufbereitschaft über die bereits gezahlten Beträge hinaus zusteht (Seite 10 B der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils) ist bereits dem Grunde nach der Anspruch nicht gegeben, weil die Beklagte berechtigt gewesen ist, gemäß der tariflichen Regelung die Rufbereitschaft 2 zutreffend mit 25 % abzurechnen und zu vergüten.

Denn das Arbeitsgericht hat mit zutreffender Begründung, auf die ausdrücklich Bezug genommen wird, erkannt, dass die Klägerin der geltend gemachte Anspruch auf Bezahlung aus Rufbereitschaft in der von ihr geforderten Höhe nicht besteht.

Ergänzend hierzu und zu den Einwänden der Berufung ist im Anschluss an die Erörterungen an die mündliche Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht herauszustellen:

1. Der Wortlaut der hier in Frage stehenden Regelung ist nach Auffassung der Kammer eindeutig: Wenn danach "die Zeit der Rufbereitschaft 2" zu 50 % als Arbeitszeit gewertet und dafür 50 % des tariflichen Stundenentgeltes der jeweiligen Entgeltgruppe gezahlt wird, ergibt sich hieraus zwingend, dass die Rufbereitschaft danach mit 25 % zu vergüten ist.

2. Entgegen der Auffassung der Klägerin steht dieses Ergebnis weder im Widerspruch zu dem Kontext der tariflichen Regelung, noch erscheint es sinnwidrig:

a) Nach der in Frage stehenden Regelung steht neben der Rufbereitschaft I, die im Ergebnis im Regelfall mit 12,5 % vergütet wird und bei der eine Arbeitsleistung nur im Ausnahmefalle gefordert wird, auf der einen Seite die Rufbereitschaft II, auf der anderen Seite der Bereitschaftsdienst, der bei einer Arbeitsauslastung von bis zu 25 % mit 60 % vergütet wird. Der Bereitschaftsdienst der Stufe I (Arbeitsleistung 25 %) sieht bei einer 25 %igen Inanspruchnahme die dauerhafte Anwesenheit auf dem Klinikgelände vor, während hierfür im Vergleich zur ebenfalls 25 %igen Inanspruchnahme vorgesehenen Rufbereitschaft II nur eine 10 % höhere Vergütung gezahlt wird. Da der Bereitschaftsdienst mit größeren Einschränkungen, nämlich der Anwesenheitspflicht während der Gesamtzeit verbunden ist, erschiene dies als wenig nachvollziehbar, weil dann die Anwesenheit im Betrieb zu 75 % der Gesamtzeit nur noch 10 % eines Stundenlohnes ausmachen würde - bei der Rufbereitschaft I indes bereits das Bereithalten als solches mit 12.5 % eines Stundenlohnes vergütet wird.

b) Zwar ist zutreffend, dass die vertragschließenden Parteien bei der Definition der Rufbereitschaft II offenbar von einer Arbeitsleistung bis 25 % während der Rufbereitschaft ausgegangen sind mit der Folge, dass zumindest die gesamte Arbeitsleistung abgegolten sein sollte, auch wenn dies im Ausnahmefall dann nicht erreicht wird, wenn in der Rufbereitschaft II mehr als 25 % effektive Arbeitsleistung geleistet wird, was letztlich im Vorhinein nicht ohne Weiteres festgestellt werden kann. Zugleich sind aber auch Fälle von den Tarifvertragsparteien als Regelfall vorgesehen, in denen eine Arbeitsleistung von weniger als 25 % erbracht wird, sodass die 25 % Vergütung als angemessen angesehen werden kann.

Würde nun die Rufbereitschaft II vorliegend mit 50 % des Stundenentgeltes vergütet, hätte dies zur Folge, dass die Klägerin bei Rufbereitschaft trotz geringerer Belastung bei einer Bezahlung mit 50 % des Stundenentgeltes fast genauso gestellt würde wie bei Ableistung des Bereitschaftsdienstes der Stufe I.

Es lässt sich daher - insoweit ist der Beklagten zuzustimmen - nicht von einer Zweckwidrigkeit oder Sinnwidrigkeit der getroffenen Regelung sprechen.

c) Die vom Marburger Bund erteilte Auskunft zu der hier streitgegenständlichen Regelung (224 - 228 d. A.) vermochte die Kammer nicht zu einer anderen Beurteilung zu veranlassen. Zwar wird hierin herausgestellt, dass es sich um ein redaktionelles Versehen gehandelt habe, weil insbesondere beabsichtigt gewesen sei, von Seiten der Dienstnehmer in der ARK/RWL für den Bereich des TV-Ärzte-KF eine inhaltsgleiche Regelung zu schaffen, wie sie in § 9 Abs. 2 und 3 des TV-Ärzte-VBGK besteht (Seite 2 der Auskunft). Wenn dann jedoch gleichzeitig ausgeführt wird (Seite 4 ff), der nach Auffassung des Marburger Bundes vorliegende Missstand sei dann durch eine neue Regelung, die zum 01.04.2009 in Kraft getreten sei, beseitigt worden, ohne dass zugleich in diesem Zusammenhang die hier streitgegenständliche Regelung korrigiert worden ist, ergibt sich hieraus zwingend für die Kammer der Schluss, es bei der hier genannten Regelung bewenden lassen wollte: Anderenfalls wäre es ein Leichtes gewesen, die hier vorliegende streitgegenständliche Fassung entsprechend zu korrigieren. Wird dies bewusst aus welchen Gründen auch immer unterlassen, kann nunmehr nicht seitens der Klägerin mit der von ihr vorgenommenen Argumentation die hier vorliegende Regelung seitens der Gerichte korrigiert werden. Aus diesem Grunde hat die Kammer auch davon abgesehen, nochmals zu versuchen, auch eine Stellungnahme der Arbeitgeberseite herbeizuführen, weil sich bereits aus der Stellungnahme des Marburger Bundes ergibt, dass die hier vorliegende Regelung in dem dargelegten Sinne, wie sie seitens des Arbeitsgerichtes zutreffend herausgestellt wurde, zu verstehen ist.

II.

Soweit die Klägerin ausweislich ihres Vortrages in der Berufungsbegründung (dort Seite 3, 4. Abs.) unter Bezugnahme auf Seite 6 ff. ihres Schriftsatzes vom 01.08.2008 erster Instanz sowie auf Seite 5, 2. Absatz der Berufungsbegründung offenbar geltend machen will, die Beklagte sei nicht berechtigt gewesen, die der Klägerin gegenüber angeordnete Arbeitsverpflichtung unter dem Etikett "Rufbereitschaft II" anzuordnen, sodass sie die im Schriftsatz vom 01.08.2008 auf Seite 6, 7 und die in der Berufungsbegründung beispielhaft dargestellten Beträge für die genannten Monate verlangen können, ist dies für die Kammer - wie in der mündlichen Verhandlung erörtert - weder nachvollziehbar, noch auch nur ansatzweise schlüssig dem Grunde und der Höhe nach dargelegt worden.

1. Die Beklagte hat bereits erstinstanzlich in ihrem Schriftsatz vom 04.02.2009 unter Bezugnahme auf ihren Schriftsatz vom 05.12.2008 - zugleich in Erwiderung des Schriftsatzes der Klägerin vom 22.01.2008 und 01.06.2008 - dargestellt, welche Zeiten im Einzelnen der Klägerin als Rufbereitschaft mit welchen Sätzen vergütet und abgerechnet worden sind (Bl. 225, 226 d. A., sowie Gehaltsabrechnungen für die Monate 02 - 08/08 gemäß der Anlage BB 1 zur Berufungsbegründung der Beklagten). Darüber hinaus hat sie zutreffend darauf hingewiesen, dass die Anordnung der Rufbereitschaft nach einer Prognose der zu erwartenden Arbeitsleistung erfolgt (S. 6 des Schriftsatzes vom 04.02.2009) ohne dass die Klägerin erstinstanzlich unter diesem Aspekt ihre Klageforderung dem Grunde und der Höhe nach substantiiert dargestellt hat; eine entsprechende Darstellung findet sich auch nicht in der Berufungsbegründung.

Erst Recht vor dem weiteren Hintergrund, dass sowohl eine Verquickung von Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft unzulässig ist, als auch ein Wechsel von Rufbereitschaft zu nicht angeordnetem Bereitschaftsdienst nicht möglich ist (vgl. etwa BAG vom 31.05.2001 - 6 AZR 171/00 - ), sieht man einmal von dem Fall eines Rechtsmissbrauches ab, für den im Streitfall keine Anhaltspunkte bestehen - hätte es daher im Einzelnen einer substantiierten Darlegung seitens der Klägerin bedurft, aufgrund welcher Umstände des Einzelfalles sie davon ausgeht, die Beklagte habe bewusst das Instrument der Rufbereitschaft missbraucht, um danach nicht geschuldete Arbeitszeiten von der Klägerin verlangen zu können.

2. Erst Recht ist aus dem Vortrag der Klägerin nicht ersichtlich, wie sich unter dem hier angesprochenen Aspekt - gleichzeitig unter Berücksichtigung der von ihr weiterhin geltend gemachten Beträge - ihre Klageforderung zusammensetzt. Die hierzu erfolgten beispielhaften Abrechnungen der Klägerin - auch in ihrem erstinstanzlichen Schriftsatz vom 01.08.2008 - sind für die Kammer - wurden in der mündlichen Verhandlung vor dem LAG erörtert - nicht nachvollziehbar, so dass es eines weiteren Eingehens hierauf nicht bedurfte.

III.

Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin hat das Arbeitsgericht auch zu Recht festgestellt, dass die Klägerin keinen Anspruch auf die hier streitige Jahressonderzahlung - und zwar auch nicht zur Hälfte - hat.

1. Die Kammer lässt in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes im Streitfall dahinstehen, (vgl. dazu BAG vom 19.02.2003 - 4 AZR 11/02 - ) ob die inhaltliche Kontrolle von kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen durch staatliche Gerichte als eine - eingeschränkte - Billigkeitskontrolle nach §§ 317, 319 BGB vorzunehmen ist oder ob es sich - wie bei Tarifverträgen - auf eine Rechtskontrolle zu beschränken hat. Denn die hier vorgenommene Streichung der Jahressonderzahlung durch die in Frage stehende Regelung ist nach beiden Maßstäben rechtswirksam.

2. Das Bundesarbeitsgericht geht für den Bereich von Tarifverträgen in gefestigter Rechtsprechung (vgl. etwa Urteil vom 24.10.2007 - 10 AZR 878/06 - ) davon aus, das Tarifverträge auch rückwirkend Jahressondervergütungsansprüche von selbst ausgeschiedenen Arbeitnehmern in Wegfall bringen könne, sofern Arbeitnehmer von den Tarifverhandlungen Kenntnis hatten und daher nicht auf den Fortbestand der für sie günstigeren Reglungen vertrauen durften.

Geht man von diesen Grundsätzen aus, ist im Streitfall festzustellen, dass den Arbeitnehmern durch Informationen der Mitarbeitervertretung zur Kenntnis gebracht wurde, dass die hier geführten Tarifverhandlungen noch nicht zum Abschluss gebracht worden sind. Ob im Einzelfall die Klägerin hiervon, d. h. der Information der Mitarbeitervertretung tatsächlich Kenntnis genommen hat, ist unerheblich, weil ihr jedenfalls das Führen von Tarifverhandlungen bekannt gewesen ist. Wird vor diesem Hintergrund seitens der Beklagten noch zusätzlich in der Gehaltsabrechnung darauf hingewiesen, dass die Zahlung des Entgeltes "vorläufig" und wegen der bekannten Tariffragen unter dem Vorbehalt der abschließenden endgültigen Berechnung erfolgt, ist der Einwand der Klägerin, sie habe gleichwohl auf den Fortbestand der Jahressonderzahlung vertrauen dürfen, für die Kammer schlicht nicht nachvollziehbar.

3. Die Rechtslage ändert sich nicht, wenn man die hier in Frage stehenden Regelungen an dem Gesichtspunkt der Angemessenheit und Billigkeit misst. Das Urteil des Arbeitsgerichts stellt zutreffend heraus, dass es angesichts der hier vorgenommenen tariflichen Regelungen nicht unbillig ist, die Jahressonderzahlung für das hier streitige Jahr in Wegfall zu bringen.

4. Insbesondere bestehen auch keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass zumindest ein anteiliger Bezug einer Jahressonderzahlung 2007 gewährt werden sollte. Das Arbeitsgericht stellt zutreffend heraus, dass von einer tariflichen Regelungsrüge angesichts der eindeutigen tariflichen Regelungen, wonach eine Jahressonderzahlung bis zum 31.12.2009 nicht gewährt wird, nicht besteht.

B.

Berufung der Beklagten

I.

Entgegen der seitens der Beklagten vertretenen Rechtsauffassung steht der Klägerin ein Anspruch auf das hier geltend gemachte rückständige Gehalt in der zwischen den Parteien unstreitigen Höhe zu. Die Beklagte war daher nicht berechtigt, die von der Klägerin nach den tariflichen Vereinbarungen zu erbringende Arbeitsleistung um den entsprechenden Gehaltsanteil zu kürzen und das hierfür vorgesehene tarifliche Gehalt entsprechend zu mindern, weil die Klägerin insoweit das Entgelt mit Rechtsgrund erlangt hat. Die Beklagte ist allein noch berechtigt, entsprechend der tariflichen Regelung in § 5 die insoweit nicht erbrachte Arbeitsleistung der Klägerin nachzufordern. Da ihr diese Nachforderung ohne Weiteres möglich gewesen ist, bzw. noch möglich ist, besteht der geltend gemachte Anspruch zu Recht.

Diese Rechtsfrage ergibt sich im Einzelnen aufgrund folgender Erwägungen:

1. Die Beklagte verkennt bei ihrer Argumentation bereits im Grundsätzlichen, dass es sich bei der Arbeitsleistung eines Arbeitnehmers zwar um eine nicht nachholbare Fixschuld handeln kann nicht aber handeln muss (vgl. BAG vom 30.03.2000, 6 AZR 680/98 sowie ErfK-Preis, § 615 BGB Rz. 7). Wann eine - nicht nachholbare Fixschuld vorliegt, beurteilt sich allein nach den arbeitsvertraglichen bzw. tariflichen Regelungen.

2. Geht man von diesen Grundsätzen aus, ist im Streitfall festzustellen, dass gemäß § 5 des maßgeblichen Tarifvertrages lediglich eine "regelmäßige" wöchentliche Arbeitszeit von 42 Stunden besteht. Dementsprechend stimmt § 5 Abs. 2 des Tarifvertrages folgerichtig, dass für die Berechnung des Durchschnittes der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit ein Zeitraum von einem Jahr zugrunde zu legen ist. Daraus folgt aber zwingend, dass die Beklagte innerhalb dieser tariflichen Regelung gemäß § 106 Satz 1 Gewerbeordnung berechtigt ist, die Arbeitsleistung der Klägerin zu verlangen. Unterlässt sie dies - aus welchen Gründen auch immer - hat sie die möglicherweise dann eingetretene Unmöglichkeit der Arbeitsleistung zu vertreten und haftet aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges. Die Klägerin hat daher das tarifliche Entgelt in dem hier fraglichen Zeitraum nicht ohne Rechtsgrund erlangt, weil sie ohne Weiteres berechtigt gewesen ist, allein in einem geringeren Umfange zu arbeiten; die Beklagte ihrerseits aufgrund der tariflichen Regelung berechtigt ist, die nach der tariflichen Regelung noch darüber hinaus zu erbringende Arbeitsleistung der Klägerin zu fordern.

Diese Rechtslage entspricht zugleich der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes (vgl. BAG vom 30.03.2000 - 6 AZR 680/98 - sowie BAG vom 08.10.2008 - 5 AZR 715/07 -), wonach - wie im Einzelnen in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht erörtert - ein Arbeitnehmer zur Nachleistung der Arbeitsleistung in den Sachverhaltsgestaltungen verpflichtet ist, in denen ein Tarifvertrag rückwirkend in Kraft getreten ist, mit einer höheren Arbeitszeit. Aus welchen Gründen im vorliegenden - umgekehrten - Fall vor dem Hintergrund der hier einschlägigen tariflichen Regelung etwas anderes gelten soll, ist für die Kammer nicht ersichtlich.

Soweit die Beklagte zur weiteren Begründung in diesem Zusammenhang darauf verweist, eine solche Nachholung der Arbeitsleistung sei aus den von ihr aufgeführten Gründen für sie ohne wirtschaftlichen Wert, ist dies ersichtlich rechtlich unerheblich: Insoweit sind allein die tariflichen Regelungen, die gerade eine unterschiedliche Verteilung der Arbeitszeit ermöglichen und damit klarstellen, dass es sich bei der Arbeitszeit der Arbeitnehmer gerade um keine - nicht nachholbare - Fixschuld handelt. Unabhängig hiervon ist auch für die Kammer nicht ersichtlich, dass solche Arbeitsleistungen, die nachgeholt werden müssen, keinen Wert habe, weil es immer Sachverhaltsgestaltungen geben kann, in denen - sei es aus Krankheits- oder Urlaubsgründen - die Heranziehung eines Arztes über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus erforderlich ist. Unter diesem Aspekt betrachtet erscheint das Verlangen der Klägerin, ihr volles tarifliches Gehalt beanspruchen zu können, und - gewissermaßen im Gegenzug - noch gegebenenfalls zur Nachholung verpflichtet zu sein, auch nicht rechtsmissbräuchlich.

II.

Erfolg hat die Berufung der Beklagten in Höhe des Betrages von 4.665,55 €: Die Beklagte hat nachgewiesen, dass die Beträge von ihr an die Klägerin bezahlt worden sind; dies stellt die Klägerin auch in ihrem letzten Schriftsatz vom 01.07.2009 an das Landesarbeitsgericht nicht in Abrede, wenn sie dort unter Ziffer 2 ausführt, es sei richtig, dass sie für den Zeitraum Februar 2008 von der Beklagten die nach ihrer Berechnungsmethode angefallenen Vergütungen für Rufbereitschaftszeiten bezahlt worden seien, was jedoch nichts daran ändere, dass die Berechnungen der Beklagten fehlerhaft seien und dass die diesseitigen Berechnungen verbleiben müssen. Danach hat aber die Klägerin zu Recht die nach der tariflichen Regelung zu beanspruchenden Beträge erhalten.

C.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. Die Kammer hat wegen der hier angesprochenen grundsätzlichen Fragen sowie des Umstandes, dass die hier streitigen Regelungen auch außerhalb von Nordrhein-Westfalen in einer Vielzahl von Kliniken Anwendung finden, die Revision an das Bundesarbeitsgericht zugelassen.

Ende der Entscheidung

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