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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 16.09.2009
Aktenzeichen: 4 Sa 390/09
Rechtsgebiete: TV-Ärzte-KF


Vorschriften:

TV-Ärzte-KF § 5
TV-Ärzte-KF § 8
TV-Ärzte-KF § 9
TV-Ärzte-KF § 15
1. Ein Anspruch auf Jahressonderzahlung für das Jahr 2007 gemäß § 19 TV-Ärzte KF besteht nicht, weil in zulässiger Weise rückwirkend durch den TV-Ärzte KF der Anspruch auf Jahressonderzahlungen ausgeschlossen werden konnte.

2. Auf Grund der tariflichen Regelung des TV-Ärzte KF ist der Arbeitgeber nicht berechtigt, das Gehalt des Arztes anteilsmäßig um den Betrag zu kürzen, welcher der Arbeitszeit entspricht, die der Arzt infolge der tariflich rückwirkend erhöhten Arbeitszeit in der Vergangenheit nicht geleistet hat; der Arbeitgeber ist allein berechtigt, im tariflichen Ausgleichszeitraum die nicht geleistete Arbeitszeit nachzufordern.

3. Rufbereitschaft II wird gem. § 8 TV-Ärzte KF mit 25 % der Arbeitszeit vergütet.


Tenor:

Das Urteil des Arbeitsgerichts Duisburg wird teilweise abgeändert:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.592,59 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits 1. Instanz trägt bei einem Streitwert von 9.246,57 € der Kläger zu 71,97 % und die Beklagte zu 28.03 %.

3. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt bei einem Streitwert von 8.725,96 € die Beklagte zu 29,71 % und die Kläger zu 80,29 %.

4. Die Revision wird für beide Parteien zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um Vergütungsansprüche.

Der Kläger ist bei der Beklagten, die ein Krankenhaus betreibt, als Arzt beschäftigt. Grundlage des Arbeitsverhältnisses ist der Dienstvertrag vom 12.09.1995. Hinsichtlich der getroffenen Vereinbarungen wird auf den Dienstvertrag zu Bl. 72-74 d.A. Bezug genommen.

Auf das Arbeitsverhältnis war kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme zunächst der BAT-KF anwendbar, der durch tarifliche Änderung überführt wurde in den TV-Ärzte-KF. Vorliegend sind Vergütungsansprüche für die Übergangszeit sowie Vergütungen für Rufbereitschaftsdienste und die Sondervergütung für das Jahr 2007 im Streit.

Für die Zeit von Juli 2007 bis einschließlich Januar 2008 wurde das Arbeitsverhältnis zunächst abgerechnet auf der Basis des BAT-KF, der unter anderem eine regelmäßige Arbeitszeit von 38,5 Stunden zugrunde legte.

Durch Beschluss der arbeitsrechtlichen Schiedskommission vom 22.10.2007 wurde der Tarifvertrag TV Ärzte-KF rückwirkend zum 01.07.2007 verabschiedet, der durch Verkündung und Veröffentlichung im kirchlichen Amtsblatt am 15.01.2008 wirksam wurde.

Im Februar 2008 erfolgte eine Rückrechnung der Vergütung für den Zeitraum Juli 2007 bis einschließlich Januar 2008. Der neue Tarifvertrag (TV Ärzte-KF) sieht eine Arbeitszeit von 42 Wochenstunden vor bei einer erhöhten Grundvergütung. Die Beklagte rechnete den Zeitraum von Juli 2007 bis Januar 2008 im Februar 2008 nunmehr ab auf der Basis von 38,5/42 des neuen Grundgehaltes.

Weiterhin vergütete die Beklagte rückwirkend ab dem 01.07.2007 Rufbereitschaft II mit 25% des tariflichen Stundenlohnes.

Der TV-Ärzte-KF enthält unter anderem die folgenden Regelungen:

"§ 5

Regelmäßige Arbeitszeit

[...]

(2) Für die Berechnung des Durchschnitts der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit ist ein Zeitraum von einem Jahr zugrunde zu legen. [...]

§ 8

Ausgleich für Rufbereitschaft und Bereitschaftsdienst

[...]

(2) Der Arbeitgeber darf Rufbereitschaft II nur anordnen, wenn erfahrungsgemäß eine durchschnittliche Arbeitsbelastung von höchstens 25% der Zeit der angeordneten Rufbereitschaft zu erwarten ist. Die Zeit der Rufbereitschaft II wird zu 50% als Arbeitszeit gewertet und dafür 50 % des tariflichen Stundenentgeltes der jeweiligen Entgeltgruppe und Stufe (individuelles Stundenentgelt) gezahlt."

Wegen der Einzelheiten und weiteren Regelungen wird auf den zur Akte gereichten Text des TV-Ärzte KF zu Bl. 14-38 d.A. Bezug genommen.

Bei der Rückrechnung hat die Beklagte von dem zu Gunsten des Klägers errechneten Bruttobetrag von 8.771,13 € zu Lasten des Klägers 8.780,13 € brutto als Überzahlung eingestellt. Hiervon entfallen auf die Differenz aus der ungekürzten Grundvergütung für 42 Stunden zur Vergütung von 38,5/42 der neuen Grundvergütung 2592,59 € brutto. Die Sondervergütung ist mit 5.295,04 € brutto als Abzugsposten berücksichtigt worden, das Urlaubsgeld mit 255,65 € brutto. Auf die Neuberechnung der Rufbereitschaft als Rufbereitschaft II entfallen 3.485,85 € brutto als Abzugsposten. Die höhere Grundvergütung für den Kläger beträgt demgegenüber 3.990,69 € brutto.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Arbeitszeit sei nach einer 42-Stunden-Woche zu berechnen. Die Beklagte sei, soweit er nicht ohnehin über die 38,5 Stunden pro Woche hinaus gearbeitet habe, unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges zur Zahlung von 3,5/42 pro Woche verpflichtet. Ihm stehe auch weiterhin für die Rufbereitschaft eine Vergütung von 50 % der regelmäßigen Vergütung zu. Denn bereits in der Rufbereitschaft I erhalte der Arzt nur eine wenig geringere Stundenvergütung, obwohl in der Rufbereitschaft II bis zu 25 % der Zeit habe gearbeitet werden dürfen.

Er hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 9.008,92 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, Vergütungsansprüche für die Zeit zwischen 38,5 und 42 Stunden stünden dem Kläger für den fraglichen Zeitraum nicht zu. An Regeldienst seien in diesem Zeitraum 38,5 Stunden abgeleistet worden. Zeitguthaben seien nach der neuen tariflichen Regelung nicht mehr vorhanden. Der Kläger habe auch für 38,5 Stunden nach der Tarifreform eine höhere Vergütung bekommen als zuvor, da sowohl die Gesamtvergütung erhöht worden sei, als auch das Entgelt pro Stunde sich erhöht habe.

Da die Arbeitsleistung nicht nachholbar sei, handele es sich um einen Fall der Unmöglichkeit, weshalb kein Annahmeverzug entstehe. Die Beklagte habe auch die Unmöglichkeit der Leistung nicht zu vertreten. Insbesondere zwischen dem Beschluss der arbeitsrechtlichen Kommission Ende Oktober 2007 und der Verkündung im Amtsblatt im Januar 2008 seien noch weitere Detailregelungen abgeschlossen worden. Nach der Verkündung am 15.01.2008 sei die Neuregelung unverzüglich umgesetzt worden.

Vertrauensschutz bestehe ebenfalls nicht, da der Kläger durch Vorabinformationen der Mitarbeitervertretung und der Gewerkschaft bereits seit Juli, spätestens seit August 2008 Kenntnis von den Tarifverhandlungen hatte. Im Oktober 2007 seien die Mitarbeiter durch Einschreiben der Geschäftsführung über die Tarifreform informiert worden.

Die Beklagte meint, die Rufbereitschaft sei mit 25% der Arbeitszeit zu vergüten, was unstreitig auch geschehen ist. Kein anderer Tarif, insbesondere auch nicht der TVÖD, sehe eine Vergütung von 50% des Stundenentgeltes für die Rufbereitschaft vor. Auch die Systematik des Tarifvertrages streite für die Regelung. Die Rufbereitschaft I werde nur angeordnet, wenn erfahrungsgemäß nur in Ausnahmefällen Arbeit anfalle, die Rufbereitschaft II bei einer Arbeitsbelastung von höchstens 25%, die zu erwarten sei. Vor der Tarifreform habe es keine Unterscheidung zwischen den Rufbereitschaften gegeben.

Eine Vergütung der Rufbereitschaft als Bereitschaftsdienst könne nicht erfolgen, da hierfür andere Voraussetzungen und Regelungen greifen, insbesondere der Bereitschaftsdienst auch durch Freizeit abgegolten werden könnte.

Das Arbeitsgericht hat die Beklagte zur Zahlung eines Betrages in Höhe von 3.980,93 € brutto verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen.

Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Beklagten gegen den Kläger kein Anspruch auf Rückzahlung zu viel gezahlter Grundvergütung in Höhe von 2.592,59 € zustehe. Entscheidend sei insoweit, dass es sich nach den tariflichen Regelungen bei der Arbeitszeit nicht um eine Fixschuld handle, die nicht mehr nachholbar sei.

Dem Kläger stehe dagegen für die von ihm geleistete Rufbereitschaft II kein höherer Betrag zu. Maßgeblich sei, dass nach den tariflichen Regelungen für die Rufbereitschaft II allein ein Vergütungsanspruch von 25 % bestehe. Ein Anspruch auf Jahressondervergütung für das Jahr 2007 bestehe aufgrund der insoweit eindeutigen tariflichen Regelungen nicht, auf Vertrauensschutz könne der Kläger sich nicht berufen.

Schließlich könne der Kläger die Bezahlung von weiteren 1.388,44 € brutto verlangen, weil dieser von der Beklagten von dem für den Monat Februar 2008 ausgewiesenen Bruttoanspruch des Klägers abgezogen worden sei und die Beklagte keine Tatsachen vorgetragen habe, aus denen sich ein Rückforderungsanspruch habe ergeben können.

Wegen der weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf das angefochtene Urteil des Arbeitsgerichtes Bezug genommen.

Mit den zulässigen Berufungen verfolgen beide Parteien unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens ihr Klageziel weiter.

Der Kläger macht geltend, dass er einen Anspruch auf Abgeltung der seinerzeit geleisteten Rufbereitschaft habe. Insbesondere könne nicht rückwirkend durch die tariflichen Regelungen die Rufbereitschaft geändert werden.

Unabhängig hiervon - so unter Bezugnahme auf die seitens des Marburger Bundes erteilte Tarifauskunft - sei entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichtes die Rufbereitschaft II mit 50 % zu vergüten.

Des Weiteren stehe ihm der Anspruch auf den hälftigen Betrag der Jahressonderzahlung zu. Auch dieser von ihm verdiente Anspruch habe nicht rückwirkend in Wegfall gebracht werden können. Auch insoweit stehe der Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes entgegen.

Er beantragt,

das am 12.02.2009 verkündete Urteil des Arbeitsgerichtes Duisburg, AZ.: 2 Ca 1914/08 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere 5.027,99 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.08.2008 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen und das am 12.02.2009 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Duisburg aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil erster Instanz und weist insbesondere darauf hin, dass nach den insoweit eindeutigen tariflichen Regelungen der Kläger keine höhere Bezahlung der Rufbereitschaft II und eine anteilige Jahressonderzahlung verlangen könne.

Zu Unrecht habe das Arbeitsgericht dem Kläger einen Anspruch auf Bezahlung von 3,5 Stunden pro Woche zuerkannt und hierbei übersehen, dass die Arbeitsleistung dem Kläger im Umfange von 3,5 Wochenstunden unmöglich geworden sei. Da die Beklagte hieran kein Verschulden treffe, sei sie von der Gegenleistung freigeworden.

Schließlich habe der Kläger auch keinen Anspruch auf Zahlung von 1.388,34 €, weil für sie nicht nachvollziehbar sei, inwieweit das Arbeitsgericht zu der Feststellung gelangt sei, die Beklagte habe diesen Betrag von dem für den Monat Februar 2008 ausgewiesenen Bruttoanspruch des Klägers abgezogen, weil sich dies aus der Abrechnung nicht ergebe.

Das Landesarbeitsgericht hat zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung die eingeholte Tarifauskunft des Marburger Bundes aus dem Parallelverfahren Dr. X. ./. Klinikum 4 Sa 80/09 gemacht. Des Weiteren wurde in der mündlichen Verhandlung erörtert, wie sich der seitens des Arbeitsgerichtes zugesprochene Betrag von 1.388,34 € zusammen gesetzt hat angesichts des Umstandes, dass ein solcher Betrag aus der Abrechnung Bl. 132 d. A. nicht ersichtlich ist. Eine Aufklärung hierzu konnte nicht erfolgen.

Wegen der weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der Akte ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die seitens der Parteien eingelegten zulässigen Berufungen führen zur Abänderung des angefochtenen Urteils in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang. Diese Rechtslage ergibt sich aufgrund folgender Erwägungen:

A.

Berufung des Klägers:

Die Berufung des Klägers ist unbegründet.

I.

Ein Anspruch auf die geltend gemachte Jahressondervergütung für das Jahr 2007 steht ihm nicht zu.

Das Arbeitsgericht hat mit zutreffenden Erwägungen, auf die ausdrücklich Bezug genommen wird, insoweit die Klage abgewiesen.

Ergänzend hierzu und zu den Einwänden der Berufung ist festzustellen:

1. Die Kammer lässt in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes im Streitfall dahinstehen (vgl. dazu BAG vom 19.02.2003 - 4 AZR 11/02 - ), ob die inhaltliche Kontrolle von kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen durch staatliche Gerichte als eine - eingeschränkte - Billigkeitskontrolle nach §§ 317, 319 BGB vorzunehmen ist oder ob es sich - wie bei Tarifverträgen - auf eine Rechtskontrolle zu beschränken hat. Denn die hier vorgenommene Streichung der Jahressonderzahlung durch die in Frage stehende Regelung ist nach beiden Maßstäben rechtswirksam.

2. Das Bundesarbeitsgericht geht für den Bereich von Tarifverträgen in gefestigter Rechtsprechung (vgl. etwa Urteil vom 24.10.2007 - 10 AZR 878/06 - ) davon aus, dass Tarifverträge auch rückwirkend Jahressondervergütungsansprüche von selbst ausgeschiedenen Arbeitnehmern in Wegfall bringen können, sofern Arbeitnehmer von den Tarifverhandlungen Kenntnis hatten und daher nicht auf den Fortbestand der für sie günstigeren Reglungen vertrauen durften.

Geht man von diesen Grundsätzen aus, ist im Streitfall festzustellen, dass den Arbeitnehmern durch Informationen der Mitarbeitervertretung zur Kenntnis gebracht wurde, dass die hier geführten Tarifverhandlungen noch nicht zum Abschluss gebracht worden sind. Ob im Einzelfall der Kläger hiervon, d. h. der Information der Mitarbeitervertretung tatsächlich Kenntnis genommen hat, ist unerheblich, weil ihm jedenfalls das Führen von Tarifverhandlungen bekannt gewesen ist. Wird vor diesem Hintergrund seitens der Beklagten noch zusätzlich in der Gehaltsabrechnung darauf hingewiesen, dass die Zahlung des Entgeltes "vorläufig" und wegen der noch ungewissen Tarifregelungen unter dem Vorbehalt der abschließenden endgültigen Berechnung erfolgt, ist der Einwand des Klägers, er habe gleichwohl auf den Fortbestand der Jahressonderzahlung vertrauen dürfen, für die Kammer schlicht nicht nachvollziehbar.

3. Die Rechtslage ändert sich nicht, wenn man die hier in Frage stehenden Regelungen an dem Gesichtspunkt der Angemessenheit und Billigkeit misst. Das Urteil des Arbeitsgerichts stellt zutreffend heraus, dass es angesichts der hier vorgenommenen tariflichen Regelungen nicht unbillig ist, die Jahressonderzahlung für das hier streitige Jahr in Wegfall zu bringen.

Zwar geht es im Streifall im Unterschied zu der Entscheidung des BAG vom 19.12.2003 - 4 AZR 12/02 - nicht darum, im Interesse aller Arbeitnehmer freiwerdende Finanzmittel zur Vermeidung betriebsbedingter Kündigungen durch die hier vorgenommene Regelung zu erhalten. Entscheidend ist jedoch nach Auffassung der Kammer, dass die Tarifvertragsparteien anlässlich der geführten Verhandlungen als Ergebnis ein "Gesamtpaket" aus einer Vielzahl von Komponenten (Erhöhung der Bezüge, Regelungen über Eingruppierungen und Rufbereitschaft, Anrechnung von Vordienstzeiten) geschnürt haben, indem sie durch eine umfassende Neuregelung die alte Regelung des BAT KF durch den hier abgeschlossenen Tarifvertrag abgelöst haben. Wird im Rahmen einer solchen Gesamtlösung aber die hier streitige Jahressonderzahlung in Wegfall gebracht, kann nicht durch eine hierauf bezogene isolierte Betrachtungsweise das Gesamtgefüge dieser Regelung in Frage gestellt und damit der in den Tarifverhandlungen gefundene Kompromiss in Teilen wieder rückgängig gemacht werden.

4. Aus diesen Gründen besteht auch kein Anspruch auf eine anteilige Jahressonderzahlung.

Insbesondere bestehen - wie das Arbeitsgericht zutreffend herausgestellt hat - keine Anhaltspunkte dafür, dass zumindest ein anteiliger Bezug einer Jahressonderzahlung für das Jahr 2007 aufgrund der entgegenstehenden tariflichen Regelungen, wonach ausdrücklich eine Jahressonderzahlung bis zum 31.12.2009 nicht gewährt wird, erfolgen sollte.

Demgegenüber kann sich der Kläger auch nicht darauf berufen werden, es sei nach der Anlage 14 BAT KF a. F. "Regelung über die Gewährung einer Zuwendung" pro Monat bereits der entsprechende Anteil einer Weihnachtszuwendung "verdient" worden, sodass unter dem Gesichtspunkt einer "echten" Rückwirkung aufgrund eines in der Vergangenheit abgeschlossenen Sachverhaltes - die in der Vergangenheit bereits pro Monat verdiente anteilige Weihnachtszuwendung - ein anteiliger Anspruch besteht. Voraussetzung für die Auszahlung der Weihnachtszuwendung nach der Anlage 14 BAT KF a. F. war der Bestand des Arbeitsverhältnisses am 01.12. eines jeden Jahres. Darauf folgt aber, dass erst zu diesem Zeitpunkt der Arbeitnehmer darauf vertrauen durfte, die entsprechende volle Jahreszuwendung zu erhalten. Zu diesem Zeitpunkt bestand aber bereits die Kenntnis der Arbeitnehmer darüber, dass es möglicherweise zu verschlechternden tariflichen Regelungen bezüglich der hier streitigen Weihnachtszuwendung kommen würde; aus diesem Grunde erfolgte gerade der Vorbehalt in der entsprechenden Gehaltsabrechnung. Daher lässt sich nach Auffassung der Kammer auch unter diesem Gesichtspunkt kein Anspruch auf eine verdiente anteilige Weihnachtszuwendung herleiten.

II.

Dem Kläger steht auch kein Anspruch auf Bezahlung der geltend gemachten Rufbereitschaft II zu, in Höhe von 50 %.

Das Arbeitsgericht hat mit zutreffenden Erwägungen, auf die ausdrücklich Bezug genommen wird, die Klage insoweit abgewiesen.

Ergänzend hierzu und zu den Einwänden der Berufung ist festzustellen:

1. Der Wortlaut der hier in Frage stehenden Regelung ist nach Auffassung der Kammer eindeutig: Wenn danach "die Zeit der Rufbereitschaft II" zu 50 % als Arbeitszeit gewertet und dafür 50 % des tariflichen Stundenentgeltes der jeweiligen Entgeltgruppe gezahlt wird, ergibt sich hieraus zwingend, dass die Rufbereitschaft danach mit 25 % zu vergüten ist.

2. Entgegen der Auffassung der Klägerin steht dieses Ergebnis weder im Widerspruch zu dem Kontext der tariflichen Regelung, noch erscheint es sinnwidrig:

a) Nach der in Frage stehenden Regelung steht neben der Rufbereitschaft I, die im Ergebnis im Regelfall mit 12,5 % vergütet wird und bei der eine Arbeitsleistung nur im Ausnahmefalle gefordert wird, auf der einen Seite die Rufbereitschaft II, auf der anderen Seite der Bereitschaftsdienst, der bei einer Arbeitsauslastung von bis zu 25 % mit 60 % vergütet wird. Der Bereitschaftsdienst der Stufe I (Arbeitsleistung 25 %) sieht bei einer 25 %igen Inanspruchnahme die dauerhafte Anwesenheit auf dem Klinikgelände vor, während hierfür im Vergleich zur ebenfalls 25 %igen Inanspruchnahme vorgesehenen Rufbereitschaft II nur eine 10 % höhere Vergütung gezahlt wird. Da der Bereitschaftsdienst mit größeren Einschränkungen, nämlich der Anwesenheitspflicht während der Gesamtzeit verbunden ist, erschiene dies als wenig nachvollziehbar, weil dann die Anwesenheit im Betrieb zu 75 % der Gesamtzeit nur noch 10 % eines Stundenlohnes ausmachen würde - bei der Rufbereitschaft I indes bereits das Bereithalten als solches mit 12.5 % eines Stundenlohnes vergütet wird.

b) Zwar ist zutreffend, dass die vertragschließenden Parteien bei der Definition der Rufbereitschaft II offenbar von einer Arbeitsleistung bis 25 % während der Rufbereitschaft ausgegangen sind mit der Folge, dass zumindest die gesamte Arbeitsleistung abgegolten sein sollte, auch wenn dies im Ausnahmefall dann nicht erreicht wird, wenn in der Rufbereitschaft II mehr als 25 % effektive Arbeitsleistung geleistet wird, was letztlich im Vorhinein nicht ohne Weiteres festgestellt werden kann. Zugleich sind aber auch Fälle von den Tarifvertragsparteien als Regelfall vorgesehen, in denen eine Arbeitsleistung von weniger als 25 % erbracht wird, sodass die 25 % Vergütung als angemessen angesehen werden kann.

Würde nun die Rufbereitschaft II vorliegend mit 50 % des Stundenentgeltes vergütet, hätte dies zur Folge, dass die Klägerin bei Rufbereitschaft trotz geringerer Belastung bei einer Bezahlung mit 50 % des Stundenentgeltes fast genauso gestellt würde wie bei Ableistung des Bereitschaftsdienstes der Stufe I.

Es lässt sich daher - insoweit ist der Beklagten zuzustimmen - nicht von einer Zweckwidrigkeit oder Sinnwidrigkeit der getroffenen Regelung sprechen.

c) Die vom Marburger Bund erteilte Auskunft zu der hier streitgegenständlichen Regelung (224 - 228 d. A.) vermochte die Kammer nicht zu einer anderen Beurteilung zu veranlassen. Zwar wird hierin herausgestellt, dass es sich um ein redaktionelles Versehen gehandelt habe, weil insbesondere beabsichtigt gewesen sei, von Seiten der Dienstnehmer in der ARK/RWL für den Bereich des TV-Ärzte-KF eine inhaltsgleiche Regelung zu schaffen, wie sie in § 9 Abs. 2 und 3 des TV-Ärzte-VBGK besteht (Seite 2 der Auskunft). Wenn dann jedoch gleichzeitig ausgeführt wird (Seite 4 ff), der nach Auffassung des Marburger Bundes vorliegende Missstand sei dann durch eine neue Regelung, die zum 01.04.2009 in Kraft getreten sei, beseitigt worden, ohne dass zugleich in diesem Zusammenhang die hier streitgegenständliche Regelung korrigiert worden ist, ergibt sich hieraus zwingend für die Kammer der Schluss, dass man es bei der hier genannten Regelung bewenden lassen wollte: Anderenfalls wäre es ein Leichtes gewesen, die hier vorliegende streitgegenständliche Fassung entsprechend zu korrigieren. Wird dies bewusst aus welchen Gründen auch immer unterlassen, kann nunmehr nicht seitens der Klägerin mit der von ihr vorgenommenen Argumentation die hier vorliegende Regelung seitens der Gerichte korrigiert werden. Aus diesem Grunde hat die Kammer auch davon abgesehen, nochmals zu versuchen, auch eine Stellungnahme der Arbeitgeberseite herbeizuführen, weil sich bereits aus der Stellungnahme des Marburger Bundes ergibt, dass die hier vorliegende Regelung in dem dargelegten Sinne, wie sie seitens des Arbeitsgerichtes zutreffend herausgestellt wurde, zu verstehen ist.

Der Einwand des Klägers, vorliegend handle es sich um eine echte Rückwirkung, geht fehl.

Der Kläger übersieht insoweit, dass er die von ihm im Rahmen der Rufbereitschaft II erbrachte Arbeitsleistung in Kenntnis des Umstandes gebracht hat, dass aufgrund der hier geführten Tarifverhandlungen eine andere Bemessungsgrundlage durch die hier vorgenommene spätere Tarifregelung hat erfolgen können. Wenn vor diesem Hintergrund aber die Tarifvertragsparteien mit dem hier abgeschlossenen Tarifvertrag ein "Gesamtpaket" geschnürt haben, wiederspricht dies weder den Grundsätzen, die das Bundesarbeitsgericht zur Rückwirkung von Tarifverträgen entwickelt hat, noch den Grundsätzen von Recht und Billigkeit nach § 313 Abs. 1 BGB. Während beispielsweise das Gehalt des Klägers in gleicher Weise rückwirkend erhöht wurde, kann der Kläger sich nicht die für ihn günstigeren Gesichtspunkte heraussuchen, bezüglich der verschlechternden Regelungen, die nach Auffassung des Kläger zu seinem Nachteil eingetreten sind, aber geltend machen, sie dürften ihm gegenüber keine Berücksichtigung finden.

B.

Berufung der Beklagten.

I.

Entgegen der seitens der Beklagten vertretenen Rechtsauffassung steht dem Kläger ein Anspruch auf das hier geltend gemachte rückständige Gehalt in Höhe von 2.592,59 € zu.

Die Beklagte war daher nicht berechtigt, die vom Kläger nach den tariflichen Vereinbarungen zu erbringende Arbeitsleistung um den entsprechenden Gehaltsanteil zu kürzen und das hierfür vorgesehene tarifliche Gehalt entsprechend zu mindern, weil der Kläger insoweit das Entgelt mit Rechtsgrund erlangt hat. Die Beklagte ist allein noch berechtigt, entsprechend der tariflichen Regelung in § 5 die insoweit nicht erbrachte Arbeitsleistung des Klägers nachzufordern. Da ihr diese Nachforderung ohne Weiteres möglich gewesen ist, bzw. noch möglich ist, besteht der geltend gemachte Anspruch zu Recht.

Diese Rechtslage ergibt sich im Einzelnen aufgrund folgender Erwägungen:

1. Die Beklagte verkennt bei ihrer Argumentation bereits im Grundsätzlichen, dass es sich bei der Arbeitsleistung eines Arbeitnehmers zwar um eine nicht nachholbare Fixschuld handeln kann, nicht aber handeln muss (vgl. BAG vom 30.03.2000, 6 AZR 680/98 sowie ErfK-Preis, § 615 BGB Rz. 7). Wann eine - nicht nachholbare - Fixschuld vorliegt, beurteilt sich allein nach den arbeitsvertraglichen bzw. tariflichen Regelungen.

Geht man von diesen Grundsätzen aus, ist im Streitfall festzustellen, dass gemäß § 5 des maßgeblichen Tarifvertrages lediglich eine "regelmäßige" wöchentliche Arbeitszeit von 42 Stunden besteht. Dementsprechend stimmt § 5 Abs. 2 des Tarifvertrages folgerichtig, dass für die Berechnung des Durchschnittes der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit ein Zeitraum von einem Jahr zugrunde zu legen ist. Daraus folgt aber zwingend, dass die Beklagte innerhalb dieser tariflichen Regelung gemäß § 106 Satz 1 Gewerbeordnung berechtigt ist, die Arbeitsleistung des Klägers zu verlangen. Unterlässt sie dies - aus welchen Gründen auch immer - hat sie die möglicherweise dann eingetretene Unmöglichkeit der Arbeitsleistung zu vertreten und haftet aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges. Der Kläger hat daher das tarifliche Entgelt in dem hier fraglichen Zeitraum nicht ohne Rechtsgrund erlangt, weil er ohne Weiteres berechtigt gewesen ist, allein in einem geringeren Umfange zu arbeiten; die Beklagte ihrerseits aufgrund der tariflichen Regelung berechtigt ist, die nach der tariflichen Regelung noch darüber hinaus zu erbringende Arbeitsleistung des Klägers zu fordern.

2. Diese Rechtslage entspricht zugleich der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes (vgl. BAG vom 30.03.2000 - 6 AZR 680/98 - sowie BAG vom 08.10.2008 - 5 AZR 715/07 -), wonach - wie im Einzelnen in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht erörtert - ein Arbeitnehmer zur Nachleistung der Arbeitsleistung in den Sachverhaltsgestaltungen verpflichtet ist, in denen ein Tarifvertrag rückwirkend in Kraft getreten ist mit einer höheren Arbeitszeit. Aus welchen Gründen im vorliegenden - umgekehrten - Fall vor dem Hintergrund der hier einschlägigen tariflichen Regelung etwas anderes gelten soll, ist für die Kammer nicht ersichtlich.

3. Soweit die Beklagte zur weiteren Begründung in diesem Zusammenhang darauf verweist, eine solche Nachholung der Arbeitsleistung sei aus den von ihr aufgeführten Gründen für sie ohne wirtschaftlichen Wert, ist dies ersichtlich rechtlich unerheblich: Insoweit sind allein die tariflichen Regelungen maßgeblich, die gerade eine unterschiedliche Verteilung der Arbeitszeit ermöglichen und damit klarstellen, dass es sich bei der Arbeitszeit der Arbeitnehmer gerade um keine - nicht nachholbare - Fixschuld handelt. Unabhängig hiervon ist auch für die Kammer nicht ersichtlich, dass Arbeitsleistungen, die nachgeholt werden können, keinen Wert habe, weil es immer Sachverhaltsgestaltungen geben kann, in denen - sei es aus Krankheits- oder Urlaubsgründen - die Heranziehung eines Arztes über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus erforderlich ist. Unter diesem Aspekt betrachtet erscheint das Verlangen des Klägers, sein volles tarifliches Gehalt beanspruchen zu können, und - gewissermaßen im Gegenzug - noch gegebenenfalls zur Nachholung verpflichtet zu sein, auch nicht rechtsmissbräuchlich.

II.

Die Berufung der Beklagten ist dagegen begründet, soweit sie geltend macht, dass Arbeitsgericht habe sie zu Unrecht zur Zahlung eines weiteren Betrages in Höhe von 1.388,34 € brutto verurteilt.

Aus der in der mündlichen Verhandlung am 27.08.2009 vor dem Landesarbeitsgericht erörterten Abrechnung (Bl. 132 d. A.) ergibt sich, dass die Beklagte folgende Abzüge vorgenommen hat: Urlaubsgeld 255,65 €, Weihnachtsgeld 5.295,04 € und die hier dem Kläger zugesprochene Vergütung für die zu Unrecht abgezogenen Stunden aufgrund der Arbeitszeitverlängerung in Höhe von 2.592,59 €. Woraus sich vor diesem Hintergrund ein Anspruch des Klägers auf die seitens des Arbeitsgerichtes ausgeurteilten 1.388,34 € ergeben soll, ist für die Kammer nicht ersichtlich und war auch nicht aufklärbar. Da dem Kläger aber allein nach der hier vertretenen Rechtsauffassung der ausgeurteilte Betrag von 2.592,59 € zusteht, musste im Übrigen der geltend gemachte Anspruch des Klägers der Abweisung unterliegen.

C.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. Die Kammer hat wegen der hier angesprochenen grundsätzlichen Fragen, sowie des Umstandes, dass die hier streitigen Regelungen auch außerhalb von Nordrhein-Westfalen in einer Vielzahl von Kliniken Anwendung finden, die Revision an das Bundesarbeitsgericht zugelassen.

Ende der Entscheidung

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