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Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 19.08.2009
Aktenzeichen: 4 Sa 683/09
Rechtsgebiete: TV-Ärzte KF
Vorschriften:
TV-Ärzte KF § 3 | |
TV-Ärzte KF § 5 | |
TV-Ärzte KF § 15 |
2.) Auf Grund der tariflichen Regelung des TV-Ärzte KF ist der Arbeitgeber nicht berechtigt, das Gehalt des Arztes anteilsmäßig um den Betrag zu kürzen, welcher der Arbeitszeit entspricht, die der Arzt infolge der tariflich rückwirkend erhöhten Arbeitszeit in der Vergangenheit nicht geleistet hat; der Arbeitgeber ist allein berechtigt, im tariflichen Ausgleichszeitraum die nicht geleistete Arbeitszeit nachzufordern.
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Duisburg vom 15.04.2009 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten über Entgeltansprüche der Klägerin für die Zeit vom 01.07.2007 bis zum 31.05.2008, in diesem Zusammenhang insbesondere darüber, wie die tarifliche Regelung in § 3 Abs. 2 zu verstehen ist.
Die Klägerin war vom 1.1.2007 bis zum 31.5.2008 als Ärztin bei der Beklagten an der Neurologischen Klinik des Evangelischen Krankenhauses E. Nord tätig. Zuvor war sie vom 1.4.2004 - 30.9.2004 als Ärztin im Praktikum und vom 1.10.2004-31.12.2006 als Assistensärztin jeweils an der Neurologischen Klinik des Universitätsklinikums der RWTH Aachen beschäftigt.
Auf das Arbeitsverhältnis fanden die Regelungen des Bundes-Angestelltentarifvertrages in der für die Angestellten im Bereich der Evangelischen Kirche im Rheinland (BAT-KF) jeweils geltenden Fassung Anwendung. Dieser hat durch Spruch der Arbeitsrechtlichen Schiedskommission vom 22.10.2007 rückwirkend zum 1.7.2007 eine neue Fassung erhalten. Nach § 1 Abs. 3 BAT-KF nF richten sich die Arbeitsverhältnisse der Ärztinnen und Ärzte an Krankenhäusern ausschließlich nach Anlage 6 (TV-Ärzte-KF). Die Überleitung der vorhandenen Mitarbeitenden richtet sich ausschließlich nach der Anlage 7 (TVÜ-Ärzte-KF).
Der TV-Ärzte-KF enthält u.a. folgende Regelungen zu Entgelt und Eingruppierung:
§ 11
Eingruppierung
Ärzte sind entsprechend ihrer nicht nur vorübergehend und zeitlich mindestens zur Hälfte auszuübenden Tätigkeit wie folgt eingruppiert:
EntgeltgruppeBezeichnung
Ä 1 Ärztin/Arzt mit entsprechender Tätigkeit,
[...]
§ 14
Tabellenentgelt
(1) Die Ärztin/Der Arzt erhält monatlich ein Tabellenentgelt. Die Höhe bestimmt sich nach der Entgeltgruppe, in die sie/er eingruppiert ist, und nach der für ihn geltenden Stufe.
(2) Ärzte, erhalten Entgelt nach den Anlagen A 1 und A 2.
§ 15
Stufen der Entgelttabelle
(1) Die Entgeltgruppe Ä 1 und Ä 2 umfasst fünf Stufen; die Entgeltgruppen Ä 3 bis Ä 4 umfassen drei Stufen. Die Ärzte erreichen die jeweils nächste Stufe nach den Zeiten ärztlicher (Ä 1), fachärztlicher (Ä 2), oberärztlicher (Ä 3) Tätigkeit beziehungsweise der Tätigkeit als ständige Vertreter des leitenden Arztes (Chefarztes), die in den Tabellen (Anlagen A 1 und A 2) angegeben sind.
(2) Für die Anrechnung von Vorzeiten ärztlicher Tätigkeit gilt Folgendes: Bei der Stufenzuordnung werden Zeiten mit einschlägiger Berufserfahrung als förderliche Zeiten berücksichtigt, das gilt insbesondere für die Tätigkeit als Arzt im Praktikum. Zeiten von sonstiger Berufserfahrung aus nichtärztlicher Tätigkeit können berücksichtigt werden.
§ 16
Allgemeine Regelungen zu den Stufen
(1) Die Ärzte erhalten das Tabellenentgelt nach der neuen Stufe vom Beginn des Monats an, in dem die nächste Stufe erreicht wird.
[...]
Anlage A 1 zum TV-Ärzte-KF enthält folgende Entgelttabelle für Ärztinnen und Ärzte im Geltungsbereich des TV-Ärzte Monatsbeträge in Euro bei 42 Wochenstunden - Gültig vom 1. Juli 2007 bis 31. Dezember 2007 -
Entgeltgruppe | Stufe 1 | Stufe 2 | Stufe 3 | Stufe 4 | Stufe 5 |
Ä 1 | 3.600 im 1. Jahr | 3.800 im 2. Jahr | 3.950 im 3. Jahr | 4.200 im 4. Jahr | 4.500 ab dem 5. Jahr |
Anlage A 2 zum TV-Ärzte-KF enthält folgende Entgelttabelle für Ärztinnen und Ärzte im Geltungsbereich des TV-Ärzte Monatsbeträge in Euro bei 42 Wochenstunden - Gültig ab 1. Januar 2008 -
Entgeltgruppe | Stufe 1 | Stufe 2 | Stufe 3 | Stufe 4 | Stufe 5 |
Ä 1 | 3.705 im 1. Jahr | 3.915 im 2. Jahr | 4.065 im 3. Jahr | 4.325 im 4. Jahr | 4.635 ab dem 5. Jahr |
Der TVÜ-Ärzte-KF enthält u.a. folgende Regelungen:
§ 1
Geltungsbereich
(1) Dieser Tarifvertrag gilt für Ärztinnen und Ärzte einschließlich Zahnärztinnen und Zahnärzte (nachfolgend "Ärzte" genannt), deren Arbeitsverhältnis über den 30. Juni 2007 hinaus fortbesteht, und die am 01. Juli 2007 unter den Geltungsbereich des BAT-KF fallen, für die Dauer des ununterbrochen fortbestehenden Arbeitsverhältnisses.
(2) Nur soweit nachfolgend ausdrücklich bestimmt, gelten die Vorschriften dieses Tarifvertrages auch für Ärzte, deren Arbeitsverhältnis zu einem Arbeitgeber im Sinne des Absatzes 1 nach dem 1. Juli 2007 beginnt.
§ 2
Überleitung in den TV-Ärzte-KF
Die von § 1 Absatz 1 erfassten Ärzte werden am 1. Juli 2007 gemäß den nachfolgenden Regelungen in den TV-Ärzte-KF übergeleitet.
§ 3
Eingruppierung
(1) Die Ärzte werden derjenigen Stufe der Entgeltgruppe (§ 11 TV-Ärzte) zugeordnet, die sie erreicht hätten, wenn die Entgelttabelle für Ärztinnen und Ärzte bereits seit Beginn ihrer Zugehörigkeit zu der für sie maßgebenden Entgeltgruppe gegolten hätte. Dabei werden Ärzte der Vergütungsgruppe II in die Entgeltgruppe 1 und Ärzte der Vergütungsgruppe Ib BAT-KF in die Entgeltgruppe 2 eingruppiert. Ärzte der Vergütungsgruppe Ia BAT-KF werden in die Entgeltgruppe 3 eingruppiert, es sei denn, sie sind überwiegend in Assistenzarzt-/Stationsarztfunktion tätig; als Assistenzarzt/Stationsarzt gelten Ärzte nicht, die mehrmals monatlich im fachärztlichen Hintergrunddienst Aufsicht führend eingesetzt oder mit der fachlichen Beaufsichtigung anderer Ärzte beauftragt sind. Ärzte der Vergütungsgruppe I BAT-KF werden in die Entgeltgruppe 4 eingruppiert.
(2) Für die Stufenfindung bei der Überleitung zählen die Zeiten im jetzigen Arbeitsverhältnis zu demselben Arbeitgeber. Für die Berücksichtigung von Vorzeiten ärztlicher Tätigkeit bei der Stufenfindung gilt § 15 Absatz 2 TV-Ärzte-KF.
Die Beklagte vergütete die Klägerin vom 1.7.2007 - 31.12.2007 nach Ä 1 Stufe 1 der Anlage 1 zum TV-Ärzte-KF und vom 1.1.2008 - 31.5.2008 nach Ä1 Stufe 2 der Anlage 2 zum TV-Ärzte-KF.
Nach dem BAT-KF aF schuldeten die Ärzte eine wöchentliche Arbeitszeit von 38 Stunden. Der TV-Ärzte-KF enthält hierzu folgende Regelungen:
§ 5
Regelmäßige Arbeitszeit
(1) Die durchschnittliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit ausschließlich der Pausen beträgt 42 Stunden. Die regelmäßige Arbeitszeit ist grundsätzlich auf fünf Arbeitstage zu verteilen, aus notwendigen betrieblichen/dienstlichen Gründen kann sie auch auf sechs Tage verteilt werden. Für einzelne Krankenhäuser kann durch Dienstvereinbarung eine Arbeitszeit von 40 Stunden vereinbart werden; sie bedarf der Zustimmung der Arbeitsrechtlichen Kommission.
(2) Für die Berechnung des Durchschnitts der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit ist ein Zeitraum von einem Jahr zu Grunde zu legen. Abweichend kann bei Ärzten, die ständig Wechselschicht- oder Schichtarbeit zu leisten haben, ein längerer Zeitraum zu Grunde gelegt werden. [...]
§ 6
Sonderformen der Arbeit
[...]
(9) Überstunden sind die auf Anordnung geleisteten Arbeitsstunden, die über die im Rahmen der regelmäßigen Arbeitszeit von Vollbeschäftigten (§ 5 Absatz 1) für die Woche dienstplanmäßig beziehungsweise betriebsüblich festgesetzten Arbeitsstunden hinausgehen und nicht bis zum Ende der folgenden Kalenderwoche ausgeglichen werden. [...]
Im Februar 2008 rechnete die Beklagte gegenüber der Klägerin u.a. die Auswirkungen der rückwirkenden Tarifänderung für den Zeitraum 1.7.2007 bis 31.12.2007 ab. Von dem errechneten Nachzahlungsbetrag brachte die Beklagte unter anderem einen Betrag von 1.832,74 € brutto in Abzug, was 3,5/42tel des bei Zugrundelegung von 42 Wochenstunden und einer Eingruppierung in Ä 1 Stufe 1 der Anlage 1 des TV-Ärzte-KF geschuldeten Entgelts für diesen Zeitraum entspricht.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass ihre Vorbeschäftigungszeiten als Ärztin an der RWTH bei der Stufenbildung anzurechnen seien und sie daher nach Stufe 5 zu vergüten sei. Zudem sei die Kürzung ihres für das zweite Halbjahr 2007 geschuldeten Entgeltes ungerechtfertigt gewesen.
Sie hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 8.358,39 € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, dass Vorbeschäftigungszeiten bei anderen Arbeitgebern bei der Stufenfindung nach § 15 TV-Ärzte-KF und § 3 TVÜ Ärzte-KF nicht zu berücksichtigen seien. Die vorgenommene Kürzung des errechneten Nachzahlungsbetrages sei wegen beiderseits unverschuldeter Unmöglichkeit der Leistung gerechtfertigt gewesen. Sie sei nicht verpflichtet gewesen, die aufgebauten Minusstunden nachträglich abzubauen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage mit der Begründung entsprochen, dass nach den hier vorstehenden tariflichen Regelungen die Beklagte verpflichtet sei, die Vorbeschäftigungszeiten der Klägerin auch dann anzurechnen, wenn sie - wie im Streitfall unstreitig - nicht bei demselben Arbeitgeber erfolgt seien. Die Beklagte sei auch nicht zur Kürzung der Vergütung der Klägerin berechtigt gewesen, weil es sich bei der Arbeitsleistung der Klägerin nach den tariflichen Bestimmung um keine absolute Fixschuld gehandelt habe.
Wegen der weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes sowie der Entscheidungsgründe wird auf das angefochtene Urteil des Arbeitsgerichtes Bezug genommen.
Mit der zulässigen Berufung verfolgt die Beklagte ihr Ziel der Klageabweisung unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens weiter.
Sie weist insbesondere darauf hin, dass nach der Regelung in § 3 Satz 1 TVÜ-Ärzte-KF für die Stufenfindung bei der Überleitung allein die Zeit im jetztigen Arbeitsverhältnis zu demselben Arbeitgeber folgen sollten. Eine andere Beurteilung ergebe sich auch nicht aus dem Verweis in § 3 Abs. 2 Satz 2 TVÜ-Ärzte-KF, auf § 15 Abs. 2 TV-Ärzte-KF. Der Wortlaut sei dahingehend auszulegen, dass lediglich Vorzeiten ärztlicher Tätigkeit bei demselben Arbeitgeber von der Regelung umfasst. Im Übrigen verweist sie auf ein in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf überreichtes Schreiben des Marburger Bundes vom 27.11.2008, aus der sich ergebe, dass gleichfalls nur die Zeiten beim gleichen Arbeitgeber anzurechnen seien.
Sie beantragt,
das am 15.04.2009 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Duisburg (2Ca 2564/08) abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens das Urteil erster Instanz. Sie weist insbesondere darauf hin, dass von einem Fixschuldcharakter der Arbeitsleistung aufgrund der tariflichen Regelungen nicht die Rede sein könne.
Aufgrund der ihrer Auffassung nach eindeutigen tariflichen Regelungen seien auch die Vorbeschäftigungszeiten bei anderen Vertragsarbeitgebern zu berücksichtigen. Das entscheidende Kriterium für die Bewertung des Stufenaufstieges im Rahmen des TV-Ärzte-KF sei allein der tatsächliche Erwerb einschlägiger Berufungserfahrung. Die Beklagte verkenne, dass der erste Satz von § 3 Abs. 2 TVÜ-Ärzte-KF allein die Tätigkeitszeiten beim jetztigen Vertragsarbeitgeber regele, die zwingend anzurechnen seien. Satz 2 betreffe dagegen die Vorbeschäftigungszeiten bei anderen Vertragsarbeitgebern, die deshalb anzurechnen seien, weil es in diesem Zusammenhang nicht um Betriebstreue, sondern um einschlägige Berufserfahrungen und förderliche Zeiten gehe. Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der Akte ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet.
Das Arbeitsgericht hat mit zutreffenden Erwägungen, auf die ausdrücklich Bezug genommen wird, der Klage entsprochen.
Ergänzend hierzu und zu den Einwänden der Berufung ist festzustellen:
I.
Entgegen der seitens der Beklagten vertretenen Rechtsauffassung steht der Klägerin ein Anspruch auf das hier geltend gemachte rückständige Gehalt in der zwischen den Parteien unstreitigen Höhe zu. Die Beklagte war daher nicht berechtigt, die von der Klägerin nach den tariflichen Vereinbarungen zu erbringende Arbeitsleistung um den entsprechenden Gehaltsanteil zu kürzen, weil die Klägerin insoweit das Entgelt mit Rechtsgrund erlangt hat. Die Beklagte ist allein noch berechtigt, entsprechend der tariflichen Regelung in § 5 die insoweit nicht erbrachte Arbeitsleistung der Klägerin nachzufordern. Da ihr diese Nachforderung ohne Weiteres möglich gewesen ist, bzw. noch möglich ist, besteht der geltend gemachte Anspruch zu Recht.
Diese Rechtslage ergibt sich im Einzelnen aufgrund folgender Erwägungen:
1. Die Beklagte verkennt bei ihrer Argumentation bereits im Grundsätzlichen, dass es sich bei der Arbeitsleistung eines Arbeitnehmers zwar um eine nicht nachholbare Fixschuld handeln kann nicht aber handeln muss (vgl. BAG vom 30.03.2000, 6 AZR 680/98 sowie ErfK-Preis, § 615 BGB Rz. 7). Wann eine - nicht nachholbare Fixschuld vorliegt, beurteilt sich allein nach den arbeitsvertraglichen bzw. tariflichen Regelungen.
2. Geht man von diesen Grundsätzen aus, ist im Streitfall festzustellen, dass gemäß § 5 des maßgeblichen Tarifvertrages lediglich eine "regelmäßige" wöchentliche Arbeitszeit von 42 Stunden besteht. Dementsprechend stimmt § 5 Abs. 2 des Tarifvertrages folgerichtig, dass für die Berechnung des Durchschnittes der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit ein Zeitraum von einem Jahr zugrunde zu legen ist. Daraus folgt aber zwingend, dass die Beklagte innerhalb dieser tariflichen Regelung gemäß § 106 Satz 1 Gewerbeordnung berechtigt ist, die Arbeitsleistung des Klägers zu verlangen. Unterlässt sie dies - aus welchen Gründen auch immer - hat sie die möglicherweise dann eingetretene Unmöglichkeit der Arbeitsleistung zu vertreten und haftet aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges. Die Klägerin hat daher das tarifliche Entgelt in dem hier fraglichen Zeitraum nicht ohne Rechtsgrund erlangt, weil er ohne Weiteres berechtigt gewesen ist, allein in einem geringeren Umfange zu arbeiten; die Beklagte ihrerseits aufgrund der tariflichen Regelung berechtigt ist, die nach der tariflichen Regelung noch darüber hinaus zu erbringende Arbeitsleistung des Klägers zu fordern.
Diese Rechtslage entspricht zugleich der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes (vgl. BAG vom 30.03.2000 - 6 AZR 680/98 - sowie BAG vom 08.10.2008 - 5 AZR 715/07 -) wonach - wie im Einzelnen in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht erörtert - ein Arbeitnehmer zur Nachleistung der Arbeitsleistung in den Sachverhaltsgestaltungen verpflichtet ist, in denen ein Tarifvertrag rückwirkend in Kraft getreten ist mit einer höheren Arbeitszeit ist. Aus welchen Gründen im vorliegenden - umgekehrten - Fall vor dem Hintergrund der hier einschlägigen tariflichen Regelung etwas anderes gelten soll, ist für die Kammer nicht ersichtlich.
Soweit die Beklagte zur weiteren Begründung in diesem Zusammenhang darauf verweist, eine solche Nachholung der Arbeitsleistung sei aus den von ihr aufgeführten Gründen für sie ohne wirtschaftlichen Wert, ist dies ersichtlich rechtlich unerheblich: Insoweit sind allein die tariflichen Regelungen maßgeblich, die gerade eine unterschiedliche Verteilung der Arbeitszeit ermöglichen und damit klarstellen, dass es sich bei der Arbeitszeit der Arbeitnehmer gerade um keine - nicht nachholbare - Fixschuld handelt. Unabhängig hiervon ist auch für die Kammer nicht ersichtlich, dass Arbeitsleistungen, die nachgeholt werden können, keinen Wert habe, weil es immer Sachverhaltsgestaltungen geben kann, in denen - sei es aus Krankheits- oder Urlaubsgründen - die Heranziehung eines Arztes über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus erforderlich ist. Unter diesem Aspekt betrachtet erscheint das Verlangen der Klägerin, ihr volles tarifliches Gehalt beanspruchen zu können, und - gewissermaßen im Gegenzug - noch gegebenenfalls zur Nachholung verpflichtet zu sein, auch nicht rechtsmissbräuchlich.
II.
Entgegen der seitens der Beklagten vertretenen Rechtsauffassung hat die Klägerin auch Anspruch darauf, dass die von ihr erbrachten Vorbeschäftigungszeiten bei denen es sich, wie sich aus dem bereits vorgelegten Zeugnis vom 11.12.2006 ergibt, um förderliche Zeiten handelt, angerechnet werden.
Insoweit sie noch einmal herausgestellt:
1. Der Wortlaut der hier in Frage stehenden Regelung ist eindeutig: Wenn der TVÜ-Ärzte-KF in § 3 Abs. 2 Satz 1 ausdrücklich anordnet, dass für die Stufenfindung bei der Überleitung die Zeiten im jetzigen Arbeitsverhältnis zu demselben Arbeitgeber zählen; dagegen für die Berücksichtigung von Zeiten ärztlicher Tätigkeiten bei der Stufenfindung § 15 Abs. 2 TV-Ärzte-KF gilt, wird bereits aus dieser sprachlichen Fassung deutlich, dass bei der Stufenzuordnung - wie es § 15 Abs. 2 Satz Ärzte-KF ausdrücklich angeordnet, Zeiten mit einschlägiger Berufserfahrung als förderliche Zeiten zu berücksichtigen sind.
2. Dies wird zugleich durch den Sinn und Zweck der Regelung deutlich: Es geht bei der Stufenzuordnung nicht um Zeiten der Betriebszugehörigkeit, sondern allein darum, dass die dort genannten förderlichen Zeiten bei der Stufenzuordnung zu berücksichtigen sind.
Soweit die Beklagte demgegenüber darauf verweist, dass durch das Stufenmodell die Betriebstreue zu dem Arbeitgeber habe honoriert werden sollen, insbesondere die Beklagte sich nicht gegen die Überleitung "geerbter Mitarbeiter" wehren könne, kann dem angesichts des Wortlautes der Regelung und der vorgehend dargelegten Zielsetzung nicht gefolgt werden: Die Klägerin weist dem gegenüber zutreffend darauf hin, dass es vorliegend nicht um das Ziel der Betriebstreue sondern allein darum geht, im Rahmen der Stufenzuordnung förderliche Zeiten von Ärzten bei der Eingruppierung zu berücksichtigen. Auch wenn dies für die Anrechnungsfähigkeit von Vorbeschäftigungszeiten innerhalb der Entgeltgruppe A 1 nicht von Belang ist, ist dies von Bedeutung hinsichtlich der Entgeltgruppe A 2, wo nur die einschlägig zur aktuell ausgeübten Facharztdisziplin gehörende Tätigkeit berücksichtigungsfähig ist. Die gegenteilige Argumentation der Beklagten verkennt, dass es sich bei § 3 Abs. 2 TVÜ-Ärzte-KF um eine zweistufige Anrechnungsnorm handelt, welche die Beklagte verpflichtet, ihr Rechnung zu tragen, sie insbesondere nicht berechtigt, durch den pauschalen Verweis auf eine durch die Tarifreform insgesamt erfolgte erhebliche Besserstellung der Ärzteschaft der Klägerin die Anrechnung von förderlichen Zeiten zu versagen.
Der in diesem Zusammenhang seitens der Beklagten erfolgte Hinweis auf das Schreiben vom 27.11.2008 des Marburger Bundes erscheint nicht zielführend, weil dort - mehr beiläufig - zwar davon gesprochen wird, dass man lediglich eine Sonderregelung für das übergeleitete Personal treffen wollte; dieser einseitig behauptete Wille aber nichts an dem Auslegungsbefund ändert, wie er hier durch den Wortlaut der vereinbarten Regelung vor dem Hintergrund der dargelegten Zielsetzung erfolgt ist.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. Die Kammer hat wegen der hier angesprochenen grundsätzlichen Fragen sowie des Umstandes, dass die hier streitigen Regelungen auch außerhalb von Nordrhein-Westfalen in einer Vielzahl von Kliniken Anwendung finden, die Revision an das Bundesarbeitsgericht zugelassen.
Ende der Entscheidung
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