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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 02.09.2009
Aktenzeichen: 4 Sa 771/09
Rechtsgebiete: TV-Ärzte-KF


Vorschriften:

TV-Ärzte-KF
Auf Grund der tariflichen Regelungen des TV-Ärzte-KF ist der Arbeitgeber nicht berechtigt, das Gehalt des Arztes anteilsmäßig um den Betrag zu kürzen, welcher der Arbeitszeit entspricht, die der Arzt infolge der tariflich rückwirkend erhöhten Arbeitszeit in der Vergangenheit nicht gleistet hat; der Arbeitgeber ist allein berechtigt, im tariflichen Ausgleichszeitraum die nicht geleistete Arbeitszeit nachzufordern.
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Teilurteil des Arbeitsgerichts Duisburg vom 27.05.09 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um einbehaltenes Februarentgelt.

Der Kläger ist seit Mai 1994 bei der Beklagten als Oberarzt in der Anästhesie im Herzzentrum L.-X.-Krankenhaus tätig.

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fand der Bundesangestelltentarifvertrag für die Angestellten im Bereich der evangelischen Kirche im Rheinland (BAT-KF) aufgrund einzelvertraglicher Vereinbarung Anwendung. Durch Beschluss der arbeitsrechtlichen Schiedskommission vom 22.10.2007 wurde der BAT-KF mit Wirkung vom 1.7.2007 durch den Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte Kirchliche Fassung (TV-Ärzte-KF) ersetzt. Der TV-Ärzte-KF wurde am 15.1.2008 im kirchlichen Amtsblatt verkündet.

Die Beklagte leistete gegenüber dem Kläger im November 2007 die im BAT-KF vorgesehene Sonderzahlung.

Gemäß § 19 des TV-Ärzte-KF wird bis zum 31.12.2009 eine Jahressonderzahlung nicht gewährt.

Mit der Gehaltsmitteilung für Februar 2008 hielt die Beklagte vom Februarentgelt die geleistete Zuwendung von Euro 4.900,11 brutto ein.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn Euro 4.900,11 brutto zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat unter Bezugnahme auf die den Parteien bekannte Entscheidung der ersten Kammer des Arbeitsgerichtes in dem Verfahren 1 Ca 1992/08 - die Klage abgewiesen und hierbei tragend darauf abgestellt, dass die Kürzung von Gratifikationen nach der zitierten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes zulässig gewesen ist. Insbesondere könne auch nicht von einer Regelungslücke hinsichtlich der Jahressonderzahlung 2007 in Form einer unterbliebenen anteiligen Auszahlung, beispielsweise einer hälftigen Jahressonderzahlung für das erste Halbjahr 2007 ausgegangen werden, weil die Regelung des TV-Ärzte-KF eindeutig eine vorübergehende Regelung hinsichtlich der Jahressonderzahlung der Ärzte, nämlich den Entfall bis zum 31.12.2009 ausdrücklich festgeschrieben habe.

Wegen der weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe wird auf das angefochtene Urteil des Arbeitsgerichtes verwiesen.

Mit der zulässigen Berufung verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Klageziel unter Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens weiter.

Er weist insbesondere darauf hin, dass im Streitfall entgegen der seitens des Arbeitsgerichtes vertretenen Auffassung die tarifliche Regelung nicht als angemessen und billig habe angesehen werden können. Im Unterschied zu der Entscheidung des Bundesarbeitsgericht vom 19.02.2003 - 4 AZR 12/02 - sei es vorliegend nicht darum gegangen, durch den Wegfall der Jahressonderzahlung freiwerden Finanzmittel zu erhalten, um hierdurch betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden.

Hinzu komme, dass die Gewährung der Zuwendung zumindest habe anteilig erfolgen müssen, weil sie bis zum Inkrafttreten der neuen Arbeitsrechtsregelung "verdient" worden sei.

Er beantragt,

das Teilurteil des Arbeitsgericht Duisburg vom 27.05.2009 - 4 Ca 2767/08 - abzuändern und nach dem Antrag erster Instanz zu erkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil erster Instanz und weist insbesondere darauf hin, dass angesichts erfolgten Kompensation insbesondere in Form einer höheren Grundvergütung nicht von einer unbilligen Regelung gesprochen werden könne. Auch bestehe kein Anspruch auf eine anteilige Jahressondervergütung angesichts des insoweit eindeutigen tariflichen Wortlautes.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der Akte ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet.

I.

Das Arbeitsgericht hat mit zutreffenden Erwägungen, auf die ausdrücklich Bezug genommen wird, die Klage abgewiesen.

II.

Ergänzend hierzu und zu den Einwänden der Berufung ist festzustellen:

1. Die Kammer lässt in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes im Streitfall dahinstehen (vgl. dazu BAG vom 19.02.2003 - 4 AZR 11/02 - ), ob die inhaltliche Kontrolle von kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen durch staatliche Gerichte als eine - eingeschränkte - Billigkeitskontrolle nach §§ 317, 319 BGB vorzunehmen ist oder ob es sich - wie bei Tarifverträgen - auf eine Rechtskontrolle zu beschränken hat. Denn die hier vorgenommene Streichung der Jahressonderzahlung durch die in Frage stehende Regelung ist nach beiden Maßstäben rechtswirksam.

2. Das Bundesarbeitsgericht geht für den Bereich von Tarifverträgen in gefestigter Rechtsprechung (vgl. etwa Urteil vom 24.10.2007 - 10 AZR 878/06 - ) davon aus, dass Tarifverträge auch rückwirkend Jahressondervergütungsansprüche von selbst ausgeschiedenen Arbeitnehmern in Wegfall bringen können, sofern Arbeitnehmer von den Tarifverhandlungen Kenntnis hatten und daher nicht auf den Fortbestand der für sie günstigeren Reglungen vertrauen durften.

Geht man von diesen Grundsätzen aus, ist im Streitfall festzustellen, dass den Arbeitnehmern durch Informationen der Mitarbeitervertretung zur Kenntnis gebracht wurde, dass die hier geführten Tarifverhandlungen noch nicht zum Abschluss gebracht worden sind. Ob im Einzelfall der Kläger hiervon, d. h. der Information der Mitarbeitervertretung tatsächlich Kenntnis genommen hat, ist unerheblich, weil ihm jedenfalls das Führen von Tarifverhandlungen bekannt gewesen ist. Wird vor diesem Hintergrund seitens der Beklagten noch zusätzlich in der Gehaltsabrechnung darauf hingewiesen, dass die Zahlung des Entgeltes "vorläufig" und wegen der noch ungewissen Tarifregelungen unter dem Vorbehalt der abschließenden endgültigen Berechnung erfolgt, ist der Einwand des Klägers, er habe gleichwohl auf den Fortbestand der Jahressonderzahlung vertrauen dürfen, für die Kammer schlicht nicht nachvollziehbar.

3. Die Rechtslage ändert sich nicht, wenn man die hier in Frage stehenden Regelungen an dem Gesichtspunkt der Angemessenheit und Billigkeit misst. Das Urteil des Arbeitsgerichts stellt zutreffend heraus, dass es angesichts der hier vorgenommenen tariflichen Regelungen nicht unbillig ist, die Jahressonderzahlung für das hier streitige Jahr in Wegfall zu bringen.

Zwar geht es im Streifall im Unterschied zu der Entscheidung des BAG vom 19.12.2003 - 4 AZR 12/02 - nicht darum, im Interesse aller Arbeitnehmer freiwerdende Finanzmittel zur Vermeidung betriebsbedingter Kündigungen durch die hier vorgenommene Regelung zu erhalten. Entscheidend ist jedoch nach Auffassung der Kammer, dass die Tarifvertragsparteien anlässlich der geführten Verhandlungen als Ergebnis ein "Gesamtpaket" aus einer Vielzahl von Komponenten (Erhöhung der Bezüge, Regelungen über Eingruppierungen und Rufbereitschaft, Anrechnung von Vordienstzeiten) geschnürt haben, indem sie durch eine umfassende Neuregelung die alte Regelung des BAT KF durch den hier abgeschlossenen Tarifvertrag abgelöst haben. Wird im Rahmen einer solchen Gesamtlösung aber die hier streitige Jahressonderzahlung in Wegfall gebracht, kann nicht durch eine hierauf bezogene isolierte Betrachtungsweise das Gesamtgefüge dieser Regelung in Frage gestellt und damit der in den Tarifverhandlungen gefundene Kompromiss in Teilen wieder rückgängig gemacht werden.

4. Aus diesen Gründen besteht auch kein Anspruch auf eine anteilige Jahressonderzahlung.

Insbesondere bestehen - wie das Arbeitsgericht zutreffend herausgestellt hat - keine Anhaltspunkte dafür, dass zumindest ein anteiliger Bezug einer Jahressonderzahlung für das Jahr 2007 aufgrund der entgegenstehenden tariflichen Regelungen, wonach ausdrücklich eine Jahressonderzahlung bis zum 31.12.2009 nicht gewährt wird, erfolgen sollte.

Demgegenüber kann sich der Kläger auch nicht darauf berufen werden, es sei nach der Anlage 14 BAT KF a. F. "Regelung über die Gewährung einer Zuwendung" pro Monat bereits der entsprechende Anteil einer Weihnachtszuwendung "verdient" worden, sodass unter dem Gesichtspunkt einer "echten" Rückwirkung aufgrund eines in der Vergangenheit abgeschlossenen Sachverhaltes - die in der Vergangenheit bereits pro Monat verdiente anteilige Weihnachtszuwendung - ein anteiliger Anspruch besteht. Voraussetzung für die Auszahlung der Weihnachtszuwendung nach der Anlage 14 BAT KF a. F. war der Bestand des Arbeitsverhältnisses am 01.12. eines jeden Jahres. Darauf folgt aber, dass erst zu diesem Zeitpunkt der Arbeitnehmer darauf vertrauen durfte, die entsprechende volle Jahreszuwendung zu erhalten. Zu diesem Zeitpunkt bestand aber bereits die Kenntnis der Arbeitnehmer darüber, dass es möglicherweise zu verschlechternden tariflichen Regelungen bezüglich der hier streitigen Weihnachtszuwendung kommen würde; aus diesem Grunde erfolgte gerade der Vorbehalt in der entsprechenden Gehaltsabrechnung. Daher lässt sich nach Auffassung der Kammer auch unter diesem Gesichtspunkt kein Anspruch auf eine verdiente anteilige Weihnachtszuwendung herleiten.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Kammer hat die Revision für den Kläger wegen der hier angesprochenen grundsätzlichen Fragen sowie des Umstandes, dass die hier streitigen Regelungen auch außerhalb von Nordrhein-Westfalen in einer Vielzahl von Kliniken Anwendung finden, an das Bundesarbeitsgericht zugelassen.

Ende der Entscheidung

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