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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 17.05.2001
Aktenzeichen: 5 (3) Sa 45/01
Rechtsgebiete: BeschFG, ZPO, BGB, LPVG NW, BAT SR


Vorschriften:

BeschFG § 1 Abs. 5 Satz 1
ZPO § 256 Abs. 1
BGB § 620
LPVG NW § 66 Abs. 1
LPVG NW § 72 Abs. 1
BAT SR 2 y
1. § 1 Abs. 5 Satz 1 BeschFG (seit 01.01.2001: § 17 Satz 1 TzBfG) enthielt, ebenso wie § 4 Satz 1 KSchG, eine besondere Feststellungsklage außerhalb des Anwendungsbereichs von § 256 Abs. 1 ZPO.

2. Das danach für den Feststellungsantrag nach § 1 Abs. 5 Satz 1 BeschFG erforderliche rechtliche Interesse (§ 256 Abs. 1 ZPO) ergab sich aus der in § 1 Abs. 5 Satz 2 BeschFG (seit 01.01.2001: § 17 Satz 2 TzBfG) angeordneten entsprechenden Anwendung des § 7 1. Halbs. KSchG und entfiel nicht etwa deshalb, weil der Arbeitnehmer im Laufe der Entfristungsklage nach § 1 Abs. 5 Satz 1 BeschFG ein neues Arbeitsverhältnis eingegangen war.

3. Die nach §§ 66 Abs. 1, 72 Abs. 1 Nr. 1 LPVG NW erforderliche Zustimmung des Personalrats zu einem befristeten Arbeitsvertrag muss vor Abschluss der Befristungsvereinbarung, und zwar vor Arbeitsbeginn, vorliegen (vgl. auch LAG Hamm 14.07.2000 - 5 Sa 1087/99 - n. v.; LAG Köln 01.08.2000 - 13 (10) Sa 637/00 - LAGE § 620 BGB Personalrat Nr. 2).


LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

5 (3) Sa 45/01

Verkündet am: 17.05.2001

In dem Rechtsstreit

hat die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 17.05.2001 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Göttling als Vorsitzenden sowie den ehrenamtlichen Richter Franzen und den ehrenamtlichen Richter Hinzmann

für Recht erkannt:

Tenor:

1) Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Krefeld vom 23.11.2000 -1 Ca 2160/00 - teilweise abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger DM 2.046,15 brutto nebst 4 % Zinsen seit dem 27.07.2000 zu zahlen.

2) Die weitergehende Klage wird abgewiesen, die weitergehende Berufung zurückgewiesen.

3) Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 1/9, die Beklagte zu 8/9.

4) Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über Restvergütungsansprüche aus einem inzwischen beendeten Arbeitsverhältnis.

Der Kläger war seit dem 01.06.1999 bei der Beklagten als Fahrer beschäftigt. Sein Bruttomonatsgehalt betrug zuletzt DM 2.800,-. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden unter anderem die Bestimmungen des für allgemeinverbindlich erklärten Manteltarifvertrags für den Groß- und Außenhandel in Nordrhein-Westfalen vom 09.07.1997 (im folgenden: MTV) genannt.

Am letzten Arbeitstag des Klägers, am 22.03.2000, kam es zwischen ihm und dem Geschäftsführer der Beklagten zu einem Streit wegen einer angeblich vom Kläger begangenen Unterschlagung. Dieser kündigte daraufhin am 24.03.2000 das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten fristlos und ließ sie gleichzeitig auffordern, Lohnabrechnungen bis zum 23.03.2000 zu erstellen. Mit Schreiben seines späteres Prozessbevollmächtigten vom 17.05.2000 wiederholte der Kläger diese Aufforderung, ohne dass die Beklagte reagierte.

Mit seiner am 21.07.2000 beim Arbeitsgericht Krefeld anhängig gemachten Klage hat der Kläger Restvergütung für 16 Werktage im Monat März 2000 geltend gemacht und diese mit DM 2.240,- brutto beziffert.

Er hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn DM 2.240,- nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat behauptet, am 16.03.2000 einen Betrag in Höhe von DM 1.400,- bar an den Kläger ausgezahlt zu haben. Hierbei habe es sich um einen Vorschuss für März 2000 gehandelt. Nach dem Streit am 22.03.2000 habe der Geschäftsführer der Beklagten das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zudem selbst fristlos gekündigt. Darüber hinaus hat sich die Beklagte auf § 15 MTV berufen und gemeint, dass der klägerische Anspruch hiernach verfallen sei.

Mit Urteil vom 23.11.2000 hat die 1. Kammer des Arbeitsgerichts Krefeld - 1 Ca 2160/00 - die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen, auf die im Übrigen Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht ausgeführt, der Anspruch des Klägers sei gemäß § 15 MTV verfallen, da er nicht innerhalb von drei Monaten nach seiner Fälligkeit am 31.03.2000 schriftlich geltend gemacht worden sei. Auf die Schreiben vom 24.03. und 17.05.2000 könne sich der Kläger nicht berufen, weil er mit ihnen nur eine Abrechnung eingefordert hätte. Andererseits sei auch nicht ersichtlich, dass sich die Beklagte rechtsmissbräuchlich verhalte, wenn sie sich auf die Verfallfrist des MTV berufe.

Der Kläger hat gegen das ihm am 13.12.2000 zugestellte Urteil mit einem am 11.01.2001 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem am 19.01.2001 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Er wiederholt seinen Sachvortrag aus dem ersten Rechtszug und meint, dass sich die Beklagte nicht auf § 15 MTV stützen könne. Sie habe es entgegen § 2 Abs. 1 Nachweisgesetz versäumt, die Anwendbarkeit des MTV gegenüber dem Kläger schriftlich nachzuweisen. Dann aber verstoße sie gegen Treu und Glauben, wenn sie nunmehr Bestimmungen eines Tarifvertrages heranziehe, der dem Kläger nicht bekannt gewesen sei.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Krefeld vom 23.11.2000 - 1 Ca 2160/00 -abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn DM 2.240,- brutto nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil und wiederholt ebenfalls ihren Sachvortrag aus der ersten Instanz. Sie beruft sich erneut auf die behauptete Vorschusszahlung von DM 1.400,- am 16.03.2000 und meint, dass ein Nachweis des für allgemeinverbindlich erklärten Manteltarifvertrags auch nach § 2 Nachweisgesetz nicht erforderlich gewesen wäre.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der zu den Akten gereichten Urkunden und der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig.

Sie ist nämlich an sich statthaft (§ 64 Abs. 1 ArbGG), nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes zulässig (§ 64 Abs. 2 ArbGG) sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1 ArbGG, 518, 519 ZPO).

Auch in der Sache selbst war das Rechtsmittel -jedenfalls überwiegend - erfolgreich.

Der Kläger hat gegen die Beklagte gemäß § 611 BGB in Verbindung mit dem zwischen den Parteien geschlossenen Arbeitsvertrag einen Anspruch auf Zahlung von Restvergütung in Höhe von DM 2.046,15 brutto für die Zeit vom 01.03. bis zum 22.03.2000. Der Beklagten ist es verwehrt, sich dem gegenüber auf die Verfallfrist des § 15 MTV zu berufen; darüber hinaus ist es ihr im vorliegenden Rechtsstreit auch nicht gelungen, die von ihr behauptete Vorschusszahlung zu beweisen.

1.

Nach § 15 des einschlägigen und kraft Allgemeinverbindlichkeitserklärung auf das Arbeitsverhältnis der Parteien einwirkenden Manteltarifvertrag sind Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht drei Monate nach Fälligkeit schriftlich geltend gemacht worden sind. Das Arbeitsgericht hat in seiner erstinstanzlichen Entscheidung zurecht darauf verwiesen, dass hiernach von einem Verfall der streitbefangenen Ansprüche ausgegangen werden muss. Auf die zutreffenden Ausführungen, denen sich die erkennende Berufungskammer insoweit anschließt, wird ausdrücklich verwiesen.

Darüber hinaus ist das Berufungsgericht allerdings der Auffassung, dass die Beklagte sich auf die dargestellte Verfallfrist nicht berufen kann, weil sie ihre Pflichten aus § 2 Abs. 1 Satz 2 Nachweisgesetz verletzt hat.

1.1.

Nach der vorbezeichneten Norm ist der Arbeitgeber verpflichtet, spätestens einen Monat nach dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses die wesentlichen Vertragsbedingungen schriftlich niederzulegen, die Niederschrift zu unterzeichnen und dem Arbeitnehmer auszuhändigen. In die Niederschrift ist dabei unter anderen gemäß Ziffer 10 ein "in allgemeiner Form gehaltener Hinweis auf die Tarifverträge, Betriebsoder Dienstvereinbarungen, die auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden sind", aufzunehmen. Dies hat die Beklagte, was zwischen den Parteien unstreitig ist, unterlassen.

1.2.

Die Beklagte kann nicht damit gehört werden, dass sie von der Nachweispflicht befreit wäre, weil der die Verfallfrist enthaltene Tarifvertrag für allgemeinverbindlich erklärt worden ist. Nach herrschender Auffassung in Literatur und Rechtsprechung ist dieser Umstand nicht geeignet, die Nachweispflicht im Sinne des § 2 Abs. 1 Nachweisgesetz auszuschließen (LAG Bremen, Urteil vom 09.11.2000 - 4 Sa 138/00 - DB 2001, Seite 336; LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 08.02.2000 - 1 Sa 563/99 - DB 2000, Seite 724; Feldgen, Nachweisgesetz, Rz. 185; ähnlich auch: Schäfer, das Nachweisgesetz, Rz. 133 ff.; Schoden, Nachweisgesetz, § 2, Rz. 19; abweichend: LAG Köln, Urteil vom 06.12.2000 - 3 Sa 1089/00 - ZIP 2001, Seite 477).

1.3.

Die erkennende Kammer schließt sich der herrschenden Meinung insbesondere mit Blick auf folgende Erwägungen an:

§ 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10 Nachweisgesetz enthält bereits nach seinem Wortlaut keine Einschränkung dahingehend, dass ein Hinweis auf für allgemeinverbindlich erklärte Tarifverträge nicht notwendig sei. Darüber hinaus setzt die Nachweispflicht hinsichtlich etwaiger Tarifverträge geradezu voraus, dass diese Tarifverträge bestehen und auf das Arbeitsverhältnis anwendbar sind. Davon betroffen sind aber vor allem für allgemeinverbindlich erklärte Tarifverträge, die ohne Rücksicht auf bestehende Verbandszugehörigkeiten auf das Arbeitsverhältnis anwendbar sind.

Vor allem Sinn und Zweck des Nachweisgesetzes, dass für Rechtssicherheit und für Rechtsklarheit sorgen soll, gebieten es schließlich, der vom Kläger vertretenden Rechtsauffassung zu folgen. Die Nachweispflicht soll jedem Arbeitnehmer eine Gewähr dafür bieten, welche kollektiven Verträge auf sein Arbeitsverhältnis einwirken. Dieser Nachweis ist bei für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträgen in der Regel sicherlich nur von deklatorischer Bedeutung; dies ändert aber nichts daran, dass auch in diesen Fällen dem Arbeitnehmer darzustellen ist, dass es einen auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Tarifvertrag gibt. Hinzu kommt, dass oftmals Streit darüber besteht, ob für allgemeinverbindlich erklärte Tarifverträge tatsächlich Anwendung finden. Beispielhaft sei hierbei auf die Frage des Unternehmenszwecks und damit der Branchenzugehörigkeit verwiesen. Darüber hinaus hat die Praxis in den vergangenen Jahren gezeigt, dass ehemals für allgemeinverbindlich erklärte Tarifverträge anlässlich ihrer Änderung nicht mehr für allgemeinverbindlich erklärt worden sind oder eine solche Erklärung gemäß § 5 TVG nachträglich erfolgte. Insgesamt zeigen die dargestellten Erwägungen, dass durchaus Unsicherheit über die Anwendbarkeit von für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträgen bestehen kann und es deshalb angezeigt ist, die Nachweispflicht des § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10 Nachweisgesetz auch auf diese Tarifverträge zu erstrecken.

1.4.

Als Rechtsfolge der Unterlassung der Beklagten ist es ihr verwehrt, sich auf die Verfallfrist in § 15 MTV zu berufen, da dies einen Verstoß gegen Treu und Glauben im Sinne des § 242 BGB darstellt (vgl. hierzu: LAG Bremen, a. a. O.; ähnlich auch: Schäfer, a. a. O., Rz. 175, m. w. N.).

2.

Der Beklagten ist es darüber hinaus nicht gelungen, die von ihr behauptete Vorschusszahlung von DM 1.400,- netto zu beweisen. Der von ihr benannte Zeuge P.konnte mangels zustellungsfähiger Anschrift nicht geladen werden. Dies geht zu Lasten der Beklagten, die für die von ihr behauptete Tatsache beweispflichtig geblieben ist.

3.

Der Anspruch des Klägers war nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang tatsächlich begründet. Nach dem beiderseitigen Sachvortrag der Parteien musste das Gericht davon ausgehen, dass der Kläger bis zum 22.03.2000 seine Arbeitsleistung tatsächlich erbracht hatte. Dies führt dazu, dass ihm für insgesamt 19 Werktage im März der ausgewiesene Bruttobetrag zusteht. Hinsichtlich des darüber hinaus gehenden Restbetrags hat der Kläger weder substanziiert vorgetragen noch unter Beweis gestellt, dass er vertragsgemäße Arbeitsleistung erbracht hat oder zumindest seine Arbeitsleistung angeboten hatte.

Die Entscheidung über die Zinsen ergeht nach §§ 288, 291 BGB; die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92 ZPO.

Die Kammer hat eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache bejaht und die Revision für die Beklagte zugelassen.

Ende der Entscheidung

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