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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 18.01.2007
Aktenzeichen: 5 (8) Sa 1023/06
Rechtsgebiete: InsO


Vorschriften:

InsO § 35
InsO § 38
InsO § 47
1) Abfindungsansprüche von Arbeitnehmern, die vor der Insolvenzeröffnung entstanden sind, stellen einfache Insolvenzforderungen i. S. d. § 38 InsO dar.

2) Ein Aussonderungsrecht i. S. d. § 47 InsO kann ausnahmsweise angenommen werden, wenn Abfindungsansprüche bestehen, die einem Sondervermögen zuzuordnen sind, das separiert von der Insolvenzmasse verwaltet wird.


LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

5 (8) Sa 1023/06

Verkündet am 18. Januar 2007

In dem Rechtsstreit

hat die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 18.01.2007 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Göttling als Vorsitzenden sowie den ehrenamtlichen Richter Herbst und den ehrenamtlichen Richter Weilbier

für Recht erkannt:

Tenor:

1) Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wesel vom 01.08.2006 - 1 Ca 1051/06 - teilweise abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

2) Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

3) Die Revision wird für den Kläger zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz noch über die Frage, ob ein beim Amtsgericht I. hinterlegter Geldbetrag in Höhe von 387.243,43 € teilweise zu Gunsten des Klägers freizugeben ist.

Der Kläger war seit dem 04.04.1962 bei der Beklagten zu 2) als Pförtner in deren Werk L. beschäftigt. Das Werk in L. wurde mit Wirkung zum 01.01.2002 auf der Grundlage eines Kaufvertrages vom 27.12.2001 an die Firma D. T. Lebensmittelwerke GmbH (im Folgenden "D." genannt) veräußert. Die D. führte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger fort.

Im Zusammenhang mit einer danach durchgeführten Betriebsänderung schlossen die D. und die Beklagte zu 2) mit ihren Betriebsräten einen Interessenausgleich vom 15.02.2002 und einen Sozialplan vom selben Tag. Im Sozialplan war unter anderem die Absenkung des Gesamtentgeltes der betroffenen Mitarbeiter um 20 % und deren Kompensation durch die Zahlung von außertariflichen Zulagen vorgesehen. Die Finanzierung dieses Vergütungsmodells sollte über ein Fondsmodell erfolgen. Dieses sah gemäß Ziffer 2.2.5 des Sozialplans vom 15.02.2002 die einmalige Zahlung der Beklagten zu 2) in Höhe von 7,72 Millionen an die D. vor und zwar auf ein Konto der D. bei der Bremer Sparkasse. Die Leistung der Beklagten zu 2) erfolgte vertragsgemäß nach Beibringung einer Bankgarantie über den Gesamtbetrag. Wegen der weiteren Einzelheiten des Interessenausgleichs und des Sozialplans wird im Übrigen auf Blatt 4 bis 26 der Akten und hinsichtlich des Fondsmodells auf Blatt 17 bis 19 der Akten verwiesen.

Unter dem 25.02.2005 schlossen die D. und der bei ihr bestehende Betriebsrat einen "Sozialplan über Reorganisationsmaßnahmen zur Unternehmenssicherung", der einen Personalabbau zum 31.03.2005 vorsah. Hiernach sollte auch das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger beendet werden. In der Betriebsvereinbarung vom 25.02.2005 heißt es unter anderem:

2. Änderung des Sozialplan vom 15.02.2002

2.1 Einstellung der Zahlung der Sozialplanzulagen

Der Sozialplan vom 15.02.2002 (SP 2002) wird zum 01.04.2005 dahingehend geändert, dass ab dem 01.04.2005 die monatliche Kompensation die infolge der damaligen Absenkung des Grundentgeltes gezahlt wird (Ziff. 2.2.2 SP 2002) entfällt.

2.2 Auszahlung des Restanspruchs auf den individuellen Mindestanspruch

Der individuellen Mindestanspruch auf Verdienstschutz nach Ziff. 2.2.3 SP 2002 wird mit der Abrechnung für April 2005 an die jeweiligen berechtigten Mitarbeiter ausgezahlt, soweit er noch nicht durch monatliche Kompensationszahlungen nach Ziff. 2.2.2 SP 2002 oder durch die Einmalzahlung nach Ziff. 2.2.4 Absatz 2 SP 2002 ausgezahlt wurde. Als Grundlage für die Berechnung des Anspruchs gilt der seit Jahren auf der Abrechnung erkennbare Wert "Restanspruch Sozialplan", der im SAP-Entgeltsystem ermittelt wird.

Mitarbeitern, denen nach Ziff. 1.3 dieses Sozialplans gekündigt wird, wird dieser Restanspruch nicht unmittelbar und direkt ausgezahlt, sondern zur Finanzierung eines Modells zum Ausgleich der wirtschaftlichen Nachteile, die mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses verbunden sind, verwendet.

Die D. kündigte das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis zum 31.03.2005 und erstellte ihm am 31.03.2005 eine Abfindungszusage über 16.709,92 €. Unter dem 29.03.2005 schlossen der Kläger, die D. und die Transfergesellschaft H. einen dreiseitigen Vertrag, wonach der Kläger nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der D. vom 01.04. bis zum 30.11.2005 in ein Anstellungsverhältnis bei der H. GmbH wechselte. Dieses Anstellungsverhältnis wurde später aufgrund einer Vereinbarung vom 27.10.2005 mit dem 31.10.2005 beendet. Das Gesamtvolumen der Ansprüche der Mitarbeiter, die nach dem Sozialplan vom 25.02.2005 zum 31.03.2005 ausgeschieden waren, betrug zum 31.03.2005 387.243,43 €. Dieser Betrag wurde der Beklagten zu 2) von der Firma D. zur Verfügung gestellt, verbunden mit der Zweckbestimmungserklärung vom 27.05.2005, diesen Betrag ausschließlich zur Auszahlung an die namentlich benannten Mitarbeiter in der angegebenen Höhe verwenden zu wollen und verbunden mit dem Hinweis, dass es sich um nicht verbrauchte Sozialplanmittel des Sozialplans aus dem Jahre 2002 handelte.

Über das Vermögen der D. wurde alsdann mit Beschluss des Amtsgerichts L. vom 01.09.2005 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zu 1) zum Insolvenzverwalter bestellt.

Er, wie auch die Beklagte zu 2), zahlten dem Kläger den ihm zustehenden Abfindungsanteil zunächst nicht aus. Nachdem der Kläger seine Forderung zusätzlich zur Insolvenztabelle angemeldet hatte, erkannte der Beklagte zu 1) diese am 20.03.2006 in Höhe von 17.493,03 € an.

Der Kläger hat mit seiner am 16.03.2006 beim Arbeitsgericht Wesel anhängig gemachten Klage zunächst die gesamtschuldnerische Verurteilung der Beklagten zur Zahlung eines Betrags von 16.709,92 € begehrt. Nachdem die Beklagte zu 2) den streitbefangenen Betrag beim Arbeitsgericht I. hinterlegt und das Amtsgericht am 20.04.2006 die Annahme der Hinterlegung erklärt hatte (vgl. hierzu Bl. 94 d. A.), hat der Kläger hilfsweise die Freigabeerklärung durch den Beklagten zu 1) geltend gemacht.

Der Kläger hat zunächst die Auffassung vertreten, dass es sich bei seinem Abfindungsanspruch um eine Masseforderung im Sinne von § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO handelte. Er hat hierzu vorgetragen, der Abfindungsanspruch sei erst mit der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses mit der H. GmbH am 31.10.2005 entstanden und damit nach der Insolvenzeröffnung.

Der Kläger hat darüber hinaus gemeint, dass die Hinterlegung durch die Beklagte zu 2) keine Erfüllungswirkung hätte entfalten können. So habe insbesondere, wie in § 372 Satz 2 BGB vorgesehen, keine Ungewissheit über die Person des Gläubigers bestanden.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an ihn 16.709,92 € zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.11.2005,

hilfsweise,

2. die Beklagte zu 1) zu verurteilen, den von der V. Deutschland GmbH beim Amtsgericht I. hinterlegten Betrag zu Gunsten des Klägers freizugeben.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte zu 1) hat die Rechtsauffassung vertreten, dass es sich bei der Abfindungsforderung um eine normale Tabellenforderung im Sinne des § 38 InsO gehandelt hätte. Entstanden sei der Anspruch auf Zahlung der Abfindung nämlich bereits am 31.03.2005, als das Arbeitsverhältnis mit der D. beendet worden sei. Dann aber könne keine Masseforderung vorliegen.

Die Beklagte zu 2) hat ihre Hinterlegung für zulässig erachtet und auf die Annahmeerklärung des Amtsgerichts I. verwiesen. Darüber hinaus hat sie gemeint, dass sie ohnehin nicht hafte, weil sie als reine Zahlstelle für den Kläger gedient hätte.

Mit Urteil vom 01.08.2006 hat die 1. Kammer des Arbeitsgerichts Wesel - 1 Ca 1051/06 - den Beklagten zu 1) verurteilt, den von der Beklagten zu 2) hinterlegten Betrag zu Gunsten des Klägers freizugeben und im Übrigen die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen, auf die Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht ausgeführt, bei dem Abfindungsbetrag handele es sich um eine normale Insolvenzforderung, weil sie am 29.03.2005 und damit vor der Insolvenzeröffnung entstanden wäre. Ein Zahlungsanspruch gegen den Beklagten zu 1) bestehe somit nicht. Dies gelte gleichermaßen hinsichtlich der Forderung gegenüber der Beklagten zu 2), die als reine Zahlstelle fungieren sollte.

Allerdings sei der Beklagte zu 1) zur Abgabe der Freigabeerklärung zu verurteilen, weil die Abfindungsbeträge nicht zur Masse gehörten. Das Guthaben auf dem Konto der Sparkasse Bremen sei gerade nicht dem Vermögen der D. zuzurechnen gewesen, weil sie nicht frei habe verfügen können. Es sei auch keine Vermischung eingetreten, als der Gesamtbetrag von 387.243,43 € auf das Geschäftskonto der D. bei der Volksbank Klever Land überwiesen wurde, weil der genannte Betrag auch angesichts mehrerer Buchungsvorgänge jeweils eindeutig identifizierbar gewesen wäre.

Der Beklagte zu 1) hat gegen das ihm am 31.08.2006 zugestellte Urteil mit einem am 21.09.2006 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 17.11.2006 - mit einem am 17.11.2006 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Er wiederholt zunächst seinen Sachvortrag aus dem ersten Rechtszug und meint, dass schon keine wirksame Hinterlegung durch die Beklagte zu 2) erfolgt wäre.

Der Beklagte vertritt weiter die Rechtsauffassung, dass dem Kläger auch kein Aussonderungsrecht zur Seite stehe, weil es insoweit an einem Treuhandverhältnis zwischen ihm und der Beklagten zu 2) fehle. So liege bereits keine Treuhandabrede vor und es wäre auch kein separates Treugut erkennbar. Die von der Beklagten zu 2) beim Amtsgericht I. hinterlegten 387.243,43 € wären nie von einem separat verwalteten Konto der Beklagten zu 2), sondern von einem allgemeinen Geschäftskonto bei der Bremer Sparkasse eingezahlt worden. Auch zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 1), so trägt dieser weiter vor, gebe es kein Treuhandverhältnis. Eine Treuhandabrede liege gerade nicht vor, könne auch nicht aus dem Schreiben vom 27.05.2005 herausgelesen werden. Zum einen sei der Kläger an diesem Schreiben gar nicht beteiligt gewesen, zum anderen sollte die darin erklärte Zweckbestimmung nur verhindern, dass die Beklagte zu 2) das Geld zur Tilgung anderer - streitiger - Forderungen verwendete. Der Beklagte zu 1) führt weiter aus, dass das am 30.05.2005 bei der Volksbank Klever Land eingegangene Geld auf dem Konto der D. mit anderen Eingängen der D. vermischt worden sei, bevor die Überweisung an die Beklagte zu 2) erfolgte. Jedenfalls sei der gesamte Abfindungsbetrag nur Teil einer Gesamtsumme von 445.201,33 € gewesen, die auf das Konto bei der Volksbank Klever Land gutgebracht worden sei. Mit diesem Betrag wären dann auch andere Leistungen der D. erfolgt, wie etwa die Auskehrung von Nettolöhnen, Sozialversicherungsbeiträgen und Lohnsteuerbeträgen für vom Sozialplan nicht erfasste Mitarbeiter.

Der Beklagte zu 1) meint schließlich, dass auch hinsichtlich des bei der Bremer Sparkasse geführten Kontoguthabens kein Treuhandverhältnis zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 1) bzw. der Insolvenzschuldnerin bestanden hätte.

Der Beklagte zu 1) beantragt,

unter teilweiser Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Wesel - 1 Ca 1051/06 - wird die Klage gegen den Beklagten zu 1) vollumfänglich abgewiesen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil und wiederholt ebenfalls seinen Sachvortrag aus dem ersten Rechtszug.

Er meint, dass es sich bei dem hier streitigen Abfindungsbetrag um ein Sondervermögen gehandelt hätte, das der Insolvenzmasse zugeflossen sei. Es habe sich um ein zweckgebundenes Vermögen gehandelt, das einzig und allein zur Kompensation der Entgelteinbußen und nur nach der im Sozialplan festgelegten Art und Weise benutzt werden durfte. Dann aber gehöre dieses Vermögen nicht zur Insolvenzmasse und müsse ausgesondert werden.

Der Kläger meint weiter, dass auch ein Treuhandverhältnis zwischen dem Beklagten zu 2) und dem Beklagten zu 1) entstanden sei, als die Beklagte zu 2) den Betrag von 7,72 Millionen Euro überwiesen hätte. Hinzu käme, dass der Beklagte zu 1) verpflichtet werden sollte, entsprechend des Sozialplans zu verfahren. Aus der Sicht des Klägers und der anderen Mitarbeiter handelte es sich demgemäß stets um Zahlungen ihres alten Arbeitgebers, der Beklagten zu 2), auch soweit sie nach dem 01.01.2002 geflossen seien.

Der Kläger ist schließlich der Auffassung, dass es auch nicht zu einer Vermischung der Abfindungsgelder und anderer Vermögensbestandteile der D. gekommen wäre, als die Überweisung am 30.05.2005 über das normale Geschäftskonto der D. gegangen wäre. Entscheidend wäre nämlich, dass der zu überweisende Betrag gerade nicht den ganzen Tag auf dem Geschäftskonto gelegen hätte und damit auch nicht habe vermischt werden können.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der zu den Akten gereichten Urkunden und der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist zulässig.

Sie ist nämlich an sich statthaft (§ 64 Abs. 1 ArbGG), nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes zulässig (§ 64 Abs. 2 Ziffer b ArbGG) sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).

II.

Auch in der Sache selbst hatte das Rechtsmittel Erfolg.

Der Kläger hat gegen den Beklagten zu 1) keinen Anspruch auf Abgabe der gewünschten Freigabeerklärung zu seinen Gunsten. Ihm steht in Höhe eines Betrages von 16.709,92 € kein Leistungsanspruch gegen den Beklagten zu 1) zu, weil der streitbefangene Abfindungsanspruch keine Masseforderung im Sinne des § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO darstellt. Schließlich kann sich der Kläger auch nicht auf ein Aussonderungsrecht nach § 47 InsO berufen; er war auf die Anmeldung seiner Insolvenzforderung zur Insolvenztabelle zu verweisen.

1. Das Klagebegehren des Klägers scheitert nicht daran, dass die Hinterlegung des Gesamtbetrages von 387.243,43 € durch die Beklagte zu 2) unzulässig gewesen sein könnte.

1.1 Gemäß § 372 Satz 2 BGB kann ein Schuldner bei einer dazu bestimmten öffentlichen Stelle Geld für den Gläubiger hinterlegen, wenn der Schuldner aus einem anderen in der Person des Gläubigers liegenden Grund oder infolge einer nicht auf Fahrlässigkeit beruhenden Ungewissheit über die Person des Gläubigers seine Verbindlichkeit nicht oder nicht mit Sicherheit erfüllen kann. Selbst nach der Darstellung der Beklagten zu 1) im ersten Rechtszug, erscheint zweifelhaft, ob eine derartige Ungewissheit über die Person des Gläubigers angenommen werden kann. Dies vor allen Dingen deshalb, weil die möglichen Gläubiger, nämlich der Kläger und der Beklagte zu 1) aus verschiedenen Rechtsgründen gegen die Beklagte zu 2) vorgehen oder vorgehen könnten (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 14.02.1985 - IX ZR 76/84 - NJW 1986, 1038).

1.2 Indessen konnte die aufgeworfene Frage dahingestellt bleiben. Bei einem Streit zwischen zwei Forderungsprätendenten über die Auszahlung von hinterlegten Geldbeträgen steht dem wirklichen Rechtsinhaber gegen den anderen Prätendenten ein bereicherungsrechtlicher Anspruch auf Einwilligung in die Auszahlung zu, denn Letzterer hat durch das vom Schuldner gewählte Vorgehen auf Kosten des wahren Gläubigers rechtsgrundlos die Stellung eines Hinterlegungsbeteiligten erlangt. Dies gilt auch dann, wenn wegen der rechtlichen Verschiedenheit der von beiden Prätendenten geltend gemachten Ansprüche kein Hinterlegungsgrund gemäß § 372 Satz 2 BGB vorlag (BGH, Urteil vom 15.10.1999 - V ZR 141/98 - NJW 2000, 291). Hiernach ist für die Zulässigkeit des klägerischen Antrags auf Abgabe der Freigabeerklärung gerade nicht zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Hinterlegung gemäß § 372 ff. BGB vorliegen. Der Klageantrag ist zulässig.

2. Der Kläger kann sich zur Begründung seines streitbefangenen Freigabeanspruchs nicht darauf berufen, dasss der letztlich zur Diskussion stehende Abgeltungsanspruch eine Masseforderung im Sinne von § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO darstellt.

2.1 Gemäß § 55 Abs. 1 Ziff. 2 sind Masseverbindlichkeiten solche aus gegenseitigen Verträgen, soweit deren Erfüllung zur Insolvenzmasse verlangt wird oder für die Zeit nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgen muss.

2.2 Hiervon kann vorliegend gerade nicht ausgegangen werden. Insbesondere ist nicht erkennbar, weshalb die in Streit stehende Verbindlichkeit, nämlich die Abfindungszahlung, für die Zeit nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgen müsste. Bereits das Arbeitsgericht hat in diesem Zusammenhang zu Recht darauf hingewiesen, dass der Abfindungsanspruch des Klägers am 29.03.2005 bzw. spätestens am 31.03.2005 entstanden war. Dann aber handelt es sich in der Tat um eine einfache Insolvenzforderung im Sinne von § 38 InsO, die zur Tabelle anzumelden ist. Der Beklagte zu 1) hat die Forderung zwischenzeitlich auch entsprechend zur Tabelle anerkannt.

3. Der Kläger kann sich zur Begründung seines Freigabeantrags schließlich auch nicht auf ein Aussonderungsrecht im Sinne des § 47 InsO berufen. Die in Streit stehende, nunmehr hinterlegte Geldsumme gehörte zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung zum Vermögen der Insolvenzschuldnerin und war damit gemäß § 35 InsO der Insolvenzmasse zuzurechnen. Dies folgt in erster Linie aus der Feststellung, dass es sich bei den hinterlegten Abfindungsbeträgen nicht um treuhänderisch gebundene Fremdgelder handelt oder um ein Sondervermögen, das separiert von der Insolvenzmasse zu betrachten wäre.

Nach herrschender Meinung in Literatur und Rechtsprechung ist anerkannt, dass bei einer uneigennützigen Treuhand der Treugeber im Konkurs des Treuhänders ein Aussonderungsrecht am Treugut hat und dass auch die Forderung auf Zahlung einer Geldsumme Gegenstand der Aussonderung sein kann, wenn sich das Treugut bestimmbar in der Masse befindet. Das Treugut gehört dann zwar rechtlich zum Vermögen des Treuhänders. Wegen der im Innenverhältnis aufgrund des Treuhandvertrages bestehenden Beschränkung der Rechtsmacht des Treuhänders ist der treuhänderisch übertragene Gegenstand jedoch sachlich und wirtschaftlich dem Vermögen des Treugebers zuzuordnen (vgl. hierzu: BAG, Urteil vom 24.09.2003 - 10 AZR 640/02 - AP Nr. 1 zu § 47 InsO; BAG, Urteil vom 08.06.1999 - 3 AZR 136/98 - BAGE 92; 1; Uhlenbruck, InsO, 12. Aufl., § 47, Rnr. 66, jeweils m. w. N.).

In der Regel gehört es zur insolvenzsicheren uneigennützigen Treuhand, dass der Treuhänder Eigentümer von Treugut oder Inhaber von zum Treuhandvermögen gehörenden Rechte wurde, die vorher dem Treugeber zustanden, also eine unmittelbare Vermögensübertragung erfolgte. Zur Begründung der Treuhand bedarf es insoweit sowohl eines dinglichen Vertrages zur Übertragung des Treugutes an den Treuhänder als auch eines schuldrechtlichen Vertrages, durch den die treuhänderischen Rechte und Pflichten begründet werden (BAG, Urteil vom 24.09.2003 - a. a. O.).

Von dem genannten Grundsatz der Unmittelbarkeit der Vermögensübertragung ist nach der Rechtsprechung der Zivilgerichte eine Ausnahme für den Fall gemacht worden, dass von dritter Seite Geld auf ein so genanntes Anderkonto eingezahlt oder überwiesen wird, das offenkundig zu dem Zweck bestimmt ist, fremde Gelder zu verwalten. Notwendig ist allerdings, dass das Konto offen ausgewiesen oder sonst nachweisbar ausschließlich zur Aufnahme von treuhänderisch gebundenen Fremdgeldern bestimmt ist. In diesem Falle erstreckt sich das Treuhandverhältnis auch auf von dritter Seite eingegangene Zahlungen, sofern die ihnen zugrunde liegenden Forderungen nicht in der Person des Treugebers, sondern unmittelbar in der Person des Treugebers entstanden sind (so ausdrücklich: BGH, Urteil vom 07.07.2005 - III ZR 422/04 -ZIP 2005, 1465, m. w. N.).

Bei Anwendung dieser Rechtsgrundsätze, denen sich die erkennende Kammer in vollem Umfang anschließt, kann entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts gerade nicht davon ausgegangen werden, dass zu Gunsten des Klägers ein separiert verwaltetes Treuhand- oder Sondervermögen entstanden ist, das aus der Insolvenzmasse auszusondern wäre.

3.1 Dies gilt zunächst im Verhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 2, ein rechtlich relevantes Treuhandverhältnis hat insoweit nicht bestanden.

3.1.1 Es fehlt, worauf der Beklagte zu 1) zu Recht verweist, zunächst an einer Treuhandabrede zwischen den beteiligten Parteien. Dies gilt sowohl hinsichtlich des dinglichen Vertrages zur Übertragung des Treugutes als auch hinsichtlich eines schuldrechtlichen Vertrages, durch den etwaige treuhänderische Rechte und Pflichten hätten begründet werden können. Allein die Tatsache, dass die Beklagte zu 2) einen Großteil der später verwendeten Kompensationszahlungen auf das Konto bei der Sparkasse Bremen eingezahlt hatte, vermag eine derartige Zusage oder Verabredung nicht zu begründen.

3.1.2 Da hiernach schon nicht von einer zwingend erforderlichen Treuhandabrede ausgegangen werden kann, erübrigte sich an dieser Stelle ein Eingehen auf die Frage, ob ein separiert verwaltetes Treuhandgut festgestellt werden kann.

3.2 Nach Meinung der erkennenden Berufungskammer ist auch kein Treuhandverhältnis zwischen dem Kläger und der Insolvenzschuldnerin bzw. dem Beklagten zu 1) entstanden.

3.2.1 Auch insoweit ist in erster Linie auf das Fehlen einer Treuhandabrede bzw. auf das Fehlen einer Abrede über die Verwaltung eines separierten Sondervermögens auszugehen.

Der Beklagte zu 1) verweist in diesem Zusammenhang zu Recht darauf, dass es eine ausdrückliche Vereinbarung zwischen dem Kläger und ihm oder aber der Insolvenzschuldnerin nicht gegeben hat.

3.2.2 Darüber hinaus sind aber auch die Vereinbarungen zwischen der Beklagten zu 2) und der Insolvenzschuldnerin nicht geeignet, als entsprechende Vereinbarung zu Gunsten des Klägers qualifiziert zu werden. Es ist zwar richtig, dass in der Betriebsvereinbarung vom 15.02.2002 umfassende Regelungen über die Verwaltung der von der Beklagten zu 2) eingebrachten 7,72 Millionen Euro getroffen wurden und dass es klare Regeln über die Auszahlung dieser Gelder gab. Diese Regelungen dienten aber erkennbar der Abwicklung der Kompensationszahlungen und verfolgten in erster Linie den Zweck, das Verhältnis zwischen der Insolvenzschuldnerin und der Beklagten zu 2) zu regeln. Darüber hinaus ergibt sich aus diesen Verabredungen gerade nicht eine Wirkung zu Gunsten Dritter, nämlich des Klägers und seiner Kollegen. Dagegen spricht bereits die ausdrückliche Regelung in Ziffer 2.2.5 der Betriebsvereinbarung (Bl. 18 d. A.), wonach kein Individualanspruch der Mitarbeiter gegen die Beklagte zu 2) begründet werden sollte.

Auch die Einrichtung und Behandlung des Girokontos der Insolvenzschuldnerin bei der Sparkasse Bremen spricht gegen eine Treuhandabrede im Rahmen eines Treuhandverhältnisses bzw. bei der Verwaltung eines Sondervermögens. Ausweislich der zu den Akten gereichten Kontounterlagen (Bl. 114 d. A.) wurde die Insolvenzschuldnerin als "wirtschaftlich Berechtigte" geführt, was belegt, dass jedenfalls gegenüber den begünstigten Arbeitnehmern gerade nicht von der Verwaltung eines durch einen Treugeber zur Verfügung gestellten Treugutes auszugehen war.

3.2.3 Die Zweckbestimmungserklärung vom 27.05.2005 steht der bisherigen Einschätzung nicht entgegen. Aus der Erklärung der Insolvenzschuldnerin gegenüber der Beklagten zu 2) lässt sich zwar entnehmen, dass der zum damaligen Zeitpunkt zu überweisende Betrag von 387.243,43 € zur Teilfinanzierung von "bestimmten Abfindungszusagen" zu verwenden war. Unabhängig von der Frage, ob sich der Kläger, der an dem genannten Schreiben nicht unmittelbar beteiligt war, auf dessen Inhalt berufen kann, folgt hieraus gerade keine Abrede, die ein Aussonderungsrecht zu seinen Gunsten begründen könnte. Bei der Erklärung vom 27.05.2005 handelt es sich nach Auffassung der Berufungskammer gerade nicht um eine Treuhandabrede in dem oben definierten Sinne, weil sich die Zweckbestimmung an die Beklagte zu 2) und nicht an die Insolvenzschuldnerin bzw. den Beklagten zu 1) als Treuhänder wendet. Dann aber kann man, auch wenn man eine Erstreckung ihrer Wirkung auf den Kläger annehmen wollte, nicht von einem ihm deshalb zustehenden Aussonderungsrecht ausgehen (vgl. hierzu: Uhlenbruck, InsO, 12. Aufl., a. a. O., Rz. 33 - 37).

3.2.4 Unterstellt man gleichwohl zu Gunsten des Klägers eine Treuhandabrede zwischen ihm und der Insolvenzschuldnerin bzw. dem Beklagten zu 1), so bleibt festzustellen, dass ein separat verwaltetes Treuhand- oder Sondervermögen nicht (mehr) vorhanden ist.

3.2.2.1 Nach den oben dargestellten Rechtsgrundsätzen sowohl des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Urteil vom 24.09.2003, a. a. O.) wie auch des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 07.07.2005, a. a. O.) erfordert das Vorliegen der Aussonderungslage nach § 47 InsO, dass eine unmittelbare Vermögensübertragung erfolgt ist oder aber das ein Treuhandkonto besteht, das als solches offen ausgewiesen oder sonst nachweisbar ausschließlich zur Aufnahme von treuhänderisch gebundenen Fremdgeldern bestimmt war. In einem solchen Fall soll sich dann das Treuhandverhältnis auch auf von dritter Seite eingegangene Zahlungen erstrecken, sofern die ihnen zugrunde liegenden Forderungen nicht in der Person des Treuhänders, sondern unmittelbar in der Person des Treugebers entstanden sind. Diese Voraussetzungen sind vorliegend aber insgesamt nicht gegeben.

3.2.2.2 Eine unmittelbare Vermögensübertragung auf den Beklagten zu 1) bzw. die Insolvenzschuldnerin hat nicht stattgefunden. Die hier in Streit stehenden Abfindungsbeträge sind nämlich gerade nicht vom Kläger an den Beklagten zu 1) gezahlt worden, damit sie von ihm verwaltet werden können.

3.2.2.3 Allein in Betracht kommen hiermit Zahlungen der Beklagten zu 2) auf das Konto der Sparkasse Bremen, mit denen die Leistungen aus der Betriebsvereinbarung vom 15.02.2002 zumindest teilweise finanziert wurden. Diese von der Beklagten zu 2) erbrachten Geldzahlungen sind aber spätestens am 30.05.2005 nicht mehr offen und separiert verwaltet worden, sondern mit anderen Geldern der Insolvenzschuldnerin auf deren Bankkonto bei der Volksbank Klever Land vermischt worden.

Nach Darstellung des Beklagten zu 1) insbesondere im Berufungsrechtszug und nach Vorlage der entsprechenden Kontounterlagen steht zur Überzeugung der erkennenden Kammer fest, dass am 30.05.2005 ein Gesamtbetrag in Höhe von 445.201,33 € und ein weiterer Betrag in Höhe von 111.947,97 € überwiesen worden sind. Schon in diesem Zusammenhang ist mithin festzuhalten, dass eine Separierung des hier in Streit stehenden Betrages von 387.243,43 gar nicht mehr stattgefunden hatte; der genannte Betrag war vielmehr - schon nicht mehr identitätswahrend - auf das normale Geschäftskonto der Insolvenzschuldnerin gelangt.

Nach dem nicht substantiiert bestrittenen Sachvortrag des Beklagten zu 1) wurden dann aber Teile der sich auf dem Geschäftskonto der Volksbank Klever Land befindlichen Beträge auch zur Zahlung von Nettolöhnen sowie Sozialversicherung oder Lohnsteuer verwendet, und zwar für Mitarbeiter, die nicht vom Sozialplan und damit auch nicht von der Betriebsvereinbarung vom 15.02.2002 umfasst wurden. Soweit allerdings vertretbare Gegenstände mit anderem Vermögen des Treuhänders vermischt werden, lässt sich eben nicht mehr mit Bestimmtheit sagen, was (und in welcher Höhe) Treugut ist. Dies gilt in entsprechender Weise, wenn Forderungen eingezogen und die Beträge auf einem auch als Eigenkonto genutzten Girokontos des Treuhänders gutgeschrieben werden (BGH, Urteil vom 24.06.2003 - IX ZR 120/02 - ZIP 2003, 1404). Dann aber steht fest, dass jedenfalls zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung ein separat zu verwaltendes Sondervermögen, das zu Gunsten des Klägers und seiner Kollegen zur Auszahlung gelangen sollte, nicht mehr vorhanden war.

3.3 Schließlich ist entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht von einem Treuhandverhältnis zwischen der Beklagten zu 2) und dem Beklagten zu 1) auszugehen, das positive Rechtswirkungen auf den Kläger ausüben könnte.

3.3.1 Es erscheint bereits zweifelhaft, ob auch insoweit von einer Treuhandabrede gesprochen werden kann, deren Rechtswirkungen zu Gunsten Dritter, hier des Klägers, eintreten sollten. Selbst wenn man eine solche in den Regelungen im Rahmen der Betriebsvereinbarung vom 15.02.2002 sehen wollte, so verbietet sich auch hier, diese zu Gunsten des Klägers als Treuhandabrede zu qualifizieren. Auf die Erwägungen oben unter Ziffer 3.2 wird verwiesen.

3.3.2 Dasselbe gilt, soweit es um die Verwaltung eines separierten Treuhand- oder Sondervermögens geht. Auch in diesem Zusammenhang ist erneut darauf zu verweisen, dass nach den Vereinbarungen in der Betriebsvereinbarung vom 15.02.2002 und auch angesichts der dann tatsächlich erfolgten Handhabung das Konto der Insolvenzschuldnerin bei der Sparkasse Bremen als eigenes geführt wurde, ihr wirtschaftlich zuzurechnen war und die Beklagte zu 2) allenfalls als Zahlstelle fungierte. Auch in diesem Zusammenhang erscheint erneut von Bedeutung, dass nach Ziffer 2.2.5 der Betriebsvereinbarung vom 15.02.2002 gerade kein eigenständiger Rechtsanspruch des Klägers und seiner Kollegen begründet werden sollte, der sich gegen die Beklagte zu 2) richten konnte. Dann aber kann eine wie auch immer geartete Verwaltung der von der Beklagten zu 2) zur Verfügung gestellten Abfindungsbeträge nicht als treuhänderische Verwaltung zu Gunsten der Arbeitnehmer und damit auch des Klägers angesehen werden.

Darüber hinaus ist auch insoweit zu beachten, dass spätestens am 30.05.2005 eine identitätszerstörende Vermischung der streitbefangenen Geldbeträge mit anderen Beträgen stattgefunden hat, die sich auf dem Girokonto bei der Volksbank Klever Land befanden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Die Kammer hat das Vorliegen einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne von § 72 Abs. 2 Ziff. 1 ArbGG bejaht und die Revision zugelassen.

Ende der Entscheidung

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