Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 08.01.2004
Aktenzeichen: 5 Sa 1353/03
Rechtsgebiete: BetrAVG


Vorschriften:

BetrAVG § 2
1) Bei der Berechnung der Unverfallbarkeit einer betrieblichen Invaliditätsrente gilt § 2 BetrAVG.

2) Änderungen einer Versorgungsordnung, bei denen in eine bereits erdiente Anwartschaft auf Bezug von Invaliditätsrente eingegriffen wird, sind unzulässig, wenn sie unverhältnismäßig sind und schützenswertes Vertrauen verletzen. Dies gilt auch für einen Eingriff in eine bereits erdiente Dynamik.


LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

5 Sa 1353/03

Verkündet am 08. Januar 2004

In dem Rechtsstreit

hat die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 08.01.2004 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Göttling als Vorsitzenden sowie den ehrenamtlichen Richter Krause und den ehrenamtlichen Richter Kohl

für Recht erkannt:

Tenor:

1) Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Krefeld vom 17.07.2003 - 1 Ca 1231/03 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2) Die Revision wird für den Kläger zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Höhe der dem Kläger zu zahlenden betrieblichen Altersversorgung.

Der am 24.06.1941 geborene Kläger war seit dem 01.10.1973 bei der d. West AG (später "Deutsche T.-Kauf AG") als Angestellter auf der zweiten Führungsebene beschäftigt.

Der Anstellungsvertrag mit der d. West AG vom 02.05.1979 lautete unter anderem wie folgt:

§ 6 Altersversorgung

1. Der Mitarbeiter ist bei der Pensionskasse der Deutschen Konsumgenossenschaften VVaG (nachfolgend "Pensionskasse" genannt) nach deren Satzung versichert zu halten. Die Aufbringung der Beiträge erfolgt in betriebsüblicher Weise.

Ansprüche aus dieser Versicherung bestehen nur gegenüber der Pensionskasse und bestimmen sich ausschließlich nach der Satzung und den einschlägigen Versicherungsbedingungen der Pensionskasse.

2. Besteht keine Pflichtversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung, so beteiligt sich die Unternehmung an der freiwilligen Weiterversicherung oder an einer etwa abgeschlossenen Ersatzversicherung mit einem Beitragsaufwand in Höhe der Hälfte des für diese Versicherung aufgewandten jährlichen Gesamtbeitrages, höchstens jedoch der Hälfte des für einen Pflichtversicherung jeweils benötigten Gesamtbetrages.

In die Pensionskasse zahlten die Versicherten 3 % der ruhegehaltsfähigen Bezüge ein, das Unternehmen 4, 5 %. Von diesen ruhegehaltsfähigen Bezügen sind die Leistungen der Pensionskasse abhängig.

Daneben, als zweiten Teil der bei der Arbeitgeberin des Klägers bestehenden betrieblichen Altersversorgung, hatte diese Rentenzuschüsse durch die Beklagte zugesagt, zu deren Trägerunternehmen sie gehört. Die Bezüge aus der Pensionskasse und aus der gesetzlichen Rentenversicherung werden auf die Rentenzuschüsse der Beklagten angerechnet.

Die bis zum 31.12.1993 gültigen Versorgungsrichtlinien (Richtlinien) der Beklagten enthielten folgende Fassung:

§ 5

...

5. Scheidet ein Mitarbeiter vor Vollendung des 65. Lebensjahres mit Bezug auf ein vorgezogenes Altersruhegeld gemäß § 25 Abs. 1 - 3 AVG bzw. § 1248 Abs. 1 - 3 RVO aus dem Beschäftigungsverhältnis mit den Unternehmen aus, so wird der aus der angerechneten Dienstzeit ermittelte prozentuale Gesamtanspruch vermindert. Der Abzug beträgt für jeden Monat der Zeit zwischen dem Ausscheiden und dem 65. Lebensjahr 0,15 Prozentpunkte.

Eine entsprechende Verminderung des prozentualen Gesamtanspruchs wird auch für die Zeit zwischen dem Beginn einer vorgezogenen Altersrente der PK und dem Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis vorgenommen, wenn der PK-Rentenbeginn vor dem Zeitpunkt des Ausscheidens liegt.

Die Regelung findet keine Anwendung, falls Mitarbeiter, die das 59. Lebensjahr vollendet haben, das Beschäftigungsverhältnis auf Wunsch der Unternehmen beenden.

...

§ 6

Berechnungseinkommen

a) bei Vollbeschäftigung

1. Als Berechnungseinkommen gilt das durchschnittliche Monatseinkommen der letzten 24 Monate, in denen ein Arbeitseinkommen bezogen wurde.

2. Funktions-, Leistungs-, Ausgleichs- und Familienzulagen sowie Überstundenpauschalen sind in das Monatseinkommen einzubeziehen.

3. Nicht zum Monatseinkommen im Sinne dieser Vorschrift gehören Sonderzuwendungen gemäß Manteltarifvertrag, vermögenswirksame Leistungen; ferner Zuschläge für Nacht- oder Sonntagsarbeit, Leistungsprämien, Entgelt für Überstunden sowie andere unregelmäßig oder einmalig gewährte Leistungen.

4. Das Berechnungseinkommen wird auf DM 10,-- aufgerundet.

5. Von der Festsetzung des Berechnungseinkommens gemäß Ziffer 1 kann abgewichen werden, wenn die Trägerunternehmen mit ausdrücklichem Bezug auf die RZK in besonderen Dienstverträgen oder sonst wie schriftlich ein anderes Berechnungseinkommen vorgesehen haben.

In der ab dem 01.01.1994 geltenden Fassung, die die Beklagte unter paritätischer Beteiligung des Konzernbetriebsrats durch Beschluss ihrer Mitgliederversammlung vom 24.08.1993 geändert hatte, heißt es demgegenüber:

§ 6 Berechnungseinkommen

1) Als Berechnungseinkommen gilt das bei der Pensionskasse versicherte monatliche Einkommen. Für Mitarbeiter, die nach den Versicherungsbedingungen der Pensionskasse keine Aufnahme in die PK finden konnten, gilt § 17 der Richtlinien.

2) Von der Festsetzung des Berechnungseinkommens gemäß Ziffer 1 kann abgewichen werden, wenn die Trägerunternehmen mit ausdrücklichem Bezug auf die RZK in besonderen Dienstverträgen oder sonst wie schriftlich ein anderes Berechnungseinkommen vorgesehen haben.

Der Kläger erhielt zu diesem Zeitpunkt ein Bruttomonatsgehalt in Höhe von 126.000,-- DM. Er schied zum 01.12.1994 wegen Erwerbsunfähigkeit aus den Diensten der Arbeitgeberin aus und erhält seitdem eine gesetzliche Rente. Die Beklagte zahlt dem Kläger zusätzlich, ausgehend von einem jährlichen Bruttogehalt von 110.000,-- DM, einen Rentenzuschuss in Höhe von monatlich 1.711,-- DM.

Mit einer im Jahre 1996 gegen die damalige "Deutsche T.-Kauf Rentenzuschusskasse e. V." gerichteten Klage hat der Kläger die Feststellung begehrt, festzustellen, dass bei der Berechnung der unverfallbaren Anwartschaft des Klägers im Bereich der betrieblichen Altersversorgung das tatsächlich von ihm bezogene Bruttoeinkommen zugrunde zu legen ist. Dem Klagebegehren hatte das Arbeitsgericht Frankfurt mit Urteil vom 01.10.1997 - 7 Ca 7010/96 - entsprochen.

Auf die Berufung der damaligen Beklagten hat das Hessische Landesarbeitsgericht die arbeitsgerichtliche Entscheidung mit Urteil vom 07.07.1999 - 8 Sa 1132/98 - abgeändert und die Klage abgewiesen. Die Revision des Klägers zum Bundesarbeitsgericht blieb erfolglos, weil das Bundesarbeitsgericht die erhobene Feststellungsklage des Klägers bereits für unzulässig hielt (vgl. hierzu das zu den Akten gereichte Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 19.02.2002 - 3 AZR 589/99 -).

Mit seiner am 30.01.2003 beim Arbeitsgericht Köln anhängig gemachten und mit Beschluss vom 04.04.2003 an das Arbeitsgericht Krefeld verwiesenen Klage hat der Kläger sein Begehren gegen die Beklagte weiterverfolgt. Er hat erneut die Auffassung vertreten, bei der Berechnung der Zuschussleistungen der Beklagten sei auf sein letztes jährliches Bruttoentgelt in Höhe von 130.000,-DM und nicht auf die abgesenkten Beträge in Höhe von zuletzt 110.000,-- DM pro Jahr abzustellen gewesen. Hieraus folge, dass von einem monatlichen Bruttoentgelt in Höhe von 10.840,-- DM auszugehen wäre, das zu einer monatlichen Zuschusszahlung von 2.872,-- DM = 1.468,43 € führe.

Die Änderung der Bemessungsgrundlage per 01.01.1994 sei demgegenüber vom Kläger niemals akzeptiert worden. Sie führe auch zu einem Eingriff in seine bis zum 31.12.1993 erdiente Versorgungsanwartschaft und zu einem Eingriff in die dienstzeitunabhängige Dynamik.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 51.324,85 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat zunächst die Auffassung vertreten, dass die Begrenzung der Bemessungsgrundlage auf zuletzt 110.000,-- DM vom Kläger akzeptiert worden sei. So habe er schon vor Änderung der Versorgungsrichtlinie zum 01.01.1994 anlässlich der Gehaltserhöhungsschreiben, mit der eine Begrenzung der Ruhegehaltsfähigkeit mitgeteilt worden wäre, keine Reaktion gezeigt und sich damit jedenfalls konkludent mit der Begrenzung des Einkommens einverstanden erklärt.

Entgegen der Ansicht des Klägers, so hat die Beklagte weiter vorgetragen, liege auch kein Eingriff in bereits erdiente Anwartschaften oder in die dienstzeitunabhängige Dynamik vor, weil sich das Gehalt des Klägers seit der Änderung der Richtlinie nicht mehr geändert hätte.

Überdies sei der Anspruch des Klägers aber auch in zweierlei Hinsicht zu kürzen gewesen. Zunächst sei nämlich mit Blick auf das vorzeitige Ausscheiden und die damit fehlende Betriebstreue die Rente des Klägers ratierlich gemäß § 2 Abs. 1 BetrVG zu kürzen. Bei einem Rentenbeginn am 01.11.1995 ergebe sich ein Unverfallbarkeitsfaktor von 0,64 und damit eine unverfallbare Anwartschaft von monatlich 1.095,-- DM. Dieser Betrag sei darüber hinaus gemäß § 5 Ziffer 5 der Richtlinie 1994 um einen versicherungsmathematischen Abschlag von 0,15 pro Monat zu reduzieren, so dass ein Betrag von 884,76 DM verbliebe.

Schließlich hätte das Hessische Landesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 07.07.1999 zutreffend darauf hingewiesen, dass selbst unter Zugrundelegung einer monatlichen Bemessungsgrundlage von 10.840,-- DM und eines Unverfallbarkeitsfaktors von 0,6183 monatliche Altersbezüge errechnet würden, die unter 1.650,-- DM und damit unter den tatsächlich gewährten Bezügen lägen.

Dem schließe sich die Beklagte an.

Mit Urteil vom 17.07.2003 hat die 1. Kammer des Arbeitsgerichts Krefeld - 1 Ca 1231/03 - die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen, auf die im Übrigen Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht ausgeführt, die Änderung der Versorgungsrichtlinien zum 01.01.1994 und die Absenkung der Bemessungsgrundlage seien nicht zu beanstanden, weil weder ein Eingriff in eine bereits erdiente Versorgungsanwartschaft noch ein Eingriff in eine dienstzeitunabhängige Dynamik vorliege. Der Kläger habe nicht beachtet, dass seine Rente auch bei einem monatlichen Einkommen von 10.840,-- DM ratierlich zu kürzen gewesen wäre. Dann aber hätte ihm - je nach Berechnungsart - entweder ein Betrag in Höhe von 1.641,54 DM oder ein solcher von 1.645,30 DM zugestanden, also weniger, als von der Beklagten tatsächlich gezahlt. Darüber hinaus sei auch ein Eingriff in die dienstzeitunabhängige Dynamik nicht festzustellen; es fehle an entsprechend substantiiertem Sachvortrag des Klägers.

Der Kläger hat gegen das ihm am 18.08.2003 zugestellte Urteil mit einem am 17.09.2003 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem am 20.10.2003 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.

Er wiederholt im Wesentlichen seinen Tatsachenvortrag und seine Rechtsauffassung aus dem ersten Rechtszug und betont vor allem, dass nach seiner Auffassung eine ratierliche Kürzung nach § 2 Abs. 1 BetrVG nicht in Betracht käme, da der Kläger nicht vor sondern mit dem Versorgungsfall ausgeschieden sei.

Im Übrigen sei die Beklagte verpflichtet gewesen, ihn bis zum 31.12.1993 mit einem Betrag von 10.840,-- DM bei der Pensionskasse anzumelden. Zu einem Einfrieren oder sogar Absenken der Bemessungsgrundlage auf zuletzt 110.000,-- DM und zu einer Kürzung der Rentenzahlung sei die Beklagte schon deshalb nicht berechtigt gewesen, weil es hierzu der - fehlenden - Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Ziff. 10 BetrVG bedurft hätte.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Krefeld vom 17.07.2003 - 1 Ca 1231/03 - die Beklagte zu verurteilen, an ihn 51.324,85 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil und wiederholt ebenfalls ihren Sachvortrag aus der ersten Instanz. Sie hält an ihrer Rechtsauffassung fest, dass das Ruhegehalt des Klägers nach § 2 Abs. BetrAVG und § 5 Ziff. 5 der Richtlinie 1994 doppelt gekürzt werden durfte.

Im Übrigen sei die Mitbestimmung des Konzernbetriebsrats bei der Änderung der Richtlinie 1994 - unstreitig - beachtet worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der zu den Akten gereichten Urkunden und der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist zulässig.

Sie ist nämlich an sich statthaft (§ 64 Abs. 1 ArbGG), nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes zulässig (§ 64 Abs. 2 Ziffer b ArbGG) sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).

II.

In der Sache selbst hatte das Rechtsmittel keinen Erfolg.

Der Kläger hat weder aus der Versorgungsrichtlinie der Beklagten in der bis zum 31.12.1993 geltenden Fassung noch aus anderen Rechtsgrundsätzen einen Anspruch auf Zahlung nachzuentrichtender Altersruhegelder in Höhe von 51.324,85 € für die Zeit von November 1995 bis Oktober 2002. Die von der Beklagten vorgenommene Rentenzahlung, wonach dem Kläger zuletzt 958,29 € gezahlt wurden, erweist sich im Ergebnis als rechtswirksam und nicht zu beanstanden.

Mit den Ausführungen des Arbeitsgerichts im erstinstanzlichen Urteil ist nämlich davon auszugehen, dass die Zahlung der Invaliditätsrente auf der Grundlage der Richtlinie 1994 und damit auf der Basis einer Bemessungsgrundlage von 9.170,-- DM zu erfolgen hat.

1. Für den am 01.11.1995 aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschiedenen Arbeitnehmer gilt über § 24 der Versorgungsrichtlinien der Beklagten, dass für ihn die zum 01.01.1994 in Kraft getretene Fassung des § 6 der Richtlinie Gültigkeit hatte.

2. Die Änderung der Richtlinie zum 01.01.1994 begegnet keinen formellen Bedenken.

Zwischen den Parteien war hierzu unstreitig, dass die Richtlinie 1994 unter Beteiligung der bei der Beklagten bestehenden betriebsverfassungsrechtlichen Gremien (KBR) zustande gekommen ist. Der Kläger hat zwar in seiner Berufungsbegründungsschrift darauf hingewiesen, dass nach seiner Auffassung eine Beteiligung des Betriebsrats gemäß § 87 Abs. 1 Ziffer 10 BetrVG erforderlich gewesen wäre. Er hat diese Rechtsauffassung aber nicht näher konkretisiert und erläutert und vor allen Dingen nicht sichtbar gemacht, aus welchen Gründen er die bisher unstreitige Beteiligung des Konzernbetriebsrats für nicht ausreichend erachtet. Damit erweist sich sein Vorbringen insoweit als unschlüssig.

3. Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers ist die Änderung der Versorgungsrichtlinie der Beklagten zum 01.01.1994 auch nicht materiell unwirksam, weil mit ihr nicht in unzulässiger Weise in bereits erdiente, unverfallbare Anwartschaften oder in eine dienstzeitunabhängige Dynamik eingegriffen wird.

Auch der vom Kläger im zweiten Rechtszug in den Vordergrund gestellte Schadensersatzanspruch wegen eines vermeintlich pflichtwidrigen Verhaltens der Beklagten konnte von der erkennenden Kammer nicht bejaht werden.

3.1 Ein Eingriff in eine unverfallbare Versorgungsanwartschaft des Klägers hat zum 01.01.1994 nicht stattgefunden.

Die Unverfallbarkeit einer Anwartschaft nach dem betrieblichen Altersversorgungsgesetz beschränkt sich nicht auf die Altersrente, sondern bezieht sich auch auf die Invaliditäts- und Hinterbliebenenversorgung. Die Berechnung unverfallbarer Anwartschaften auf eine betriebliche Invaliditätsversorgung ist danach auch in § 2 BetrAVG geregelt. § 2 Abs. 1 BetrAVG schreibt vor, dass die Leistung zu ermitteln ist, die dem Versorgungsberechtigten ohne sein Ausscheiden zugestanden hätte (so genannte Vollrente). Diese Leistung ist dann entsprechend dem Verhältnis der bis zum Ausscheiden tatsächlich erreichten Betriebszugehörigkeit zu der bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres erreichten Betriebszugehörigkeit zu kürzen (BAG, Urteil vom 20.11.2001 - 3 AZR 550/00 - AP Nr. 13 zu § 1 BetrAVG Invaliditätsrente).

3.1.1 Hiernach kann gerade nicht davon ausgegangen werden, dass die Richtlinie 1994 in eine bereits erdiente unverfallbare Anwartschaft des Klägers eingegriffen hat.

Das Arbeitsgericht hat in seiner erstinstanzlichen Entscheidung unter Berufung auf entsprechende Ausführungen des Hessischen Landesarbeitsgerichts in seinem Urteil vom 07.07.1999 (Aktenzeichen 8 Sa 1132/98) dargelegt, dass selbst bei Zugrundelegung des bis zu diesem Zeitpunkt gezahlten Bruttomonatsgehalts von 10.840,-- DM und einem Unverfallbarkeitsfaktor von 0,6183 eine Invaliditätsrente in Höhe von nur 1.641,59 bzw. 1.645,30 bestand bzw. unverfallbar war. Die dem Kläger mit Einführung der Richtlinie 1994 zugestandene monatliche Invaliditätsrente betrug demgegenüber 1.711,-- DM. Ein unzulässiger Eingriff in eine bis zum 31.12.1993 erdiente unverfallbare Anwartschaft liegt demgemäß nicht vor.

3.1.2 Der Kläger hat im Berufungsrechtszug erneut darauf hingewiesen, dass die Berechnung nach § 2 Abs. 1 BetrAVG für seine Rente nicht in Betracht käme, da er nicht vor dem Versorgungsfall, sondern mit dem Versorgungsfall ausgeschieden wäre. Darum geht es bei der dargestellten Berechnung und dem mitgeteilten monatlichen Rentenbeträgen aber nicht. Sowohl das Hessische Landesarbeitsgericht wie auch das Arbeitsgericht in seiner erstinstanzlichen Entscheidung haben jeweils die erdiente und unverfallbare Anwartschaft des Klägers zum Stichtag 01.01.1994 ermittelt und der Prüfung unterzogen, ob in diese Anwartschaft durch die Richtlinie 1994 eingegriffen wurde. Der Wert der unverfallbaren Anwartschaft ist aber unter Berücksichtigung des Unverfallbarkeitsfaktors zu ermitteln gewesen, wie er bei einem fiktiven Ausscheiden des Klägers zugrunde zu legen wäre. Demgegenüber geht und ging es nicht um eine tatsächlich vorzunehmende ratierliche Kürzung der monatlichen Altersrente zum Zeitpunkt des Ausscheidens des Klägers per 31.10.1995/01.11.1995.

3.2 Es liegt auch kein unzulässiger Eingriff in eine bereits erdiente Dynamik vor. In die erdiente Dynamik einer Versorgungszusage wird eingegriffen, wenn ein Arbeitnehmer, dem ursprünglich eine endgehaltsbezogene Versorgungszusage gegeben worden war, bei einem Ausscheiden nach dem Ablösungsstichtag nicht zumindest das Produkt aus dem bis zum Ablösungsstichtag erdienten Prozentsatz und seinem ruhegeldfähigen Einkommen bei seinem Ausscheiden erhält. Dies gilt unabhängig davon, ob die Abweichung darauf beruht, dass die ablösende Neuregelung das ruhegeldfähige Endgehalt auf das zum Zeitpunkt der Ablösung bezogene Gehalt festgeschrieben hat, dass sie künftig Steigerungssätze vorsieht, die unterhalb der Gehaltsentwicklung bleiben oder darauf, dass eine Besitzstandsrente, die unter Aufrechterhaltung der versprochenen Dynamik errechnet wurde, nach § 2 Abs. 1 BetrAVG zeitanteilig gekürzt wird (BAG, Urteil vom 18.03.2003 - 3 AZR 221/02 - BB 2003, 2625). Dem Kläger ist es auch insoweit in der Berufungsinstanz nicht gelungen, darzulegen und unter Beweis zu stellen, inwieweit die Richtlinie 1994 einen Eingriff in die vorstehend definierte Dynamik vorgenommen hat. Sowohl das Arbeitsgericht wie auch die Beklagte haben wiederholt darauf hingewiesen, dass es nach dem 01.01.1994 gerade keine Steigerung der in Bezug genommenen Bruttogehälter des Klägers gegeben hat. Soweit sich der Kläger auf die "vergangenheitsbezogene Dynamik" zu berufen scheint, gilt insoweit, dass dies den bereits erdienten Teil seiner Versorgungsanwartschaft betreffen dürfte.

3.3 Dem Kläger steht gegenüber der Beklagten auch kein Schadensersatzanspruch in Höhe der geltend gemachten Nachzahlungsbeträge zu.

Selbst wenn man erneut zugunsten des Klägers davon ausgehen wollte, dass bis zum 31.12.1993 eine Bemessungsgrundlage in Höhe von rund 10.840,-- DM bei der Berechnung der Versorgungsleistung zugrunde zu legen war, so konnte diese Bemessungsgrundlage durch die Richtlinie 1994 rechtswirksam geändert werden. Es wird insoweit auf die Ausführungen oben unter Ziffer 3.1 und 2 verwiesen.

Die Berufungskammer ist darüber hinaus der Rechtsauffassung, dass die Richtlinienänderung per 01.01.1994 auch eine entsprechende Anpassung der Anmeldung zur Pensionskasse beinhalte. Die von der Beklagten vor allem im ersten Rechtszug vorgetragenen und vom Kläger bis dahin nicht bestrittenen wirtschaftlichen Gründe sollten vor allen Dingen bewirken, dass die Rentenbezuschussung zugunsten des Klägers und anderer Mitarbeiter nicht in einem Maße wuchs, das wirtschaftlich nicht mehr zu vertreten war. Dies konnte nur dadurch geschehen, dass beide Standbeine der Versorgungsregelung der Beklagten, nämlich die Rentenzahlung durch die Pensionskasse und die Bezuschussung durch die Beklagte, aufeinander abgestimmt wurden. Hieraus wiederum folgt, dass die Beklagte nach der Änderung der Richtlinie per 01.01.1994 nicht nur berechtigt war, die Bezuschussung auf der Grundlage der herabgesenkten Bemessungsgrundlage durchzuführen; sie durfte insoweit auch diese Bemessungsgrundlage bei der Pensionskasse anmelden. Hieraus folgt dann aber erneut, dass eine zum Schadensersatz verpflichtende Rechtsverletzung auf Seiten der Beklagten insgesamt nicht festgestellt werden kann.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Kammer hat eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache bejaht und die Revision für den Kläger zugelassen.



Ende der Entscheidung

Zurück