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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 14.01.2002
Aktenzeichen: 5 Sa 1448/01
Rechtsgebiete: AÜG, BGB


Vorschriften:

AÜG § 9 Ziff. 1
AÜG § 10 Abs. 1 Satz 1
BGB § 242
1) Macht ein Arbeitnehmer erst nach circa 14 Jahren geltend, dass zwischen ihm und seinem Arbeitgeber Kraft Gesetzes ein Arbeitsverhältnis gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG begründet worden ist, so kann dieser Anspruch gemäß § 242 BGB verwirkt sein.

2) Das die Verwirkung begründende Umstandsmoment ist jedenfalls dann erfüllt, wenn der Arbeitnehmer im Arbeitsvertrag bzw. Arbeitsvertragsergänzungen ein späteres Eintrittsdatum akzeptiert hat.


LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 5 Sa 1448/01

Verkündet am: 14.01.2002

In dem Rechtsstreit

hat die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 14.01.2002 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Göttling als Vorsitzenden sowie den ehrenamtlichen Richter Gras und den ehrenamtlichen Richter Ballast für Recht erkannt:

Tenor:

1) Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Mönchengladbach vom 16.08.2001 - 1 Ca 542/01 - abgeändert: Die Klage wird abgewiesen.

2) Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

3) Die Revision wird für den Kläger zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Frage, ob zwischen ihnen kraft gesetzlicher Fiktion seit dem 03.10.1977 ein Arbeitsverhältnis bestand.

Der am 20.10.1956 geborene Kläger war seit dem 03.10.1977 als Stahlbaumontagearbeiter bei der Firma K. AG in G. beschäftigt. Er wurde ab dem 01.07.1984 von der Firma K.K. Instandhaltungsservice GmbH unter Anrechnung seiner Vordienstzeiten übernommen.

Nach Aufnahme seiner Tätigkeiten für die K. AG bzw. später für die K. K.Instandhaltungsservice GmbH war der Kläger ausschließlich auf dem Betriebsgelände der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin im Kraftwerk E.K. eingesetzt. Die Einzelheiten seiner Tätigkeiten dort sind zwischen den Parteien streitig.

Auf Wunsch des Klägers beendeten er und die Firma K. K. Instandhaltungsservice GmbH mit Wirkung zum 30.09.1986 einvernehmlich das bis dahin bestehende Arbeitsverhältnis. Unter dem 29.09.1986 schlossen die Rechtsvorgängerin der Beklagten und der Kläger alsdann einen Arbeitsvertrag, wonach der Kläger ab dem 01.10.1986 als Kraftwerker in E.-K. für die Rechtsvorgängerin der Beklagten tätig wurde.

In dem Anstellungsvertrag (Bl. 113 ff. d. A.) heißt es unter anderem:

3. Vergütung

... e) Die Betriebszugehörigkeit zum R. rechnet ab

01.10.1986.

...

6. Ruhegeld- und Hinterbliebenenversorgung

Die bisher gültigen R.-Ruhegeld-Richtlinien sind mit Wirkung zum 31.03.1986 gekündigt worden. Das bedeutet, dass Sie zur Zeit einen Anspruch auf Ruhegeld- und Hinterbliebenenversorgung nicht haben. Es ist jedoch beabsichtigt, die mit dem Gesamtbetriebsrat noch zu treffende Vereinbarung mit Wirkung ab 01.04.1986 in Kraft zu setzen, so dass Sie dann rückwirkend vom Zeitpunkt Ihres Eintritts nach Maßgabe der Neuregelung versorgungsberechtigt sind.

...

11. Probezeit und Kündigung

Die ersten drei Monate Ihrer Beschäftigung gelten als Probezeit.

Unter dem 16.04.1987 teilte die Rechtsvorgängerin der Beklagten dem Kläger mit, dass er unter Beibehaltung seiner Tabellenvergütung und seines Tätigkeitsbildes ins Kraftwerk H. versetzt würde. Mit einem weiteren Schreiben vom 12.07.1994 informierte die Beklagte den Kläger über ab dem 01.09.1994 geltende neue Vertragsbedingungen, wonach er nunmehr im Werk F.weiterbeschäftigt werden sollte. In dem Schreiben heißt es darüber hinaus unter anderem:

3. Vergütung ... e) Die Betriebszugehörigkeit zur R. Energie AG rechnet ab 01.10.1986. ... 6. Ruhegeld- und Hinterbliebenenversorgung

Sie erhalten eine Ruhegeld- und Hinterbliebenenversorgung nach Maßgabe der jeweils geltenden Richtlinien. Demgemäß sind für Sie zurzeit die Richtlinien für die Ruhegeldund Hinterbliebenenversorgung vom 19.12.1989 maßgebend. Als Beginn des Ruhegelddienstalters gilt der 01.10.1986.

Der Kläger erklärte sich durch seine Unterschrift vom 26.07.1994 mit den Vertragsänderungen einverstanden.

Mit Schreiben vom 12.01.2000 (Bl. 11 d. A.) wandte er sich alsdann an die Rechtsvorgängerin der Beklagten und bat unter Hinweis auf seine seit dem 03.10.1977 erbrachten Tätigkeiten bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten um ein Überdenken- seines Eintrittsdatums vom 01.10.1986. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten lehnte dies mit Schreiben vom 10.02.2000 ab und verwies darauf, dass die Firma K. nicht zum Konzern- gehöre.

Am 01.04.2000 ging das Arbeitsverhältnis des Klägers gemäß § 613 a BGB auf die jetzige Beklagte über.

Mit seiner am 06.02.2001 beim Arbeitsgericht Mönchengladbach anhängig gemachten Klage hat der Kläger letztlich die Feststellung begehrt, dass er bereits seit dem 03.10.1977 betriebszugehörig bei der Beklagten beschäftigt ist.

Er hat sich auf § 10 AÜG berufen und vorgetragen, er sei von Anfang an im Rahmen einer gewerblichen Arbeitnehmerüberlassung bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten tätig gewesen, ohne dass die Firma K. K. hierfür die notwendige Erlaubnis besessen hätte. Der Kläger hat behauptet, er sei zwischen 1977 und 1986 vollständig in den Betrieb der Rechtsvorgängerin der Beklagten in E.- K. eingegliedert gewesen. Urlaub, Freistellungen oder sonstige geldwerte Leistungen seien von den Vorarbeitern und Meistern der Rechtsvorgängerin der Beklagten erteilt worden. Auch für Umsetzungen oder Abmahnungen seien die Vorgesetzten der Rechtsvorgängerin der Beklagten zuständig gewesen; dasselbe gelte für die Anordnung von Überstunden sowie für einzelne Arbeitsanweisungen.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass er seit dem 03.10.1977 bei der Beklagten beschäftigt ist und auch seit diesem Zeitpunkt als betriebszugehörig im Sinne der betrieblichen Versorgungsbedingungen der Beklagten gilt.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Behauptungen des Klägers zu seinen Arbeitseinsätzen bestritten und die Auffassung vertreten, dass er im Rahmen von Werkverträgen mit der Firma K. K. tätig geworden sei. Jedenfalls sei der allein zuständigen Einkaufsabteilung der Beklagten kein Umstand bekannt gewesen, der auf eine tatsächlich praktizierte Arbeitnehmerüberlassung hätte hindeuten können.

Die Beklagte hat sich darüber hinaus auf eine Verwirkung der klägerischen Ansprüche berufen und gemeint, dass angesichts eines Zeitraums von viereinhalb Jahren seit Aufnahme der damaligen Tätigkeiten das so genannte Zeitmoment erfüllt sei. Gleiches gelte für das Umstandsmoment, weil der Kläger vor allem durch das Akzeptieren der neuen Arbeitsverträge mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten gezeigt hätte, dass er das Einstellungsdatum 01.10.1986- nicht in Frage stellen wollte. Dementsprechend hätte sich die Beklagte auch darauf eingerichtet, keinen Ansprüchen mehr ausgesetzt zu sein und beispielsweise alle Unterlagen über die Werkverträge mit der Firma K.K. nach Ablauf der gesetzlichen Aufbewahrungspflicht von zehn Jahren vernichtet.

Der Kläger hat entgegnet, ihm sei bis Dezember 2000 nicht bewusst gewesen, dass gemäß § 10 AÜG eine Fiktion eines bestehenden Arbeitsverhältnisses angenommen werden könnte. Dann aber sei sein Verhalten in den Jahren ab 1986 auch nicht so zu verstehen gewesen, dass er seine Vordienstzeiten- nicht mehr geltend machen wollte.

Das Arbeitsgericht hat über die Frage der Tätigkeiten des Klägers in den Jahren 1977 bis 1986 Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen U. S., J. und K. S.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 16.08.2001 (Bl. 69 ff. d. A.) verwiesen.

Mit Urteil vom 16.08.2001 hat die 1. Kammer des Arbeitsgerichts Mönchengladbach - 1 Ca 542/01 - dem Feststellungsbegehren des Klägers in vollem Umfang entsprochen. In den Entscheidungsgründen, auf die im Übrigen Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht ausgeführt, dass sich die Beklagte auf das Rechtsinstitut der Verwirkung gemäß § 242 BGB nicht berufen könne, weil das hierfür notwendige Umstandsmoment nicht erfüllt sei. Insoweit komme es nämlich auch auf die Kenntnis des Klägers an, die dieser erst später erlangt hätte. Zudem habe die Frage der Betriebszugehörigkeit für den Kläger lange Zeit keine Rolle gespielt, so dass die Beklagte nicht darauf habe vertrauen dürfen, er werde insoweit keine Ansprüche mehr geltend machen.

Das Arbeitsgericht hat schließlich auf der Grundlage der durchgeführten Beweisaufnahme festgestellt, dass die Voraussetzungen der §§ 9, 10 AÜG erfüllt wären und mithin kraft gesetzlicher Fiktion ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien ab dem 03.10.1977 anzunehmen sei.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 27.09.2001 zugestellte Urteil mit einem am 25.10.2001 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 06.12.2001 - mit einem am 06.12.2001 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Sie wiederholt im Wesentlichen ihren Sachvortrag aus dem ersten Rechtszug und vertritt vor allem die Auffassung, dass das vom Arbeitsgericht verneinte Umstandsmoment erfüllt und damit Verwirkung der Ansprüche des Klägers eingetreten wäre. Auf eine Kenntnis des Klägers von den vermeintlichen Rechten könne es nicht ankommen; überdies seien ihm alle tatsächlichen Umstände, auf die er sich jetzt stütze, auch bekannt gewesen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Mönchengladbach vom 16.08.2001 - 1 Ca 542/01 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil und wiederholt ebenfalls seinen Sachvortrag aus der ersten Instanz. Er meint, die Beklagte könne sich schon deshalb nicht auf Verwirkung berufen, weil sie Kenntnis von den gesamten Umständen gehabt hätte und ihr damit ein vorsätzliches Verhalten vorgeworfen werden müsste. Entscheidend sei darüber hinaus, dass der Kläger selbst keine Kenntnis von weitergehenden Ansprüchen insbesondere in Bezug auf seine Versorgungsregelungen gehabt hätte. Diese habe er letztlich erst im Rahmen anwaltlicher Beratung nach dem 08.01.2001 erlangt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der zu den Akten gereichten Urkunden und der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist zulässig.

Sie ist nämlich an sich statthaft (§ 64 Abs. 1 ArbGG), nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes zulässig (§ 64 Abs. 2 ArbGG) sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1 ArbGG, 518, 519 ZPO).

II.

Auch in der Sache selbst hatte das Rechtsmittel Erfolg.

Der mit der Klage verfolgte Feststellungsantrag des Klägers unterlag der Abweisung, weil sein diesbezügliches Begehren verwirkt und nach den Grundsätzen des §§ 242 BGB nicht mehr durchsetzbar ist.

1. In Übereinstimmung mit der Rechtsauffassung des Arbeitsgerichts geht allerdings auch die erkennende Berufungskammer grundsätzlich davon aus, dass zwischen den Parteien kraft gesetzlicher Fiktion ein Anstellungsverhältnis seit dem 03.10.1977 bestanden hat. Dies ergibt sich aus den §§ 9 Nr. 1 und 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG.

§ 9 Nr. 1 AÜG erklärt Verträge zwischen Verleihern und Entleihern sowie zwischen Verleihern und Leiharbeitnehmern als unwirksam, wenn der Verleiher nicht die nach § 1 AÜG erforderliche Erlaubnis hat. § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG bestimmt sodann, dass in diesem Fall ein Arbeitsverhältnis zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer zu dem zwischen dem Entleiher und dem Verleiher für den Beginn der Tätigkeit vorgesehenen Zeitpunkt als zustande gekommen gilt. Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben.

1.1 Die im ersten Rechtszug durchgeführte Beweisaufnahme hat die Behauptungen des Klägers, dass er im Rahmen einer (gewerblichen) Arbeitnehmerüberlassung für die Rechtsvorgängerin der Beklagten tätig geworden ist, bestätigt. Die vom Arbeitsgericht vernommenen Zeugen haben klar und eindeutig bekundet, dass der Kläger in die betriebliche Arbeitsorganisation der Rechtsvorgängerin der Beklagten eingegliedert war, seine Weisungen von Mitarbeitern der Rechtsvorgängerin der Beklagten erhalten hatte und darüber hinaus auch wesentliche andere, arbeitsrechtlich relevante Befugnisse von den Vorgesetzten der Rechtsvorgängerin der Beklagten ausgeübt wurden.

1.2 Der Kläger hat darüber hinaus unter Vorlage einer Auskunft der Bundesanstalt für Arbeit substantiiert vorgetragen und unter Beweis gestellt, dass die K. Instandhaltungsservice GmbH, die damalige Arbeitgeberin des Klägers, in dem hier fraglichen Zeitraum nicht im Besitz einer Erlaubnis nach § 1 AÜG gewesen ist. Dieser Sachvortrag ist von der Beklagten nicht substantiiert bestritten worden, so dass er als zugestanden zu gelten hat, § 138 Abs. 3 ZPO.

1.3 Demgegenüber ist es der Beklagten verwehrt, sich darauf zu berufen, dass die zum damaligen Zeitpunkt zuständige Einkaufsabteilung der Rechtsvorgängerin der Beklagten über die tatsächlichen Umstände des Arbeitseinsatzes des Klägers nicht informiert gewesen sei.

1.3.1 Grundsätzlich entscheidet über die rechtliche Einordnung eines Vertrages als Arbeitnehmerüberlassungsvertrag oder als Werk- oder Dienstvertrag der wirkliche Geschäftsinhalt. Danach ist eine gegenüber dem Inhalt des schriftlichen Vertrags abweichende praktische Durchführung des Vertrages jedenfalls dann maßgebend, wenn die auf beiden Seiten zum Vertragsabschluss berechtigten sie kennen und zumindest billigen. Sind demnach in einem Unternehmen für den Abschluss von Dienst- oder Werkverträgen mit Fremdfirmen ausschließlich andere Personen vertretungsberechtigt als diejenigen, denen später die Durchführung und Abrechnung der Leistungen aus diesen Verträgen obliegt, kommt es entscheidend auf die Kenntnis der zum Vertragsabschluss Berechtigten an (BAG, Urteil vom 27.01.1993 - 7 AZR 476/92 - n. v.). Etwas anderes kann allerdings möglicherweise dann gelten, wenn nach den betriebsorganisatorischen Gegebenheiten einer oder beider Vertragspartner die praktische Durchführung des Vertrages gemäß dem ausdrücklich vereinbarten Vertragsinhalt auf Schwierigkeiten stoßen würde und deshalb mit einer abweichenden Handhabung des Vertrages von vornherein zu rechnen gewesen wäre (BAG, Urteil vom 27.01.1993, a. a. O.).

1.3.2 Von einer derartigen Vertragsgestaltung und praktischen Durchführung muss aber angesichts der Bekundungen der Zeugen in ihrer Vernehmung vom 16.08.2001 ausgegangen werden. Nach ihren übereinstimmenden Aussagen waren die Mitarbeiter der Firma K. von Anfang an in die betrieblichen Arbeitsabläufe bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten eingegliedert. Sie führten Tätigkeiten aus, ohne jemals etwas mit der Firma K. zu tun gehabt zu haben-. Die Mitarbeiter der Rechtsvorgängerin der Beklagten einerseits und der Kläger und seine Kollegen andererseits wurden gemischt eingesetzt und unterlagen insgesamt den Weisungen der Vorgesetzten der Rechtsvorgängerin der Beklagten.

Unter den dargelegten Umständen ist in keiner Weise ersichtlich, dass es überhaupt beabsichtigt oder durchführbar gewesen wäre, den Kläger und seine Kollegen im Rahmen eines echten- Dienst- oder Werkvertrages einzusetzen. Die betriebsorganisatorischen Gegebenheiten bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten waren vielmehr so, dass eine tatsächliche Trennung der verschiedenen Aufgaben und Arbeitszwecke offensichtlich gar nicht möglich gewesen ist.

2. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts kann sich die Beklagte gegenüber dem Feststellungsbegehren des Klägers allerdings auf das Rechtsinstitut der Verwirkung gemäß § 242 BGB berufen.

Die Verwirkung ist ein Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung und mit dem Verbot widersprüchlichen Verhaltens verwandt. Sie soll dem Bedürfnis nach Rechtsklarheit dienen. Es ist andererseits nicht der Zweck der Verwirkung, Schuldner, denen gegenüber die Gläubiger längere Zeit ihre Rechte nicht geltend gemacht haben, von ihrer Pflicht zur Leistung vorzeitig zu befreien. Deshalb kann allein der Zeitablauf die Verwirkung eines Rechts nicht rechtfertigen. Um den Tatbestand der Verwirkung auszufüllen, muss neben das Zeitmoment das Umstandsmoment treten. Es müssen also besondere Umstände sowohl im Verhalten des Berechtigten als auch des Verpflichteten hinzukommen, die es rechtfertigen, die späte Geltendmachung des Rechts als mit Treu und Glauben unvereinbar und für den Verpflichteten als unzumutbar anzusehen (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, vgl. etwa: Urteil vom 25.04.2001 - 5 AZR 497/99 - AP Nr. 46 zu § 242 BGB Verwirkung, m. w. N.). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.

2.1 Der Kläger hat dadurch, dass er seine vermeintlichen Ansprüche erst circa vierzehneinhalb Jahre nach Aufnahme der Tätigkeit bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten geltend gemacht hat, das Zeitmoment unstreitig erfüllt.

Bereits in diesem Zusammenhang kann er sich nicht darauf berufen, dass er erst mit Beginn des Jahres 2001 Kenntnis von seinen möglichen Rechtsansprüchen erlangt hat. Das Zeitmoment beginnt nämlich schon dann, wenn der Anspruchsberechtigte positive Kenntnis von den tatsächlichen Umständen hat, die seinen Anspruch auslösen könnten (so für den Fall eines Betriebsübergangs: BAG, Urteil vom 27.01.2000 - 8 AZR 106/99 - ZInsO 2000, 569).

Dem Kläger waren seit Aufnahme seiner Tätigkeiten für die Rechtsvorgängerin der Beklagten am 03.10.1977 alle tatsächlichen Umstände bekannt, aus denen sich ergab, dass er gerade nicht im Rahmen eines Werkvertrages eingesetzt wurde. Demgegenüber kann er sich nicht darauf berufen, dass er bis zum Jahre 2001 eine fehlerhafte rechtliche Bewertung der bekannten tatsächlichen Umstände vorgenommen hat. Insbesondere kann er sich auch nicht darauf berufen, dass er möglicherweise keine Kenntnis von der fehlenden Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung bei der Firma K. Instandhaltungsservice GmbH hatte. Aus der Tatsache, dass ihm eine solche Erlaubnis nicht mitgeteilt worden war, obwohl die Firma K. hierzu gemäß § 11 AÜG verpflichtet gewesen wäre, musste der Kläger den Schluss ziehen, dass es sich tatsächlich um eine unerlaubte gewerbliche Arbeitnehmerüberlassung handelte.

2.2 Die Beklagte beruft sich zu Recht darauf, dass der Kläger durch sein Verhalten auch das Umstandsmoment erfüllt hat. Hiervon ist immer dann auszugehen, wenn der Berechtigte unter Umständen untätig geblieben ist, die den Eindruck erwecken konnten, dass er sein Recht nicht mehr geltend machen wolle, so dass der Verpflichtete sich darauf einstellen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden. Mit der Verwirkung wird die illoyal verspätete Geltendmachung von Rechten ausgeschlossen, sie dient dem Vertrauensschutz (BAG, Urteil vom 25.04.2001, a. a. O.; BAG, Urteil vom 27.01.2000, a. a. O.).

2.2.1 Der Kläger hat sich spätestens seit dem Jahre 1986 so verhalten, dass die Beklagte sich zu Recht darauf einstellen durfte, dass der Kläger keine weitergehenden Betriebszugehörigkeitszeiten insbesondere auch mit Blick auf seine Versorgungsansprüche geltend machen würde. Hierbei spielen vor allem folgende Kriterien eine ausschlaggebende Rolle:

Der Kläger selbst war auf eigenen Wunsch aus den Diensten der Firma K. Instandhaltungsservice GmbH zum 30.09.1986 ausgeschieden, ohne zum damaligen Zeitpunkt eine Anrechnung der Vordienstzeiten oder aber eine Übernahme- in die Dienste der Rechtsvorgängerin der Beklagten einzufordern. In dem sodann abgeschlossenen Arbeitsvertrag mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten hatte er sich darauf eingelassen, eine immerhin dreimonatige Probezeit zu akzeptieren, was voraussetzt, dass er bewusst und gewollt ein neues Arbeitsverhältnis eingehen wollte. Im Arbeitsvertrag vom 29.09.1996 wird darüber hinaus mehrfach das Eintrittsdatum 01.10.1986- erwähnt, und zwar umfänglich sowohl für das Anstellungsverhältnis als solches wie etwa auch für die Ermittlung der damaligen Tabellenvergütung.

Der Vertrag vom 29.09.1996 weist darüber hinaus in Ziffer 6 ausdrücklich darauf hin, dass ein Anspruch auf Ruhegeld- und Hinterbliebenenversorgung nicht besteht. Dies machte nur dann Sinn und war rechtlich nachvollziehbar, wenn sich der Kläger mit einem Beginn des Arbeitsverhältnisses am 01.10.1986 einverstanden erklärte.

In der Folgezeit hat der Kläger vor allen Dingen nicht nur die neuen, ab dem 01.09.1994 geltenden Arbeitsbedingungen akzeptiert, die erneut ein Eintrittsdatum 01.10.1986- ausweisen. Er hat insbesondere durch seine Unterschrift die neuen Richtlinien für die Ruhegeld- und Hinterbliebenenversorgung vom 19.12.1989 akzeptiert und dabei erneut den Beginn des Ruhegelddienstalters ab dem 01.10.1986 bekräftigt.

Schließlich kommt - neben der ebenfalls nicht reklamierten Treueprämienzahlung, die ebenfalls auf den 01.10.1986 bezogen war - noch folgendes hinzu: Der Kläger hatte bereits mit seinem Schreiben vom 12.01.2000 auf die Umstände seines Einsatzes für die Rechtsvorgängerin der Beklagten verwiesen und ein Überdenken- seines Eintrittsdatums angeregt. Nach der Ablehnung durch die Rechtsvorgängerin der Beklagten mit Schreiben vom 10.02.2000 war er dann erneut ein ganzes Jahr untätig geblieben, bevor er unter dem 06.02.2001 sein Feststellungsbegehren klageweise durchzusetzen versuchte.

Aus allem wird ersichtlich, dass der Kläger wiederholt und deutlich zu erkennen gegeben hatte, dass Eintrittsdatum vom 01.10.1986 nicht in Zweifel ziehen zu wollen. Demgemäß konnte bei der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin nur der Eindruck entstehen, dass der Kläger weitergehende Rechte insoweit nicht mehr geltend machen würde.

2.2.2 Demgegenüber ist es dem Kläger verwehrt, sich auf eine etwaige Unkenntnis der Beklagten zu berufen.

In der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 25.04.2001, a. a. O.) ist zwar anerkannt, dass derjenige, der überhaupt keine Kenntnis von einem möglichen Anspruch eines Dritten hat, auf das Ausbleiben einer entsprechenden Forderung allenfalls allgemein, nicht aber konkret hinsichtlich eines bestimmten Anspruchs vertrauen darf. Wie indessen oben unter Ziffer 1.3.2 dargelegt, waren der Beklagten die tatsächlichen Umstände, die einen Anspruch aus §§ 9, 10 AÜG auslösen konnten, bekannt. Dann aber durfte sie auch darauf vertrauen, dass hieraus keine Ansprüche auf weitergehende Betriebszugehörigkeitszeiten abgeleitet werden würden.

2.2.3 Das Wissen um die damaligen Vorgänge verwehrt es der Beklagten andererseits nicht, sich auf das Rechtsinstitut der Verwirkung zu berufen, weil ihr insoweit Vorsatz zur Last gelegt werden könnte. Selbst derjenige, der seinen Vertragspartner bei Abschluss eines Arbeitsvertrages arglistig über das Vorliegen oder Nichtvorliegen bestimmter Eigenschaften täuscht, ist nämlich nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gleichwohl berechtigt, sich hinsichtlich einer später erfolgten Anfechtung gemäß § 123 BGB auf das Rechtsinstitut der Verwirkung zu berufen (BAG, Urteil vom 13.04.2000 - 2 AZR 258/99 - n. v.).

Nichts anderes muss für die vorliegende Fallkonstellation gelten. Hier kann der Beklagten allenfalls vorgehalten werden, dass sie das Tätigwerden der Firma K. Instandhaltungsservice GmbH geduldet hatte, obwohl dem Unternehmen keine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung vorlag. Dieses Dulden allein begründet allerdings keinen Umstand, der das Verhalten der Beklagten nunmehr als treuwidrig, widersprüchlich oder unzulässig im Sinne des § 242 BGB erscheinen ließe.

2.3 Die Beklagte hat sich auch tatsächlich darauf eingerichtet, dass der Kläger seine streitbefangenen Ansprüche nicht mehr geltend machen würde. Sie hat hierzu unwidersprochen vorgetragen, dass sie nach Ablauf der gesetzlich vorgeschriebenen Zehn-Jahres-Frist die Unterlagen über den Einsatz der K. Instandhaltungsservice GmbH vernichtet hätte. Sie hat sich damit der Möglichkeit beraubt, auf die tatsächlichen Umstände und die Durchführung der Arbeiten in den Jahren 1977 bis 1986 konkret einzugehen. Überdies zeigt gerade dieser Gesichtspunkt, dass es der Beklagten nach allem nicht mehr zugemutet werden kann, sich mit den Ansprüchen des Klägers aus den Jahren 1977 bis 1986 auseinander zu setzen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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