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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 05.03.2009
Aktenzeichen: 5 Sa 1626/08
Rechtsgebiete: KSchG, BetrVG


Vorschriften:

KSchG § 17
BetrVG § 111
BetrVG § 113
1) Bei der Frage, ob ein Betriebsteil eines Kleinbetriebs mit weniger als 21 Arbeitnehmern als wesentlicher Betriebsteil i. S. d. § 111 Satz 3 BetrVG anzusehen ist, kann nicht nur auf die Anzahl der Arbeitnehmer abgestellt werden (quantitatives Merkmal).

2) Von einer Wesentlichkeit kann nur ausgegangen werden, wenn die wirtschaftliche und sonstige Bedeutung des Betriebsteils als erheblich einzuschätzen ist (qualitatives Merkmal).


Tenor:

1) Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Duisburg vom 30.09.2008 - 4 Ca 697/08 - abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

2) Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

3) Die Revision wird für den Kläger zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über Nachteilsausgleichsansprüche aus einem inzwischen beendeten Arbeitsverhältnis.

Der am 12.06.1948 geborene Kläger war seit 1980 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin als Kraftfahrer beschäftigt, und zwar zuletzt auf der Grundlage eines Arbeitsvertrages vom 30.06.2004 (Bl. 13 bis 16 d. A.) in der Niederlassung O. der Beklagten. Das Bruttomonatsgehalt des Klägers betrug im Jahre 2008 2.583,-- €. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden die Bestimmungen des Kündigungsschutzgesetzes Anwendung.

In der Niederlassung der Beklagten in O. wurden im Jahre 2008 13 Mitarbeiter beschäftigt, von denen fünf als Kraftfahrer tätig waren. Die Beklagte hörte den bei ihr bestehenden Betriebsrat am 11.02.2008 zu einer beabsichtigten Kündigung von vier Kraftfahrern, zu denen auch der Kläger gehörte, an (Bl. 62 und 63 d. A.) und verwies zur Begründung auf die geplante Stilllegung des Fuhrparks am Standort O.. Mit Schreiben vom 22.02.2008 kündigte sie alsdann das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis aus betriebsbedingten Gründen zum 28.02.2009. Auch die drei anderen Kraftfahrer erhielten eine betriebsbedingte Kündigung. Der vierte Fahrer, das Betriebsratsmitglied C., trat zum 30.11.2008 in den Ruhestand.

Mit seiner am 03.03.2008 beim Arbeitsgericht Nürnberg anhängig gemachten Klage, die mit Beschluss vom 20.03.2008 an das örtlich zuständige Arbeitsgericht Duisburg verwiesen worden ist, hat der Kläger zunächst die Rechtsunwirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung geltend gemacht, die er für sozial ungerechtfertigt hält.

Er hat darüber hinaus hilfsweise die Zahlung eines Nachteilsausgleichs geltend gemacht und insoweit die Auffassung vertreten, dass die Stilllegung des Fuhrparks eine Betriebsänderung im Sinne des § 111 Satz 3 Nr. 1 BetrVG darstelle. Der Fuhrpark sei nämlich ein wesentlicher Betriebsteil im Sinne der genannten Vorschrift; auf die Zahlenwerte des § 17 Abs. 1 KSchG komme es angesichts des Kleinbetriebscharakters des Standorts O. nicht an. Zudem erfordere die zukünftige Fremdvergabe der bisher durch den Fuhrpark wahrgenommenen Tätigkeiten zusätzliche Verwaltungsleistungen im Hinblick auf Bestellungen und Dispositionen. Da die Beklagte die danach vorliegende Betriebsänderung ohne Interessenausgleich durchgeführt hätte, sei sie zur Zahlung einer Abfindung zu verpflichten.

Der Kläger hat - nach Rücknahme der Kündigungsschutzklage - zuletzt beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn eine angemessene, der Höhe nach in das Ermessen des Gerichts gestellte Abfindung nach § 113 Abs. 3 BetrVG, §§ 9, 10 KSchG zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass der Fuhrpark keinen wesentlichen Betriebsteil dargestellt hätte. Durch die Tätigkeiten im Fuhrpark seien nur 13 % des Umsatzes erwirtschaftet worden; mit den Fahrzeugen des Fuhrparks wären auch schon in der Vergangenheit nur circa 10 % der erteilten Aufträge abgearbeitet worden. Infolge der Stilllegung des Fuhrparks hätten sich darüber hinaus der Geschäftszweck und der Geschäftsablauf am Standort O. nicht wesentlich geändert. Für den weiterhin beschäftigten Disponenten sei es nämlich unerheblich, ob er seine Transportaufträge an eigene Kraftfahrer oder an fremde Frachtführer erteilte. Die kundenseitige Auftragsabwicklung von der Auftragsannahme bis hin zur Fakturierung und Verbuchung bliebe durch die Umstellung von Selbsteintritt auf fremde Frachtführer völlig unberührt. Die Prüfung von Eingangsrechnungen, die den eigenen Fuhrpark beträfen, entfalle zwar durch den Einsatz fremder Frachtführer; stattdessen komme aber die Prüfung und Verbuchung der eingehenden Frachtführerrechnungen hinzu. Insgesamt führe deshalb die Fremdvergabe von Transportleistungen im Vergleich zum Einsatz eines eigenen Fuhrparks eher zu einer geringfügigen Verringerung von Verwaltungsleistungen. Durch die Stilllegung des eigenen Fuhrparks werde sich danach auch das Beschäftigungsvolumen der in der Niederlassung O. tätigen Angestellten nur unwesentlich verändern.

Die Beklagte hat weiter darauf verwiesen, dass von der Stilllegung selbst nur vier Mitarbeiter betroffen wären, so dass der Schwellenwert von sechs Arbeitnehmern gemäß § 17 Abs. 1 KSchG nicht erreicht werde.

Mit Urteil vom 30.09.2008 hat die 4. Kammer des Arbeitsgerichts Duisburg

- 4 Ca 697/08 - die Beklagte zur Zahlung einer Abfindung von 15.498,-- € verurteilt. In den Entscheidungsgründen, auf die im Übrigen Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht ausgeführt, die Beklagte hätte es trotz Vorliegens einer Betriebsänderung unterlassen, zumindest den Versuch eines Interessenausgleichs zu unternehmen. Bei dem Fuhrpark hätte es sich um einen wesentlichen Betriebsteil gehandelt, da dort fünf Arbeitnehmer und damit 38,5 % der Belegschaft des Betriebes in O. beschäftigt gewesen wären. Dies reiche aus, weil insoweit 1/3 der Gesamtbelegschaft betroffen sein müsste, um das Merkmal der "Wesentlichkeit" zu begründen.

Wenn dann mehr als 30 % der Belegschaft abgebaut würden, wäre dies sowohl in quantitativer wie auch in qualitativer Hinsicht ausreichend. Die Bedeutung des Betriebsteils für den Standort O. ergebe sich nämlich schon daraus, dass immerhin 13 % des Umsatzes durch den Fuhrpark getätigt worden wären.

Der Kläger hat gegen das ihm am 31.10.2008 zugestellte Urteil mit einem am 25.11.2008 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem am 23.12.2008 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 05.11.2008 zugestellte Urteil mit einem am 03.12.2008 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem am 05.01.2009 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Der Kläger wiederholt seinen Sachvortrag aus dem ersten Rechtszug und vertritt die Auffassung, dass die vom Arbeitsgericht festgelegte Abfindungssumme erkennbar und rechtswidrig zu gering ausgefallen sei.

Der Kläger beantragt,

1. auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des Arbeitsgerichts Duisburg vom 30.09.2008 - 4 Ca 697/08 - abgeändert.

2. die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger eine Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes in Höhe von 30.000,-- € brutto nebst Zinsen hieraus mit 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins ab 01.03.2009 zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt,

die klägerische Berufung zurückzuweisen.

Sie wiederholt ebenfalls ihren Sachvortrag aus dem ersten Rechtszug und meint, dass die Stilllegung des Fuhrparks keinen wesentlichen Betriebsteil betroffen hätte und darüber hinaus in quantitativer Hinsicht auch die Schwellenwerte des § 17 Abs. 1 KSchG nicht erreicht würden. Die Beklagte hält im Übrigen eine Abfindung allenfalls in Höhe von 10.000,-- € für gerechtfertigt.

Sie beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Duisburg vom 30.09.2008 - 4 Ca 697/08 - abzuändern und nach dem Schlussantrag der Beklagten der ersten Instanz zu erkennen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Auch er wiederholt im Wesentlichen seinen Sachvortrag aus dem ersten Rechtszug und meint, dass die Voraussetzungen des § 111 Abs. 1 Satz 3 Ziffer 1 BetrVG gegeben wären. Er unterstreicht dabei seine Rechtsauffassung, dass es sich auch angesichts der - bestrittenen - Umsatzzahlen der Beklagten bei dem Fuhrpark um einen Betriebsteil gehandelt hätte, der als wesentlich zu qualifizieren sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der zu den Akten gereichten Urkunden und der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufungen sind zulässig.

Sie sind nämlich an sich statthaft (§ 64 Abs. 1 ArbGG), nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes zulässig (§ 64 Abs. 2 Ziffer b ArbGG) sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).

II.

In der Sache selbst hatte das Rechtsmittel der Beklagten Erfolg, die Berufung des Klägers war als unbegründet zurückzuweisen.

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Nachteilsausgleich gemäß § 113 Abs. 1 und 3 BetrVG i. V. m. § 111 BetrVG, weil die Schließung des Fuhrparks am Standort O. der Beklagten keine Betriebsänderung im Sinne des § 111 Abs. 1 Ziffer 3 BetrVG darstellt und die Beklagte deshalb nicht verpflichtet war, mit dem Betriebsrat Verhandlungen über einen Interessenausgleich aufzunehmen und durchzuführen.

1. Nach § 113 Abs. 1 und 3 BetrVG können Arbeitnehmer, die im Rahmen einer Betriebsänderung entlassen worden sind, einen Nachteilsausgleich beanspruchen, wenn der Unternehmer eine geplante Betriebsänderung nach § 111 BetrVG durchführt, ohne über sie einen Interessenausgleich mit dem Betriebsrat versucht zu haben.

Diese Voraussetzungen sind - entgegen der Rechtsauffassung des Arbeitsgerichts und des Klägers - nach Meinung der erkennenden Berufungskammer hinsichtlich der Stilllegung des Fuhrparks in O. nicht gegeben.

2. Diese Stilllegung stellt zunächst keine Einschränkung des ganzen Betriebs oder eine Stilllegung von wesentlichen Betriebsteilen im Sinne von § 111 Satz 3 Ziffer 1 BetrVG dar.

2.1 Der Begriff "wesentlicher Betriebsteil" wird in der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte in erster Linie nach quantitativen Merkmalen definiert. Danach ist von einem "wesentlichen Betriebsteil" dann auszugehen, wenn die Zahlenwerte des § 17 Abs. 1 KSchG erfüllt sind (vgl. hierzu: BAG 18.03.2008 - 1 ABR 77/06 - AP Nr. 66 zu § 111 BetrVG 1972; BAG 28.03.2006 - 1 ABR 5/05 - BAGE 117, 296).

2.2 § 17 Abs. 1 KSchG regelt allerdings keine Schwellenwerte, sofern es sich um Kleinbetriebe handelt mit weniger als 21 Arbeitnehmern. In Rechtsprechung und Literatur ist äußerst streitig, welche Werte bei Kleinbetrieben in Ansatz zu bringen sind, wenn und soweit es um die Feststellung der "Wesentlichkeit" im Sinne des § 111 Satz 3 Ziffer 1 BetrVG geht.

Teilweise wird auch für Kleinbetriebe die Auffassung vertreten, dass die Grenze der "Erheblichkeit" oder "Wesentlichkeit" nach wie vor bei sechs Arbeitnehmern gezogen werden muss (so wohl: Fitting/Bearbeiter, BetrVG, § 111, Rz. 48, 70). Nach anderer Auffassung sind mindestens drei Arbeitnehmer nötig, damit die Relevanzschwelle erreicht wird (GK-Oetker, BetrVG, § 111, Rdn. 72), nach anderer Auffassung müssen mindestens 1/3 der Belegschaft dem Betriebsteil zugeordnet sein, damit er als "wesentlich" eingestuft werden kann (Däubler/Kittner/Klebe, BetrVG, 10. Aufl., § 111, Rdn. 45 a mit umfangreichen Nachweisen auf Literatur und Rechtsprechung).

2.2 Die erkennende Berufungskammer neigt zu der Auffassung, dass der in § 17 Abs. 1 KSchG genannte untere Schwellenwert von mehr als fünf Arbeitnehmern auf Kleinbetriebe nicht anzuwenden ist. Es spricht deshalb viel für die Auffassung, beim Begriff der "Wesentlichkeit" in Kleinbetrieben auf einen Schwellenwert abzustellen, der sich unterhalb der Zahl sechs bewegt und sich an der Gesamtbelegschaft des Betriebs zu orientieren hat. Folgt man dieser Überlegung, so erscheint es konsequent und angemessen, auf einen Richtwert von 33 % abzustellen.

Bezogen auf den Betriebsteil "Fuhrpark" des Standortes O. der Beklagten bedeutet dies, dass er in quantitativer Hinsicht als "wesentlich" einzustufen ist. Zum Zeitpunkt der Stilllegungsplanung befanden sich in diesem Betriebsteil fünf Kraftfahrer, die an der Gesamtbelegschaftszahl von 13 orientiert, mehr als 33 % der Beschäftigten des Betriebes O. ausmachten.

2.3 Die erkennende Berufungskammer ist indessen der Auffassung, dass in den von § 17 Abs. 1 KSchG nicht umfassten Kleinbetrieben nicht allein auf quantitative Merkmale wie die Anzahl der dort tätigen Mitarbeiter abgestellt werden darf; um die "Wesentlichkeit" eines Betriebsteils zu beschreiben, erfordert es darüber hinaus auch der Feststellung qualitativer Merkmale. Von einer Wesentlichkeit im Sinne von § 111 Satz 3 Ziffer 1 BetrVG kann deshalb nur dann ausgegangen werden, wenn die wirtschaftliche und sonstige Bedeutung des Betriebsteils berücksichtigt und als erheblich eingeschätzt wird (vgl. hierzu: BAG 19.01.1999 - 1 AZR 342/98 - AP Nr. 37 zu § 113 BetrVG 1972). Dabei kann sich die Wesentlichkeit des Betriebsteils in qualitativer Hinsicht an dem Beitrag orientieren, den der Betriebsteil zum wirtschaftlichen Ergebnis des Betriebes insgesamt leistet. Es ist darauf abzustellen, ob die in dem Betriebsteil erbrachten Leistungen notwendigerweise durch eine eigene, in die betrieblichen Abläufe des Betriebes integrierte betriebliche Einheit zu erbringen sind. Weiterhin ist darauf abzustellen, ob das Wesen und der Charakter des Betriebes sich dadurch ändern, dass der zu untersuchende Betriebsteil stillgelegt wird und ob es zwingende Notwendigkeiten gibt, den Arbeitsprozess dieses Betriebsteils in die übrigen Arbeitsabläufe des Betriebes zu integrieren und sie mit ihnen nahtlos zu verzahnen (so ausdrücklich: BAG 27.06.2002 - 2 AZR 489/01 - EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 119).

Hiernach kann dann aber, soweit es um die angesprochenen qualitativen Merkmale geht, nicht mehr davon ausgegangen werden, dass der Betriebsteil "Fuhrpark" am Standort O. für den Betrieb dort von erheblicher Bedeutung gewesen ist.

Nach dem nicht substantiiert bestrittenen Sachvortrag der Beklagten in beiden Instanzen war der Fuhrpark am Gesamtumsatz des Betriebs nur zu 13 % beteiligt. Die durchgeführten Frachtaufträge erreichten nur einen Wert von circa 10 % der Gesamtaufträge. Die Beklagte hat in diesem Zusammenhang wiederholt darauf hingewiesen, dass die benötigten Transportdienstleistungen in der Vergangenheit bereits fast überwiegend bei darauf spezialisierten Unternehmen, den Frachtführern, eingekauft worden seien und dass nur wenige Transporte von untergeordneter Bedeutung mit den zuletzt noch zur Verfügung stehenden vier Lastzügen durchgeführt worden seien. Die Tatsache, dass dieser "Kleinfuhrpark" nunmehr aufgelöst und die bisher von dort durchgeführten Transporte fremdvergeben werden, belegt zudem, dass eine zwingende Integration in den Restbetrieb der Beklagten nicht erforderlich gewesen ist, so dass unmittelbare und schwerwiegende Auswirkungen durch die Stilllegung nicht zu besorgen sind. Dies gilt sowohl für die materiellen Betriebsmittel am Standort O. als auch für die dort beschäftigten weiteren Mitarbeiter.

Hinzu kommt, dass sich auch Geschäftszweck und Geschäftsablauf nach der Stilllegung des Fuhrparks nicht wesentlich ändern, was erneut Rückschlüsse auf die nur geringe Bedeutung für den Gesamtbetrieb zulässt. Auch insoweit hat die Beklagte substantiiert und unter Beweisantritt darauf hingewiesen, dass die Verwaltungstätigkeiten angesichts der Schließung des Fuhrparks sich nur unwesentlich ändern und dass es jedenfalls infolge der Teilstilllegung nicht zu einer Erhöhung des Beschäftigungsvolumens mit entsprechenden Auswirkungen auf die betroffenen Mitarbeiter kommt. Darüber hinaus erscheint vor allem nachvollziehbar, dass die bisher eingesetzten Disponenten letztlich so weiterarbeiten wie bisher; es ändert sich allenfalls ein geringer Teil ihrer Tätigkeit, da sie ihre Frachtaufträge nunmehr nicht mehr an eigene Kraftfahrer vergeben, sondern insgesamt an fremde Frachtführer.

2.4 Bei einer wertenden Gesamtbetrachtung der Bedeutung des Betriebsteils "Fuhrpark" ist deshalb insgesamt einzuräumen, dass die Anzahl der Mitarbeiter durchaus noch als eine solche klassifiziert werden kann, die für den Gesamtbetrieb von Bedeutung gewesen ist (quantitative Betrachtungsweise). Berücksichtigt man indessen darüber hinaus, was die Kammer bei Kleinbetrieben für unerlässlich hält, die darüber hinausgehende wirtschaftliche, finanzielle und beschäftigungsorientierte Bedeutung des Betriebsteils Fuhrpark (qualitative Betrachtungsweise), so bleibt festzuhalten, dass diese eher als gering einzustufen ist. Hieraus folgt, dass das Merkmal des "wesentlichen Betriebsteils" im Sinne des § 111 Satz 3 Ziffer 1 BetrVG nicht angenommen werden kann. Eine Betriebsänderung nach dieser Vorschrift hat nicht vorgelegen.

3. Dies gilt gleichermaßen, sofern der Kläger auf eine Betriebsänderung in Form einer grundlegenden Änderung der Betriebsorganisation im Sinne von § 111 Satz 3 Nr. 4 BetrVG abstellt.

3.1 Eine Änderung der Betriebsorganisation liegt dann vor, wenn der Betriebsaufbau, insbesondere hinsichtlich Zuständigkeiten und Verantwortung, umgewandelt wird. Grundlegend ist die Änderung, wenn sie sich auf den Betriebsablauf in erheblicher Weise auswirkt. Maßgeblich dafür ist der Grad der Veränderung. Es kommt entscheidend darauf an, ob die Änderung einschneidende Auswirkungen auf den Betriebsablauf, die Arbeitsweise oder die Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer hat. Die Änderung muss in ihrer Gesamtschau von erheblicher Bedeutung für den gesamten Betriebsablauf sein. Nur dann ist die mit § 111 Satz 3 Nr. 4 BetrVG verbundene Fiktion gerechtfertigt, dass die Maßnahme im Sinne von § 111 Satz 1 BetrVG wesentliche Nachteile für die Belegschaft oder erhebliche Teile davon zur Folge hat. Beim "Outsourcing" der Aufgaben eines Betriebsteils kommt es daher darauf an, ob sich dies auf den gesamten Betriebsablauf oder auf die Arbeitsweise und -bedingungen der nicht unmittelbar betroffenen Arbeitnehmer gravierend auswirkt (BAG 18.03.2008, a. a. O.; vgl. auch: BAG 18.11.2003 - 1 AZR 637/02 - BAGE 108, 311).

3.2 Bereits oben unter Ziffer 2.3 ist herausgearbeitet worden, dass die Stilllegung des Betriebsteils Fuhrpark nur marginale Auswirkungen auf den verbleibenden Restbetrieb hat. Dies gilt zum einen für die dortigen Arbeitsabläufe, die nur einer unwesentlichen Änderung unterzogen worden sind. Dies gilt aber auch für die dort beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, deren Arbeitsvolumen nicht größer geworden ist und deren Arbeitsaufgaben in etwa denen entsprechen, die sie vor der Teilstilllegung hatten. Von einer gravierenden Auswirkung der nunmehr erfolgten Fremdvergabe der noch verbliebenen, selbst ausgeführten Frachtaufträge kann daher keinesfalls gesprochen werden.

4. Sofern schließlich zur Feststellung einer vorliegenden Betriebsänderung diskutiert wird, dass eine Betriebseinschränkung im Sinne des §§ 111 Satz 3 Ziffer 1 BetrVG auch dann vorliegen kann, wenn in beträchtlichem Umfang Personal abgebaut wird, kann auf die Ausführungen oben zu Ziffer 2 verwiesen werden. In der Rechtsprechung werden auch insoweit, sofern nicht Kleinbetriebe betroffen sind, die Schwellenwerte des § 17 Abs. 1 KSchG herangezogen. Für die Kleinbetriebe wie dem Betrieb der Beklagten am Standort O. wird in der Literatur erneut auf das verwiesen, was bei der Ermittlung des Merkmals "wesentlich" herangezogen wird. Auch insoweit meint die erkennende Kammer, dass es hier nicht allein auf die Anzahl der betroffenen Arbeitnehmer, sondern auch auf deren Bedeutung für den Gesamtbetrieb ankommen muss. Wie oben aufgezeigt, erweist sich dann aber bei Berücksichtigung der qualitativen Komponente, dass von einem bedeutungsvollen Personalabbau auch nicht ausgegangen werden kann. Es liegt insgesamt keine Betriebsänderung im Sinne des § 111 Satz 3 BetrVG vor.

Eines Eingehens auf die weiteren zwischen den Parteien diskutierten Fragen etwa zur Höhe des Nachteilsausgleichs bedurfte es danach nicht mehr.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die erkennende Kammer hat die Revision für die Beklagte zugelassen, weil sie das Vorliegen einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung bejaht hat, § 72 Abs. 2 Ziffer 1 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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