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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 01.09.2005
Aktenzeichen: 5 Sa 212/05
Rechtsgebiete: BGB, KSchG


Vorschriften:

BGB §§ 293 ff.
BGB § 615
BGB § 683
BGB § 679
BGB § 690
KSchG § 11
1. Bei der Anrechnung anderweitigen Verdienstes im Sinne des § 615 Satz 2 BGB hat keine Gesamtberechnung zu erfolgen, sondern eine Berechnung nach Zeitabschnitten (entgegen BAG, Urteil vom 24.08.1999 - 9 AZR 804/98 -).

2. Hat ein Arbeitnehmer während des Annahmeverzugs höherwertige Tätigkeit als bei seinem Hauptarbeitgeber geleistet (hier: Flugkapitän statt Co-Pilot), beschränkt sich die Anrechnung des Zwischenverdienstes nicht auf das fiktive Gehalt eines Co-Piloten.

3. Aufwendungen, die der Arbeitnehmer im Rahmen seiner anderweitigen Tätigkeit hat, kann er gemäß §§ 683, 679, 670 BGB gegenüber seinem Hauptarbeitgeber geltend machen.


LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

5 Sa 212/05

Verkündet am 01. September 2005

In Sachen

hat die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 01.09.2005 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Göttling als Vorsitzenden sowie den ehrenamtlichen Richter Hens und den ehrenamtlichen Richter Specht

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufungen der Parteien wird das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 09.12.2004 - 11 Ca 6399/04 - teilweise abgeändert und wie folgt neu formuliert:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger

a) 5.381,72 € brutto abzüglich abgeführter Sozialversicherungsbeiträge einschließlich der Beiträge zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 839,25 € sowie abzüglich 39,88 € netto (vermögenswirksame Leistungen) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus dem Restbetrag seit dem 02.07.2002

b) 5.162,24 € brutto abzüglich abgeführter Sozialversicherungsbeiträge einschließlich der Beiträge zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 839,25 €, abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes in Höhe von 1.517,98 € sowie abzüglich 39,88 € netto (vermögenswirksame Leistungen) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus dem Restbetrag seit dem 02.08.2002

c) 5.387,58 € brutto abzüglich abgeführter Sozialversicherungsbeiträge einschließlich der Beiträge zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 839,25 €, abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes in Höhe von 1.517,98 € sowie abzüglich 39,88 € netto (vermögenswirksame Leistungen) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus dem Restbetrag seit dem 02.09.2002

d) 5.737,83 € brutto abzüglich abgeführter Sozialversicherungsbeiträge einschließlich der Beiträge zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 839,25 €, abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes in Höhe von 1.517,98 € sowie abzüglich 39,88 € netto (vermögenswirksame Leistungen) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus dem Restbetrag seit dem 02.10.2002

e) 5.769,47 € brutto abzüglich abgeführter Sozialversicherungsbeiträge einschließlich der Beiträge zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 839,25 €, abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes in Höhe von 1.517,98 € sowie abzüglich 39,88 € netto (vermögenswirksame Leistungen) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus dem Restbetrag seit dem 02.11.2002

f) 5.618,03 € brutto abzüglich abgeführter Sozialversicherungsbeiträge einschließlich der Beiträge zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 839,25 €, abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes in Höhe von 1.517,98 € sowie abzüglich 39,88 € netto (vermögenswirksame Leistungen) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus dem Restbetrag seit dem 02.12.2002

g) 5.271,80 € brutto abzüglich abgeführter Sozialversicherungsbeiträge einschließlich der Beiträge zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 839,25 €, abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes in Höhe von 1.517,98 € sowie abzüglich 39,88 € netto (vermögenswirksame Leistungen) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus dem Restbetrag seit dem 02.01.2003

h) 5.336,91 € brutto abzüglich abgeführter Sozialversicherungsbeiträge einschließlich der Beiträge zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 932,11 €, abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes in Höhe von 1.478,70 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus dem Restbetrag seit dem 02.02.2003

i) 5.370,93 € brutto abzüglich abgeführter Sozialversicherungsbeiträge einschließlich der Beiträge zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 932,11 €, abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes in Höhe von 1.478,70 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus dem Restbetrag seit dem 02.03.2003

j) 5.291,56 € brutto abzüglich abgeführter Sozialversicherungsbeiträge einschließlich der Beiträge zur freiwillgen Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 932,11 €, abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes in Höhe von 1.478,70 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus dem Restbetrag seit dem 02.04.2003

k) 2.168,10 € brutto abzüglich abgeführter Sozialversicherungsbeiträge einschließlich der Beiträge zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 932,11 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus dem Restbetrag seit dem 02.05.2003

l) 4.646,43 € brutto abzüglich abgeführter Sozialversicherungsbeiträge einschließlich der Beiträge zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 932,11 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus dem Restbetrag seit dem 02.06.2003 zu zahlen.

2. Im Übrigen werden die Klage und die weitergehenden Berufungen der Parteien zurückgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Parteien je zur Hälfte.

4. Die Revision wird für beide Parteien zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten im Wesentlichen über Annahmeverzugsansprüche des Klägers aus seinem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten.

Der am 14.02.1962 geborene Kläger ist seit dem 01.12.1989 bei der Beklagten als Flugzeugführer/Co-Pilot beschäftigt.

Am 29.05.2001 schlossen die Parteien vor dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf zur Beendigung eines zwischen ihnen unter dem Aktenzeichen 3 Sa 207/01 geführten Rechtsstreit einen Vergleich, wonach der Kläger bis zum 31.05.2002 freigestellt war. In dem Vergleich heißt es dann unter anderem wie folgt:

III. Der Kläger ist berechtigt, das Arbeitsverhältnis durch schriftliche und der Beklagten spätestens am 30.04.2002 zugehende Erklärung mit Wirkung zum 31.05.2002 zu beenden.

Mit Schreiben vom 29.04.2002, der Beklagten per Telefax zugegangen am 30.04.2002, erklärte der Kläger die Ausübung seiner im Vergleich vereinbarten Austrittsoption mit Wirkung zum 31.05.2002. In dem Schreiben heißt es dann weiter wie folgt:

Diese Erklärung erfolgt unter der auflösenden Bedingung, dass die M. ihrerseits sämtliche aus dem Vergleich vom 29.05.2001 mit gegenüber bestehenden Verpflichtungen (Ziffer III Unterabschnitt a) vollständig und pünktlich (30.05.2002) erfüllt.

Mit Anwaltsschreiben vom 27.05.2002 stellte der Kläger sich dann auf den Standpunkt, dass die Beklagte gleichwohl zur Weiterbeschäftigung verpflichtet wäre und ließ vorsorglich die Ausübung seiner Option anfechten.

Unter dem 29.05.2002, dem Bevollmächtigten des Klägers am gleichen Tag zugegangen, ließ die Beklagte ihrerseits dem Kläger folgendes mitteilen:

... in vorbezeichneter Angelegenheit nehmen wir Bezug auf Ihr Schreiben vom 27.05.2002. Wie Sie wissen, hat Ihr Mandant auf der Basis des seinerzeit vor dem Arbeitsgericht Düsseldorf getroffenen Vergleichs auf Ausscheiden optiert. Das Beschäftigungsverhältnis zwischen M. und Herrn T. ist damit definitiv beendet...

Anhaltspunkt für die von Ihnen erklärte Anfechtung der Austrittsoption sehen wir nicht...

Damit ist die Angelegenheit für uns abgeschlossen.

Mit einer am 20.09.2002 der Beklagten zugestellten Klage hat der Kläger alsdann den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses mit ihr geltend gemacht. Mit Urteil vom 21.02.2003 stellte das Arbeitsgericht Düsseldorf - 1 Ca 7810/02 -fest, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis besteht und verurteilte die Beklagte, den Kläger als Co-Pilot tatsächlich zu beschäftigen sowie ihm ab dem 01.07.2002 monatlich Abrechnungen über die Vergütungsansprüche als Co-Pilot zu erteilen. Die Berufung der Beklagten wies das Landesarbeitsgericht Düsseldorf - 6 Sa 561/03 - durch ein am 01.07.2003 verkündetes Urteil zurück.

Im Zeitraum vom 01.06.2002 bis zum 30.09.2003 beschäftigte die Beklagte den Kläger nicht. Von Juli 2002 bis März 2003 erhielt der Kläger Arbeitslosengeld und ging von April 2003 bis September 2003 einer anderweitigen Tätigkeit als Flugkapitän bei der "I. International Luftverkehrsgesellschaft" (im folgenden nur noch I. I. genannt) nach.

In der Folgezeit erteilte die Beklagte dem Kläger hinsichtlich der von ihr geschuldeten Bruttovergütungen für die Zeit vom 01.06.2002 bis zum 30.09.2003, die zwischen den Parteien unstreitig sind, entsprechende Abrechnungen. Die in den Abrechnungen aufgeführten Sozialversicherungsbeiträge, die Beiträge zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung sowie die Steuern führte sie ab. Gleiches gilt - jedenfalls dem Grunde nach - für die vereinbarten vermögenswirksamen Leistungen. Zahlungen an den Kläger selbst erbrachte die Beklagte (noch) nicht. Hinsichtlich der tatsächlich geleisteten Zahlungen und der unstreitig geschuldeten Bruttobeträge wird im Übrigen auf die Aufstellung im erstinstanzlichen Urteil (Bl. 202 und 203 d. A.) verwiesen.

Mit seiner am 26.08.2004 beim Arbeitsgericht Düsseldorf anhängig gemachten und am 01.12.2004 erweiterten Klage hat der Kläger für den Zeitraum Juni 2002 bis September 2003 seine jeweiligen Bruttomonatsgehälter geltend gemacht.

Er hat hierzu die Rechtsauffassung vertreten, dass sich die Beklagte in dem streitbefangenen Zeitraum in Annahmeverzug befunden hätte und dass ihm, dem Kläger, die monatlichen Bruttobeträge vollständig zur Verfügung zu stellen wären. Mit der am 06.12.2004 der Beklagten zugestellten Klageerweiterung hat er darüber hinaus die Zahlung weiterer 2.900,-- € geltend gemacht. Er hat hierzu vorgetragen, dass er entsprechende Aufwendungen für den Erwerb einer Musterberechtigung gehabt hätte; diese wiederum sei erforderlich gewesen, um seine anderweitige Tätigkeit als Flugkapitän bei der H. I. ausführen zu können. Wegen der Höhe der gemachten Aufwendungen wird auf Blatt 161 der Akten verwiesen.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn für Juni 2002 5.381,72 € brutto nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 02.07.2002;

für Juli 2002 5.162,54 € brutto nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 02.08.2002;

für August 2002 5.387,58 € brutto nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 02.09.2002;

für September 2002 5.737,83 € brutto nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 02.10.2002;

für Oktober 2002 5.769,47 € brutto nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 02.11.2002;

für November 2002 5.618,03 € brutto nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 02.12.2002;

für Dezember 2002 5.271,80 € brutto nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 02.01.2003;

für Januar 2003 5.336,91 € brutto nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 02.02.2003;

für Februar 2003 5.370,93 € brutto nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 02.03.2003;

für März 2003 5.291,56 € brutto nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 02.04.2003;

für April 2003 5.498,53 € brutto nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 02.05.2003;

für Mai 2003 7.976,93 € brutto nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 02.06.2003;

für Juni 2003 5.680,40 € brutto nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 02.07.2003;

für Juli 2003 5.909,94 € brutto nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 02.08.2003;

für August 2003 5.983,10 € brutto nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 02.09.2003;

für September 2003 6.019,68 € brutto nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 02.10.2003;

zu zahlen.

2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.900,-- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.08.2004 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat der Einführung des Klageantrags zu 2) in den Prozess nicht zugestimmt und die Auffassung vertreten, dass sie jedenfalls ab 01.06.2002 nicht in Annahmeverzug geraten wäre.

Sie hat darüber hinaus gemeint, von den geltend gemachten Bruttobezügen Abzüge vornehmen zu können. Sie hat hierzu vorgetragen, dass hinsichtlich der Bruttobeträge für 2002 die abgeführten bzw. abzuführenden Sozialversicherungsbeiträge, Steuern sowie erhaltenes Arbeitslosengeld anzurechnen wären; dasselbe gelte für die Zeit bis zum März 2003. Danach, so die Beklagte weiter, müsse sich der Kläger den erhaltenen Zwischenverdienst in voller Höhe anrechnen lassen, sei dabei allerdings nicht befugt, dem irgendwelche Aufwendungen entgegenzustellen.

Schließlich hat die Beklagte die Aufrechnung mit einem Rückforderungsanspruch erklärt. Sie hat hierzu auf zwei an den Kläger gezahlte Abfindungsbeträge in Höhe von 8.008,08 € netto und 13.130,83 € netto verwiesen, die sie im Rahmen des Vorprozesses an den Kläger geleistet hätte. Die Beklagte hat insoweit gemeint, dass diese Zahlungen rechtsgrundlos erfolgt wären und zurückzuerstatten seien.

Der Kläger hat entgegnet, nach seiner Auffassung käme eine Anrechnung des von ihm erzielten Zwischenverdienstes nicht in voller Höhe in Betracht, sondern nur in der Höhe, wie sie - hypothetisch - erzielt worden wäre, wenn er nur als Co-Pilot bei der H. I. gearbeitet hätte. Dass er als tatsächlich eingesetzter Flugkapitän einen höheren Verdienst erreicht hätte, könne der Beklagten nicht zugute kommen. Darüber hinaus, so hat der Kläger weiter vorgetragen, stünden ihm dann aber die erbrachten Aufwendungen als anzurechnende Rechnungspositionen zu und wären jedenfalls bei der Berechnung des Verzugslohnes zu seinen Gunsten zu berücksichtigen.

Mit Urteil vom 09.12.2004 hat die 11. Kammer des Arbeitsgerichts Düsseldorf - 11 Ca 6399/04 - dem Klagebegehren teilweise entsprochen und im Übrigen die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen, auf die im Übrigen Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht ausgeführt, ausweislich des Schreibens der Beklagten vom 29.05.2002, mit dem sie die Arbeitsleistung des Klägers definitiv abgelehnt hätte, sei ab dem 01.06.2002 Annahmeverzug eingetreten und die Beklagte verpflichtet, die Vergütung des Klägers auf der Grundlage der unstreitigen Bruttomonatsbezüge abzurechnen und auszuzahlen. Dem könne die Beklagte nicht durch Aufrechnung mit den geleisteten Abfindungszahlungen entgegentreten; ihr Vorbringen erweise sich insoweit als unsubstantiiert und damit unbeachtlich.

Auf die dem Kläger zustehenden Bruttobezüge habe die Beklagte abgeführte Sozialversicherungsbeiträge, vermögenswirksame Leistungen in Höhe von 159,52 € netto pro Monat (bis 31.12.2002) und empfangenes Arbeitslosengeld anrechnen dürfen. Dies gelte nicht für die einbehaltenen Steuern, die nach dem so genannten Zuflussprinzip erst bei tatsächlicher Zahlung anfielen und erst dann zu berücksichtigen wären.

Das Arbeitsgericht hat weiter ausgeführt, dass die Anrechnung anderweitigen Verdienstes zwischen April und September 2003 auf der Grundlage des bei der H. I. erzielten Kapitänsgehaltes zu erfolgen habe und dass insoweit nicht die gemachten Aufwendungen gegengerechnet werden könnten. Bei der Berechnung des Zwischenverdienstes ist das Arbeitsgericht dann allerdings nicht der vom Bundesarbeitsgericht praktizierten Methode der Gesamtberechnung gefolgt, sondern hat eine monatliche Anrechnung vorgenommen. Schließlich hat das Arbeitsgericht die aus seiner Sicht vorliegende Klageänderung auf Zahlung weiterer 2.900,-- € für nicht sachdienlich und damit für nicht zulässig erklärt.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 01.03.2005 zugestellte Urteil mit einem am 17.02.2005 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 17.04.2005 - mit einem am 18.04.2005 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Der Kläger hat gegen das ihm am 02.03.2005 zugestellte Urteil mit einem am 21.03.2005 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 02.06.2005 - mit einem am 02.06.2005 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Die Beklagte wiederholt zunächst ihren Sachvortrag aus dem ersten Rechtszug und meint, dass die Berechnung des Arbeitsgerichts, soweit es die Berechtigung der von der Beklagten vorgenommenen Abzüge beträfe, nicht richtig wäre. Unter Beachtung der abzuführenden Steuern ergebe sich jedenfalls ein weit geringerer Auszahlungsbetrag, als vom Arbeitsgericht angenommen. Hinzu komme, dass inzwischen im Hinblick auf die Zwischenbeschäftigung des Klägers bei der H. I. eine Erstattung durch die insoweit zuständige Gmünder Ersatzkasse erfolgt sei (vgl. hierzu Bl. 310 d. A.), so dass hiernach der Beklagten die zur Anrechnung gestellten Sozialversicherungsbeiträge auch für die Monate April und Mai 2005 wieder in voller Höhe zuständen und bei den entsprechenden Auszahlungsbeträgen zu berücksichtigen wären.

Die Beklagte vertritt schließlich die Auffassung, dass bei der Anrechnung der vom Kläger erzielten Zwischenverdienste die Gesamtberechnungsmethode des Bundesarbeitsgerichts heranzuziehen sei. Sie beantragt,

die Klage wird in Abänderung des angegriffenen Urteils des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 09.12.2004 - 11 Ca 6399/04 - insgesamt abgewiesen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Er verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil, soweit es für ihn günstig ausfällt, und wiederholt ebenfalls seinen Sachvortrag aus dem ersten Rechtszug. Zu seiner eigenen Berufung vertritt er auch weiterhin die Rechtsauffassung, dass eine Anrechnung seines Zwischenverdienstes nur in Höhe eines hypothetischen Co-Piloten-Gehaltes infrage käme. Jedenfalls seien aber die von ihm getätigten Aufwendungen zur Erlangung der Musterberechtigung für die H. I. gegenzurechnen; auf jeden Fall wären sie mindestens im Rahmen seiner eigenen Klageerweiterung, die er für zulässig hält, zu berücksichtigen. Der Kläger weist schließlich darauf hin, dass vermögenswirksame Leistungen für die Zeit bis zum 31.12.2002 nur in Höhe von monatlich 39,88 € brutto abgeführt worden wären.

Er beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und der Klage in vollem Umfang stattzugeben gemäß dem erstinstanzlichen Klageantrag.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Auch sie verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil, soweit es zu ihren Gunsten ergangen ist, und wiederholt ebenfalls ihren Sachvortrag aus dem ersten Rechtszug.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der zu den Akten gereichten Urkunden und der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufungen sind zulässig.

Sie sind nämlich an sich statthaft (§ 64 Abs. 1 ArbGG), nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes zulässig (§ 64 Abs. 2 Ziffer b ArbGG) sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).

II.

In der Sache selbst hatten sowohl die Berufung der Beklagten wie auch die des Klägers nur zu einem geringen Teil Erfolg, und zwar in dem aus dem Tenor des Berufungsurteils ersichtlichen Umfang. Die darüber hinausgehenden Rechtsmittel waren dementsprechend als unbegründet zurückzuweisen.

1. Die Beklagte ist gemäß § 611, 615 BGB i. V. m. dem zwischen den Parteien geschlossenen Arbeitsvertrag vom Grundsatz her verpflichtet, an den Kläger die - unstreitigen - Bruttomonatsbezüge für die Monate Juni 2002 bis September 2003 zur Auszahlung zu bringen. Die als Basis dienenden Bruttomonatsvergütungen sind als solche unstreitig und von der Beklagten in den dem Kläger zur Verfügung gestellten Abrechnungen auch so ausgewiesen worden.

2. Die Beklagte befand sich seit dem 01.06.2002 in Annahmeverzug gemäß §§ 293 ff., 615 BGB.

Nach § 296 BGB bedarf es keines Angebots des Arbeitnehmers, wenn der Arbeitgeber eine von ihm vorzunehmende Handlung, für die eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist, nicht rechtzeitig vornimmt. Die nach dem Kalender bestimmte Mitwirkungshandlung des Arbeitgebers besteht darin, dem Arbeitnehmer für jeden Arbeitstag einen funktionsfähigen Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen. Ihm obliegt es als Gläubiger der geschuldeten Arbeitsleistung, dem Arbeitnehmer die Leistungserbringung zu ermöglichen. Insbesondere nach einer unwirksamen Kündigung muss deshalb der Arbeitgeber, wenn er nicht in Annahmeverzug geraten will, dem Arbeitnehmer die Arbeit wieder zuzuweisen. Gleiches gilt dann, wenn der Arbeitgeber zu erkennen gibt, dass er seiner Mitwirkungspflicht nicht nachkommt und von einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgeht (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, vgl. etwa: Urteil vom 19.01.1999 - 9 AZR 679/97 - AP Nr. 79 zu § 615 BGB; vgl. auch: ErfK-Preis, 5. Aufl., § 615 BGB Rdn. 32).

Die Beklagte hatte, nachdem es im Mai 2002 Streit zwischen den Parteien über die Frage gegeben hatte, ob ihr Arbeitsverhältnis beendet war, mit Schreiben vom 29.05.2002 ausdrücklich erklärt, sie sehe das Arbeitsverhältnis "definitiv als beendet" an. Unter diesen Umständen war es auch nach objektiven Maßstäben überflüssig, dass der Kläger am 01.06.2002 der Beklagten seine Arbeit nochmals ausdrücklich anbot. Der Annahmeverzug war durch die endgültige Ablehnung einer Mitwirkungshandlung seitens der Beklagten eingetreten.

3. Den danach dem Kläger zustehenden Annahmeverzugsansprüchen kann die Beklagte nicht rechtswirksam mit der von ihr erklärten Aufrechnung entgegentreten. Die Voraussetzungen des §§ 387 ff. BGB konnten auch von der erkennenden Berufungskammer nicht bejaht werden. Die Beklagte stützt sich zur Aufrechnung auf zwei vermeintliche Abfindungsrückzahlungsansprüche in Höhe von rund 8.000,-- € und ca. 13.130,-- €. Sie gibt allerdings in beiden Rechtszügen nicht zu erkennen, welche der beiden Rückforderungsansprüche sie welchen Vergütungsansprüchen des Klägers entgegensetzen will. Die Aufrechnung ist daher, worauf bereits das Arbeitsgericht mit Blick auf § 394 BGB hingewiesen hat, mangels Bestimmtheit unzulässig und entfaltet keine Rechtswirkungen.

4. Die von der Beklagten abgerechneten Bruttomonatsvergütungen stehen dem Kläger indessen nicht in voller Höhe zu. Die Beklagte kann - aus verschiedenen Rechtsgründen - von den Bruttobeträgen anderweitige Leistungen in Anrechnung bringen. Im Einzelnen gilt hierzu folgendes:

4.1 Der Kläger muss sich zunächst für den Zeitraum von Juli bis Dezember 2002 Arbeitslosengeld in Höhe von monatlich 1.517,98 € anrechnen lassen. Für die Zeit von Januar bis März 2003 gilt dies gleichermaßen für das in dieser Zeit ausgekehrte Arbeitslosengeld in Höhe von monatlich 1.478,70 €. In Höhe dieser Zahlungen ist der Anspruch auf Annahmeverzugslohn gemäß § 115 SGB X auf die Agentur für Arbeit übergegangen; der Kläger ist insoweit nicht mehr aktiv legitimiert.

4.2 Die Beklagte ist darüber hinaus berechtigt, die von ihr abgeführten Sozialversicherungsbeiträge des Klägers anzurechnen, weil sie durch die Abführung nach § 23 Abs. 1 Satz 2 SGB IV den Anspruch des Klägers auf Arbeitsentgelt erfüllt hat, soweit die Abführung auf einer entsprechenden Beitragspflicht beruhte. Hieraus folgt, was von den Parteien auch nicht in Abrede gestellt wird, dass die im Zeitraum von Juni 2002 bis einschließlich März 2003 abgeführten Beiträge von den jeweiligen Bruttomonatsvergütungen abgezogen werden dürfen.

Gleiches gilt inzwischen für die Monate April und Mai 2003. Für diesen Zeitraum hat die Gmünder Ersatzkasse Erstattungszahlungen an den Kläger und die Beklagte vorgenommen. Dies führt, was zwischen den Parteien im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 01.09.2005 unstreitig geworden ist, dazu, dass die Beklagte auch für diese Monate berechtigt gewesen ist, den vollen Versicherungsbeitrag in Abzug zu bringen. Aufgrund der neuen Entwicklung nach Erlass des erstinstanzlichen Urteils war dieses deshalb dahingehend abzuändern, dass die Beklagte auch für die Monate April und Mai 2003 jeweils Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 932,11 € in Ansatz bringen durfte.

4.3 Auf die Berufung des Klägers war das arbeitsgerichtliche Urteil auch hinsichtlich der Anrechnung vermögenswirksamer Leistungen teilweise abzuändern. Auch insoweit ist im Berufungsrechtszug unstreitig geworden, dass die Beklagte in der Zeit von Juni bis Dezember 2002 vermögenswirksame Leistungen nur in Höhe von 39,88 € pro Monat abgeführt hatte. Diese Beträge dürfen von den monatlichen Bruttolohnansprüchen des Klägers in Abzug gebracht werden.

4.4 Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten war sie schließlich nicht berechtigt, die monatlichen Bruttobezüge um von ihr behauptete Steuerzahlungen zu vermindern. Nach dem im Steuerrecht geltenden Zuflussprinzip, das sich aus § 11 Abs. 1 Satz 1, § 38 Abs. 2 Satz 2 und § 38 a Abs. 1 EStG ergibt, entsteht die Lohnsteuer erst in dem Zeitpunkt, in dem der Arbeitslohn dem Arbeitnehmer auch tatsächlich zufließt. Es kommt deshalb nicht darauf an, für welchen Zeitraum der Lohn gezahlt wird. Entscheidend bleibt, dass der Lohn auch tatsächlich zur Auszahlung gelangt, um die "Verrechnung" vornehmen zu können (vgl. hierzu: BAG, Urteil vom 19.10.2000 - 8 AZR 20/00 - AP Nr. 11 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitgebers). Da die Beklagte bis zum Termin zur letzten mündlichen Verhandlung am 01.09.2005 noch keine irgendwie gearteten Auszahlungen - auch nicht durch Aufrechnung - vorgenommen hatte, kommt eine Anrechnung von abgeführten Steuern nicht in Betracht.

5. Soweit sich der Kläger schließlich für die Zeit von April bis September 2003 den von ihm erzielten Zwischenverdienst bei der H. I. in I. anrechnen lassen muss, folgt die erkennende Berufungskammer in vollem Umfang der rechtlichen Einschätzung des Arbeitsgerichts. Sowohl die Berufung der Beklagten als auch die Berufung des Klägers konnten insoweit keinen Erfolg haben.

Nach § 615 Satz 2 BGB muss sich der Dienstverpflichtete den Wert desjenigen anrechnen lassen, was er infolge des Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Dienste erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt. Der Kläger hat in der Zeit zwischen April 2003 und September 2003 durch seine Tätigkeiten als Flugkapitän für die Firma H. I. einen Zwischenverdienst erzielt, den er sich auf seine Ansprüche aus Annahmeverzug gemäß § 615 Satz 1 BGB anrechnen lassen muss.

5.1 Hinsichtlich der Anrechnungsmodalitäten folgt die Berufungskammer zunächst der Rechtsauffassung des Arbeitsgerichts, wonach die Anrechnung nicht im Rahmen einer Gesamtbetrachtung, sondern bezogen auf die Monate zu erfolgen hat, in denen er Kläger tatsächlich einen Zwischenverdienst erzielt hat.

5.1.1 Nach wohl immer noch herrschender Meinung in Literatur und Rechtsprechung ist nach § 615 Satz 2 BGB der anderweitige Verdienst des Arbeitnehmers auf die Vergütung für die gesamte Dauer des Annahmeverzuges und nicht nur auf die Vergütung für den Zeitabschnitt anzurechnen, in dem der Arbeitnehmer seine Dienste anderweitig verwendet hat. Das Bundesarbeitsgericht folgert dies aus dem Wortlaut des § 615 Satz 2 BGB, wonach die Vergütung für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste, also die Gesamtvergütung zu berechnen und dieser Zwischenvergütung gegenüberzustellen sei. Von einer Anrechnung nach einzelnen Zeitabschnitten sei im Gesetz keine Rede, ebenso wenig wie in parallelen Anrechnungsvorschriften. Gleiches ergebe sich aus dem Wortlaut der klarstellenden Vorschrift des § 11 KSchG, wo abgestellt werde auf das Arbeitsentgelt, das der Arbeitgeber für die Zeit nach der Entlassung schulde. Das Bundesarbeitsgericht meint weiter, dass auch Sinn und Zweck beider Vorschriften diese Auslegung stützten, weil der Arbeitnehmer aufgrund des Annahmeverzuges nicht mehr und nicht weniger erhalten solle als die vereinbarte Vergütung. Dies schließe einen Gewinn auf Kosten des Arbeitgebers aus (vgl. hierzu: BAG, Urteil vom 29.07.1993 - 2 AZR 110/93 - AP Nr. 52 zu § 615 BGB; vgl. auch: BAG, Urteil vom 24.08.1999 - 9 AZR 804/98 - AP Nr. 1 zu § 615 BGB Anrechnung).

5.1.2 Dem ist das Arbeitsgericht in seiner erstinstanzlichen Entscheidung unter Hinweis auf Nübold (Die Methode der Anrechung anderweitigen Verdienstes nach § 615 Satz 2 BGB, RdA 2004, 31 ff.) entgegengetreten und hat die Rechtsauffassung vertreten, dass eine Berechnung nach Zeitabschnitten zu erfolgen hat. Aus Sicht des Arbeitsgerichts stellt sich der Annahmeverzugsanspruch des Arbeitnehmers nicht als Gesamtanspruch dar. Er setzt sich vielmehr wie der normale Erfüllungsanspruch aus vielen selbstständigen Ansprüchen zusammen, so dass die Methode der Gesamtberechnung insoweit den synal-lagmatischen Inhalt der geschuldeten Leistungen verkennt. Darüber hinaus, so das Arbeitsgericht weiter, hinterlässt das System der Gesamtberechnung ungelöste Fragestellungen und führt zu Friktionen im Steuer- und Sozialversicherungsrecht.

5.1.3 Diesen Erwägungen schließt sich die erkennende Kammer an, weil der vom Bundesarbeitsgericht bevorzugten Methode der "Gesamtberechnung" in der Tat sowohl aus rechtlichen wie auch aus praktischen Gründen nicht gefolgt werden sollte. Aus dem Wortlaut des § 615 Satz 2 BGB ist nach hier vertretener Rechtsauffassung nicht abzuleiten, dass eine Gesamtberechnung zu erfolgen hat. Dass dort nicht auf bestimmte Zeitabschnitte abgestellt wird, bedeutet nicht zwingend, dass dann nur eine Gesamtberechnung in Frage käme. Auch der Sinn und Zweck der streitbefangenen Regelung, die einen Gewinn des Arbeitnehmers zu Lasten des Arbeitgebers vermeiden helfen soll, führt nicht zwangsläufig dazu, der Gesamtberechnungsmethode den Vorzug geben zu müssen. Es sind sicherlich Fälle denkbar, in denen der Arbeitgeber durch besonders hohe Verdienste in einem oder einzelnen Monaten und entsprechend niedrigeren Verdiensten in anderen Monaten überproportional in Anspruch genommen werden könnte. In der Mehrzahl der Fälle des Annahmeverzugs wird man aber eine eher gleichmäßige Verteilung der Zwischenverdienste auf den gesamten Annahmeverzugszeitraum annehmen dürfen und damit dann auch zu einer sachgerechten Berücksichtigung des Zwischenverdienstes in den einzelnen Monaten kommen.

Hinzu kommt aus praktischer Sicht, dass die Gesamtberechnung - gerade in Fällen der vorliegenden Art - zu Schwierigkeiten führt, die kaum überwindbar erscheinen. Bedient man sich der Methode der Gesamtberechnung, so ist nach dem Verständnis der erkennenden Berufungskammer der erzielte gesamte Zwischenverdienst dem Verdienst gegenüberzustellen, den der Arbeitnehmer bei seinem Hauptarbeitgeber erzielt hätte. Dabei bleibt aber unklar, wie sich dieser Zwischenverdienst oder das bereits gefundene Ergebnis auf die einzelnen Monate des Annahmeverzugszeitraumes verteilt, was als Grundlage für die Abführung der Sozialversicherungsbeiträge dienen soll und wie sich z. B. die Tatsache auswirkt, dass der Kläger in den ersten Monaten des streitigen Zeitraums Arbeitslosengeld erhalten hat. Das Arbeitsgericht weist in diesem Zusammenhang zu Recht darauf hin, dass die Anwendung des § 115 SGB X rechtliche und praktische Probleme bereiten dürfte.

5.1.4 Ist nach allem - jedenfalls bei der hier vorliegenden Fallkonstellation - von einer Berechnung nach Zeitabschnitten auszugehen, so reduzieren sich die Bruttomonatsgehälter des Klägers in den Monaten April und Mai 2003 um die in dieser Zeit erzielten Zwischenverdienste. Für die Zeit danach bis zum September 2003 sind Annahmeverzugsansprüche gegenüber der Beklagten nicht mehr gegeben, weil der erzielte Zwischenverdienst höher ausfällt als die Vergütungsansprüche gegenüber der Beklagten.

5.2 Dem kann der Kläger nicht entgegenhalten, dass eine Anrechnung nur auf der Grundlage eines hypothetischen Co-Piloten-Gehaltes erfolgen dürfe. Für eine solche Betrachtungsweise bietet § 615 BGB keine Anhaltspunkte.

Nach Satz 2 der genannten Vorschrift muss sich der Arbeitnehmer den Wert desjenigen anrechnen lassen, was er infolge des Unterbleibens der Dienstleistung erspart. Anrechnungspflichtig nach der genannten Vorschrift ist deshalb jeder Verdienst, für dessen Erzielung das Freiwerden der Arbeitskraft kausal war (BAG, Urteil vom 06.09.1990 - 2 AZR 165/90 - AP Nr. 47 zu § 615 BGB). Dabei ist es unerheblich, ob es sich hierbei um gleichartige oder andersartige Arbeit handelt (KR/Spilger, 7. Aufl., § 11 KSchG, Rz. 35; von Hoyningen-Huene/Linck, Kündigungsschutzgesetz, 13. Aufl., § 11, Rdn. 12). Dieser Meinung schließt sich auch die Berufungskammer in vollem Umfang an. § 615 Satz 2 BGB stellt nur auf einen Kausalzusammenhang zwischen dem Unterbleiben der Dienstleistung und der dadurch möglichen anderweitigen Tätigkeit her. Weder aus dem Gesetzeswortlaut noch aus Sinn und Zweck der Norm lassen sich Gesichtspunkte herausarbeiten, wonach nur die Arbeitsleistung als Zwischenverdienstbasis Beachtung finden soll, die derjenigen beim Hauptarbeitgeber entspricht. Im Gegenteil: Es muss nach § 615 BGB völlig unbeachtlich sein, ob qualifiziertere Tätigkeiten zu höheren oder niedrigeren Verdiensten führt oder etwa weniger qualifizierte Tätigkeiten höhere oder niedrigere Zwischenverdienste bewirken.

Das aus dieser rechtlichen Einschätzung resultierende Ergebnis erscheint dann auch - gerade aus Sicht des Arbeitnehmers - nicht unangemessen und benachteiligend. Setzt er nämlich seine Arbeitskraft in dem Zeitraum, in dem er seine Dienstleistung gegenüber dem Hauptarbeitgeber nicht erbringt, in besonders qualifiziertem Maße ein oder erreicht er, durch entsprechende Verhandlungen einen höheren Verdienst zu erzielen, so wird hierdurch der Arbeitgeber genauso entlastet, als wenn der Arbeitnehmer durch den Einsatz seiner normalen Einsatzkraft oder durch die Erbringung normaler Arbeitsleistungen einen gleich hohen Verdienst erzielen würde. Andererseits führt aber die qualifiziertere Tätigkeit und der damit verbundene höhere Verdienst des Arbeitnehmers zu der aus seiner Sicht günstigen Konsequenz, dass er den überschießenden Betrag in vollem Umfang für sich behalten darf. Schon aus diesem Grund kann die Berücksichtigung des Verdienstes des Klägers, den er als Kapitän bei der H. I. in I. erzielt hat, für ihn keine unangemessene Benachteiligung sein.

5.3 Entgegen der Auffassung des Klägers ist er darüber hinaus auch nicht in der Lage, von ihm getätigte Aufwendungen in Höhe von 2.900,-- € mit dem Zwischenverdienst zu verrechnen und hierdurch eine Erhöhung der Vergütungszahlung durch die Beklagte zu erreichen. Eine derartige Verrechnungsmöglichkeit ergibt sich jedenfalls nicht aus § 615 BGB.

5.3.1 Allerdings wird in der Literatur teilweise angenommen, dass der Arbeitnehmer Aufwendungen abziehen darf, die zur Erzielung des Zwischenverdienstes erforderlich waren (ErfK-Preis, 5. Aufl., § 615 BGB, Rz. 94).

5.3.2 Das Berufungsgericht folgt auch hier der in erster Instanz vertretenen Rechtsauffassung, wonach der Arbeitnehmer in einem derartigen Fall einen Aufwendungsersatzanspruch gemäß §§ 683, 679, 670 BGB gegenüber seinem Hauptarbeitgeber hat. Eine andere Betrachtungsweise würde unter bestimmten Umständen, auf die das Arbeitsgericht zu Recht hingewiesen hat, zu einer Benachteiligung des Arbeitnehmers jedenfalls dann führen, wenn er keine ausreichenden Einkünfte bei dem "Zwischenarbeitgeber" erzielt.

Hinzu kommt aber, dass nach der hier vertretenen Rechtsauffassung der Kläger verpflichtet ist, den von ihm erzielten Zwischenverdienst als Flugkapitän in Ansatz zu bringen und nicht nur ein hypothetisches Co-Piloten-Gehalt. Die Tätigkeit als Flugkapitän war ihm aber bei der H. I. in I. nur möglich, indem er Aufwendungen in Höhe von insgesamt 2.900,-- € tätigte, die er einsetzen musste, um die erforderliche Musterberechtigung zu erreichen. Dann aber erscheint es logisch und konsequent, wenn man dem Arbeitnehmer einen entsprechenden Ersatzanspruch gegen seinen Hauptarbeitgeber zubilligt und keine Verrechnungsmöglichkeit bei der Ermittlung des Zwischenverdienstes zulässt.

6. Indessen ist der Kläger im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits nicht in der Lage, den Aufwendungsersatzanspruch in Höhe von 2.900,-- € gegenüber der Beklagten geltend zu machen. Der Kläger hat seinen diesbezüglichen Anspruch erst im Verlaufe des erstinstanzlichen Verfahrens in den Prozess eingebracht. Die hierin liegende Klageänderung, der die Beklagte nicht zugestimmt hat, war nicht sachdienlich. Die Klageänderung erweist sich damit als unzulässig.

6.1 Die Erweiterung der Klage auf den Aufwendungsersatzanspruch in Höhe von 2.900,-- €, die am 01.12.2004 beim Arbeitsgericht eingegangen und der Beklagten am 06.12.2004 zugestellt wurde, ist eine Klageänderung im Sinne des § 263 ZPO. Von einer Klageänderung ist unter anderem dann auszugehen, wenn bei gleichbleibendem oder geändertem Sachverhalt der Klageantrag geändert wird. Bis zum Schriftsatz des Klägers vom 01.12.2004 hatte er einen Antrag, die Beklagte zur Zahlung weiterer 2.900,-- € zu verpflichten, nicht gestellt. Es lag auch bis zu diesem Zeitpunkt kein irgendwie gearteter Sachvortrag vor, der sich auf den nunmehr eingeführten Aufwendungsersatzanspruch des Klägers bezogen haben könnte. Er hat vielmehr in dem genannten Schriftsatz erstmalig auf den Erwerb der Musterberechtigung hingewiesen, um als Pilot bei der Firma H. I. in I. tätig sein zu können.

6.2 Die Klageänderung war nicht sachdienlich und deshalb als unzulässig zurückzuweisen.

Sachdienlichkeit der Klageänderung im Sinne des § 263 ZPO ist im allgemeinen dann zu verneinen, wenn ein völlig neuer Streitstoff in den Rechtsstreit eingeführt wird, bei dessen Beurteilung das Ergebnis der bisherigen Prozessführung nicht verwertet werden kann (BAG, Urteil vom 06.12.2001 - 2 AZR 733/00 - AP Nr. 3 zu § 263 ZPO; vgl. auch: BGH, Urteil vom 30.11.1999 - VI ZR 219/98 - NJW 2000, 800). Der Kläger hatte mit der Darstellung des Erwerbs der Musterberechtigung einen bis dahin unbekannten, völlig neuen Streitstoff und Klagegrund in den Rechtsstreit eingeführt. Sein bisheriger Sachvortrag und die zwischen den Parteien unstreitigen Umstände waren nicht geeignet, bei der Beurteilung des neuen Anspruchs in irgendeiner Art und Weise verwertet zu werden. Das Arbeitsgericht hat deshalb zu Recht eine Sachdienlichkeit verneint und die Klageänderung als unzulässig bezeichnet.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92 und 97 ZPO.

Die Kammer hat eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des § 72 Abs. 2 Ziffer 1 ArbGG bejaht und die Revision zugelassen.

Ende der Entscheidung

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