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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 07.08.2008
Aktenzeichen: 5 Sa 513/08
Rechtsgebiete: AVR "Caritas"


Vorschriften:

AVR "Caritas"
Die Einmalzahlung gemäß Abschnitt III a der Anlage 1 zu den AVR steht auch Auszubildenden nach Anlage 7 zu den AVR zu.
Tenor:

1) Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Duisburg vom 28.02.2008 - 1 Ca 82/08 - abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 450,-- € brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2007 zu zahlen.

2) Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

3) Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Frage, ob der Klägerin eine so genannte Einmalzahlung in Höhe von 450,-- € brutto für das Jahr 2007 zusteht.

Die am 23.10.1984 geborene Klägerin ist aufgrund einer Ausbildungsvereinbarung vom 23.08.2005 seit dem 01.10.2005 bei der Beklagten, die eine Katholische Schule für Kranken- und Kinderkrankenpflege in E. betreibt, als "Schülerin für den Beruf der examinierten Gesundheits- und Krankenpflegerin" beschäftigt. Gemäß § 4 der Ausbildungsvereinbarung sollten auf das Ausbildungsverhältnis der Parteien unter anderem die "Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes" (im Folgenden nur noch "AVR" genannt) Anwendung finden.

Anlage 1 zu den AVR hat in Abschnitt III a folgenden Wortlaut:

IIIa Einmalzahlung für die Jahre 2006, 2007 und 2008

(a) Die Mitarbeiter, die nicht dem Geltungsbereich des § 2 a des Allgemeinen Teils der AVR unterfallen, erhalten für die Jahre 2006 und 2007 eine Einmalzahlung in Höhe von insgesamt 450 Euro, die mit den Bezügen für den Monat Dezember 2007 ausgezahlt wird. Die Mitarbeiter, die nicht dem Geltungsbereich des § 2 a des Allgemeinen Teils der AVR unterfallen, erhalten für das Jahr 2008 eine Einmalzahlung in Höhe von 450 Euro, die mit den Bezügen für den Monat Dezember 2008 ausgezahlt wird.

(b) Durch Dienstvereinbarung können für den Fälligkeitstermin der Einmalzahlungen andere Zeitpunkte, die vor dem 31.12.2008 liegen müssen, vereinbart werden.

(c) Durch Dienstvereinbarung kann nach Information der Mitarbeitervertretung die Kürzung oder Streichung der Einmalzahlung vereint werden. Dabei hat der Dienstgeber die Mitarbeitervertretung in Schriftform über die wirtschaftliche und finanzielle Lage der Einrichtung umfassend zu informieren, dass ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild vermittelt wird. Bestehen für die Einrichtung den Träger nach den Vorschriften des Handels- oder Steuerrechts Rechnungs-, Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten, sind der Jahresabschluss nach den jeweils maßgeblichen Gliederungsvorschriften sowie der Anhang und, sofern zu erstellen, der Lagebericht vorzulegen. Ist die Einrichtung eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, sind der auf die Einrichtung bezogene Teil des Verwaltungshaushalts und der Jahresrechnung vorzulegen. Der Text dieser Dienstvereinbarung ist der zuständigen Unterkommission Mitteilung der Anzahl der betroffenen Mitarbeiter zur Kenntnisnahme vorzulegen.

(d) Soweit für Mitarbeiter zum Fälligkeitstermin nach Absatz a der Beschluss einer Unterkommission gilt, kann der Anspruch auf Einmalzahlungen ganz oder teilweise auch ohne Verpflichtung zur Vorlage der nach Absatz c Sätze 2 und 3 genannten Unterlagen für Laufzeit des Beschlusses der Unterkommission durch Dienstvereinbarung ausgeschlossen werden.

(e) Ein Anspruch auf die Zahlungen nach Absatz a besteht, wenn der Mitarbeiter an mindestens einem Tag des jeweiligen Fälligkeitsmonats Anspruch auf Dienstbezüge (Vergütung, Urlaubsvergütung oder Krankenbezüge) hat; dies gilt auch für Kalendermonate, in denen nur wegen der Höhe der Barleistungen des Sozialversicherungsträgers Krankengeldzuschuss nicht bezahlt wird. Die jeweiligen Zahlungen werden auch geleistet, wenn die Mitarbeiterin wegen der Beschäftigungsverbote nach § 3 Abs. 2 und § 6 Abs. 1 des Mutterschutzgesetzes in dem jeweiligen Fälligkeitsmonat keine Bezüge erhalten hat.

(f) Teilzeitbeschäftigte erhalten den jeweiligen Teilbetrag der Einmalzahlungen, die dem Verhältnis der mit ihnen vereinbarten durchschnittlichen Arbeitszeit zu der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit eines entsprechenden Vollbeschäftigten entspricht. Maßgebend sind die jeweiligen Verhältnisse zum Fälligkeitszeitpunkt nach Absatz a.

Über die Zahlung einer Weihnachtszuwendung findet sich in Abschnitt XIV folgende Regelung:

(a) Anspruchsvoraussetzungen

Der Mitarbeiter erhält in jedem Kalenderjahr eine Weihnachtszuwendung, wenn er

1. am 1. Dezember des laufenden Kalenderjahres im Dienst- oder Ausbildungsverhältnis (Buchst. A bis E der Anlage 7 zu den AVR) steht und

2. seit dem 1. Oktober ununterbrochen in einem Dienst- oder Ausbildungsverhältnis im Geltungsbereich der AVR oder in einem anderen Tätigkeitsbereich der katholischen Kirche gestanden hat oder im laufenden Kalenderjahr insgesamt sechs Monate bei demselben Dienstgeber in einem Dienst- oder Ausbildungsverhältnis gestanden hat oder steht und

3. nicht in der Zeit vor dem 31. März des folgenden Kalenderjahres aus seinem Verschulden oder auf eigenen Wunsch aus dem am 1. Dezember bestehenden Dienst- oder Ausbildungsverhältnis im Geltungsbereich der AVR oder in einem anderen Tätigkeitsbereich der katholischen Kirche eintritt.

Anlage 7 zu den AVR befasst sich unter anderem mit Sonderregelungen für Ausbildungsverhältnisse. § 1 der Anlage 7 zu den AVR lautet:

§ 1 Ausbildungsvergütung

(a) Die Schülerin/der Schüler erhält monatlich eine Ausbildungshilfe. Sie beträgt

im ersten Ausbildungsjahr 697,94 EUR,

im zweiten Ausbildungsjahr 754,91 EUR,

im dritten Ausbildungsjahr 846,69 EUR.

§ 11 Abs. 1 der Anlage 7 zu den AVR bestimmt darüber hinaus:

Soweit in dieser Ordnung und in gesetzlichen Regelungen für die Schülerin/den Schüler keine besonderen Vorschriften vorgesehen sind, finden die Vorschriften für Mitarbeiter in den AVR sinngemäß Anwendung.

Im Jahre 2007 schlossen die Beklagte und die bei ihr gebildete Mitarbeitervertretung eine Dienstvereinbarung, die unter anderem folgende Passage enthielt:

§ 1

Antrag an die Arbeitsrechtliche Kommission (Unterkommission II)

Aufgrund der finanziellen und betriebswirtschaftlichen Lage, die ausführlich zwischen Dienstgeber und MAV erörtert wurde, stellt der Dienstgeber mit Antrag vom 31.08.2007 einen begründeten Antrag an die Arbeitsrechtliche Kommission (Unterkommission II) (siehe Anlage - ausführliche Antragsunterlagen) mit folgenden Regelungen:

1. Für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der KKD GmbH (ohne Tochtergesellschaften) , An der B. 7 - 11, E., wird in Abweichung von Abschnitt XIV der Anlage 1 zu den AVR im Jahr 2007 keine Weihnachtszuwendung ausgezahlt.

2. Die Einmalzahlung für die Jahre 2006 und 2007 gemäß Abschnitt III a der Anlage 1 der AVR in Höhe von 450,00 Euro wird im November 2007 und die Einmalzahlung für das Jahr 2008 in Höhe von 450,00 Euro wird im April 2008 an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gezahlt.

Entsprechend des dort aufgeführten Antrags fasste die dafür zuständige Unterkommission am 22./23.10.2007 den nachfolgenden Beschluss:

1. Für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des katholischen Klinikums E. GmbH, An der B. 7 - 11, E., wird in Abweichung von Abschnitt XIV der Anlage 1 zu den AVR im Kalenderjahr 2007 keine Weihnachtszuwendung gezahlt.

2. Die Änderung tritt am 23.10.2007 in Kraft. Die Laufzeit des Beschlusses endet am 31.12.2007.

Mit Schreiben vom 07.12.2007 forderte die Klägerin die Beklagte auf, die im November fällige Einmalzahlung von 450,-- € auszukehren. Dies lehnte die Beklagte unter dem 12.12.2007 ab.

Mit ihrer am 10.01.2008 beim Arbeitsgericht Duisburg anhängig gemachten Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt. Sie hat die Auffassung vertreten, dass sie auch als Auszubildende Anspruch auf die umstrittene Einmalzahlung hätte, weil sie als "Mitarbeiterin" im Sinne der AVR anzusehen wäre. Hilfsweise hat sie geltend gemacht, für den Fall der Ablehnung der Einmalzahlung einen Anspruch auf Zahlung der Weihnachtszuwendung zu besitzen.

Die Klägerin hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 450,-- € brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2007 zu zahlen,

hilfsweise,

2. die Beklagte zu verurteilen, an sie 726,48 € Weihnachtszuwendung zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.12.2007 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Einmalzahlung nach der Anlage 1 zu den AVR stünde der Klägerin schon deshalb nicht zu, weil sie als Auszubildende gerade keinen "Mitarbeiter-Status" hätte; nur für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ergebe sich aber ein Anspruch auf die Einmalzahlung.

Weihnachtszuwendung, so die Beklagte weiter, könne die Klägerin ebenfalls nicht beanspruchen, weil diese durch den Beschluss der Unterkommission im Jahre 2007 für alle Mitarbeiter ausgeschlossen wäre. Dieser Ausschluss betreffe auch die Klägerin, die insoweit als Mitarbeiterin im Sinne des Abschnitts XIV der Anlage 1 zu den AVR anzusehen sei.

Mit Urteil vom 28.02.2008 hat die 1. Kammer des Arbeitsgerichts Duisburg - 1 Ca 82/08 - die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen, auf die im Übrigen Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht ausgeführt, ein Anspruch auf die Einmalzahlung bestehe nicht, weil die Klägerin nicht Mitarbeiterin im Sinne der Anlage 1 Abschnitt III a zu den AVR sei. Auch die Dienstvereinbarung beinhalte keine derartige Anspruchsgrundlage, weil sie sich eindeutig auf Abschnitt III a der Anlage 1 beziehe.

Die Weihnachtszuwendung, so das Arbeitsgericht weiter, stünde der Klägerin ebenfalls nicht zu. Insoweit gelte auch für sie der Beschluss der Unterkommission vom 22./23.10.2007, der die Zahlung für das Jahr 2007 außer Kraft gesetzt hätte.

Die Klägerin hat gegen das ihr am 25.03.2008 zugestellte Urteil mit einem am 02.04.2008 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese zugleich begründet.

Sie wiederholt zunächst ihren Sachvortrag aus dem ersten Rechtszug und unterstreicht ihre Rechtsauffassung, dass sich schon aus der Formulierung der Dienstvereinbarung ergebe, dass die Einmalzahlung auch für Auszubildende gelten sollte. Alles andere würde zu unbilligen Ergebnissen führen, die die Unterkommission und die Mitarbeitervertretung nicht gewollt haben könnten. Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Duisburg vom 28.02.2008 - 1 Ca 82/08 - abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie 450,-- € brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2007 zu zahlen,

und hilfsweise,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 726,48 € Weihnachtszuwendung zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.12.2007 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil und wiederholt ebenfalls ihren Sachvortrag aus der ersten Instanz. Die Beklagte unterstreicht vor allen Dingen, dass die Einmalzahlung zur Kompensation unterbliebener Tariflohnerhöhungen in der Vergangenheit erfolgt wäre. Insoweit erweise sich dann aber auch die erfolgte Herausnahme der Auszubildenden als gerechtfertigt, weil für diese ein eigenes Regelwerk, nämlich die Anlage 7 zu den AVR Geltung beanspruche. Die Beklagte verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass die Einmalzahlung für das Jahr 2009 nunmehr ausdrücklich die Mitarbeiter ausnehme, die in den Geltungsbereich der Anlage 7 zu den AVR fielen. Deren Ausbildungsvergütung sei inzwischen mit Wirkung vom 01.01.2008 auch erhöht worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der zu den Akten gereichten Urkunden und der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist zulässig.

Sie ist nämlich an sich statthaft (§ 64 Abs. 1 ArbGG) , nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes zulässig (§ 64 Abs. 2 Ziffer b ArbGG) sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO) .

II.

Auch in der Sache selbst hatte das Rechtsmittel Erfolg. Die Klägerin hat gegen die Beklagte auf der Grundlage von Abschnitt III a der Anlage 1 zu den AVR einen Anspruch auf Zahlung von 450,-- € brutto für das Jahr 2007.

1. Dies ergibt eine umfassende Auslegung der mehrfach zitierten Anlage 1 zu den AVR.

Die AVR sind zunächst auf das Ausbildungsverhältnis der Parteien anwendbar. Die Bestimmungen der AVR entfalten für das einzelne Arbeitsverhältnis unmittelbar keine normative Wirkung, sondern sind nur kraft einzelvertraglicher Vereinbarung anzuwenden (BAG, 06.11.1996 - 5 AZR 334/95 - AP Nr. 1 zu § 10 a AVR Caritasverband) . Eine solche arbeitsvertragliche Vereinbarung liegt vor, da die Parteien in § 4 des Ausbildungsvertrages vom 23.08.2005 auf die AVR ausdrücklich Bezug genommen haben.

Für die Inhaltskontrolle kirchlicher Arbeitsvertragsrichtlinien sind die für Tarifverträge anzuwendenden Maßstäbe heranzuziehen, zumindest soweit in die Arbeitsvertragsrichtlinien die entsprechenden Tarifvertragsregelungen des öffentlichen Dienstes für gleichgelagerte Sachbereiche ganz oder mit den im Wesentlichen gleichen Inhalten "übernommen" werden, die dann kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung für das einzelne Arbeitsverhältnis gelten (BAG, 06.11.1996, a. a. O.) . Hieraus folgt nach Auffassung der erkennenden Kammer, dass dann aber auch die zu Tarifverträgen entwickelten Auslegungsgrundsätze entsprechend heranzuziehen sind.

1.1 Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei einem nicht eindeutigen Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mitzuberücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so der Sinn und der Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, gegebenenfalls auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (vgl. hierzu zuletzt: BAG, 28.05.2008 - 10 AZR 265/07 - n. v.) .

1.2 Die Anwendung der vorgenannten Grundsätze ergibt, dass die Einmalzahlung für das Jahr 2007 auch den Auszubildenden und damit auch der Klägerin zusteht.

1.2.1 Der Wortlaut der Regelung in Abschnitt III a erweist sich zunächst als nicht eindeutig. In der genannten Vorschrift werden zunächst die "Mitarbeiter" genannt, die hinsichtlich der Einmalzahlung anspruchsberechtigt sein sollen. Der Begriff "Mitarbeiter" wird in den AVR und in der Anlage 1 auch an anderen Stellen verwendet, so z. B. in Abschnitt XIV, in dem die Weihnachtszuwendung geregelt ist. In diesem Abschnitt definiert die Anlage 1 zu den AVR den Mitarbeiter auch als einen solchen, der in einem Ausbildungsverhältnis steht.

1.2.2 Demgegenüber weist die Beklagte nicht zu Unrecht darauf hin, dass nach der systematischen Ausgestaltung von Abschnitt III a zunächst vieles dafür spricht, dass die Auszubildenden von der Einmalzahlung nicht erfasst werden sollten. Abschnitt III a Absatz e bestimmt nämlich als Anspruchsvoraussetzung unter anderem, dass der Mitarbeiter Dienstbezüge beanspruchen kann. Die Klägerin als Auszubildende hat demgegenüber - unstreitig - nur Anspruch auf Ausbildungshilfe gemäß § 1 der Anlage 7 B II zu den AVR.

Gleichwohl kann sich die Klägerin aber erneut auf Abschnitt XIV der Anlage 1 zu den AVR berufen, in der, wie bereits erwähnt, die Weihnachtszuwendung einer Regelung zugeführt ist. Im dortigen Absatz a wird zunächst der Mitarbeiter als ein solcher definiert, der in einem "Dienst- oder Ausbildungsverhältnis im Geltungsbereich der AVR" steht. Hieraus folgt deutlich, dass unter dem Begriff "Mitarbeiter" auch der Auszubildende einzustufen ist.

Im letzten Satz des Absatzes e findet sich dann aber eine Regelung, wonach dem Mitarbeiter, der "für den gesamten Monat Dezember keine Dienstbezüge erhält", eine Weihnachtszuwendung nicht gewährt werden soll. Aus dieser Formulierung wird ersichtlich, dass in der Anlage 1 der Begriff "Dienstbezüge" offensichtlich nicht nur in dem engen Sinne verstanden wird, wie es die Beklagte für sich in Anspruch nimmt. Die dargestellte Regelung zur Weihnachtszuwendung belegt vielmehr, dass das Wort "Dienstbezüge" auch in einem weiteren Sinne verstanden wird und offensichtlich andersartige Vergütungen wie z. B. die Ausbildungshilfe umfasst.

Auch der weitere Zusammenhang, in dem sich Abschnitt III a der Anlage 1 zu den AVR befindet, spricht für die von der Klägerin vorgenommene Interpretation. Nach Absatz a sollen nämlich alle Mitarbeiter, "die nicht dem Geltungsbereich des § 2 a des Allgemeinen Teils der AVR unterfallen", in den Genuss der Einmalzahlung gelangen. Die danach ausgenommenen Mitarbeiter sind aber nur solche, die dem Bereich des so genannten Tarifgebietes Ost zuzuordnen sind. Sie erhalten nach der dargestellten ausdrücklichen Regelung keine Einmalzahlung. Diese konkrete, nur auf eine bestimmte Arbeitnehmergruppe beschränkte Ausnahmeregelung spricht aber dann dafür, dass alle anderen Mitarbeitergruppen die Einmalzahlung erhalten sollten, also auch die Auszubildenden.

Dieses Ergebnis wird letztlich unterstrichen durch die inzwischen erfolgte Neugestaltung der Regelungen zur Einmalzahlung für das Jahr 2009. In der Neuregelung werden nunmehr die Mitarbeiter ausdrücklich ausgenommen, die nicht dem Geltungsbereich der Anlage 7 zu den AVR unterfallen. Mit dieser Formulierung hat die zuständige Bundeskommission deutlich gemacht, dass jedenfalls zukünftig die Auszubildenden keine Einmalzahlung erhalten sollen. Die danach festzustellende Auswechselung der Ausnahmeregelung belegt, dass die bis zum Jahre 2008 geltende Fassung die Auszubildenden nicht tangieren sollte.

1.2.3 Auch Sinn und Zweck der Regelung der Einmalzahlung beinhalten eindeutige Anhaltspunkte für die Erstreckung der Einmalzahlung auf die Auszubildenden. Nach Darstellung der Beklagten selbst sollten die Einmalzahlungen in den Jahren 2006 bis 2007 zur Kompensation nicht erfolgter Tariflohnerhöhungen beitragen. Eine derartige Kompensation war aber auch bei den Auszubildenden erforderlich, da diese in der jüngeren Vergangenheit ebenfalls keine Erhöhung ihrer Ausbildungshilfen erhalten hatten. Im Übrigen spricht auch hier die nunmehr eingetretene Entwicklung für das bisher gefundene Ergebnis: Die Auszubildenden haben nämlich nach dem Beschluss der Bundeskommission, beginnend mit dem Jahre 2008, eine Erhöhung ihrer Ausbildungshilfen erhalten. Damit korrespondiert die nunmehr erfolgte Herausnahme aus dem begünstigten Kreis der Einmalzahlung, wie sie seit dem Jahre 2009 wirken soll.

1.2.4 Die dargestellte Auslegung führt schließlich zu einer vernünftigen und sachgerechten Lösung. Wollte man der Rechtsauffassung der Beklagten und dem erstinstanzlichen Urteil folgen, so hieße dies, den Auszubildenden nicht nur die Einmalzahlung zu versagen, sondern auch die Weihnachtszuwendung gemäß Abschnitt XIV der Anlage 1 zu den AVR. Ein derartiges Ergebnis erscheint aber weder sachgerecht zu sein noch mit dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz in Übereinstimmung zu stehen. Es ist im Verlaufe des Rechtsstreits nicht erkennbar geworden, weshalb die Auszubildenden, deren Vergütungsentwicklung dem der anderen Mitarbeiter entsprach, in doppelter Weise belastet werden sollten.

1.3 Insgesamt ist deshalb festzuhalten, dass sich der klägerische Anspruch unmittelbar aus Abschnitt III a der Anlage 1 zu den AVR ableiten lässt. Die auf dieser Vorschrift basierende Dienstvereinbarung transformiert die dargestellte Regelung in der Anlage 1 zu den AVR in das Ausbildungsverhältnis der Parteien. Die Dienstvereinbarung bezieht sich nämlich auf alle vom Abschnitt III a erfassten Mitarbeiter; zu denen gehört nach den Ausführung oben unter Ziffer 1.2 auch die Klägerin.

2. Nach Auffassung der erkennenden Kammer spricht im Übrigen viel dafür, dass die beabsichtigte Herausnahme der Auszubildenden aus der Einmalzahlung für das Jahr 2006 gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen würde.

Der verfassungsrechtliche Gleichheitssatz, an dem sich auch die AVR zu messen haben, verbietet es, gleiche Sachverhalte unterschiedlich zu behandeln. Eine Ungleichbehandlung liegt vor, wenn sich für die vorgenommene Differenzierung ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonstwie einleuchtender Grund nicht finden lässt, wenn also für eine am Gleichheitsgedanken orientierte Betrachtung die Regelung als willkürlich anzusehen ist. Der Gleichheitssatz wird durch eine Tarifnorm verletzt, wenn die Tarifvertragsparteien es versäumt haben, tatsächliche Gleichheiten oder Ungleichheiten der zu ordnenden Lebensverhältnisse zu berücksichtigen, die so bedeutsam sind, dass sie bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise beachtet werden müssen. Die Tarifvertragsparteien haben hiernach eine weitgehende Gestaltungsfreiheit. Sie brauchen nicht die zweckmäßigste, vernünftigste und gerechteste Lösung zu wählen, vielmehr genügt es, wenn sich für die betroffene Regelung ein sachlich vertretbarer Grund ergibt. Es ist nicht Aufgabe der Gerichte zu prüfen, ob die Tarifvertragsparteien die gerechteste oder zweckmäßigste Lösung für ein Regelungsproblem gefunden haben (BAG 06.12.2006 - 4 AZR 798/05 - AP Nr. 1 zu § 1 TVG Sozialplan; vgl. auch: LAG Düsseldorf, 13.03.2008 - 11 Sa 2246/07 - n. v.) . Für die Inhaltskontrolle kirchlicher Arbeitsvertragsrichtlinien sind diese für Tarifverträge anzuwendenden Maßstäbe heranzuziehen. Dies gilt auch bei einer nur einzelvertraglichen Bezugnahme, soweit es sich um Gesamt- oder Globalbezugnahmen auf den ganzen Tarifvertrag oder auf einzelne, inhaltlich und sachlich zusammenhängende Regelungskomplexe handelt (BAG, 06.11.1996 - a. a. O.) .

2.2 Hiernach spricht viel dafür, dass die Herausnahme der Auszubildenden aus der Einmalzahlung gemäß Abschnitt III a der Anlage 1 zu den AVR eine Ungleichbehandlung darstellt, an deren Berechtigung mindestens Zweifel bestehen.

Die in Abschnitt III a der Anlage 1 zu den AVR geregelten Einmalzahlungen sind, wie bereits oben aufgezeigt, gerade deshalb vereinbart worden, weil die betroffenen Mitarbeiter in der Vergangenheit von Tariflohnerhöhungen ausgeschlossen waren. Ein gleicher Sachverhalt lässt sich auch für die Auszubildenden feststellen, die aber nicht in den Genuss der Einmalzahlungen kommen sollten. Nach Auffassung der erkennenden Berufungskammer spricht dann aber viel dafür, dass durch die Anlage 1 zu den AVR tatsächliche Gleichheiten bei verschiedenen Arbeitnehmergruppen nicht berücksichtigt worden sind, die aber doch so bedeutsam sind, dass sie eine Ungleichbehandlung bei der Feststellung der Auszahlungsvoraussetzungen kaum zulassen. Insoweit spielt vor allem eine Rolle, dass auch die hier nicht berücksichtigten Auszubildenden eine Ausbildungsvergütung erhalten, die regelmäßig den Auszubildenden und seine unterhaltsverpflichteten Eltern bei der Lebenshaltung finanziell unterstützen sollen, die die Heranbildung eines ausreichenden Nachwuchses an qualifizierten Fachkräften gewährleisten und die Leistungen des Auszubildenden in gewissem Umfang entlohnen soll (so ausdrücklich: BAG, 22.01.2008 - 9 AZR 999/06 - DB 2008, 1326) . Beinhaltet aber demnach auch die Ausbildungsvergütung zu einem großen oder sogar überwiegenden Teil Entlohnungszwecke, so wird nicht ersichtlich, weshalb bei den Auszubildenden der unterbliebene Anstieg der Entlohnung nicht durch eine Einmalzahlung kompensiert werden sollte. Indessen bedürfen die hier aufgetretenen Rechtsfragen zur Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes keiner abschließenden Beurteilung, da sich der Anspruch der Klägerin, wie oben unter Ziffer 1 aufgezeigt, aus einer direkten Anwendung von Abschnitt III a der Anlage 1 zu den AVR ergibt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Die erkennende Kammer hat die Revision für die Beklagte zugelassen, weil sie das Vorliegen einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung bejaht hat, § 72 Abs. 2 Ziffer 1 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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