Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 19.09.2002
Aktenzeichen: 5 Sa 649/02
Rechtsgebiete: ATG, GG


Vorschriften:

ATG § 3 Abs. 1 Ziff. 1 a
GG Art. 3
GG Art. 4
1) Eine Konzernbetriebsvereinbarung kann bestimmen, dass bei der Berechnung des Aufstockungsbetrages bzw. der Altersteilzeitnettovergütung ein Kirchensteuerhebesatz von 8 % in Ansatz gebracht werden darf. Dies gilt auch für konfessionslose Arbeitnehmer.

2) Eine derartige Regelung verstößt weder Gegen Art. 3 noch Art. 4 GG.


LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 5 Sa 649/02

Verkündet am: 19.09.2002

In dem Rechtsstreit

hat die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 19.09.2002 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Göttling als Vorsitzenden sowie den ehrenamtlichen Richter Tödt und den ehrenamtlichen Richter Goetzenich

für Recht erkannt:

Tenor:

1) Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 25.01.2002 - 13 Ca 6599/01 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2) Die Revision wird für den Kläger zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Frage, ob bei der Berechnung der Altersteilzeitvergütung des Klägers ein Kirchensteuerhebesatz von 8 % in Ansatz gebracht werden darf.

Der am 27.05.1946 geborene Kläger ist seit dem 04.02.1969 bei der Beklagten als Servicetechniker beschäftigt. Der konfessionslose Kläger ist derzeit freigestellter Betriebsratsvorsitzender.

Unter dem 29.09.2000 schlössen die zum Konzern der Beklagten gehörenden Gesellschaften und der zuständige Konzernbetriebsrat eine "Konzernbetriebsvereinbarung Altersteilzeit", im Folgenden "KBV" genannt. Deren Ziffer 7 lautet auszugsweise wie folgt:

7. Entgeltleistungen während der Altersteilzeit

7.1 Grundsatz

Es ist Ziel dieser Regelung, möglichst überschaubare, für den Mitarbeiter/die Mitarbeiterin nachvollziehbare gleichbleibende Ansprüche der regelmäßigen Bezüge in der Arbeitsphase und Freistellungsphase zu haben. Dabei werden die Regeln der tariflichen Alterssicherung von NW/ NB angewendet, d. h. aus dem Durchschnitt der letzten 12 Monate vor Beginn der Altersteilzeit wird/ werden

- der Altersteilzeitbetrag 1 für G rund Vergütung und leistungsabhängige Entgeltbestandteile,

- der Altersteilzeitbetrag 2 für tariflich abgesicherte zeitabhängige Entgeltbestandteile angewendet, die vermögenswirksamen Leistungen in der vereinbarten angelegten Höhe während der gesamten Altersteilzeit voll weitergewährt, die Tariferhöhungen in der Freistellungsphase zu 100 % wie in der Arbeitsphase weitergegeben.

zusammen mit den vorgenannten sowie in den Ziffern 7.2, 7.3 und 7.4 genannten Leistungen mindestens 85 % des um die gewöhnlich anfallenden gesetzlichen Abzüge verminderten Vollzeitbruttomonatsentgeltes des Mitarbeiters/der Mitarbeiterin erreicht.

7.4 Aufstockungsbetrag

Zusätzlich zum Altersteilzeitentgelt erhält der Mitarbeiter/die Mitarbeiterin während der Dauer der Altersteilzeit einen monatlichen Aufstockungsbetrag auf mindestens 82 % des um die gewöhnlich anfallenden gesetzlichen Abzüge verminderten Vollzeitbruttomonatsentgeltes aus dem Durchschnitt der letzten 12 Monate vor Beginn der Altersteilzeit.

Für die Einhaltung der gesetzlichen Aufstockung wird 2 x im Jahr jeweils für 5 Monate im 1. Halbjahr und 5 Monate im 2. Halbjahr einschließlich der Einmalzahlungen überprüft. Ggf. sich ergebende Fehlbeträge werden zusätzlich zur tariflichen Aufstockung netto gezahlt.

Mit Wirkung zum 01.06.2001 wechselte der Kläger in ein Altersteilzeitverhältnis entsprechend der oben dargestellten KBV. Bei der Berechnung der dem Kläger zu zahlenden Nettovergütung brachte die Beklagte einen Kirchensteuerhebesatz von 8 % = 130,12 € in Ansatz und zahlte dem Kläger insgesamt 2.162,51 € netto als Altersteilzeitvergütung pro Monat.

Mit seiner am 14.09.2001 beim Arbeitsgericht Düsseldorf anhängig gemachten Klage hat der Kläger einen monatlichen Differenzbetrag von 102,79 € für die Monate Juni bis August 2001 geltend gemacht und die Auffassung vertreten, dass die Beklagte nicht berechtigt sei, bei der Berechnung seiner Vergütung den fiktiven Kirchensteuerhebesatz in Ansatz zu bringen. Dies ergebe sich vor allem aus Ziffer 7.1 und Ziffer 7.4 der KBV vom 20.09.2000, wo auf die individuellen Verhältnisse bei den jeweiligen Arbeitnehmern abgestellt werde. Dann aber sei es der Beklagten versagt, beim konfessionslosen Kläger pauschal eine Kirchensteuer zu berücksichtigen.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 308,37 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 21.09.2001 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat zunächst auf ihre Berechnung der Altersteilzeitvergütung des Klägers verwiesen (vgl. hierzu Bl. 28 d. A.) und die Auffassung vertreten, dass diese zutreffend wäre. Die Beklagte hat hierzu auf Wortlaut und Systematik der Ziffer 7.1 bzw. der Ziffer 7.4 der KBV verwiesen und ausgeführt, dass hiernach an § 3 Abs. 1 Ziffer 1 a ATG angeknüpft werde, der ebenfalls auf die "gewöhnlich anfallenden gesetzlichen Abzüge" abstelle.

Mit Urteil vom 25.01.2002 hat die 13. Kammer des Arbeitsgerichts Düsseldorf - 13 Ca 6599/01 - die Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen. In den Entscheidungsgründen, auf die im Übrigen Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht ausgeführt, die auf der Basis der Bestimmungen des MTV Nord-Württemberg/Nord-Baden geschlossene KBV sei so auszulegen, dass die Berechnung des Vollzeitnettoentgelts und damit des Aufstockungsbetrages gemäß Ziffer 7.4 pauschaliert erfolgen solle, so dass zu Lasten des Klägers auch eine fiktive Kirchensteuer berücksichtigt werden dürfe. Dies ergebe eine umfassende Auslegung der Regelungen in der KBV, die darüber hinaus erkennbar auf das Altersteilzeitgesetz Bezug nehme und demgemäß auch auf die "gewöhnlich anfallenden Abzüge" abstelle.

Die damit vorgenommene Pauschalierung verstoße auch nicht gegen höherrangiges Recht und insbesondere nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Die Pauschalierung diene nämlich zum einen der Erleichterung der Berechnung des Aufstockungsbetrages; zum anderen stelle er die Gleichbehandlung aller in Altersteilzeit befindlichen Arbeitnehmer sicher.

Schließlich liege auch keine Verletzung der negativen Bekenntnisfreiheit im Sinne des Art. 4 Abs. 1 GG vor.

Der Kläger hat gegen das ihm am 08.05.2002 zugestellte Urteil mit einem am 07.06.2002 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 29.07.2002 - mit einem am 29.07.2002 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Er wiederholt seinen Sachvortrag aus dem ersten Rechtszug, bekräftigt nochmals die von ihm vertretene Rechtsauffassung und weist vor allem darauf hin, dass hinsichtlich der gesetzlichen Abgaben für die Rentenversicherung, die Arbeitslosenversicherung und die Krankenversicherung regelmäßig kein Gestaltungsspielraum oder Wahlmöglichkeiten für die betroffenen Arbeitnehmer bestünden. Anders sehe es dagegen bei der Kirchensteuer aus, die der Dispositionsfreiheit der Arbeitnehmer unterliege und deshalb seiner privaten Lebensführung zuzuordnen wäre. In diesem Sinne handele es sich letztlich nicht um "gesetzliche" Abzüge; es sei auf die individuelle Situation des Klägers abzustellen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 25.01.2002 - 13 Ca 6599/01 - abzuändern und gemäß dem erstinstanzlichen Schlussantrag des Klägers zu erkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil und wiederholt ebenfalls ihren Sachvortrag aus der ersten Instanz. Sie bekräftigt nochmals, dass angesichts des Wortlauts der KBV die vom Kläger gewünschte individuelle Berücksichtigung seiner persönlichen Situation nicht in Betracht komme. Sie, die Beklagte, habe das Recht, die auch vom Altersteilzeitgesetz vorgesehene Pauschalierung durchzuführen und den fiktiven Kirchensteuersatz in Ansatz zu bringen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der zu den Akten gereichten Urkunden und der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig.

Sie ist nämlich an sich statthaft (§ 64 Abs. 1 ArbGG), wegen der ausdrücklichen Zulassung im arbeitsgerichtlichen Urteil auch zulässig (§ 64 Abs. 2 ArbGG) sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).

In der Sache selbst hatte das Rechtsmittel keinen Erfolg.

Der Kläger hat weder aus dem Altersteilzeitvertrag mit der Beklagten in Verbindung mit Ziffer 7.1 und 7.4 der KBV vom 20.09.2000 noch aus anderen Rechtsgrundsätzen einen Anspruch auf Vergütungsnachzahlung in Höhe von 308,37 €. Die Beklagte hat bei der Berechnung der Altersteilzeitvergütung des Klägers zu Recht einen fiktiven Kirchensteuerhebesatz von 8 % in Ansatz gebracht.

1. Bereits das Arbeitsgericht hat in seinem Urteil vom 25.01.2002 mit zutreffenden und überzeugenden Erwägungen festgestellt, dass sich die vom Kläger gewünschte Rechtsfolge nicht aus der KBV vom 20.09.2002 ableiten lässt, weil insbesondere die Ziffern 7.1 und 7.4 der KBV eine individuelle Berechnung des Nettobetrages ohne Berücksichtigung einer fiktiven Kirchensteuer nicht vorsieht. Das Arbeitsgericht hat darüber hinaus einen Verstoß gegen höherrangiges Recht und insbesondere gegen Art. 3 und 4 GG verneint. Diesen Feststellungen schließt sich die erkennende Kammer auch im Ergebnis in vollem Umfang an und verzichtet zur Vermeidung von Wiederholungen auf eine erneute Darstellung der Entscheidungsgründe, § 69 Abs. 2 ArbGG.

2. Lediglich zur Ergänzung und bei gleichzeitiger Würdigung des Sachvortrags der Klägerin in der Berufungsinstanz wird noch auf folgendes hingewiesen:

2.1 Nach den Regelungen der KBV vom 20.09.2000 ist die vom Kläger geforderte individuelle Betrachtungsweise weder rechtlich noch tatsächlich geboten. Eine Auslegung der streitbefangenen Ziffern der KBV ergibt vielmehr, dass bei der Berechnung der Altersteilzeitnettovergütung des konfessionslosen Klägers ein Kirchensteuerhebesatz von 8 % in Ansatz gebracht werden darf.

2.1.1 Betriebsvereinbarungen sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wie Tarifverträge auszulegen. Maßgeblich ist dabei zunächst - entsprechend den Grundsätzen der Gesetzesauslegung - der Wortlaut. Über den reinen Wortlaut hinaus ist der wirkliche Wille der Betriebspartner im Hinblick auf Sinn und Zweck der Regelung zu berücksichtigen, sofern diese erkennbar zum Ausdruck gekommen sind. Zu beachten ist dabei der Gesamtzusammenhang der Regelung, weil er auf den wirklichen Willen der Betriebspartner und damit auf den Zweck der Regelung schließen lassen kann (BAG, Urteil vom 17.11.1998 - 1 AZR 221/98 - AP Nr. 6 zu § 77 BetrVG 1972 Auslegung; BAG, Urteil vom 16.03.1994 - 10 AZR 606/93 - AP Nr. 75 zu § 112 BetrVG 1972; BAG, Urteil vom 05.02.1997 - 10 AZR 553/96 - AP Nr. 112 zu § 112 BetrVG 1972).

2.1.2 Hiernach erweist sich bereits der Wortlaut insbesondere der einschlägigen Ziffern 7.1 und 7.4 der KBV als eindeutig, weil dort eben nicht die vom Kläger gewünschte individuelle Berechnung seines Nettoentgelts vorgesehen ist.

In Ziffer 7.1 bringen die Partner der Betriebsvereinbarung zum Ausdruck, dass die Gesamtleistungen mindestens 85 % "des um die gewöhnlich anfallenden gesetzlichen Abzüge verminderten Vollzeitbruttomonatsentgeltes des Mitarbeiters/der Mitarbeiterin erreicht" werden müssen. Aus der Formulierung wird deutlich, dass als Berechnungsbasis zwar das individuelle Vollzeitbruttomonatsentgelt des Mitarbeiters in Ansatz zu bringen ist. Hiervon abzuziehen sind indessen nur die "gewöhnlich anfallenden gesetzlichen Abzüge", also die, die normalerweise bei einem Arbeitnehmer zur Verminderung des Bruttoentgelts heranzuziehen sind. Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers zeigt der Wortlaut gerade nicht, dass auf die konkreten, individuellen Abzüge des Mitarbeiters abgestellt werden soll. Gerade das Wort "gewöhnlich" belegt, dass hiernach eine generelle Betrachtungsweise und damit einhergehend eine Pauschalierung der Abzüge vorgesehen worden ist.

Nichts anderes ergibt sich aus Ziffer 7.4 der KBV. Die genannte Ziffer bestimmt, dass der sich in Altersteilzeit befindliche Mitarbeiter einen Aufstockungsbetrag erhält, der "mindestens 82 % des um die gewöhnlich anfallenden gesetzlichen Abzüge verminderten Vollzeitbruttomonatsentgeltes" betragen muss. Auch hier wird ohne jeglichen Bezug auf die individuellen Verhältnisse eines Arbeitnehmers nur auf die "gewöhnlich anfallenden gesetzlichen Abzüge" hingewiesen.

Dem kann der Kläger nicht entgegenhalten, dass es - anders als bei den Sozialversicherungsbeiträgen - seiner persönlichen Entscheidungsfreiheit überlassen ist, ob Kirchensteuer anfällt oder nicht. Zum einen handelt es sich auch unter diesem Blickwinkel bei der Kirchensteuer um einen "gesetzlichen Abzug", der immer dann vorzunehmen ist, wenn sich ein Arbeitnehmer zu einer bestimmten Konfession bekannt hat und der entsprechenden Kirche beigetreten ist. Zum anderen zeigt gerade dieser Hinweis, dass die Ziffern 7.1 und 7.4 der KBV diese persönlichen Entscheidungen eines Arbeitnehmers, der sich in Altersteilzeit befindet, nicht berücksichtigen wollten. Im Bereich der persönlichen Lebensführung eines Arbeitnehmers gibt es, gerade im Bereich des Sozialversicherung- und Steuerrechts, vielfältige individuelle Entscheidungen, die Einfluss haben können auf die Berechnung des auszukehrenden Nettoarbeitsentgeltes. Diese persönlichen Entscheidungen sind dem Arbeitgeber regelmäßig kaum oder gar nicht bekannt. Dann aber entspricht es, wie in der KBV zum Ausdruck gekommen, nicht nur seinem Willen, sondern ist darüber hinaus aus praktischen Gründen auch geboten, wenn er auf die gewöhnlich anfallenden Abzüge abstellt und hierdurch eine gleichermaßen alle Arbeitnehmer betreffende Pauschalierung vornimmt.

2.1.3 Das oben gefundene Ergebnis wird darüber hinaus durch den Sachzusammenhang bestätigt, in dem sich die Ziffern 7.1 und 7.4 der KBV befinden.

Die genannten Bestimmungen knüpfen ersichtlich an § 3 Abs. 1 Ziff. 1 a ATG an, wo bei der Berechnung des gesetzlich vorgesehenen Aufstockungsbetrages ebenfalls auf die "gesetzlichen Abzüge, die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen", abgestellt wird. Die Verwendung des gleichen Begriffes in der KBV zeigt, dass auch der dort vorgesehene Aufstockungsbetrag an den gesetzlichen Vorgaben orientiert werden sollte. Für § 3 Abs. 1 Ziff. 1 a ATG wird in der Literatur aber gerade angenommen, dass die individuellen Verhältnisse der einzelnen Arbeitnehmer außer Betracht bleiben und ein Kirchensteuerhebesatz auch dann in Ansatz zu bringen ist, wenn mangels Kirchenzugehörigkeit keine Kirchensteuer abzuführen ist (vgl. hierzu: Rittweger/Petri/Schweigert, Altersteilzeitgesetz, 2. Aufl., § 3 Rz. 27).

Hätten die Partner der Konzernbetriebsvereinbarung vom 20.09.2000 demgegenüber die Absicht gehabt, eine individuelle Berechnungsmethode festzuschreiben, so hätte es nicht nur auf der Hand gelegen, sondern wäre zwingend erforderlich gewesen, dies durch die Verwendung anderer Formulierungen zum Ausdruck zu bringen. Dies ist indessen nicht geschehen.

2.1.4 Auch der in der Konzernbetriebsvereinbarung zum Ausdruck gekommene Sinn und Zweck belegt schließlich die hier vertretene Rechtsauffassung. Nach Ziffer 7.1 der KBV wird mit der Regelung in der Konzernbetriebsvereinbarung das Ziel verfolgt, möglichst überschaubare, für den Mitarbeiter/die Mitarbeiterin nachvollziehbare gleichbleibende Ansprüche der regelmäßigen Bezüge in der Arbeitsphase und Freistellungsphase zu schaffen. Demgegenüber würde die Berücksichtigung individueller Kirchensteuersätze nicht nur zu unterschiedlichen Auswirkungen bei den verschiedensten Arbeitnehmergruppen führen. Überdies bestünde die Gefahr, dass durch Kirchenein- und Kirchenaustritte wechselnde Nettovergütungen entstünden, was mit dem Grundsatz in Ziffer 7.1 der KBV nicht zu vereinbaren wäre. Auch der damit einhergehende Verwaltungsaufwand bei der Beklagten sowie die aufwendigen Abrechnungsarbeiten widersprächen dem Ziel, überschaubare und gleichbleibende Ansprüche für die Mitarbeiter in der Altersteilzeit zu konstituieren.

2.2 Die KBV vom 20.09.2000 verstößt auch angesichts der oben dargestellten Interpretation insbesondere der Ziffern 7.1 und 7.4 nicht gegen höherrangiges Recht. Bereits das Arbeitsgericht hat auch in diesem Zusammenhang zu Recht darauf verwiesen, dass vor allem keine unzulässigen Eingriffe in Grundrechte des Klägers erfolgen.

2.2.1 Bereits das Bundesverfassungsgericht (BVerfG, Beschluss vom 23.03.1994 - 1 BvL 8/85 - NJW 1994, 2346) hat in der genannten Entscheidung festgestellt, dass es mit dem Grundgesetz vereinbar sei, dass nach § 111 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 AFG (a. F.) auch bei Arbeitslosen, die keiner Kirche angehören, bei der Berechnung des Nettoentgelts, nachdem sich die Höhe des Arbeitslosengeldes bestimmt, ein Kirchensteuerhebesatz zu berücksichtigen ist. Das Gericht hat weiter ausgeführt, dass sich der Gesetzgeber aus Gründen der Verwaltungspraktikabilitat und im Hinblick auf eine zügige Feststellung der Leistungshöhe für eine Pauschalierung entscheiden kann und demgemäß nicht gehindert ist, bei der Berechnung des Nettolohns individuell Entscheidungen des Arbeitnehmers zu berücksichtigen und dabei in den Grenzen einer zulässigen Typisierung statistische Erkenntnisse zu Grunde zu legen. Dies wäre nur dann mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht mehr vereinbar, wenn nicht mehr eine deutliche Mehrheit von Arbeitnehmern einer Kirche angehörte. In diesem Falle dürfte die Kirchensteuer bei der Berechnung des Nettolohns nicht als gewöhnlich anfallender Abzug in Ansatz gebracht werden.

Nach dieser Entscheidung, der sich die erkennende Kammer auch für den hier zu beurteilenden, vergleichbaren Fall anschließt, wäre die vom Bundesverfassungsgericht angesprochene Verletzung rechtsstaatlicher Grundsätze nur dann anzunehmen, wenn sich die Zahl der konfessionslosen Mitarbeiter in Deutschland drastisch erhöht hätte und insoweit von einer Minderheit nicht mehr gesprochen werden könnte. Dies wird indessen vom Kläger selbst nicht vorgetragen.

2.2.2 Die streitbefangene Regelung in der KBV verstößt auch nicht gegen Art. 3 GG. Der Kläger wird im Vergleich zu Arbeitnehmern, die einer bestimmten Konfession angehören, gerade nicht schlechter behandelt. Bei beiden Arbeitnehmergruppen erfolgt zwar die Berechnung des Nettoentgeltes für die Altersteilzeit in der Art und Weise, dass ein Kirchensteuerhebesatz von 8 % in Ansatz gebracht wird. Darüber hinaus kommt es beim konfessionslosen Kläger aber gerade nicht zu einer tatsächlichen Abführung von Kirchensteuer; bei ihm stellt sie sich als reiner Rechnungsposten zur Ermittlung der Altersteilzeitnettovergütung dar.

2.2.3 Die Regelungen in den Ziffern 7.1 und 7.4 der KBV vom 20.09.2000 beinhalten schließlich auch keinen Verstoß gegen Art. 4 GG. Der fiktive Abzug eines pauschalen Kirchensteuerhebesatzes greift nicht in die negative Bekenntnisfreiheit eines konfessionslosen Arbeitnehmers ein. Es fehlt insoweit bereits an einem Eingriff, weil weder eine tatsächliche Erhebung von Kirchensteuer noch eine Abführung von Beträgen erfolgt. Die in Rede stehende Regelung stellt sich vielmehr als bekenntnisspezifisch neutral dar, weil der bekenntnislose Arbeitnehmer nicht diskriminiert und der bekennende Arbeitnehmer nicht privilegiert wird. Darüber hinaus bieten die streitbefangenen Regelungen auch keine Anreize zu Veränderungen im bekenntnisspezifischen Verhalten, die einen Verstoß gegen Art. 4 Abs. 1 GG diskutabel erscheinen lassen könnten (so auch: Oberwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 19.01.2001 - 2 A 11297/00 - n. v., inzwischen bestätigt vom Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 28.02.2002 - 2 C 15/01 - ZTR 2002, 399).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

Zurück