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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 19.08.1999
Aktenzeichen: 5 Sa 724/99
Rechtsgebiete: BRTV-Bau, LTV-Bau


Vorschriften:

BRTV-Bau § 1
LTV-Bau § 2
LTV-Bau § 3
1) § 3 Abs. 1 LTV-Bau ist nicht auf Tätigkeiten anwendbar, die unter Tage an wechselnden Einsatzorten erbracht werden.

2) Arbeitnehmer des Bauhauptgewerbes, die Tätigkeiten i. S. der Ziff. 1 erbringen, haben deshalb auch über den 31.03.1998 hinaus Anspruch auf Zahlung eines Bauzuschlags gemäß § 2 Abs. 2 LTV-Bau.


LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 5 Sa 724/99

Verkündet am: 19.08.1999

In dem Rechtsstreit

hat die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 19.08.1999 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Göttling als Vorsitzenden sowie den ehrenamtlichen Richter Schumacher und den ehrenamtlichen Richter Koslowski für Recht erkannt:

Tenor:

1) Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wesel vom 17.03.1999 - 4 Ca 1986/98 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2) Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten im Berufungsrechtszug im Wesentlichen noch um die Frage, ob die Beklagte berechtigt ist, einen dem Kläger gezahlten Bauzuschlag anlässlich von Tariflohnerhöhungen, beginnend mit dem 01.04.1998, abzuschmelzen".

Der am 14.05.1961 geborene Kläger ist seit dem 24.09.1979 bei der Beklagten, die im Untertagebetrieb nach eigenen Angaben bergmännische Hilfsarbeiten ausführt, als Betonbauer beschäftigt. Der Kläger war im Jahre 1998 im Wechsel in drei verschiedenen von der Beklagten betreuten Schachtanlagen in Nordrhein-Westfalen eingesetzt.

Auf das Arbeitsverhältnis finden die Tarifverträge für das Bauhauptgewerbe Anwendung. Im Tarifvertrag zur Regelung der Löhne und Ausbildungsvergütungen im Baugewerbe im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland mit Ausnahme der fünf neuen Ländern" vom 05.05.1998 (LTV) finden sich folgende, für den Rechtsstreit relevante Vereinbarungen:

§ 2 Lohnregelung

(1) Die am 31. März 1998 geltenden Tarifstundenlöhne werden mit Wirkung vom 1. April 1998 um 1,5 v.H. erhöht. Ab 1. April 1998 beträgt der Bundesecklohn (Tarifstundenlohn der Berufsgruppe III gemäß § 5 Nr. 1 BRTV) 24,22 DM.

(2) Der Arbeitnehmer erhält einen zusätzlichen Betrag in Höhe von 5,9 v.H. seines Tarifstundenlohnes (Bauzuschlag). Der Bauzuschlag wird gewährt zum Ausgleich der besonderen Belastungen, denen der Arbeitnehmer insbesondere durch den ständigen Wechsel der Baustelle (2,5 v.H.) und die Abhängigkeit von der Witterung außerhalb der gesetzlichen Schlechtwetterzeit (2,9 v.H.) ausgesetzt ist; er dient ferner in Höhe von 0,5 % dem Ausgleich von Lohneinbußen, die sich in der gesetzlichen Schlechtwetterzeit ergeben. (3) Der Bauzuschlag wird für jede lohnzahlungspflichtige Stunde,

nicht jedoch für Leistungslohnmehrstunden (Überschussstunden im Akkord) gewährt.

(4) Der Gesamttarifstundenlohn (GTL) setzt sich aus dem Tarifstundenlohn (TL) und dem Bauzuschlag (BZ) zusammen.

...

§ 3

Löhne für stationär beschäftigte Arbeitnehmer

(1) Arbeitnehmer, die in dem jeweiligen Lohnabrechnungszeitraum arbeitszeitlich überwiegend nicht auf Baustellen, sondern stationär, insbesondere in Bauhöfen und Werkstätten einschließlich Produktionsstätten für Fertigteile oder als Kraftfahrer der Bauhöfe und der Fahrdienste beschäftigt werden, erhalten, wenn sie nach dem 31. März 1998 eingestellt wurden, den Tarifstundenlohn gemäß § 2 Abs. 5, nicht jedoch den Bauzuschlag. Für die auf Baustellen geleisteten Arbeitsstunden erhalten diese Arbeitnehmer den Tarifstundenlohn und den Bauzuschlag (Gesamttarifstundenlohn). (2) Die in Abs. 1 genannten Arbeitnehmer, die am 31. März 1998 bereits beschäftigt waren, haben Anspruch auf die zu diesem Zeitpunkt geltenden Gesamttarifstundenlöhne. Ab 1. April 2000 erhalten sie den dann geltenden Tarifstundenlohn, nicht jedoch den Bauzuschlag. Übersteigt zu einem früheren Zeitpunkt der geltende Tarifstundenlohn den Gesamttarifstundenlohn gemäß Satz 1, so erhalten sie den geltenden Tarifstundenlohn bereits ab diesem Zeitpunkt. Für die auf Baustellen geleisteten Arbeitsstunden erhalten diese Arbeitnehmer den jeweils geltenden Stundenlohn und den jeweils geltenden Bauzuschlag (Gesamttarifstundenlohn). ...

Der Kläger, der bis zum 31.03.1998 einen Gesamttarifstundenlohn in Höhe von DM 25,26 erhalten hatte, hätte nach der Tariferhöhung von 1,5 % per 01.04.1998 einen Gesamttarifstundenlohn von DM 25,64 Brutto beanspruchen können. Indessen gab die Beklagte die Tariferhöhung von DM 0,38 brutto pro Stunde an ihn unter Berufung auf § 3 LTV nicht weiter.

Nach erfolgloser vorgerichtlicher Geltendmachung hat der Kläger mit seiner am 29.06.1998 beim Arbeitsgericht Wesel anhängig gemachten Klage für die Monate April und Mai 1998 die Nachzahlung von insgesamt DM 132,24 brutto geltend gemacht. Er hat zunächst die Auffassung vertreten, dass die in § 3 Abs. 2 LTV vorgesehene Abschmelzung des Bauzuschlags für ihn nicht gelten könne, weil er bereits vor dem 31.03.1998 im Betrieb der Beklagten beschäftigt gewesen sei. Darüber hinaus treffe die Sonderregelung des § 3 LTV auf sein Arbeitsverhältnis nicht zu, da er nicht stationär sondern auf Baustellen eingesetzt werde.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 132,24 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich ergebenden Nettobetrag seit 31.05.1998 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Rechtsauffassung vertreten, dass die in § 3 Abs. 2 LTV vorgesehene Verrechnung des Bauzuschlags sehr wohl auf das Arbeitsverhältnis des Klägers einwirke. Darüber hinaus hat sie dargelegt, dass angesichts der Eigenarten der von ihr unter Tage zu erbringenden Arbeiten die entsprechenden Einsatzorte keine Baustellen darstellten, weil keine Bauarbeiten im Sinne des Bundesrahmentarifvertrags erbracht würden. Hieraus hat sie weiter den Schluss gezogen, dass der Kläger dann zwingend stationär" tätig werde. Dies belege auch der Zweck des Bauzuschlags, nämlich einen Ausgleich für den ständigen Baustellenwechsel und witterungsbedingten Belastungen zu schaffen.

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 18.11.1998 Beweis erhoben über die Reichweite des § 3 LTV durch Einholung einer Auskunft bei den Tarifvertragsparteien. Wegen der von ihnen erteilten Auskünfte wird auf Blatt 48 bis 57 der Akten verwiesen.

Mit Urteil vom 17.03.1999 hat die 4. Kammer des Arbeitsgerichts Wesel - 4 Ca 1986/98 - dem Klagebegehren in Höhe von DM 128,44 brutto entsprochen, wegen des darüber hinausgehenden geringen Betrags die Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen.

In den Entscheidungsgründen, auf die Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht ausgeführt, der Kläger gehöre nicht zu den nur stationär" beschäftigten Arbeitnehmern und falle deshalb nicht unter die Ausnahmevorschrift des § 3 LTV. Vielmehr werde er auf wechselnden Baustellen eingesetzt und sei deshalb besonderen Belastungen ausgesetzt, die der Bauzuschlag ausgleichen solle. Dementsprechend könne auch der Rechtsauffassung der Beklagten nicht gefolgt werden, wonach alle nicht auf Baustellen eingesetzten Mitarbeiter zwingend stationär" im Sinne des LTV arbeiteten.

Hinsichtlich eines Teilbetrages von DM 3,80 brutto hat das Arbeitsgericht schließlich die Klage abgewiesen und hierbei auf eine von den Parteien - unstreitig - vereinbarte Lohnvorschussregelung abgestellt.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 21.04.1999 zugestellte Urteil mit einem am 21.05.1999 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 28.06.1999 - mit einem am 28.06.1999 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Sie wiederholt zunächst ihren Sachvortrag aus dem ersten Rechtszug und meint erneut, dass der Kläger als stationär eingesetzter Mitarbeiter zu charakterisieren wäre. Dies folge schon aus der Tatsache, dass er nicht auf einer Baustelle im Sinne des LTV beschäftigt werde; hieraus wiederum ergäbe sich zwingend die Anwendbarkeit des § 3 LTV.

Hinzu komme überdies, so die Beklagte weiter, dass die Ausgleichsfunktionen des Bauzuschlags nur teilweise auf den Kläger anzuwenden seien, der gerade keinen witterungsbedingten Belastungen ausgesetzt wäre.

Aus allem müsse schließlich gefolgert werden, dass die bergmännischen Hilfsarbeiten, wie sie vom Kläger erbracht würden, als an einer stationären Produktionsstätte geleistet anzusehen seien.

Die Beklagte beantragt,

1. das angefochtene Urteil teilweise aufzuheben,

2. die Klage abzuweisen, so weit dies nicht bereits geschehen ist.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil und wiederholt ebenfalls seinen Sachvortrag aus der ersten Instanz.

Der Kläger verweist darauf, dass er als Betonbauer eingestellt worden sei und unter Tage sämtliche dort anfallenden Arbeiten der Beklagten erledige. Hierzu gehörten nicht nur Raubarbeiten, sondern auch Gleisbau-, Beton-, Schal- und Spritzbetonarbeiten sowie Maurerarbeiten als Fundamentierung für Bandanlagen. Diese Tätigkeiten gehörten ersichtlich zu den baulichen Leistungen im Sinne des § 1 Bundesrahmentarifvertrag-Bau (BRTV-Bau), so dass die wechselnden Einsatzorte des Klägers in den verschiedenen Schachtanlagen als Baustellen" zu gelten hätten. Keinesfalls erfolge sein Einsatz ortsfest und könne demgemäß auch nicht als stationär" bezeichnet werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der zu den Akten gereichten Urkunden und der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist zulässig, sie ist nämlich an sich statthaft (§ 64 Abs. 1 ArbGG), wegen der ausdrücklichen Zulassung im arbeitsgerichtlichen Urteil auch zulässig (§ 64 Abs. 2 ArbGG) sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1 ArbGG, 518, 519 ZPO).

II.

In der Sache selbst hatte das Rechtsmittel der Beklagten allerdings keinen Erfolg.

Die Beklagte ist nicht berechtigt, den dem Kläger bisher gewährten Bauzuschlag gemäß § 3 LTV anlässlich von Tariflohnerhöhungen anzurechnen und abzuschmelzen", weil der Kläger nicht in den Anwendungsbereich des § 3 Abs. 1 LTV fällt. Dementsprechend war die Beklagte, wie das Arbeitsgericht zutreffend erkannt hat, gemäß § 611 BGB in Verbindung mit dem zwischen den Parteien geschlossen Arbeitsvertrag und § 2 LTV zu verpflichten, an den Kläger die - der Höhe nach unstreitige - ausstehende Bruttovergütung von DM 128,44 für die Monate April und Mai 1998 nachzuzahlen.

1. Die Auslegung des § 3 LTV ergibt nach Überzeugung der erkennenden Kammer zwingend, dass der Kläger nicht stationär sondern arbeitszeitlich überwiegend auf Baustellen beschäftigt wird.

Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages folgt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei fehlender Eindeutigkeit des Tarifwortlauts ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, so weit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, dann können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages, gegebenenfalls auch die praktische Tarifübung ergänzend berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (BAG, Urteil vom 24.09.1997 - 4 AZR 429/95 - AP Nr. 1 zu § 1 TVG Tarifverträge Reichsbund; BAG, Urteil vom 21.07.1993 - 4 AZR 468/92 - AP Nr. 144 zu § 1 TVG Auslegung).

2. Hiernach ist § 3 Abs. 1 LTV nicht auf Tätigkeiten anwendbar, die, wie vorliegend beim Kläger, unter Tage an wechselnden Einsatzorten erbracht werden. Diese Einsatzorte müssen vielmehr als Baustellen" im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 LTV angesehen werden, so dass andererseits von einer stationären" Beschäftigung beim Kläger nicht ausgegangen werden kann.

2.1 Dies folgt zunächst aus dem Wortlaut der herangezogenen Vorschrift und den dortigen Begriffen Baustelle" und stationär".

Die Parteien gehen zunächst übereinstimmend davon aus, dass unter Baustelle" eine Stelle bezeichnet wird, an der Bauleistungen erbracht werden. Demgegenüber bezeichnet das Wort stationär Tätigkeiten, die an einen festen Standort gebunden und damit ortsfest erfolgen. Hieran orientiert hat das Bundesarbeitsgericht die Tätigkeit auf einer Baustelle dann verneint, wenn die Arbeiten am Sitz des Unternehmens erfolgen, von dem aus der Arbeitseinsatz auf den einzelnen Baustellen geleitet wird (BAG, Urteil vom 11.05.1983 - 4 AZR 524/80 - AP Nr. 49 zu § 1 TVG Tarifverträge Bau).

Auch nach dem Vorbringen der Beklagten steht fest, dass der Kläger gerade nicht am Betriebs- oder Unternehmenssitz seine Arbeitsleistungen erbringt; er wird vielmehr - wechselnd - in unterschiedlichen Schachtanlagen tätig. Diese Schachtanlagen mögen zwar möglicherweise jede für sich auf eine gewisse Dauer angelegt sein. Dies ändert jedoch nichts daran, dass es sich hier nicht um eigenständige Betriebe oder gar Unternehmen handelt, so dass von einem ortsfesten, am Betriebssitz angesiedelten Tätigwerden des Klägers gerade nicht ausgegangen werden kann.

2.2 Diese Einschätzung wird unterstützt durch die Systematik und den Gesamtzusammenhang der zu beurteilenden Tarifnorm. In § 3 Abs. 1 Satz 1 LTV erklären die Tarifvertragsparteien durch die (nicht abschließende) Aufzählung von Beispielstätigkeiten, was unter dem Begriff stationär" zu subsumieren ist. Hier findet sich ausdrücklich der Hinweis auf die Beschäftigung in Bauhöfen und Werkstätten bzw. Produktionsstätten für Fertigteile und die Einbeziehung von Kraftfahrern der Bauhöfe. Aus diesen Beispielen wird deutlich, dass eine stationäre Tätigkeit dann zu bejahen ist, wenn der Einsatz unmittelbar in den genannten Betriebsstätten stattfindet und ein regelmäßiger Wechsel des Einsatzortes nicht erfolgt. Weiter werden als stationär diejenigen Leistungen bezeichnet, die ein Arbeitnehmer vom Betriebssitz (Kraftfahrer) heraus erbringt, um dann zu seiner Basis wieder zurückzukehren.

Demgegenüber erweist sich die Tätigkeit des Klägers in den verschiedenen Schachtanlagen als völlig anders strukturiert. Seine Tätigkeit ist gerade nicht an den ortsfesten Betriebssitz der Beklagten gebunden, sondern findet außerhalb" in wechselnden Schachtanlagen statt. Er ist danach in keiner Weise mit Arbeitnehmern vergleichbar, die in Bauhöfen oder Werkstätten ihren festen Arbeitsbereich haben und keinen irgendwie gearteten Belastungen etwa durch die Zufahrt zu den Baustellen oder deren Wechsel ausgesetzt sind.

2.3 Auch der in § 3 Abs. 1 LTV zum Ausdruck gekommene Wille der Tarifvertragsparteien unterstreicht, dass die Tätigkeiten des Klägers auf einer Baustelle und nicht stationär erbracht werden.

2.3.1 Für die erkennende Kammer ist insoweit zunächst von erheblicher Bedeutung, dass die Zahlung des Bauzuschlags in der Vergangenheit nach dem ausdrücklichen Willen der Tarifvertragsparteien an alle Arbeitnehmer erfolgte, und zwar ohne Rücksicht auf die Art ihrer Tätigkeiten und den damit verbundenen Belastungen. Bis zum 31.03.1998 hatte jeder Arbeitnehmer, der in den Geltungsbereich des LTV fiel, einen zusätzlichen Betrag in Höhe von 5,9 % seines Tarifstundenlohns zu beanspruchen. Bei der Zahlung spielte es keine Rolle, ob die dem Bauzuschlag immanenten Ausgleichskriterien wie der ständige Wechsel der Baustelle, die Abhängigkeit von der Witterung oder der Ausgleich von Lohneinbußen tatsächlich bejaht werden konnte.

2.3.2 Demgegenüber scheint § 3 Abs. 1 LTV in der ab dem 01.04.1998 geltenden Fassung eine Differenzierung vorzunehmen, die sich an den tatsächlichen Gegebenheiten des jeweiligen Arbeitsplatzes orientiert. Erkennbar wird eine derartige Differenzierung aber nur insoweit, als nunmehr der Einsatz auf Baustellen der stationär zu erfolgenden Arbeitsleistung gegenübergestellt wird. Nach dem in der Tarifvorschrift zum Ausdruck gekommenen Willen der Tarifvertragsparteien sollen demgemäß nur noch die Arbeitnehmer begünstigt werden, die den Belastungen durch einen Wechsel der Baustelle unterworfen werden.

2.3.3 Entgegen der Auffassung der Beklagten wird aus der Fassung des § 3 Abs. 1 Satz 1 aber gerade nicht erkennbar, dass darüber hinaus die weiteren Ausgleichskriterien, die dem Bauzuschlag beigemessen werden, Berücksichtigung finden. Im Gegenteil: Nach der Formulierung der Tarifbestimmung können auch diejenigen Arbeitnehmer weiterhin den Bauzuschlag für sich in Anspruch nehmen, die keinen witterungsbedingten Belastungen ausgesetzt sind, aber gleichwohl auf Baustellen tätig werden. § 3 Abs. 1 Satz 1 LTV lässt es demgemäß beispielhaft zu, dass Bauzuschläge für Arbeiten geleistet werden, die in geschlossenen Räumen erfolgen, sofern sie nur bauliche Leistungen im Sinne des § 1 BRTV-Bau darstellen, wie etwa Fliesen- und Estricharbeiten.

Hieraus folgt nach Auffassung der Berufungskammer zwingend, dass es zum einen auf tatsächliche witterungsbedingte Belastungen nicht ankommen kann, sofern es um die Abschmelzung des Bauzuschlags geht. Hätten die Tarifvertragsparteien dies gewollt, so wären sie gerade in Ansehung der oben dargestellten bisherigen Praxis dazu übergegangen, in § 3 Abs. 1 Satz 1 LTV eine weitergehende Differenzierung vorzunehmen als die, die dann tatsächlich erfolgt ist. Darüber hinaus zeigen die vorstehenden Überlegungen, dass dann auch unter Tage zu erbringende Tätigkeiten nicht deshalb der Ausnahmevorschrift des § 3 Abs. 1 LTV zuzuordnen sind, weil es - jedenfalls nach Auffassung der Beklagten - an tatsächlichen witterungsbedingten Belastungen fehlt.

2.3.4 Die Beklagte kann sich schließlich auch nicht darauf berufen, dass der Kläger keine typischen Bauleistungen erbringt.

Dabei kann nach Auffassung des Gerichts zunächst dahinstehen, ob die Arbeiten unter Tage tatsächlich als bergmännische Hilfsarbeiten zu charakterisieren sind und nicht als eigentliche Bauleistungen im Sinne des § 1 Abs. 2 BRTV-Bau. Es spricht bereits viel dafür, dass auch die von der Beklagten dargestellten Aufgaben etwa unter die Nrn. 26 und 27 des Abschnitts V des § 1 Abs. 2 BRTV-Bau zu subsumieren sind. Dies umso mehr, als der Kläger noch weitergehend auf seine Einstellung als Betonarbeiter und die Ausführung zusätzlicher Tätigkeiten im Untertagebetrieb verwiesen hat.

Letztlich kam es hierauf jedoch nicht an. Die Beklagte hat nämlich in der Vergangenheit die Anwendung der Tarifverträge für das Bauhauptgewerbe ausdrücklich akzeptiert, den betrieblichen Geltungsbereich der Tarifverträge auch für die Untertagearbeiten bejaht und das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger entsprechend der tarifvertraglichen Vorgaben gestaltet. Damit hat sie gleichzeitig zu erkennen gegeben, dass die Leistungen des Klägers als bauliche Leistungen im Sinne des § 1 BRTV-Bau anerkannt wurden. Dann aber muss sie sich schon mit Rücksicht auf die praktische Tarifübung an diesem Verhalten jedenfalls solange festhalten lassen, bis die Tarifvertragsparteien eine andere und differenzierte Regelung einführen.

Unter den aufgezeigten Umständen bedurfte es keiner von der Beklagten gewünschten Vertagung und der Einräumung einer weiteren Schriftsatzfrist. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts beruht auf dem bereits vom Arbeitsgericht festgestellten unstreitigen Sachverhalt und den Behauptungen der Beklagten selbst. Die Berufungsbeantwortung des Klägers enthält darüber hinaus keinen neuen, für die vorliegende Entscheidung relevanten Sachvortrag.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Kammer hat eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache bejaht und die Revision zugelassen.

Ende der Entscheidung

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