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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 09.09.2003
Aktenzeichen: 6 (5) Sa 958/03
Rechtsgebiete: ArbGG


Vorschriften:

ArbGG § 69 Abs. 2
Eine leistungsnachbessernde Neuregelung einer Betriebsvereinbarung zur Steigerung der Attraktivität und des Anreizes für den Abschluss von Freistellungsvereinbarungen im Rahmen eines Personalabbaukonzeptes kann sich sachgerecht auf einen vor Inkrafttreten der Neuregelung liegenden Stichtag erstrecken, den die Betriebsparteien bei ihren Nachbesserungsverhandlungen von vornherein für die Zukunft angestrebt haben.
LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

6 (5) Sa 958/03

Verkündet am 09. September 2003

In Sachen

hat die 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 09.09.2003 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Roden als Vorsitzenden sowie den ehrenamtlichen Richter Eck und die ehrenamtliche Richterin Modro

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 25.04.2003 - 12 Ca 10296/02 - wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die 1950 geborene und seit 1969 bei der Beklagten beschäftigte Klägerin schied aus ihrem aktiven Dienst aufgrund einer sogenannten "Freistellungsvereinbarung" mit der Beklagten zum 30.06.2001 aus. In dieser Freistellungsvereinbarung vom 05.03.2001 sind auch die der Klägerin während ihrer Freistellung ab dem 01.07.2001 bis zum Zeitpunkt des frühestmöglichen Bezuges der gesetzlichen Sozialversicherungsrente im Einzelnen zustehenden Leistungen und Freistellungsbezüge auf der Grundlage einer bei der Beklagten zu diesem Zeitpunkt geltenden, mit dem Gesamtpersonalrat abgeschlossenen, Durchführungsvereinbarung "Betriebliche Beurlaubungsvereinbarung für die Bank Inland" vom 01.03.1999 (im Folgenden BV 1) festgelegt.

Unter dem 30.07.2002 schloss die Beklagte sodann mit dem Gesamtpersonalrat eine weitere "Betriebsvereinbarung über personelle Maßnahmen in Zusammenhang mit der Umsetzung von Umstrukturierungen innerhalb der Bank Inland" (im Folgenden BV 2) ab, in der unter Ziffer I. 2. wie es dort heißt, "zur Steigerung der Attraktivität und zum Anreiz für den Abschluss von Beurlaubungsvereinbarungen" höhere Freistellungsleistungen vorgesehen sind. Die neue BV 2 ist laut der Regelung unter Ziffer IV. 2. mit ihrer Unterzeichnung (30.07.2002) in Kraft getreten. Weiter es heißt es sodann unter dieser Ziffer:

"Ab Inkrafttreten gilt die Durchführungsvereinbarung betreffend die Betriebliche Beurlaubungsvereinbarung für die Bank Inland vom 01.03.1999 nur noch in der durch Ziff. 2 dieser Betriebsvereinbarung geändert Fassung und nur für den in vorstehender Ziffer 1 geregelten Geltungsbereich. Im Übrigen findet die Betriebliche Beurlaubungsregelung in der Fassung der Ziffer 2 dieser Vereinbarung auf alle Mitarbeiter/innen Anwendung, deren Urlaubsbeginn nach dem 01.01.2002 liegt."

Die Klägerin beansprucht mit ihrer Klage die in der BV 2 vorgesehenen höheren Freistellungsleistungen nach Maßgabe ihrer Klageanträge.

Sie hat beantragt,

1. die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin eine Zahlung in Höhe von 11.000,- € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

2. die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Differenzfreistellungsbezüge in Höhe von 2.076,80 € brutto den für den Zeitraum vom 01.07.2001 bis 31.10.2002 nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

3. es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin eine monatliche Beurlaubungsvergütung in Höhe von 2.263,00 € brutto zu zahlen, bis zu dem Zeitpunkt, in welchem infolge von tariflichen Entgeltleistungen 65 % des ruhegehaltsfähigen Bruttomonatsgehaltes diesen Betrag übersteigen, längstens jedoch bis zum 31.12.2005.

4. es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin ab dem 01.01.2006 eine monatliche Beurlaubungsvergütung in Höhe von 2.424,70 € brutto zu zahlen, bis zu dem Zeitpunkt, in welchem infolge von tariflichen Entgeltsteigerungen 70 % des ruhegehaltsfähigen Bruttomonatsgehaltes diesen Betrag übersteigen, längstens jedoch bis zum 31.12.2010.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, dass die bereits ab dem 01.07.2001 beurlaubte Klägerin die in der BV 2 vorgesehenen höheren Leistungen unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt beanspruchen könne.

Durch Urteil vom 25.04.2003 hat die 12. Kammer des Arbeitsgerichts Düsseldorf - 12 Ca 10296/02 - die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:

Die Klägerin falle nicht in den Geltungsbereich der Dienstvereinbarung vom 30.07.2002, da dieser nach der ausdrücklichen Regelung unter Ziffer II 2 nur auf die Mitarbeiter erstreckt werde, deren Beurlaubungsbeginn nach dem 01.01.2002 liege. Diese Stichtagsregelung gehe mit dem Zweck der Dienstvereinbarung einher - neue Anreize für Beurlaubungsvereinbarung zu setzen - und sei deshalb auch sachlich gerechtfertigt. Aus diesem Grunde könne sich die Klägerin auch nicht auf die Verletzung des allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes berufen.

Zur näheren Sachdarstellung und wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Streitstandes wird im Übrigen auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des Urteils Bezug genommen.

Gegen das am 03.06.2003 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit einem beim Landesarbeitsgericht am 03.07.2003 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem weiteren beim Landesarbeitsgericht am 01.08.2003 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihr Klageziel mit identischen Anträgen unverändert weiter.

Ihrer Ansicht nach sei sie entgegen der Annahme des Arbeitsgerichts unmittelbar aus der Dienstvereinbarung vom 30.07.2002 anspruchsberechtigt, denn sie unterfalle sowohl dem persönlichen wie sachlichen Geltungsbereich dieser Betriebsvereinbarung. Mit der Neuregelung werde lediglich die Durchführungsvereinbarung vom 01.03.1999 (BV 1) - von der sie erfasst werde - in der Weise modifiziert, dass nunmehr Ziffer I.2. der Dienstvereinbarung vom 30.07.2002 maßgeblich sein solle. Die zeitliche Einschränkung auf einen Beurlaubungsbeginn nach dem 01.01.2002 betreffe sie nicht.

Auf jeden Fall wäre sie unter den Grundsatz der Gleichbehandlung anspruchsberechtigt. Denn für die zeitliche Differenzierung eines Beurlaubungsbeginns nach dem 01.01.2002 lägen keine billigenswerten Gründe vor. Durch den Abschluss einer Freistellungsvereinbarung vor dem Inkrafttreten der Dienstvereinbarung vom 30.07.2002 hätten sich die Arbeitnehmer bereits vertraglich auf der Grundlage der BV 1 gebunden, so dass es eines weiteren Anreizes für diese Abschlüsse - der als billigenswerter Grund für die Stichtagsregelung 01.01.2002 angeführt werde - nicht mehr bedurft hätten. Die von der Beklagten mit dieser Stichtagsregelung vorgegebene Zweckverfolgung wäre nur zu erreichen gewesen, wenn den betreffenden Mitarbeitern für eine Freistellungsvereinbarung ab 01.01.2002 bereits Ende 2001 die bevorstehende Besserstellung in Aussicht gestellt worden wäre. Durch die unbillige Stichtagsregelung ohne vernünftigen und einleuchtenden Grund werde sie ungerechtfertigt benachteiligt.

Schließlich habe die Beklagte ihr gegenüber auch den allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt, indem sie sie durch die praktizierte Maßnahme ohne anerkennenswerten Anlass ungünstiger behandelt habe als die in vergleichbarer Lage befindlichen Arbeitskolleginnen Frau St. und Frau T., die bei Abschluss ihrer Freistellungsvereinbarungen in der zweiten Hälfte 2001 eine Verbesserung der Freistellungsleistungen ebenso wenig erhofft hätten.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie tritt der Auffassung der Klägerin entgegen, die Dienstvereinbarung vom 30.07.2002 finde auf sie unmittelbare Anwendung. Aus dem Wortlaut und Sinn und Zweck der Neuregelung folge, dass diese einerseits auf Neuverträge ab dem 30.07.2002 und andererseits nur auf Altverträge mit einem Beurlaubungsbeginn ab dem 01.01.2002 anzuwenden sei. Die ab dem 01.07.2001 beurlaubte Klägerin zähle nicht zu diesem Personenkreis.

Der gewählte Stichtag für die Anwendung der Neuregelung sei auch sachgerecht. Nach Bekanntwerden der Notwendigkeit einer Umstrukturierung gegen Ende des ersten Halbjahres 2001 habe auch der Personalrat gegenüber den Mitarbeitern keinen Zweifel daran gelassen, dass mögliche Verbesserungen von Freistellungsleistungen auf Vereinbarungen mit einem Freistellungstermin in 2002 durchschlagen würden. Die Betriebsparteien hätten sich auch darauf verständigt, die Modifizierung der Betrieblichen Beurlaubungsvereinbarung für die Bank Inland schnellstmöglich, idealer Weise bis zum 31.12.2001 vorzunehmen, um die erstrebten Anreize für den Abschluss von Beurlaubungsvereinbarungen zum Zwecke des notwendigen Abbaus von Arbeitsplätzen vor der Umwandlung per 01.08.2002 zu schaffen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf den vorgetragenen Inhalt der von den Parteien in beiden Rechtszügen gewechselten Schriftsätze sowie den Inhalt der zu den Akten gereichten Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg.

Zu Recht und auch mit zutreffenden Erwägungen, denen sich die Berufungskammer anschließt, hat das Arbeitsgericht das Klagebegehren in vollem Umfang zurückgewiesen. Auf die das Entscheidungsergebnis tragenden Gründe des angefochtenen Urteils wird deshalb gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen.

Die gegen die Entscheidung des Arbeitsgerichts vorgebrachten Berufungsangriffe sind unerheblich. Der Klägerin stehen die streitgegenständlichen weitergehenden Forderungen in Zusammenhang mit ihrer Freistellung ab dem 01.07.2001 aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.

Wie das Arbeitsgericht zutreffend erkannt hat, kann die Klägerin die geltend gemachten Ansprüche nicht auf die Neuregelungen durch die Dienstvereinbarung vom 30.07.2002 (BV 2) stützen, da diese nach ihrem unmissverständlichen Wortlaut erst auf Freistellungen mit einem Beurlaubungsbeginn nach dem 01.01.2002 Anwendung findet. Sie erstreckt sich damit nicht auf die mit der Klägerin getroffene Vereinbarung mit einem Beurlaubungsbeginn ab dem 01.07.2001.

Die in der BV 2 getroffene Stichtagsregelung ist auch durch hinreichende sachliche Gründe gerechtfertigt.

Zutreffend ist das Arbeitsgericht bei dieser Bewertung unter Zugrundelegung der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgericht (vgl. zuletzt BAG Urteil vom 18.09.2001 - 3 AZR 656/00 - m. w. N.) davon ausgegangen, dass die nur auf Freistellungen ab dem 01.01.2002 erstreckte Nachbesserungsregelung durch die BV 2 auf tragfähige Gründe gestützt wird und damit auch sachlich vertretbar ist.

Diese Leistungsnachbesserung diente dazu, die für den notwendigen Personalabbau im Rahmen des verabschiedeten Personalanpassungskonzeptes vorgesehene Betriebliche Beurlaubungsregelung attraktiver zu gestalten, um die Restrukturierungsziele zeitnah zu erreichen. Die Zielsetzung wird in der Präambel der BV 2 ausdrücklich festgelegt. Nach dem übereinstimmenden Verständnis der Betriebsparteien reichten die in der BV 1 vorgesehenen Freistellungsleistungen nicht aus, genügend Arbeitnehmer für den vorgesehenen Arbeitsplatzabbau zum Abschluss von Freistellungsvereinbarungen zu veranlassen. Mit der

Neuregelung sollte deshalb die Attraktivität und der Anreiz für den Abschluss von Beurlaubungsvereinbarungen gesteigert werden - wie es eingangs der Ziffer I 2 der BV 2 ausdrücklich heißt. Derartige Zusatzleistungen für noch nicht ausgeschiedene bzw. beurlaubte Arbeitnehmer werden von der Rechtsprechung als ein sinnvolles Steuerungsinstrument anerkannt. Die Verhandlungen über diese Maßnahmen waren zwischen den Betriebsparteien auch spätestens seit Ende September 2001 anhängig, wie es die im Berufungstermin vorgelegte Vereinbarung vom 28.09.2001 belegt. Wenn sodann in der erst unter dem 30.07.2002 unterzeichneten BV 2 der für die darin vorgesehenen Leistungsnachbesserungen gewählte Stichtag auch auf Beurlaubungen vor dem Inkrafttreten dieser Betriebsvereinbarung ab dem 01.01.2002 erstreckt wird, so ist dies im Rahmen einer sachgerechten Typisierung vorliegend schon aus dem Grunde vertretbar, weil diese Neuregelung von vornherein von den Betriebsparteien ab diesem Zeitpunkt angestrebt worden ist.

Schließlich vermag sich die Klägerin auch nicht auf eine Verletzung des allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes berufen, weil die in vergleichbarer Lage befindlichen Arbeitnehmerinnen St. und T. in den Genuss der nachgebesserten Leistungen aufgrund der BV 2 gekommen sind, obgleich sie zum Abschluss ihrer Freistellungsvereinbarungen nicht durch eine bevorstehende Nachbesserungsregelung veranlasst worden sein sollen. Denn diese Mitarbeiterinnen werden aufgrund des von ihnen vereinbarten Beurlaubungsbeginns ab 01.01.2002 von der sachgerechten Stichtagsregelung der BV 2 erfasst.

Die Berufung der Klägerin war aus diesen Gründen mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache war gemäß § 72 Abs. 2 Ziffer 1 die Revision zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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