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Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 09.12.2008
Aktenzeichen: 6 Sa 1138/08
Rechtsgebiete: TVÜ-L, ArbGG, ZPO


Vorschriften:

TVÜ-L § 1 Abs. 1
TVÜ-L § 6
ArbGG § 64 Abs. 1
ArbGG § 64 Abs. 2
ArbGG § 64 Abs. 6
ArbGG § 66 Abs. 1
ZPO § 256 Abs. 1
ZPO § 263
ZPO § 520
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

1. Die Berufung des beklagten Landes gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 17.06.2008 - 11 Ca 1904/08 - wird mit folgender Maßgabe zurückgewiesen:

Das beklagte Land wird verurteilt, an den Kläger 5.923,88 € brutto zu zahlen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt das beklagte Land.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Vergütung des Klägers für seine Tätigkeit als Lehrkraft im Schuldienst des beklagten Landes in der Zeit vom 13.08.2007 bis 14.09.2007 und vom 20.09.2007 bis 14.01.2008.

Der am 21.12.1948 geborene Kläger erlernte zunächst den Beruf des Elektroinstallateurs, absolvierte dann eine Fachberufsschulausbildung als Elektroingenieur und war danach in verschiedenen Funktionen beruflich tätig.

Nach einem entsprechenden Studiengang absolvierte er in der Zeit vom 06.09.2004 bis 05.09.2006 die Referendarausbildung für Lehrer und war in dieser Zeit an der Gesamtschule B.-G. in E. eingesetzt.

Unmittelbar nach Beendigung der Referendarausbildung begründete der Kläger ein befristetes Arbeitsverhältnis zum beklagten Land für die Zeit vom 06.09.2006 bis zum 31.01.2007 (Arbeitsvertrag vom 06.09.2006, Bl. 9 d. A.) und vom 01.02.2007 bis 20.06.2007 (Arbeitsvertrag aus Januar 2007, Bl. 11 d. A.) als Vertretungslehrer an der X.-C.-Gesamtschule in D.-S. bei voller Stundenzahl.

In der Folgezeit bemühte sich der Kläger um eine Anschlussbeschäftigung an das bis zum 20.06.2007 befristete Arbeitsverhältnis. Noch während der Sommerferien des Jahres 2007 (21.06.2007 bis 03.08.2007) erzielte er mit dem Leiter der Gesamtschule E.-Süd Einigkeit über eine Vertretungstätigkeit zum Beginn des neuen Schuljahres.

Unter dem Datum des 06.08.2007 schlossen die Parteien einen weiteren befristeten Arbeitsvertrag, beginnend mit dem 13.08.2007 und zunächst befristet bis zum 14.09.2007. Dieser wurde unter dem 20.09.2007 erneut bis zum 14.01.2008 verlängert.

Der Arbeitsvertrag ab 13.08.2007 kam erst mit Wirkung zu diesem Datum zustande, da der Regierungspräsident den am 02.08.2007 per Telefax eingegangenen Antrag des Schulleiters rechtlich überprüfen musste und den zuständigen Personalrat einschalten musste.

Für seine Tätigkeit als Lehrkraft ab dem 06.09.2006 erhielt der Kläger zunächst eine Vergütung nach BAT III, Stufe 43 nebst Ortszuschlag.

Nach Umstellung des Tarifvertrages mit Wirkung vom 01.11.2006 nach Maßgabe des Tarifvertrages zur Überleitung der Beschäftigten der Länder in den TV-L und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-L) wurde der Kläger nach Maßgabe der Entgeltgruppe 11 Stufe 5 TV-L zuzüglich einer individuellen Endzulage vergütet.

Ab dem Zeitraum der neuen Beschäftigung des Klägers ab 13.08.2007 zahlte das beklagte Land nur noch Vergütung nach Maßgabe des TV-L, Entgeltgruppe 11, Stufe 1.

Unter Zugrundelegung der Entgeltgruppe 11 Stufe 1 zahlte das beklagte Land in dem hier streitigen Zeitraum vom 13.08.2007 bis 14.09.2007 und 20.09.2007 bis 14.01.2008 einschließlich Zuwendung einen Gesamtbetrag in Höhe von 13.174,51 €. Bei Zugrundelegung der Entgeltgruppe 11 Stufe 5 hätte dem Kläger ein Gesamtbetrag von 19.098,39 € zugestanden.

Zwischen den Parteien besteht Streit, ob die Regelungen des Tarifvertrages zur Überleitung der Beschäftigten der Länder in den TV-L und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-L) auf das Arbeitsverhältnis ab 13.08.2007 Anwendung finden mit der Folge der Besitzstandswahrung hinsichtlich der Entwicklungsstufen oder nicht.

§ 1 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-Länder enthält dazu folgende Regelung:

"Dieser Tarifvertrag gilt für Angestellte, Arbeiterinnen und Arbeiter (Beschäftigte),

- deren Arbeitsverhältnis zu einem Arbeitgeber, der Mitglied der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) oder eines Mitgliedverbandes der TdL ist, über den 31. Oktober 2006 hinaus fortbesteht, und

- die am 1. November 2006 unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) fallen,

für die Dauer des ununterbrochenen fortbestehenden Arbeitsverhältnisses."

Protokollerklärungen zu § 1 Abs. 1 Satz 1:

1. In der Zeit bis zum 31. Oktober 2008 sind Unterbrechungen von bis zu einem Monat, bei Lehrkräften im Sinne der Vorbemerkung Nr. 5 zu allen Vergütungsgruppen der Anlage 1 a zum BAT/BAT-O darüber hinaus während der Gesamtdauer der Sommerferien, unschädlich...

Der Kläger hat erstinstanzlich im Wege der Feststellungsklage beantragt, die Verpflichtung des beklagten Landes zur Zahlung der Vergütungsdifferenz anzuerkennen.

Er hat die Auffassung vertreten, dass die Voraussetzungen für die Anwendungen des TVÜ-L auch für die Beschäftigung ab dem 13.08.2007 vorgelegen hatten. Ausweislich der Ziffer 1 der Protokollerklärung zu § 1 Abs. 1 Satz 1 des TVÜ-L bei Lehrkräften neben der sechswöchigen Unterbrechung des Arbeitsverhältnissses während der Sommerferien noch die dort aufgeführten einmonatigen Unterbrechungen unschädlich seien. Schließlich beruhe die Verzögerung bei der Wiedereinstellung im Anschluss an die Sommerferien ausschließlich auf Gründen der Verwaltungsorganisation des beklagten Landes, so dass ihm die Entgeltgruppe unter Schadensersatzgesichtspunkten zustehe. Zudem resultiere der Anspruch auch auf seiner mehr als 30-jährigen Berufserfahrung.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass das beklagte Land verpflichtet ist, ihm für die Zeit seines Einsatzes als Lehrkraft im Schuldienst des beklagten Landes vom 13.08.2007 bis zum 14.09.2007 sowie vom 20.09.2007 bis zum 14.01.2008 eine Bruttovergütung nach Maßgabe der Vergütungsgruppe TV-L Entgeltgruppe 11 Stufe 5 abzüglich der bereits nach der Vergütungsgruppe TV-L Entgeltgruppe 11 Stufe 1 gezahlten Vergütung zu zahlen.

Das beklagte Land beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das beklagte Land hat geltend gemacht, dass das Arbeitsverhältnis zum Kläger nicht nur während der Sommerferien sondern eine Woche zusätzlich unterbrochen gewesen sei. Die generelle Monatsfrist könne nicht zu den Sommerferien hinzu addiert werden. Dies habe für den Kläger zur Folge gehabt, dass bezüglich der Einstufung in die Entgelttabelle zum TV-L mangels einer zu berücksichtigenden Berufserfahrung nur Entgelt für das erste Jahr aus der Stufe 1 für die Zeit ab dem 13.08.2007 hätte gewährt werden können.

Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 17.06.2008 dem Feststellungsbegehren des Klägers entsprochen. Auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils (Bl. 82 - 87 d. A.) wird Bezug genommen.

Gegen das am 24.07.2008 zugestellte Urteil wendet sich das beklagte Land mit der am 27.08.2008 eingereichten Berufung und mit der nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 22.10.2008 eingereichten Berufungsbegründung vom 20.10.2008.

Das beklagte Land macht geltend, dass die Auslegung des tariflichen Übergangsrechts ausdrücklich ergebe, dass nur Unterbrechungen des Beschäftigungsverhältnisses während der Sommerferien 2007 bzw. 2008 ausnahmsweise die im Übrigen für alle Tarifbeschäftigten geltende Monatsfrist überschreiten sollte. Schädlich sollte gerade in bezug auf die Lehrkräfte eine Unterbrechung von nur einem Schultag vor und nach den Ferien sein.

Das beklagte Land beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 17.06.2008 - 11 Ca 1904/08 - abzuändern und die Klage auch mit dem geänderten Klageantrag wie zu Protokoll vom 09.12.2008 abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass das beklagte Land verurteilt wird, an ihn 5.923,88 € brutto zu zahlen.

Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil und weist insbesondere darauf hin, dass die Handhabung durch das beklagte Land für die Lehrer bei der Einstellungspraxis zu einer Benachteiligung bei kurzfristigen Unterbrechungen führen würde.

Wegen der weiteren Einzelheiten des zugrundeliegenden Sachverhaltes wird ergänzend Bezug genommen auf die in beiden Instanzen zu den Akten gereichten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung des beklagten Landes gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 17.06.2008 ist zulässig. Sie ist nach Maßgabe der §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i. V. m. § 520 ZPO form- und fristgemäß eingelegt und begründet worden. Sie ist auch statthaft im Sinne des § 64 Abs. 1, 2 ArbGG.

II.

Die Berufung des beklagten Landes konnte jedoch keinen Erfolg haben. Zu Recht hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass das beklagte Land verpflichtet ist, dem Kläger eine Bruttovergütung nach Maßgabe der Vergütungsgruppe TV-L Entgeltgruppe 11 Stufe 5 zu zahlen. Allerdings war dem geänderten Klageantrag in der Berufungsinstanz im Tenor Rechnung zu tragen.

1. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts war im Streitfall die Feststellungsklage nicht zulässig.

Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses erhoben werden, wenn die klagende Partei ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt wird. Gemäß § 256 Abs. 1 ZPO können nur Rechtsverhältnisse Gegenstand einer Feststellungsklage sein, nicht dagegen bloße Elemente oder Vorfragen eines Rechtsverhältnisses. Nach dem sogenannten Subsidiaritätsprinzip ist für eine Feststellungsklage regelmäßig dann kein Raum, wenn eine Leistungsklage möglich ist (vgl. BGH Urteil vom 21.01.2000 - V ZR 578/98 - NJW 2000, 1256; BGH vom 17.061994 - V ZR 34/92 - NJW RR 1994, 1272; Zöller/Greger, ZPO, 27. Aufl., § 256 Rdn. 7 a).

Zwar ist richtig, dass in einer klassischen Eingruppierungsfeststellungsklage grundsätzlich die Erhebung einer Feststellungsklage zulässig ist. Im Streitfall handelt es sich jedoch um einen abgeschlossenen Sachverhalt hinsichtlich der Vergütungspflicht der Beklagten für einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum. Auch wenn es im Zusammenhang mit der Festlegung der Entgeltgruppe und der entsprechenden Entwicklungsstufen auf die Auslegung des TVÜ-L ankommt, schließt dies nicht aus, dass die Klageforderung im Wege einer Leistungsklage geltend gemacht wird. Dies insbesondere deshalb, weil das beklagte Land im Schriftsatz vom 12.06.2008 die Vergütungsdifferenzen selbst errechnet hat.

Nachdem der Kläger dem Hinweis des Gerichts auf die Unzulässigkeit der Feststellungsklage Rechnung getragen hat und die Klage auf einen Leistungsantrag umgestellt hat, war über diesen zu befinden. Es handelt sich insoweit nicht um eine Klageänderung im Sinne von § 263 ZPO, weil der Kläger in der Hauptsache seine Klageforderung erweitert hat, ohne dass sich der Streitgegenstand geändert hat (§ 264 Ziffer 2 ZPO). Der Übergang von der Feststellungsklage zur Leistungsklage stellt regelmäßig keine Klageänderung dar (BGH vom 17.06.1994 a. a. O.; Thomas/Putzo, ZPO, 27. Aufl., § 264 Rdn. 4).Im übrigen erschiene eine Klageänderung sachdienlich.

2. Die Berufung des beklagten Landes konnte auch in der Sache darüber hinaus keinen Erfolg haben. Zu Recht und mit zutreffender Begründung ist das Arbeitsgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass der Kläger auch für die Zeit vom 13.08.2007 bis 14.09.2007 und vom 20.09.2007 bis 14.01.2008 einen Anspruch auf Vergütung nach Maßgabe der Vergütungsgruppe TV-L, Entgeltgruppe 11, Stufe 5 in Höhe des Differenzbetrages von unstreitig 5.923,88 € brutto zum vom beklagten Land gezahlten Betrag nach Entgeltgruppe 11 Stufe 1 hat. Dies folgt aus den §§ 6, 1 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-L. Die Auslegung der tariflichen Protokollnotiz durch das Arbeitsgericht ist nicht zu beanstanden.

a) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages folgt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei nicht eindeutigem Wortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mitzuberücksichtigen, soweit er in der tariflichen Norm seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, dann können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages, gegebenenfalls auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (BAG vom 07.07.2004 - 4 AZR 433/03 - BAGE 111, 204; BAG vom 27.04.2006 - 6 AZR 437/05 - BAT § 29 Nr. 19; BAG vom 21.12.2006 - 6 AZR 341/06 - AP Nr. 10 zu § 611 BGB Wegezeit).

b) Unter Berücksichtigung dieser Auslegungsgrundsätze hat das Arbeitsgericht zu Recht festgestellt, dass der Kläger seit dem 06.09.2006 als Lehrkraft im Angestelltenverhältnis des beklagten Landes tätig war. Dieses Arbeitsverhältnis dauerte gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-L über den 31.10. hinaus und unterfiel ab dem 01.11.2006 dem Geltungsbereich des TV-L.

Auch das ab 13.08.2007 begründete erneute befristete Arbeitsverhältnis hat als ununterbrochen fortbestehendes Arbeitsverhältnis im Sinne des TVÜ-L zu gelten. Zwar endete der letzte Arbeitsvertrag des Klägers mit dem letzten Schultag vor den Sommerferien am 20.06.2007 und wurde erst eine Woche nach dem ersten Schultag nach den Sommerferien, nämlich am 13.08.2007 neu begründet. Diese Unterbrechung ist jedoch nach Ziffer 1 der Protokollerklärung zu § 1 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-L unschädlich.

Zu Recht hat das Arbeitsgericht festgestellt und dies entspricht auch der Wertung des beklagten Landes, dass dem Wortlaut der Protokollerklärung zwei unterschiedliche unschädliche Unterbrechungen zu entnehmen sind, nämlich einerseits Zeiträume von bis zu einem Monat und andererseits bei Lehrkräften während der Gesamtdauer der Sommerferien. Diese beiden Varianten sind von den Tarifvertragsparteien durch zwei Worte verbunden worden; durch die Worte: "darüber hinaus". Mit dem Arbeitsgericht ist festzustellen, dass diese Formulierung nicht eindeutig ist. "Darüber hinaus" kann sich als mehr zu einem Monat darstellen bis zu einem Maximalbetrag von sechs Wochen. Es kann sich aber auch als Mehr zu dem Unterbrechungstatbestand darstellen und damit als ein Mehr zu einem gesamten Unterbrechungszeitraum. Zu Recht hat schon das Arbeitsgericht darauf hingewiesen, dass es nahegelegen hätte, den Zeitraum durch das Wort "oder" zu verknüpfen, wenn man zum Ausdruck bringen wollte, dass es sich um fest umgrenzte Alternativtatbestände handeln sollte, die eine kumulative Betrachtungsweise ausschließen sollten.

c) Die Protokollerklärung Nr. 1 zu § 1 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-L beinhaltet für angestellte Lehrkräfte insbesondere mit befristeten Arbeitsverhältnissen eine Sonderregelung zu ununterbrochenen Anwendung des TVÜ-L in den Jahren 2007 und 2008. Hintergrund ist die zeitlich begrenzte Anwendbarkeit des TVÜ-L, die von einem ununterbrochen fortbestehenden Arbeitsverhältnis zu demselben Arbeitgeber abhängt. Unschädliche Unterbrechungen sind nach TVÜ-L generell nur solche, denen die Zeit bis zu zwei Jahren nach Überleitung in den TV-L, also bis zum 31.10.2008, einen Monat nicht übersteigen. Gegenüber Lehrkräften, insbesondere mit befristeten Arbeitsverträgen, würden unterrichtsfreie Zeiten, wie der Kläger zu Recht ausgeführt hat, in den Jahren 2007 und 2008 von längerer Dauer als einem Monat somit zu einer Behandlung wie bei Neueinstellung führen. Dies hätte den Verlust der bei Überleitung nach TVÜ-L zum 01.11.2000 bereits erworbenen individuellen Zwischenstufe und auch des Besitzstandes herbeigeführt.

Gleichzeitig ergibt sich aber auch aus der Protokollerklärung, dass den Tarifvertragsparteien die Praxis der beklagten Länder und insbesondere auch des beklagten Landes bekannt war, Vertretungslehrer nur befristet bis zum Beginn der Sommerferien und erst danach wieder erneut befristet zu beschäftigen; diese Praxis sollte grundsätzlich keinen Einfluss auf die tarifliche Einstufung im Vergleich zu durchgängig beschäftigten Arbeitnehmern haben.

Die generelle Überlegung, dass der Unterbrechungstatbestand bereits dann vorliegt, wenn der Zeitraum der Sommerferien nur um einen Tag überschritten wird, kann nach Einschätzung der Kammer und nach der Erörterung in der mündlichen Verhandlung vom 09.12.2008 nicht gefolgt werden.

Soweit in der Literatur diese Auffassung verschiedentlich auch vertreten wird, ist festzustellen, dass jeweils dafür keine Gründe angegeben werden, lediglich eine Wertung vorgenommen wird.

Zu Recht hat der Kläger darauf hingewiesen, dass der Wortlaut der Protokollnotiz nicht von einer Unterbrechung "... bis zur Dauer der jeweiligen Sommerferien", sondern vielmehr von einer Unterbrechung "... während der Gesamtdauer der Ferien" spricht. Schon der erste Tag der Sommerferien ist damit ein solcher, der "... darüber hinaus...", nämlich über die Dauer eines Monats hinaus nach dem Willen der Tarifvertragsparteien unschädlich sein soll.

Die Kammer ist jedoch insbesondere auch aufgrund folgender Überlegungen zu der Auffassung gelangt, dass eine kumulative Betrachtungsweise zu erfolgen hat:

Die Vertragsgestaltung der Arbeitsverhältnisse der Vertretungslehrer führt regelmäßig dazu, dass die Lehrer während der Sommerferien nicht beschäftigt werden. Darüber hinaus war in der letzten mündlichen Verhandlung unstreitig, dass die Beschäftigung aufgrund der konkreten Gegebenheiten auch im Laufe eines Schuljahres immer wieder dazu führen kann, dass ein Vertretungslehrer kurzfristig, auch mit kurzfristigen Unterbrechungstatbeständen, zusätzlich beschäftigt wird. Dies würde bedeuten, dass ein Lehrer, der in den Sommerferien nicht beschäftigt wird, auch im Laufe des Jahres durch nur eine ganz kurzfristige Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses seinen Besitzstand und wie bei dem Kläger einen Vergütungsanspruch in Höhe von etwa 900,00 € verlieren würde. Auch das beklagte Land musste in der mündlichen Verhandlung einräumen, dass etwa eine Unterbrechung im Laufe des Schuljahres von einer Woche, ohne dass dies mit den Sommerferien in unmittelbarem Zusammenhang stände, wohl unschädlich sei. Dann ist umso mehr nicht einzusehen, dass eine Unterbrechung eines Arbeitsverhältnisses, das einen Tag vor den Sommerferien und einen Tag nach den Sommerferien zu einer Erweiterung der Unterbrechungsdauer führen würde, anders zu bewerten wäre.

Daraus folgt, dass der Sinn und Zweck der Regelung doch nur dahingehen kann, bei den Lehrern die Sommerferien als Unterbrechungstatbestand wertneutral zu berücksichtigen. Für diesen Zeitraum besteht sowieso aufgrund der Vertragsgestaltung ein Unterbrechungstatbestand und dieser sollte grundsätzlich nicht zu einer Schlechterstellung führen. Darüber hinaus sollten aber die Lehrer nicht gegenüber anderen Mitarbeitern, die die Chance hätten, das ganze Jahr durchzuarbeiten und deshalb auf einen Vierwochenzeitraum hinsichtlich von Unterbrechungstatbeständen reduziert wurden, schlechter gestellt werden. Es ist davon auszugehen, dass die Tarifvertragsparteien keine Ungleichbehandlung hinsichtlich der Vergütungsfolgen einer Regelung treffen wollten. Zu Recht hat der Kläger schon in der Klageschrift darauf hingewiesen und dies auch nochmal in der letzten mündlichen Verhandlung verdeutlicht, dass es zu einer Schlechterstellung der Lehrer führen würde, die keine Chance haben, während der Sommerferien ihre Arbeitsleistung zu erbringen, wenn jede noch so kurzfristige Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses zum Wegfall des Besitzstandes führen würde. Es kann nicht angenommen werden, dass der Wille der Tarifvertragsparteien dahinging, eine Gruppe von Angestellten in derartiger Weise zu benachteiligen. Vielmehr wird die vorgenommene Auslegung erst einem gesetzesadäquaten Sinn und Zweck der tariflichen Regelung gerecht.

Die Richtigkeit dieser Auslegung ergibt sich im Streitfall auch, wenn man unterstellt, dass der Kläger tatsächlich unmittelbar nach den Sommerferien am ersten Arbeitstag angefangen hätte und dann bis zum 14.09.2007 das Vertretungsarbeitsverhältnis fortgesetzt worden wäre. Es wäre dann festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis erneut sechs Tage unterbrochen war, weil erst ein neuer Vertretungsfall ab 20.09.2007 zu einer Verlängerung des Arbeitsverhältnisses geführt hat. Wäre die Rechtsauffassung des beklagten Landes richtig, würde in einem derartigen Fall ebenfalls für einen Lehrer der Tatbestand eintreten, dass er aufgrund der Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses durch die Sommerferien - das Land schließt insoweit nur befristete Verträge ab - kein "Kontingent" hätte, das im Hinblick auf einen Unterbrechungstatbestand darüber hinaus unschädlich wäre. Eine derartige Konsequenz kann nicht Sinn und Zweck einer tariflichen Regelung sein. Sie führt zu einer Ungleichbehandlung der Lehrer aufgrund der bestehenden Nichtbeschäftigungspraxis in den Sommerferien gegenüber anderen Mitarbeitern. Zwar ist zuzugestehen, dass natürlich ein Lehrer dann in einem Jahr unschädlich etwa zehn Wochen außerhalb eines Arbeitsverhältnisses gestanden haben kann. Es kann jedoch nicht angenommen werden, dass den Tarifvertragsparteien die Konsequenz dieser Regelung verborgen geblieben wäre. Darüber hinaus ist erneut darauf hinzuweisen, dass der Wortlaut der Protokollnotiz "darüber hinaus" "während der Sommerferien" für einen Unterbrechungstatbestand als unschädlich ausweist.

d) Soweit das beklagte Land sich auf die Auskunft des Verhandlungsführers der Tarifgemeinschaft deutscher Länder berufen hat, vermochte die Kammer dem Beweisantritt nicht nachzukommen. Die Einholung einer richterlichen Auskunft bei den Tarifvertragsparteien darf nicht auf die Beantwortung der prozessentscheidenden Frage gerichtet sein (BAG vom 18.08.1999 - 4 AZR 247/98 - NZA 2000, 432). Die Berufungskammer vermochte dem Berufungsbegründungsschriftsatz des beklagten Landes keinen Sachvortrag zu entnehmen, der eine Einholung einer Auskunft über Tatsachen oder das tatsächliche Tarifgeschehen zugänglich wäre.

3. Hatte die Klage des Klägers aus den obigen Erwägungen schon Erfolg, so war letztlich nicht mehr zu entscheiden, ob das beklagte Land sich schadensersatzpflichtig gemacht hätte. Die Berufungskammer neigt allerdings zu der Auffassung, ohne dies letztlich entscheiden zu müssen, dass es kein schuldhaftes und zum Schadensersatz begründendes Verhalten der Einstellungsbehörde sein kann, wenn sie einen Einstellungsvorgang innerhalb einer knappen Woche abwickelt, insbesondere unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Kläger keinen Anspruch auf Einstellung hat.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 64 Abs. 6 ArbGG i. V. m. § 97 Abs. 1 ZPO.

Für die Zulassung der Revision an das Bundesarbeitsgericht bestand keine Veranlassung, da dem vorliegenden Rechtsstreit weder eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung zugrundeliegt, § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG noch die Voraussetzungen für eine Divergenzrevision ersichtlich sind, § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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