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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 18.07.2006
Aktenzeichen: 6 Sa 1612/05
Rechtsgebiete: 2. BesÜV vom 21.06.1991


Vorschriften:

2. BesÜV vom 21.06.1991 § 4
2. BesÜV vom 21.06.1991 § 2 Abs. 1 Satz 1
1. § 4 Abs. 1 Satz 1 2. BesÜV gilt für Personen, die die Befähigungsvoraussetzungen für die eingeschlagene Laufbahn im bisherigen Bundesgebiet erworben haben.

2. Diese Voraussetzungen sind auch dann erfüllt, wenn der überwiegende Teil der 36-monatigen theoretischen und praktischen Fortbildung einschließlich der mündlichen und praktischen Prüfung in den alten Bundesländern absolviert wurde.


LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

6 Sa 1612/05

Verkündet am 18. Juli 2006

In dem Rechtsstreit

hat die 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 18.07.2006 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Goeke als Vorsitzenden sowie den ehrenamtlichen Richter Siebeck und den ehrenamtlichen Richter Hartmann

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 08.11.2005 - 3 Ca 6379/05 - abgeändert:

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin ab dem 01.01.2001 einen ruhegehaltsfähigen Zuschuss nach § 4 Abs. 1 der 2. BesÜV i. d. F. bis 24.11.1997 in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen den Bezügen nach § 2 der 2. BesÜV und den bei gleichem Amt für das bisherige Bundesgebiet geltenden Dienstbezügen zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte. 2. Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über einen ruhegehaltsfähigen Zuschuss nach § 4 der 2. Verordnung über besoldungsrechtliche Übergangsregelungen nach Herstellung der Einheit Deutschlands (2. Übergangsbesoldungsverordnung vom 21.06.1991 - 2. BesÜV -).

Die 37jährige Klägerin, die nach dem Abitur in den neuen Bundesländern eine Ausbildung zur Biologielaborantin absolviert hatte, trat am 15.10.1990 bei der Beklagten in den Vorbereitungsdienst für die gehobene berufsgenossenschaftliche Laufbahn ein. Die Fortbildung erfolgte nach Maßgabe der Fortbildungs- und Prüfungsordnung der gewerblichen Berufsgenossenschaften und der See- Berufsgenossenschaft (FPO) und endete nach der in der Berufsgenossenschaftlichen Akademie für Arbeitssicherheit in I./T. erfolgreich absolvierten mündlichen und schriftlichen Laufbahnprüfung am 07.10.1993.

Auf den Fortbildungsvertrag vom 17./18.12.1990 (Bl. 4, 5 d. A.) wird Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 27.09.1990 hatte die Beklagte der Klägerin mitgeteilt, dass die praktische Ausbildung in der zukünftigen Bezirksverwaltung in E. erfolge und dass der erste Lehrgang der theoretischen Ausbildung in Klink an der N. stattfinde (Bl 40/41 d. A.).

Die Fortbildung dauerte insgesamt 36 Monate.

Die praktische Fortbildung entsprechend dem Fortbildungsplan absolvierte die Klägerin 59 Wochen in der Dienststelle in E. und 26 Wochen in der Hauptverwaltung in E.. Die theoretische Fortbildung wurde vom Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften e. V. in T. B. und dessen berufsgenossenschaftlicher Akademie für Arbeitssicherheit und Verwaltung in I. durchgeführt. Die theoretische Fortbildung der Klägerin erfolgte 36 Wochen in den alten Bundesländern und 18 Wochen in den neuen Bundesländern. Den 17-wöchigen Gesamturlaub während der dreijährigen Ausbildung hat die Klägerin auf Anordnung der Beklagten während der praktischen Ausbildung in der Bezirksverwaltung abgewickelt.

Nach Ablegung der Prüfung am 07.10.1993 stellte die Beklagte die Klägerin zunächst bis zum 31.10.1993 als Tarifangestellte in der Bezirksverwaltung E. ein. Ab 01.11.1993 wurde die Klägerin als Dienstordnungsangestellte in der Bezirksverwaltung E. eingestellt und zunächst für sechs Monate nach E. abgeordnet. Sie erhält die nach § 2 der 2. BesÜV abgesenkten Bezüge.

Mit der vorliegenden Klage verlangt die Klägerin die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr einen ruhegehaltsfähigen Zuschuss in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen den Bezügen nach § 2 der 2. BesÜV und den bei gleichem Amt für das bisherige Bundesgebiet geltenden Dienstbezügen zu zahlen.

Sie hat vorgetragen, dass ihr Fortbildungsvertrag mit der Hauptverwaltung in E. abgeschlossen worden sei und von der Hauptverwaltung federführend geleitet worden sei. Dort sei auch festgelegt worden, wann und welche Zeiten sie wo während der Fortbildung zu absolvieren habe. Die theoretische Ausbildung sei durch die Akademie für Arbeitssicherheit bundeseinheitlich gesteuert und durchgeführt worden. Dass die Ausbildung überwiegend im Gebiet der neuen Bundesländer stattgefunden habe, sei reiner Zufall gewesen.

Die Klägerin hat beantragt,

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr ab dem 01.01.2001 einen ruhegehaltsfähigen Zuschuss nach § 4 I der 2. BesÜV in der Fassung bis 24.11.1997 in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen den Bezügen nach § 2 der 2. BesÜV und den bei gleichem Amt für das bisherige Bundesgebiet geltenden Dienstbezügen zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat geltend gemacht, dass der Klägerin der Zuschuss nicht zustehe, da sie die Befähigungsvoraussetzungen nicht im bisherigen Bundesgebiet erworben habe.

Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 08.11.2005 die Klage abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt, dass der Fall der Klägerin mit dem Sachverhalt der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 10.02.2005 - 6 AZR 515/04 - nicht vergleichbar sei. Es stehe fest, dass die Klägerin vom Beginn der Fortbildung an mit dem praktischen Ausbildungsort in E. und damit in den neuen Bundesländern fortgebildet und später auch in der Bezirksverwaltung E. eingestellt worden sei.

Der Sinn der Vorschrift setze voraus, dass in den alten Bundesländern ausgebildete Mitarbeiter aus dem Beitrittsgebiet zu einer Rückkehr in die neuen Bundesländer bewegt werden müssten. Dies sei bei der Klägerin nicht der Fall gewesen. Daher spiele es auch keine Rolle, ob der überwiegende zeitliche Anteil der theoretischen und/oder praktischen Ausbildung im Ost- oder Westteil der Bundesrepublik stattgefunden habe. Entscheidend sei vielmehr, dass die Klägerin von vornherein mit Ausbildungsort in E. eingestellt worden sei, weil für die dortige Bezirksverwaltung Dienstordnungsangestellte gesucht worden seien und ausgebildet werden sollten.

Gegen das am 10.12.2005 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat die Klägerin unter dem 19.12.2005 Berufung eingelegt und nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 10.03.2006 die Berufung mit einem am 09.03.2006 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Sie macht geltend, dass zwischen den Parteien nicht der Fortbildungsort E. vereinbart worden sei. Der Fortbildungsvertrag sei mit der Beklagten mit Sitz in E. abgeschlossen worden. Die Beklagte habe fünf Außenstellen in den alten und vier in den neuen Bundesländern eingerichtet und ohne erkennbaren sachlichen Grund entschieden, wo die jeweiligen Auszubildenden die theoretische Ausbildung durchliefen. Die Zuweisung sei zufallsbedingt gewesen. Das Ziel der Vorschrift habe im schnellen Gewinn von dringend benötigtem Fachpersonal bestanden, so dass es maßgeblich auf die fachliche Qualifikation ankomme, die in den neuen und alten Bundesländern gleich gewesen sei, während das Kriterium der Mobilität im Hintergrund gestanden habe. Hinzu komme, dass die überwiegende Zeit der Ausbildung in den alten Bundesländern absolviert worden sei, wobei die 17 Wochen Urlaub während der dreijährigen Ausbildung nicht berücksichtigt werden könnten.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 08.11.2005 - 3 Ca 6380/05 - abzuändern und festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr ab dem 01.01.2001 einen ruhegehaltsfähigen Zuschuss nach § 4 der 2. BesÜV in der Fassung bis 24.11.19997 in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen den Bezügen nach § 2 der 2. BesÜV und den bei gleichem Amt für das bisherige Bundesgebiet geltenden Dienstbezügen zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil und weist insbesondere darauf hin, dass die Zuordnung zu den Ausbildungslehrgängen nicht durch Losentscheid erfolgt sei, sondern nach regionalen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ziel der BGA sei es stets gewesen, die Fortzubildenden in der Nähe ihrer Bezirksverwaltung zu schulen, wobei auch dem Gesichtspunkt des Erfahrungsaustausches und der Informationsvielfalt durch die Zusammenstellung der Gruppen aus verschiedenen Berufsgenossenschaften Rechnung getragen worden sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des zugrundeliegenden Sachverhaltes wird ergänzend Bezug genommen auf die in beiden Instanzen zu den Akten gereichten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 08.11.2005 ist zulässig. Sie ist nach Maßgabe der §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit § 520 ZPO form- und fristgemäß eingelegt und begründet worden. Sie ist auch statthaft im Sinne des § 64 Abs. 1, 2 ArbGG.

II.

Die Berufung hatte auch Erfolg. Die Kammer ist zu der Auffassung gelangt, dass die Klägerin aufgrund der im Streitfall vorliegenden Umstände die Voraussetzungen für die Gewährung eines Zuschusses nach § 4 2. BesÜV erfüllt.

1. Der Feststellungsantrag ist zulässig.

Gemäß § 256 Abs. 1ZPO kann auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses Klage erhoben werden, wenn die Klägerin ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt wird. Rechtsverhältnis ist eine aus dem vortragenden Sachverhalt abgeleitete rechtliche Beziehung von Personen untereinander oder zu einer Sache. Zwar können Gegenstand einer Feststellungsklage nicht bloße Elemente oder Vorfragen eines Rechtsverhältnisses sein. Jedoch kann sich die Feststellungsklage auf einzelne Beziehungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis, auf bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen oder auf den Umfang einer Leistungspflicht beschränken (ständige Rechtsprechung, vgl. nur BAG vom 25.10.2001 - 6 AZR 718/00 - BAGE 99, 250, 252 f.; Urteil vom 25.05.2005 - 5 AZR 566/04 - BGH vom 19.04.2000 - XII ZR 332/97 - NJW 2000, 2280, zu 1 a der Gründe).

Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten, der Klägerin einen ruhegehaltsfähigen Zuschuss gemäß der 2. BesÜV zu zahlen und zwar für den nichtverjährten Zeitraum ab 01.01.2001. Damit ist nicht nur ein auf die Vergangenheit gerichtetes Rechtsverhältnis betroffen, sondern das Rechtsverhältnis betrifft auch die Gegenwart und damit den weiteren Umfang der Leistungspflicht der Beklagten im Sinne der oben zitierten Definition eines Rechtsverhältnisses.

Da die Parteien nicht über die Höhe des Zuschusses als solchen streiten und davon auszugehen wäre, dass die Beklagte als Körperschaft des öffentlichen Rechts einem Feststellungsbegehren nachkommen würde, kann auch das Feststellungsinteresse nicht im Hinblick auf die Verweisung auf einen Leistungsantrag verneint werden.

2. Die Klage und die Berufung der Klägerin sind begründet. Die Klägerin hat die für die Gewährung eines Zuschusses erforderlichen Befähigungsvoraussetzungen im bisherigen Bundesgebiet erworben.

a) § 2 Abs. 1 der 2. BesÜV, der die Höhe der Dienstbezüge regelt, lautet in der ab 01.07.1991 geltenden Fassung:

"§ 2

Bemessung der Dienstbezüge für erstmalig Ernannte

(1) Für Beamte, Richter und Soldaten, die von ihrer erstmaligen Ernennung an im Betrittsgebiet verwendet werden, betragen die Dienstbezüge (§ 1 Abs. 2 Bundesbesoldungsgesetz) 60 vom 100 der für das bisherige Bundesgebiet geltenden Dienstbezüge; ..."

Für die Bemessung der Dienstbezüge nach § 2 Abs. 1 der 2. BesÜV maßgebliche Vomhundertsatz wurde schrittweise angehoben; seit dem 01.01.2004 beträgt er 92,5 vom Hundert.

§ 4 2. BesÜV lautet:

"Zuschuss zur Ergänzung der Dienstbezüge

(1) Beamte, Richter und Soldaten mit Anspruch auf Besoldung nach § 2 erhalten, wenn sie aufgrund der im bisherigen Bundesgebiet erworbenen Befähigungsvoraussetzungen ernannt werden, einen ruhegehaltsfähigen Zuschuss in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen den Bezügen nach § 2 und den bei gleichem Amt für das bisherige Bundesgebiet geltenden Dienstbezügen ..."

Gemäß § 12 der 2. BesÜV in der durch die 4. BesÜV ÄndV geänderten Fassung ist § 4 in der bis 24.11.1997 geltenden Fassung (§ 4 der 2. BesÜV a. F.) für Beamte, Richter und Soldaten, die bis zu diesem Tage ernannt worden sind, weiter anzuwenden.

Aufgrund dieser Übergangsvorschrift gilt die 2. BesÜV in der ab 01.07.1991 bis zur Änderungen am 24.11.1997 geltenden Fassung für die Klägerin weiter. Dem hat die Klägerin auch in ihrem Feststellungsantrag Rechnung getragen.

b) Zu Recht hat das Arbeitsgericht unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ausgeführt, dass der Begriff der Befähigungsvoraussetzungen die für diesen Befähigungserwerb geforderten Vor- und Ausbildungsvoraussetzungen betrifft. Soweit die Dienstordnung in Anlehnung an die laufbahnrechtlichen Vorschriften der Bundesbeamten Voraussetzungen aufstellt, die für eine Anstellung in einer bestimmten Laufbahn erforderlich sind, müssen diese im bisherigen Bundesgebiet erworben worden sein.

Nach § 18 Bundesbeamtengesetz ist für die Laufbahn des gehobenen Dienstes gefordert,

1. eine zu einem Hochschulstudium berechtigte Schulbildung oder ein als gleichwertig anerkannter Bildungsstand,

2. ein Vorbereitungsdienst von drei Jahren,

3. die Ablegung der Laufbahnprüfung.

Der Schulbildung oder einer als gleichwertig angesehenen Berufsbildung kommt dabei für die Erreichung der Zuschussregelung des § 4 Abs. 1 Satz 1 2. BesÜV verfolgten Zweck, ausreichend fachlich qualifiziertes Personal für den unverzüglichen Aufbau einer leistungsfähigen, rechtstaatlichen Verwaltung und Rechtspflege in den neuen Bundesländern zu gewinnen, nur eine untergeordnete Bedeutung zu. Die fachliche Qualifikation, auf die es insofern maßgeblich ankommt, wird regelmäßig erst durch den Vorbereitungsdienst und die Laufbahnprüfung erworben (vgl. BAG vom 10.02.2005 - 6 AZR 515/04 - NZA RR 2006, 38; BVerwG Beschluss vom 09.09.2004 - 2 BVR 669/02 -; BVerwG 11.03.1999 - 2 C 24/98 - ZDR 1999, 385).

Nach dem Wortlaut der Vorschrift kommt es weiter darauf an, dass die als Befähigungsvoraussetzung anzusehende Ausbildung und Prüfung an einem Ort im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland außerhalb der Grenzen der in Artikel 3 Einigungsvertrag genannten Ländern und Landesteile absolviert worden ist. Damit enthält sich die Vorschrift jeglicher Wertung zur Qualität der Ausbildung von Vorbereitung und Ausbildungsabschlüssen, sowie der Eignung, Leistung und fachlichen Befähigung des begünstigen Personenkreises. Sie setzt damit die Gleichwertigkeit der Vor- und Ausbildungen im bisherigen Beitrittsgebiet und dem früheren Bundesgebiet voraus (BVerwG vom 25.05.2004 - 2 C 70/03 - LKV 2005, 68 - 69). Die danach ausschließlich ortsbezogene Beurteilung führt dazu, dass nicht etwa die dienstrechtliche Verbindung eines Bediensteten zu einer Behörde oder einem Dienstherrn mit Gebietshoheit entscheidend ist. Damit kommt es auch nicht darauf an, ob die Beklagte als Gebietskörperschaft des öffentlichen Rechts ihre Hauptverwaltung in E. und damit in den alten Bundesländern hatte (vgl. insoweit BVerwG vom 25.05.2004 - 2 C 70/03 - a. a. O.). Maßgeblich ist der Ort der Ableistung des Vorbereitungsdienstes und das Bestehen der vorgeschriebenen Laufbahnprüfung.

Daraus folgt andererseits, dass es nicht darauf ankommt, wo die Klägerin ihren Wohnsitz während des Vorbereitungsdienstes hat. Zwar hat das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 10.02.2005 ausgeführt, dass im Hinblick auf den Zweck der Gewinnung von geeignetem Personal es erforderlich gewesen ist, dass dieses Personal in das Beitrittsgebiet "zurückkehrt". Die Berufungskammer vermag diesen Ausführungen jedoch nicht zu entnehmen, dass diese Voraussetzung zwingend erforderlich ist. Ob und wo der Fortzubildende während der Fortbildung seinen Wohnsitz nimmt bzw. genommen hat, ist nach den Voraussetzungen für die Zuschussgewährung nicht maßgeblich. Allenfalls kann dies als Indiz gewertet werden dafür, dass dem Mobilitätsgedanken Rechnung getragen werden sollte. Andererseits ist Kriterium ausschließlich der Erwerb der Befähigungsvoraussetzungen im bisherigen Bundesgebiet der nicht zwingend damit verbunden zu sein braucht, dass der Wohnsitz sich nicht oder doch im Bundesgebiet befindet.

Dies erschließt sich ohne weiteres, wenn der Fall zu entscheiden wäre, in dem der Wohnsitz etwa in Grenznähe zwischen alten Bundesländern und Beitrittsgebiet sich befindet. Von diesen Zufälligkeiten kann die Zuschussgewährung nach dem Wortlaut nicht abhängen.

Andererseits kommt es entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht darauf an, ob die Klägerin jeweils zu anderen Dienststellen (Ausbildungsorten) nach beamtenrechtlichen Grundsätzen "abgeordnet" wurde. Zum Einen galt während der Fortbildung ausweislich § 3 des Fortbildungsvertrages der für Angestellte der gewerblichen Berufsgenossenschaften abgeschlossene Tarifvertrag und zum Anderen ergab sich die Verpflichtung zur Erstattung der Reisekosten und ähnlichen aus § 4 des Fortbildungsvertrages.

Dabei kann den gesetzlichen Bestimmungen nicht entnommen werden, dass die Fortbildung ausschließlich in den alten Bundesländern durchgeführt werden muss (so offensichtlich auch nunmehr laut Pressemitteilung Nr. 33/2006 BVerwG vom 15.06.2006 - 2 C 14.05 u. a.).

Vielmehr geht auch das Bundesverwaltungsgericht, wie die Kammer entsprechend dem Hinweisbeschluss vom 25.04.2006 (Bl. 165 und 166 d. A.) davon aus, dass es ausreichend ist, dass die Klägerin die überwiegende Zeit der theoretischen und praktischen Fortbildung einschließlich Prüfung zum Erwerb der Befähigungsvoraussetzungen im Sinne der §§ 2 und 4 2. BesÜV ortsbezogen im bisherigen Bundesgebiet absolviert hat.

Die Kammer vermag deshalb auch der Einschätzung des Landesarbeitsgerichts Hamburg im Urteil vom 08.02.2006 - 4 Sa 91/05 - nicht zu folgen, dass es im Hinblick auf die Einheitlichkeit der Ausbildungsorte und dem Weisungsrecht des Ausbildungsträgers wesentlich darauf ankommt, ob die schriftliche und mündliche Laufbahnprüfung auf dem Gebiet der bisherigen Bundesrepublik erfolgt ist. Zwar mag der Gleichheitsgrundsatz verletzt sein, wenn, wie in dem vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall durch Losentscheid entschieden wird, ob die theoretische oder praktische Ausbildung in den neuen oder alten Bundesländern stattfindet. Dies bedeutet jedoch nicht, dass eine Einzelfallbetrachtung außer acht zu lassen hat, dass und gegebenenfalls in welchem Umfang sachlich berechtigte Gründe die Beklagte veranlasst haben können, die Ausbildung in den alten bzw. neuen Bundesländern durchzuführen.

c) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sind im vorliegenden Fall - anders als in dem vor der Kammer am 25.04.2006 entschiedenen Verfahren - 6 Sa 1645/05 -bei der Klägerin die Voraussetzungen für die Zuschussgewährung gemäß § 4 2. BesÜV erfüllt.

Es ist davon auszugehen, dass die Klägerin den überwiegenden Teil der Fortbildung im bisherigen Bundesgebiet absolviert hat und damit "aufgrund der im bisherigen Bundesgebiet erworbenen Befähigungsvoraussetzungen" ernannt worden ist und die Voraussetzungen des § 18 BBG für die Laufbahn des gehobenen Dienstes erfüllt sind.

aa) Zwar hat die Klägerin ihre Abiturprüfung im Beitrittsgebiet abgelegt. Dennoch verfügt sie über eine Schulbildung im Sinne der laufbahnrechtlichen Voraussetzungen. Nach den bindenden Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes steht die Ablegung der Abiturprüfung im Beitrittsgebiet einem Anspruch auf den Zuschuss nach § 4 Abs. 1 Satz 1 2. BesÜV nicht entgegen. Es wäre nämlich mit dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz nicht zu vereinbaren, die Zuschussgewährung davon abhängig zu machen, ob der Abschluss einer allgemeinbildenden Schule oder einer Berufsausbildung im bisherigen Bundesgebiet erworben ist, da die Schulbildung nicht die spezifisch fachbezogene Vorbildung zur Wahrnehmung der Amtsaufgaben vermittelt (Beschluss der 2. Kammer des 2. Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 09.09.2004 - 2 BvR 669/02 - m. w. N.).

bb) Die Klägerin hat sowohl die theoretische als auch die praktische Laufbahnprüfung in I. absolviert und damit in den alten Bundesländern.

cc) Auch der überwiegende Teil des Vorbereitungsdienstes mit der praktischen und theoretischen Fortbildung ist bei der Klägerin in den alten Bundesländern absolviert worden, wenn man berücksichtigt, dass - entgegen der ursprünglich geäußerten Auffassung - die Urlaubszeiten bei der Berechnung nicht berücksichtigt werden können.

Zuletzt war zwischen den Parteien unstreitig, dass von der praktischen Ausbildung aufgrund des Ausbildungsplans 26 Wochen in den alten Bundesländern und 59 Wochen in der zum damaligen Zeitraum im Aufbau befindlichen Bezirksverwaltungsstelle in E. absolviert wurden.

Soweit die praktische Fortbildung in der Hauptverwaltung in E. der Beklagten erfolgt ist, beruhte dies erkennbar darauf, dass die im Aufbau befindliche Dienststelle E. zum damaligen Zeitpunkt die dort vermittelten Kenntnisse nicht weitergeben konnte, da dort entsprechende Abteilungen nicht bestanden. Der Ausbildungsleiter der Beklagten hat in seiner im Einverständnis mit den Parteien durchgeführten informatorischen Befragung im Termin vom 18.07.2006 deutlich gemacht, dass der Grundsatz gilt: "Theorie vor Praxis" entsprechend sollten im Zusammenhang mit der dienstbegleitenden Unterweisung die in der theoretischen Ausbildung vermittelten Kenntnisse anhand von praktischen Vorgängen weiter vermittelt werden. Aufgrund seiner Anordnung ergab sich aus der Ausbildungsabwicklung, dass während der theoretischen Ausbildung die Klägerin und die anderen fortzubildenden Mitarbeiter keinen Urlaub nehmen konnten, weil der theoretischen Ausbildung der Vorrang eingeräumt wurde. Entsprechend wurde auch tatsächlich - von der Beklagten letztlich nicht bestritten - der Urlaub der Klägerin jeweils in Zeiten genommen, in denen die Klägerin den Bezirksverwaltungsstellen zur praktischen Fortbildung zugewiesen war und in denen erkennbar eine dienstbegleitende Unterweisung nicht stattfand. Aufgrund dessen ist bei der Bewertung für die überwiegende Fortbildungszeit letztlich der Urlaub der Klägerin herauszurechnen, da während dieser Zeit die Klägerin regelmäßig ihrem Erholungsbedürfnis Rechnung tragen sollte und nicht ihre Befähigungsvoraussetzungen weiter vertiefen sollte. Geht man, wie die Kammer, davon aus, dass es auf den überwiegenden Zeitraum des tatsächlichen Erwerbs der Befähigungsvoraussetzungen ankommt, so ergibt sich demnach unter Abzug der 17 Urlaubswochen während der Ausbildung, dass von den 59 praktischen Ausbildungswochen in den Bezirksverwaltungen und damit in den neuen Bundesländern 17 Wochen abzuziehen sind. Es ergeben sich deshalb "ausbildungstechnisch" - 26 absolvierte Ausbildungswochen in den alten Bundesländern und 42 Ausbildungswochen in den neuen Bundesländern. Rechnet man zu diesen Ausbildungszeiten die 36 Wochen der theoretischen Fortbildung in den alten Bundesländern und der 18 Wochen in den neuen Bundesländern hinzu, so ergibt sich, dass die Klägerin 62 Ausbildungswochen in den alten Bundesländern und 60 Ausbildungswochen in den neuen Bundesländern absolviert hat.

Berücksichtigt man weiter, dass nach der Bekundung des Ausbildungsleiters der Beklagten, Herrn X., der theoretischen Ausbildung Vorrang vor der praktischen Ausbildung eingeräumt wurde und dass die Laufbahnprüfungen sowohl hinsichtlich des mündlichen als auch hinsichtlich des schriftlichen Teils ebenfalls in den alten Bundesländern und nicht im Beitrittsgebiet absolviert wurden, so ergibt sich, dass der überwiegende Teil der laufbahnrechtlich maßgeblichen Ausbildung nicht im Beitrittsgebiet, sondern im bisherigen Bundesgebiet erworben worden ist und damit die Befähigungsvoraussetzungen in den alten Bundesländern erworben worden sind.

d) Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob die Zuweisung der Ausbildungsstätten für die theoretische Ausbildung nach sachlichen Kriterien erfolgt ist. Die Kammer hat Zweifel, ob der Ortsbezogenheit der Befähigungsvoraussetzungen dadurch Rechnung getragen werden kann, dass z. B. Kriterium ist, dass ein Gedankenaustausch zwischen Fortzubildenden aus unterschiedlichen Berufsgenossenschaften Rechnung getragen werden sollte. Dem Gedanken der Wohnortnähe bzw. Nähe zur Bezirksverwaltung im Rahmen der theoretischen Ausbildung hat die Beklagte erkennbar bei der Klägerin bis auf die ersten Wochen der Fortbildung nicht Rechnung getragen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Kammer hat die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung gem. § 72 Abs.2 Nr.1 ArbGG zugelassen, da die Auffassung, dass die überwiegende Ausbildungszeit in den alten Bundesländern zur Erfüllung der Voraussetzungen gemäß § 4 2. BesÜV ausreicht und die Bewertung der Ausbildungszeiten höchstrichterlich für den Bereich der Dienstordnungsangestellten erkennbar nicht entschieden worden ist.

Ende der Entscheidung

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