Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 29.04.2008
Aktenzeichen: 6 Sa 2199/07
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 613 a Abs. 5
1. Für eine ordnungsgemäße Erfüllung der Unterrichtungspflichten im Sinne von § 613 a Abs. 5 BGB ist erforderlich, dass die Identität des Betriebserwerbers mit Namen und Anschrift im Informationsschreiben angegeben wird. Dafür ist eine - neue - Firmenanschrift eindeutig zu bezeichnen. Es reicht nicht aus, wenn lediglich eine Anschrift des Mitarbeiters der Personalabteilung des ehemaligen Arbeitgebers angegeben wird, bei dem das Widerspruchsschreiben eingereicht werden kann. (Im Anschluss an BAG vom 13.07.2006 - 8 AZR 305/05 -).

2. Zu der Information über die Gründe des Übergangs gem. § 613 a Abs. 5 Nr. 2 BGB gehört bei einer Ausgliederung eines Geschäftsbereichs auch der Hinweis darauf, daß es sich um eine völlig selbständige Neugründung einer OHG (mit beschränktem Haftungskapital) handelt.

3. Zur Frage der Verwirkung eines Widerspruchsrechts.


6 Sa 1809/07 6 Sa 2199/07 6 Sa 2256/07 6 Sa 148/08

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wesel vom 14.11.2007 - 8 Ca 205/07 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin macht den Fortbestand ihres Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten aufgrund ihres längere Zeit nach einem Betriebsübergang erklärten Widerspruchs hiergegen geltend.

Die 34-jährige Klägerin, Mutter von zwei minderjährigen Kindern, war bei der Beklagten seit dem 27.08.1998 im Bereich der Fertigung Qualitätskontrolle und Verpackung von Mobiltelefonen in der Betriebsstätte L.-M. im Bereich Com MD Mobile Devices zu einer Bruttovergütung von 1.600,00 € beschäftigt.

Mit Vertrag vom 06.06.2005 hat die Beklagte - so ihr Vortrag - den Geschäftsbereich Com MD Mobile Devices an die C. Corporation mit Sitz in Taiwan verkauft. Hierzu schlossen die Parteien einen als "Master Sale and Purchase Agreement" ("MSPA") bezeichneten Vertrag. Der weltweite Verkauf wurde zum 30.09.2005 vollzogen ("Closing").

Hierzu sah das MSPA vor, dass die Vermögensgegenstände Land für Land im Wege der Einzelrechtsübertragung ("Asset Deal") auf eine hierzu eigens gegründete Landesgesellschaft der C.-Gruppe übertragen werden sollte. Zu diesem Zweck wurde von der C. Corporation eine neue Firma gegründet und zwar die Firma C. Mobile GmbH u. Co. OHG (im Weiteren C. Mobile) mit Gesellschaftsvertrag vom 30.08.2005.

Gesellschafterinnen dieser C. OHG waren die C. Mobile Management GmbH, mit einem Stammkapital in Höhe von 25.000,00 € und die C. Wireless GmbH mit einem Stammkapital in Höhe von 25.000,00 €. Die Obergesellschaft, die C. Corporation in Taiwan war alleinige Gesellschafterin der C. Mobile Holding BV mit Sitz in den Niederlanden, welche die jeweils alleinige Gesellschafterin der beiden persönlich haftenden Gesellschafterinnen war.

Die Eintragung der C. Mobile erfolgte unter dem 16.09.2005 in das Handelsregister beim Amtsgericht in N..

Die Beklagte zahlte im Zusammenhang mit diesem Unternehmenskaufvertrag an die C. Corporation einen dreistelligen Millionenbetrag.

Der wirtschaftliche Teilbetrieb Mobile Devices der Beklagten wurde unter Wahrung seiner organisatorischen Identität mit den Mitarbeitern und wesentlichen Teilen der Betriebsmittel auf die C. Mobile übertragen.

Über diesen Betriebsübergang informierte die Beklagte die Klägerin mit Informationsschreiben vom 29.08.2005 wie folgt:

"Sehr geehrte Frau X.,

wie Ihnen bereits durch verschiedene Mitarbeiterinformationen bekannt ist, werden unsere Aktivitäten des Geschäftsgebietes Com MD (Mobile Devices) zum 01.10.2005 in die C. Mobile GmbH T Co. OHG (im Folgenden: C. Mobile) übertragen.

C. ist ein weltweit führender Anbieter von Consumer-Electronic-Produkten, wie beispielsweise LCD-Bildschirmen, Notebook-Computern, Kameras und Scannern. Und im Handygeschäft wird C. Mobile in den nächsten Jahren zu einem führenden globalen Anbieter.

In seinem asiatischen Heimatmarkt zählt C. schon heute zu den am schnellsten wachsenden Anbietern in Handysegment. Durch den Zusammenschluss mit T. kann C. seine ehrgeizigen internationalen Expansionspläne umsetzen. T. bietet C. eine globale Organisation mit führenden Marktpositionen in West- und Osteuropa sowie im Wachstumsmarkt Lateinamerika. Zudem erhält C. durch den Kauf einen starken, weltweit bekannten Markennamen, Mobiltelefontechnologie und Softwarekompetenz sowie globalen Zugang zu der breiten Kundenbasis von T.. Daneben bekommt C. einen auf drei Kontinenten hervorragend etablierten Fertigungsverbund von T..

Die Übertragung des Geschäftsgebietes erfolgt auf Grund eines Kaufvertrags im Wege der Einzelrechtsnachfolge auf C. Mobile. Mit diesem Betriebsübergang wird gem. § 613 A BGB C. Mobile Ihr neuer Arbeitgeber, der in alle Rechte und Pflichten Ihres Arbeitsverhältnisses mit der T. AG eintritt. Es wird also anlässlich des Betriebsübergangs - sofern nicht in der Überleitungsvereinbarung andere Regelungen getroffen sind - unverändert mit C. Mobile fortgeführt (insbesondere keine Veränderungen bei dem jeweiligen Einkommenssystem, Altersversorgung, Jubiläumsregelung, Dienstzeitregelung). Ebenso gelten die jeweiligen Tarifverträge (einschließlich des Ergänzungstarifvertrags C./L.-M.) gem. § 613 a BGB weiter.

Die Höhe und Zusammensetzung des bisherigen Einkommens bleibt ebenso wie eine bestehende freiwillige, widerrufliche Sonderzulage anlässlich des Betriebsübergangs unverändert.

Im Einzelnen gilt für Sie die beiliegende, mit dem Gesamtbetriebsrat der T. AG vereinbarte Regelung zur Überleitung der Beschäftigungsbedingungen (Überleitungsvereinbarung), die Bestandteil dieses Schreibens ist.

Die bestehenden Gesamtbetriebsvereinbarungen und örtlichen Betriebsvereinbarungen gelten bis zu einer eventuellen Neuregelung weiter, sofern in der Überleitungsvereinbarung nichts Abweichendes geregelt ist.

C. Mobile haftet ab dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs unbeschränkt für alle, auch die rückständigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis.

Zusätzlich haftet die T. AG für solche Verpflichtungen, die vor dem Betriebsübergang entstanden sind und spätestens ein Jahr danach fällig werden; soweit sie nach dem 1.10.2005 fällig werden, haftet sie nur zeitanteilig.

Eine Kündigung wegen des Betriebsübergangs ist gesetzlich gem. § 613 a Abs. 4 BGB ausgeschlossen; das Recht zu Kündigungen aus anderen Gründen bleibt unberührt.

Sie werden auch nach dem 1.10.2005 durch Ihren bisherigen Betriebsrat weiter betreut; an den Standorten in V., C. und N. / H. Strasse gilt dies solange, bis durch Neuwahlen eigene Betriebsratsgremien gewählt sind, längstens bis zum 31.1.2006.

Für den Standort L.-M. wurde der örtliche Betriebsrat informiert, dass an diesem Standort aufgrund von Produktivitätssteigerungen in der Fertigung der Abbau von ca. 340 Mitarbeitern im Bereich der Lohngruppen 2 bis 7 geplant ist.

Dem Übergang Ihres Arbeitsverhältnisses auf die C. Mobile können Sie nach § 613 a Abs. 6 BGB schriftlich widersprechen. Ihr Widerspruch hätte zur Folge, dass Ihr Arbeitsverhältnis nicht auf C. Mobile übergeht. Wir möchten Sie jedoch bitten, von diesem Recht nur nach sorgfältiger Abwägung Gebrauch zu machen, denn Ihr Widerspruch sichert Ihnen keinen Arbeitsplatz bei der T. AG, da die Com MD -Aktivitäten vollständig auf C. Mobile übertragen werden und damit diese Arbeitsplätze bei der T. AG entfallen, so dass es letztlich zu betriebsbedingten Beendigungen des Arbeitsverhältnisses kommen kann.

Sollten Sie trotz dieser Überlegungen dennoch widersprechen wollen, bitten wir darum, Ihren etwaigen Widerspruch unverzüglich, jedoch spätestens innerhalb von 1 Monat nach Zugang dieses Schreibens schriftlich an

Herrn S. C., Com HR CG, I. strasse 51, N.

oder an

Herrn Dr. W. F., I. platz 1, N. zu richten.

Für Fragen steht Ihnen Ihre Personalorganisation gerne zur Verfügung.

Wir würden uns freuen, wenn Sie mit gleichem Arbeitseinsatz und hoher Motivation Ihre Arbeit bei C. Mobile weiterführen und wünschen Ihnen weiterhin viel Erfolg.

Mit freundlichen Grüßen"

Im Zusammenhang mit dem Betriebsübergang schloss der bei ihr gebildete Betriebsrat mit der Beklagten einen Interessenausgleich und Sozialplan, ferner eine Betriebsvereinbarung zur Überleitung der Beschäftigungsbedingungen der von der Beklagten zur C. Mobile übergehenden Mitarbeiter.

Nach dem Betriebsübergang arbeitete die Klägerin über den 01.10.2005 hinaus für die C. Mobile weiter.

Über das Vermögen der C. Mobile wurde am 29.09.2006 ein Eigenantrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt, mit Wirkung vom 01.01.2007 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet.

Die Klägerin widersprach mit Schreiben vom 04.10.2005, nachdem sie von dem Insolvenzverfahren Kenntnis erlangt hatte, dem Betriebsübergang.

Mit dem vorliegenden Verfahren macht die Klägerin im Wege der Feststellungsklage den Fortbestand ihres Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten über den 30.09.2005 hinaus geltend.

Sie hat vorgetragen, dass der Widerspruch rechtzeitig erfolgt sei, da das Informationsschreiben vom 29.08.2005 nicht ordnungsgemäß gewesen sei und deshalb die einmonatige Widerspruchsfrist gegen einen Betriebsübergang nicht zu laufen begonnen habe.

Das Informationsschreiben sei schon unzureichend gewesen, da es nicht komplett in Deutsch abgefasst worden sei. Der Adressat habe insoweit nicht erkannt werden können. Dort sei der Bereich, der auf C. übergehen sollte, nicht eindeutig bezeichnet worden. Darüber hinaus fehle es an einer genau bezeichneten Firmenanschrift. Schließlich habe die Beklagte auch insoweit fehlerhaft informiert, dass C. im September 2005 kein weltweit führender Anbieter von Elektronikgeräten gewesen sei.

Die Kapitaldecke der C. Mobile habe nie ausgereicht, um die über 3.000 Mitarbeiter zu finanzieren. Die Übernahmegesellschaft habe zum Zeitpunkt der Übernahme rote Zahlen geschrieben. Die Kapitaldecke der übernehmenden Gesellschafter habe lediglich 25.000,00 € betragen. Die Firma C. Mobile habe nie die Absicht gehabt, die deutschen Beschäftigten langfristig zu beschäftigen. Dafür spreche auch die unstreitige Tatsache, dass anlässlich des Verkaufs die Beklagte einen dreistelligen Millionenbetrag gezahlt habe.

Aufgrund dessen liegen weder eine ordnungsgemäße Information über die Identität des Erwerbers noch eine ordnungsgemäße Information über die wirtschaftlichen Gründe vor. Nach den positiv dargestellten Informationen über das Weltunternehmen hätte zum Ausdruck gebracht werden müssen, dass praktisch ein negativer Kaufpreis gezahlt worden sei.

Die Klägerin hat beantragt,

festzustellen, dass zwischen den Parteien über den 01.10.2005 ein unbeendetes Arbeitsverhältnis besteht.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat geltend gemacht, dass die Klägerin hinreichend durch das Informationsschreiben über den Betriebsübergang informiert worden sei. Mit Wirkung vom 01.10.2005 sei das Arbeitsverhältnis im Rahmen eines Weltgeschäfts im Wege der Einzelrechtsübertragung auf eine hierzu eigens gegründete Landesgesellschaft der C.-Gruppe übertragen worden.

Nur die Patent- und Markenrechte seien zur Verstärkung des gesamten "Mobile Devices Geschäftsbereich" der C.-Gruppe an die Konzernmutter veräußert worden. Allerdings habe die C. Corporation alle zum Geschäftsbetrieb erforderlichen Vermögensgegenstände, insbesondere eine Mehrzahl der Patente und IP-Rechte, im Zugriff der C. Mobile belassen.

Das Unterrichtungsschreiben erfülle sowohl die gesetzlichen als auch die zusätzlichen von der Rechtsprechung aufgestellten Anforderungen an den Inhalt der Unterrichtung.

Es sei entgegen dem Sachvortrag der Klägerin nicht so gewesen, dass im Zeitpunkt des Betriebsübergangs vorhersehbar gewesen sei, dass die C. Mobile in naher Zukunft mangels Liquidität zur Aufgabe gezwungen sein würde.

Im Übrigen handele es sich um einen Massenwiderspruch. Schließlich sei ein möglicher Anspruch auf Ausübung des Widerrufsrechts verwirkt, da die Klägerin erst 15 Monate nach dem Informationsschreiben das Widerspruchsrecht ausgeübt habe. Sie habe über ein Jahr anstandslos gearbeitet und der Monatslohn sei mit Wirkung vom 01.07.2005 erhöht worden.

Das Arbeitsgericht hat durch Teil-Urteil vom 14.11.2007 der Klage stattgegeben und den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses zu den bisherigen Bedingungen festgestellt.

Wegen des Inhalts des Urteils wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des Urteils vom 14.11.2007 (Bl. 251 - 261 d. A.) Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Berufung der Beklagten.

Die Beklagte macht geltend, dass entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts das Informationsschreiben vom 29.08.2005 eine ordnungsgemäße Unterrichtung nach § 613 a Abs. 5 BGB enthalte. Die Identität des Betriebserwerbers sei mit der Firmenbezeichnung auf Seite 1 des Schreibens und auf Seite 2 mit Angabe der Anschrift eines der beiden Widerspruchsadressaten - Dr. F. - genannt, unter der dort bezeichneten Anschrift habe sich vor dem Betriebsübergang die Verwaltung des Bereichs "Com MD Mobile Devices" befunden.

Die Anschrift sei auch aus einem Schreiben über die Mitteilung der Erhöhung des Einkommens vom 06.02.2006 mit Wirkung vom 01.07.2005 zu entnehmen gewesen (Bl. 449 d. A.).

Die Forderung des Bundesarbeitsgerichts, die Firmenbezeichnung und die Anschrift des Betriebserwerbers grundsätzlich zu nennen, sei ein neuer Grundsatz und damit eine Rechtsprechungsänderung, bei der die Kriterien der Verhältnismäßigkeit und der Zumutbarkeit abzuwägen seien, jedenfalls (auch) diese Frage dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen wäre.

Darüber hinaus sei auch ausreichend über den Grund des Betriebsübergangs informiert worden.

Der Kaufvertrag als Grund für den Betriebsübergang sei angegeben worden. Unternehmenskaufverträge enthielten regelmäßig, wie hier komplexe Regelungen zur Bestimmung des Kaufpreises, die auch zu einer Nettozahlung des Verkäufers führen könnten. Hier habe es die Beklagte übernommen, dem Übernehmer Zuzahlungen für bestimmte Risiken zu leisten, die sich im Zusammenhang mit der Übernahme und Fortführung des Geschäfts ergeben hätte, weshalb objektiv ein Kaufvertrag vorgelegen habe und nicht etwa eine Schenkung.

Da der Klägerin mitgeteilt worden sei, dass bei einem Widerspruch eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für sie nicht mehr bestehe, sei deutlich geworden, dass der vollständige Bereich der Mobilfunksparte auf die C. Mobile übertragen worden sei und sämtliche Arbeitsplätze entfielen.

Schließlich sei der Widerspruch der Klägerin als kollektiver Massenwiderspruch unzulässig, weil er nicht zur Sicherung der arbeitsvertraglichen Rechte eingesetzt worden sei.

Jedenfalls sei das Widerspruchsrecht der Klägerin gemäß § 242 BGB verwirkt. Sowohl das Zeitmoment als auch das Umstandsmoment lägen vor. Seit dem Informationsschreiben seien 15 Monate vergangen, zumindest ab Information über den Sitz der Beklagten durch die Mitteilung über die Gehaltserhöhung im Februar 2006 10 Monate.

Beim Umstandsmoment sei neben der Gehaltserhöhung darauf hinzuweisen, dass die Klägerin sich auf eine interne Stellenausschreibung beworben habe und damit deutlich gemacht habe, dass sie die Firma C. als neuen Arbeitgeber akzeptiere.

Weiter regt die Beklagte an, dem Europäischen Gerichtshof gemäß Artikel 234 Abs. 2 EG zur Vorabentscheidung die Frage vorzulegen, ob Artikel 8 RL 2001/23/EG dahin auszulegen sei, dass es den Rechtsprechungsorganen der Mitgliedsstaaten verwehrt sei, im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang zusätzliche Erfordernisse für die Informationen der Arbeitnehmer zu stellen bzw. derartige Erfordernisse nicht rückwirkend aufzustellen seien, ob die Angabe der Adresse des Erwerbers im Informationsschreiben eine "für die Arbeitnehmer günstigere Vorschrift" im Sinne der Richtlinie sei und ob ein Widerspruch nicht mehr nach Betriebsübergang erklärt werden könne, schließlich ob ein nach Betriebsübergang erklärter Widerspruch auf den Zeitpunkt des Betriebsübergangs zurückwirke mit der Folge des ununterbrochenen Fortbestehens des Arbeitsverhältnisses.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Wesel - 8 Ca 205/07 - vom 14.11.2007 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil und weist insbesondere darauf hin, dass im Streitfall eine Adresse zur Identifizierung des Unternehmers weder im Hinblick auf die inländische noch auf die ausländische Erreichbarkeit gegeben war. Im Übrigen ergebe sich aus dem Widerspruchsschreiben weder, dass die Schlüsselpatente an die C. Corporation und nicht an die C. Mobile übergeben worden seien noch dass es sich um eine Neugründung handele.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird ergänzend Bezug genommen auf die in beiden Instanzen zu den Akten gereichten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen insbesondere auf die Berufungsbegründung der Beklagten vom 30.01.2008 (Bl. 288 ff. d. A.) und die Berufungsbeantwortung der Klägerin vom 06.03.2008 (Bl. 329 ff. d. A.).

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten konnte keinen Erfolg haben.

Zu Recht und mit zutreffenden Gründen, denen die Berufungskammer im Wesentlichen folgt, hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass der Widerspruch der Klägerin gegen den Betriebsübergang ( I.) rechtzeitig gemäß § 613 a Abs. 6 BGB erfolgt ist und zum Fortbestand des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten auch über den 30.09./01.10.2005 hinaus geführt hat. Die Ausübung des Widerspruchsrecht durch die Klägerin stellt keinen unzulässigen Massenwiderspruch dar (II.) Die Beklagte ist ihren Informationspflichten gemäß § 613 a Abs. 5 BGB nicht ordnungsgemäß nachgekommen (III.). Das Widerrufsrecht ist auch nicht etwa verwirkt (IV.).

Auch der Anregung der Beklagten auf Vorlage des Rechtsstreits an den EuGH war nicht zu folgen (V.).

I.

Zwischen den Parteien besteht kein Streit, dass es sich bei dem Rechtsgeschäft im Zusammenhang mit der Übertragung der Mobilfunksparte Com MD (Mobile Devices) von der Beklagten auf die C. Mobile um ein Rechtsgeschäft handelte, das einen Betriebsübergang im Sinne von § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB zur Folge hat.

Die Parteien haben in der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht übereinstimmend erklärt, dass der wirtschaftliche Teilbereich Mobile Devices der Beklagten unter Wahrung seiner organisatorischen Identität mit den Mitarbeitern und wesentlichen Teilen der Betriebsmittel auf die C. Mobile übertragen worden ist.

Damit stellt sich der Vorgang als Übergang eines Betriebsteils dar, bei dem ein neuer Rechtsträger die wirtschaftliche Einheit unter Wahrung ihrer Identität fortführt. Die wirtschaftliche Teileinheit hat ihre Identität gewahrt und der Bereich hatte auch schon bei der Beklagten die Qualität eines Betriebsteils im Sinne der Rechtsprechung (vgl. zuletzt BAG vom 05.02.2004 - 8 AZR 639/02 -; BAG vom 14.08.2007 - 8 AZR 8048/06 - unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des 8. Senats des Bundesarbeitsgerichts und auch die Rechtsprechung des EuGH).

Mangels anderweitigen Sachvortrages und insbesondere auch im Hinblick auf die Betriebsvereinbarung zur Überleitung der Beschäftigungsbedingungen der von der Beklagten (Com MD) zur C. Mobile GmbH und Co. OHG übergehenden Mitarbeiter (Tarifkreis) sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, die das Vorliegen eines Betriebsübergangs im Rechtssinne in Zweifel stellen könnten.

Insbesondere ergibt sich daraus auch, dass zur Vorbereitung der geplanten rechtlichen Verselbständigung des derzeitigen Geschäftsgebietes vom MD (einschließlich der dazugehörenden Zentralfunktionen), dieser organisatorisch zum 01.08.2005 spätestens getrennt wurde (Präambel zur Betriebsvereinbarung vom 17.08.2005 - Bl. 196 d. A. -).

II.

Eine grundsätzliche Unwirksamkeit des schriftlichen Widerspruchs der Klägerin aus dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) liegt nicht deshalb vor, weil die Klägerin wie auch viele andere Arbeitnehmer von ihrem Widerspruchsrecht Gebrauch gemacht haben.

Zwar hat das Bundesarbeitsgericht im Urteil vom 30.09.2004 - 8 AZR 462/03 - ausgeführt, dass ein kollektiver Widerspruch nach § 242 BGB rechtsmissbräuchlich und damit rechtsunwirksam sei. Das Bundesarbeitsgericht hat aber insoweit ausgeführt, dass ein Rechtsmissbrauch nur dann angenommen werden kann, wenn kein schutzwürdiges Eigeninteresse zugrunde liegt, der Widerspruch vielmehr als Vorwand für die Erreichung vertragsfremder und unlauterer Zwecke dient oder nur den Zweck hat, einem anderen Schaden zuzufügen.

Übt eine Vielzahl von Arbeitnehmern das Widerspruchsrecht aus, kann sich demgemäß aus der Zweckrichtung der Widerspruchsausübung, soweit sie nicht im Schwerpunkt auf die Verhinderung des Arbeitgeberwechsels zielt, sondern von der Motivation getragen ist, den Betriebsübergang als solchen zu verhindern oder aber Vergünstigungen zu erzielen, auf die kein Rechtsanspruch besteht, ein rechtsmissbräuchliches Handeln vorliegen.

Im Streitfall sind die Voraussetzungen für ein derartiges rechtsmissbräuchliches Verhalten nicht erkennbar. Zumindest hat die Beklagte keine derartigen Gründe vorgetragen.

Zwar ist richtig, dass es von der zuständigen Gewerkschaft Formularwiderspruchsschreiben gab, in denen die vorzutragenden Gründe im Einzelnen aufgelistet sind. Allein diese Tatsache begründet jedoch nicht einen unzulässigen Massenwiderspruch.

Die Klägerin hat durch die Insolvenz der Firma C. Mobile ihren Arbeitsplatz verloren und hat darüber hinaus weitere wirtschaftliche Nachteile zu tragen. Ihr ureigenes Interesse geht dahin, gegebenenfalls zu ihrem alten Arbeitgeber zurückzukehren, wenn die gesetzlichen Möglichkeiten dies zulassen. Zu Recht hat die Klägerin darauf hingewiesen, dass sie mit der Geltungmachung des Widerspruchs ihrer Recht auf Wahrung ihrer arbeitsvertraglichen Rechte und auf Durchsetzung ihrer schutzwürdigen Eigeninteressen geltend macht. Dies ist weder treuwidrig noch rechtsmissbräuchlich.

III.

Zu Recht hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass die Klägerin ihr Widerspruchsrecht gemäß § 613 a Abs. 6 BGB noch fristgemäß ausüben konnte, da die Unterrichtung der Beklagten nach § 613 a Abs. 5 BGB fehlerhaft war und deshalb die Widerspruchsfrist nicht in Gang gesetzt hat.

1. § 613 a Abs. 5 BGB bestimmt, dass der bisherige Arbeitgeber oder der neue Inhaber die von einem Betriebsübergang betroffenen Arbeitnehmer vor dem Übergang in Textform über den Zeitpunkt oder den geplanten Zeitpunkt des Übergangs, den Grund für den Übergang, die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs für die Arbeitnehmer und die hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen Maßnahmen zu unterrichten hat.

Eine ordnungsgemäße Unterrichtung setzt die Widerspruchsfrist in Gang. Weder durch eine unterbliebene noch durch eine nicht ordnungsgemäße Unterrichtung wird diese Frist ausgelöst. Dies ergibt sich zum einen aus dem Wortlaut des § 613 a Abs. 6 BGB, wonach der Arbeitnehmer dem Übergang des Arbeitsverhältnisses innerhalb eines Monats "nach Zugang der Unterrichtung nach Abs. 5" widersprechen kann als auch aus dem Sinn und Zweck der Unterrichtungspflicht.

Der Arbeitgeber hat den Arbeitnehmer im Rahmen des § 613 a Abs. 5 BGB so zu informieren, dass jener sich über die Person des Übernehmers und über die in § 613 a Abs. 5 genannten Umstände ein Bild machen kann. Er soll durch die Unterrichtung eine ausreichende Wissensgrundlage für die Ausübung oder Nichtausübung seines Widerspruchsrecht erhalten (vgl. BT-Drucksache 14/7760 S. 19). Da dies Sinn und Zweck der Vorschrift des § 613 a Abs. 5 BGB ist, ist es folgerichtig, den Beginn des Laufs der Widerspruchsfrist nicht nur dann zu verneinen, wenn überhaupt keine Unterrichtung erfolgt ist, sondern auch dann, wenn keine ordnungsgemäße Unterrichtung vorliegt.

Der Inhalt der Unterrichtung richtet sich nach dem Kenntnisstand des Veräußerers und Erwerbers zum Zeitpunkt der Unterrichtung. Die erteilten Informationen müssen zutreffend sein. Ob die Unterrichtung ordnungsgemäß ist, kann vom Gericht überprüft werden (vgl. zusammenfassend BAG vom 14.12.2006 - 8 AZR 763/05 - NZA 2007, 682; Urteil vom 13.07.2006 - 8 AZR 305/05 - NZA 2006, 1268).

2. Die Unterrichtung der Beklagten genügte den oben genannten Anforderungen nicht. Weder ist die Identität des Übernehmers hinreichend gekennzeichnet noch sind die Gründe im Sinne von § 613 a Abs. 5 BGB ausreichend angegeben.

a) Nach der oben zitierten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist es nach dem Zweck der Unterrichtung notwendig, dass der Betriebsübernehmer mit Firmenbezeichnung und Anschrift genannt wird. Erst dann ist der Erwerber in ausreichender Weise identifizierbar und im wörtlichen Sinne lokalisierbar und kann der Arbeitnehmer gegebenenfalls ergänzende Erkundigungen einziehen, Informationen einholen und sich gegenüber dem Übernehmer gegebenenfalls erklären. Es ist erforderlich, dass für einen Arbeitnehmer im Einzelnen deutlich bezeichnet werden muss, mit wem er es zu tun hat. Dazu gehören im Geschäftsleben der Firmenname und die Firmenanschrift. Ohne diese Kennzeichnung ist der Betriebserwerber nicht eindeutig identifizierbar.

Es kann allenfalls im Einzelfall eine Frage der Gesamtumstände sein, ob die Fakten, die die Identifizierbarkeit begründen, dem Arbeitnehmer bekannt sind oder bekannt sein mussten.

aa) Im Streitfall kann von derartigen Umständen nicht ausgegangen werden. Die Klägerin hat ihre Arbeitsleistung in L.-M. verrichtet. Die konzernrechtlichen Verknüpfungen und um was für Personen es sich bei den Personen handelte, die in dem Informationsschreiben genannt werden, ist für einen Dritten ohne Weiteres nicht erkennbar. Zumindest hat die Beklagte dies insoweit nicht vorgetragen. Bei dem in dem Informationsschreiben angegebenen Mitarbeiter C. handelt es sich um einen Mitarbeiter der Personalabteilung des damaligen übergeordneten Geschäftsbereichs der Beklagten. Dass dies die Anschrift des übernehmenden Betriebs sein sollte, ergibt sich aus dem Schreiben nicht. Ebenso wenig ist die Nennung des Mitarbeiters Dr. F. am I. platz 1, N. aus der Sicht des Erklärungsempfängers eindeutig zu identifizieren.

Insbesondere ist nicht erkennbar, dass es sich bei dieser Adresse um die Adresse handeln soll, die die Firma C. Mobile, die zu diesem Zeitpunkt weder im Handelsregister eingetragen war noch erkennbar ihren registerrechtlichen Sitz im Sinne der HGB-Vorschriften begründet hatte, dort hatte. Vielmehr hat die Beklagte in ihrem Informationsschreiben ja gerade zum Ausdruck gebracht, dass es sich um ein nicht zum Konzern T. gehörenden neuen Arbeitgeber handeln sollte, sondern dass dieser im Konzernbereich der Firma C. angesiedelt war. Dass dieser seinen Firmensitz in N. nehmen sollte und wollte, ist für die Klägerin, die in L.-M. tätig war mangels anderer vorgetragener Umstände nicht ersichtlich.

bb) Soweit die Beklagte sich darauf berufen hat, dass das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 13.07.2006 - 8 AZR 305/05 - die Anschrift für die Identifizierung nur bei ausländischen Firmen verlangt hat, vermochte dies die Berufungskammer dem Urteil nicht zu entnehmen. Nach dem Sinn und Zweck der Definition soll der Firmensitz und die Adresse des Erwerbers mitgeteilt werden, damit der Arbeitnehmer gegebenenfalls ergänzende Erkundigungen einziehen kann. Das "insbesondere bei ausländischen Erwerbern" bedeutet jedoch nicht, dass dies bei in Deutschland residierenden Arbeitgebern nicht der Fall sein sollte.

cc) Soweit die Beklagte sich des Weiteren darauf beruft, dass die Klägerin ja im Nachhinein durch Lohnabrechnungen, die sie beispielhaft vorgelegt hat (Bl. 449 d. A.) über die Adresse des Betriebsübernehmers informiert war, so ist zwar richtig, dass nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 14.12.2006 - 8 AZR 763/05 - a. a. O. Rdn. 48) davon auszugehen ist, dass die Unterrichtung auch - entgegen dem reinen Wortlaut - nach dem Betriebsübergang erfolgen kann und die Widerspruchsfrist erst dann zu laufen beginnt. Die Beklagte übersieht jedoch, dass die Unterrichtung eine Unterrichtung "in Textform" im Sinne von § 126 b BGB erfordert. Dies beinhaltet, dass zwar keine Unterschrift erforderlich ist, aber bei juristischen Personen erkennbar sein muss, welche natürliche Person die Erklärung abgegeben hat. Die Person des Erklärenden muss in dem Textformschreiben genannt sein (vgl. ErftK/Preis, 8. Aufl., §§ 125-127 BGB Rdn 34; Palandt, 67. Aufl. 126 b BGB, Rdn. 4).

Die von der Beklagten vorgelegte Einkommensmitteilung vom 06.02.2006 (Bl. 449 d. A.) lässt mit der Unterzeichnung "Personnel Services" keinen Schluss darauf zu, welche natürliche Person diese Erklärung abgegeben haben soll.

b) Darüber hinaus hat die Beklagte auch die Gründe für den Übergang im Sinne von § 613 a Abs. 5 Ziffer 2 BGB im Rahmen ihrer Informationspflichten nicht ausreichend mitgeteilt.

Mit Grund ist in erster Linie die Angabe des Rechtsgrundes für den Betriebsübergang, wie Kaufvertrag, Pachtvertrag, Umwandlung etc. gemeint.

Ausgehend vom Sinn und Zweck der Unterrichtung, die dem Arbeitnehmer die Möglichkeit verschaffen soll, sachgerecht über die Ausübung des Widerspruchs zu befinden, reicht die Angabe des dem Betriebsübergang zugrunde liegenden Rechtsgeschäfts allein nicht aus. Dem Arbeitnehmer müssen vielmehr jene unternehmerischen Gründe für den Betriebsübergang zumindest schlagwortartig mitgeteilt werden, die sich im Falle seines Widerspruchs auf den Arbeitsplatz auswirken können (BAG vom 13.07.2006 - 8 AZR 305/05 - a. a. O. Rdn. 29).

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist es nicht erforderlich, dass die wirtschaftlichen Gründe mitgeteilt werden, jedoch ergibt sich aus der Entscheidung vom 14.12.2006 - 8 AZR 763/05 - a. a. O. Rdn. 32, dass erläutert werden muss, wie etwa die Ausgliederung eines Geschäftsbereichs durchgeführt wird. Auch wenn keine umfangreichen Begründungen der unternehmerischen Maßnahmen verlangt werden können, wie sie etwa im Rahmen der Unterrichtungspflichten gegenüber dem Betriebsrat gemäß § 111 BetrVG zu beachten sind, ist jedoch zu berücksichtigen, dass gerade auch die mittelbaren Folgen im Zusammenhang mit der Ausgliederung eines Geschäftsbereichs im Hinblick auf die Gefährdung der wirtschaftlichen Absicherung deutlich werden müssen. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn die Arbeitsplatzsicherheit beim Betriebserwerber maßgeblich betroffen ist (BAG vom 31.01.2008 - 8 AZR 1116/06 - JURIS Rdn. 32).

Auch wenn der bisherige Arbeitgeber grundsätzlich nicht verpflichtet ist, den Arbeitnehmer über die wirtschaftliche und finanzielle Lage des Betriebsübernehmers im Einzelnen zu unterrichten, da deren Beurteilung grundsätzlich nicht eindeutig anhand objektiver Kriterien erfolgen kann, sondern jeweils im Einzelfall einer regelmäßig nicht justiziablen Einschätzung der wirtschaftlichen und rechtlichen Gegebenheiten sowie der künftigen wirtschaftlichen Entwicklung unterliegt, so ist nach Einschätzung der Berufungskammer die Tatsache der nicht unerheblichen Verringerung der verbleibenden Haftungsgrundlage ein Umstand, auf dessen Kenntnis der Kläger Anspruch hatte, da dies das "Wie der Ausgliederung des Geschäftsbereichs" betrifft.

Dazu hätte auf jeden Fall mit einem Wort gehört, dass es sich bei der Firma, auf die "die Aktivitäten des Geschäftsgebietes Com MD Mobile Devices" zum 01.10.2005, die C. Mobile GmbH & Co. OHG handelte, um eine Neugründung handelt, die nicht Teil des weltweit beschriebenen C.-Konzerns im eigentlichen Sinne ist, sondern eine völlig selbständig neu gegründete und im Haftungskapital aufgrund der Stammeinlagen beider Gesellschafter mit 50.000,00 € begrenzten Gesellschaft.

Natürlich steht es den Vertragsparteien eines Betriebsüberganges frei, den Übergang derart zu organisieren, dass neue Gesellschaften gegründet werden und gegebenenfalls auch Neugründungen entstehen.

Die Beklagte hat jedoch in dem Informationsschreiben vom 29.08.2005 den Eindruck erweckt, dass es sich bei der OHG ebenfalls um einen Teil eines "weltweit führenden Anbieters von Consumer Electronic Produkten" handelt und dass es sich insoweit um eine Firma handelt, die zumindest auf dem asiatischen Markt "zu den am schnellsten wachsenden Anbietern im Handysegment" handelt. Natürlich ist es richtig, dass die Beklagte in dem Informationsschreiben zwischen C. Mobile und C. unterschieden hat und dass es Aufgabe des Lesers ist, dieses Schreiben sorgfältig zu lesen. Nach dem Sinn und Zweck der Informationspflichten nach § 613 a Abs. 5 BGB kann es aber nicht Aufgabe eines Informationsschreibens sein, Rätsel zu lösen. Der Informant soll die Fakten auf den Tisch legen, er soll Klartext reden.

Diesem Sinn und Zweck wird die Beklagte nicht gerecht, wenn sie in dem Informationsschreiben noch nicht einmal darauf hinweist, dass der Geschäftsbereich Mobile Devices nicht von dem Weltkonzern T. auf den Weltkonzern C. übertragen wird und damit auf die C. Corporation, sondern auf die neu gegründete C. Mobile mit einem Stammkapital von 50.000,00 €.

Gesellschafter der neu zu gründenden C. Mobile OHG war die C. Mobile Management GmbH mit einem Stammkapital in Höhe von 25.000,00 € sowie die Firma C. Wireless GmbH mit ebenfalls einem Stammkapital von 25.000,00 €. Alleinige Gesellschafterin dieser beiden Gesellschafter war die C. Mobile Holding BV mit Sitz in den Niederlanden.

Damit ergab sich zwar eine gesellschaftsrechtliche Verknüpfung mit der C. Corporation, nicht jedoch eine haftungsrechtliche Verpflichtung, was nicht zuletzt durch das Insolvenzverfahren zu Tage getreten ist.

Die Beklagte wusste, dass ein Restrukturierungsaufwand für den defizitären Bereich erforderlich war und dass der Muttergesellschaft der übernehmenden C. Mobile ein dreistelliger Millionenbetrag als Restrukturierungsbeihilfe ("Mittel für Migration") zur Verfügung gestellt wurde.

Damit war klar, dass es von dem Wohlwollen der Muttergesellschaft abhing, ob letztlich die neu gegründete C. Mobile überlebensfähig ist. Wie sich später herausgestellt hat, sind die unternehmerischen Entscheidungen zu dem Ergebnis gekommen, dass unterstützende Maßnahmen durch die Muttergesellschaft nicht mehr erfolgten und deshalb letztlich eine Überschuldung nach etwa einem Jahr der Betriebsaufnahme festgestellt worden ist.

Auch wenn nicht unterstellt werden kann, dass die Beklagte die Ausgliederung der Handysparte und die Abwicklung des Rechtsgeschäftes in dem Bewusstsein gemacht hat, dass die Firma C. Mobile letztlich nicht überlebensfähig sein werde, so ist doch festzustellen, dass es für einen Arbeitnehmer, der natürlich die Gesamtumstände der gesellschaftsrechtlichen und sonstigen rechtsgeschäftlichen Vereinbarungen nicht kennt, von wesentlicher Bedeutung ist, ob er sich weiter in einem Arbeitsverhältnis zu einem haftungsrechtlich potenten Arbeitgeber (Konzern) befindet oder zu einer ausgegliederten und neu gegründeten bzw. in Gründung befindlichen potentiellen neuen Arbeitgeberin.

Insoweit ist auch darauf hinzuweisen, dass dem einzelnen Arbeitnehmer es gar nicht möglich war, sich bezogen auf den Zeitpunkt des Zugangs des Informationsschreibens innerhalb der Monatsfrist des § 613 a Abs. 6 BGB über die gesellschaftsrechtliche Konstruktion der Neugründung und die einzelnen Gesellschafter anhand eines Handelsregisterauszuges zu informieren, weil bis zum Ablauf der Monatsfrist die hier relevanten Eintragungen im Handelsregister noch gar nicht eingetragen gewesen sein dürften.

Wenn die Berufungskammer daher für die Ordnungsgemäßheit des Informationsschreibens lediglich verlangt, dass der Begriff "Neugründung" in dem Informationsschreiben genannt wird, so ist damit nicht zu viel verlangt.

Natürlich ist nicht zu verkennen, dass aufgrund der Anforderungen durch die Rechtsprechung es ein schwieriges Unterfangen ist, ein komplett ordnungsgemäßes Informationsschreiben herzustellen. Es wird immer das Problem der Rechtsprechung sein, - im Nachhinein - im Einzelnen Richtlinien festzulegen, die den gesetzlichen Bestimmungen Rechnung tragen und damit seinen Informationspflichten hinreichend nachkommt.

Zusammenfassend bleibt dennoch festzustellen, dass der Verkauf des Geschäftsbereichs mit ca. 3.000 Arbeitnehmer an eine neu gegründete und mit einem Stammkapital von 50.000,00 € ausgestattete "Tochtergesellschaft" der C. Corporation eines konkreten Hinweises auf die Neugründung bedurft hätte, zumal diese Firma zum Zeitpunkt des Informationsschreibens noch nicht einmal im Handelsregister eingetragen war (so auch LAG N. im Urteil vom 17.04.2008 - 4 Sa 1063/07 -).

IV.

Die Ausübung des Widerspruchsrechts durch die Klägerin ist auch nicht verwirkt.

1. Die Verwirkung ist ein Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung. Mit der Verwirkung wird die illoyal verspätete Geltendmachung von Rechten ausgeschlossen. Sie dient dem Vertrauensschutz und verfolgt nicht den Zweck, den Schuldner stets dann von seiner Verpflichtung zu befreien, wenn dessen Gläubiger längere Zeit seine Rechte nicht geltend gemacht hat. Der Berechtigte muss vielmehr unter Umständen untätig geblieben sein, die den Eindruck erweckten, dass er sein Recht nicht mehr geltend machen wolle, so dass der Verpflichtete sich darauf einstellen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden. Hierbei muss das Erfordernis des Vertrauensschutzes aufseiten des Verpflichteten das Interesse des Berechtigten derart überwiegen, dass ihm die Erfüllung des Anspruchs nicht mehr zuzumuten ist.

Auch das Widerspruchsrecht wegen Verwirkung kann ausgeschlossen sein. Die Tatsache, dass der Gesetzgeber nunmehr eine Widerspruchsfrist vorgesehen hat, schließt eine Anwendung der allgemeinen Grundsätze nicht aus, denn jedes Recht kann nur unter Berücksichtigung der Grundsätze von Treu und Glauben ausgeübt werden.

Angesichts der gesetzlichen Regelung kann hinsichtlich des Zeitmoments nicht auf eine feststehende Monatsfrist, beispielsweise von sechs Monaten abgestellt werden. Im Gesetzgebungsverfahren sind nämlich Vorschläge auf Aufnahme einer generellen Höchstfrist von drei bzw. sechs Monaten nicht aufgegriffen worden. Abzustellen ist vielmehr auf die konkreten Umstände des Einzelfalles. Dabei ist, wie das Bundesarbeitsgericht bereits zur Verwirkung der Geltendmachung eines Betriebsübergangs ausgeführt hat, davon auszugehen, dass bei schwierigen Sachverhalten die Rechte des Arbeitnehmers erst nach längerer Untätigkeit verwirken können. Zutreffend ist es weiterhin auch, die Länge des Zeitablaufs in Wechselwirkung zu dem ebenfalls erforderlichen Umstandsmoment zu setzen. Je stärker das gesetzte Vertrauen oder die Umstände, die eine Geltendmachung für den Anspruchsgegner unzumutbar machen sind, desto schneller kann ein Anspruch verwirken. Es müssen letztlich besondere Verhaltensweisen des Berechtigten als auch des Verpflichteten vorliegen, die es rechtfertigen, die späte Geltendmachung des Rechts als mit Treu und Glauben unvereinbar und für den Verpflichteten als unzumutbar anzusehen (vgl. zusammenfassend BAG vom 15.02.2007 - 8 AZR 431/06 - NZA 2007, 793 unter Hinweis auf Literatur und Rechtsprechung).

2. Es kann hier offen bleiben, ab wann der Lauf des Zeitmoments eines Verwirkungstatbestandes beginnt, ob ab dem Zeitpunkt des Zugangs des Unterrichtungsschreibens oder dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs bzw. vom Zeitpunkt der positiven Kenntnis der Umstände, die zur Ausübung des Widerspruchsrechts geführt haben, wobei für letzteres spricht, dass von einem rechtsmissbräuchlichen Verhalten nicht gesprochen werden kann, wenn ein Arbeitnehmer seine Rechte gar nicht erkennen konnte (BAG vom 12.12.2006 - 9 AZR 747/06 - NZA 2007,398).

a) Selbst wenn davon ausgegangen wird, dass die Klägerin erst 12 Monate nach Zugang des Informationsschreibens von ihrem Widerspruchsrecht Gebrauch gemacht hat, kann allein der Zeitablauf die Verwirkung eines Rechts nicht rechtfertigen, sondern es bedarf darüber hinausgehender Umstände für die berechtigte Erwartung des Schuldners, dass er nicht mehr in Anspruch genommen wird. Dabei ist, wie das Arbeitsgericht zu Recht festgestellt hat, im Hinblick auf das Widerspruchsrecht ein besonders strenger Maßstab anzulegen, denn schließlich hat es der neue und der alte Arbeitgeber in der Hand, durch vollständige oder ordnungsgemäße Unterrichtung den Vertrauensschutz zu begründen. Informieren sie - bewusst oder unbewusst - fehlerhaft, müssen schon besondere Umstände vorliegen, damit ein Vertrauen dahingehend entgegenstehen kann, der Arbeitnehmer werde trotz des Informationsdefizites dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses nicht widersprechen (vgl. LAG Düsseldorf vom 30.05.2007 - 7 (4) Sa 1009/06 -; Urteil vom 19.09.2007 - 7 Sa 552/07 -; vgl. auch Hohenstatt/Grau NZA 2007, S. 13 ff., 18 m. w. N.). Derartige besondere Umstände liegen hier nicht vor.

b) Die Tatsache, dass die Klägerin bei der Betriebsübernehmerin über den 01.10.2005 hinaus weitergearbeitet hat, begründet weder ein vertrauensbegründendes Element für die Beklagte noch hat die Beklagte sich insoweit wesentlich darauf berufen .Da der Gesetzgeber keine Höchstgrenzen für die Ausübung des Widerspruchsrechts definiert hat kann allein die Aufnahme der Arbeit das Umstandsmoment nicht erfüllen, zumal in dem Informationsschreiben auf mögliche Nachteile hingewiesen wurde.

Eine irgendwie geartete Äußerung dahingehend, dass die Klägerin zum Ausdruck bringen wollte, dass sie endgültig aus der Rechtsbeziehung zur Beklagten unter Verzicht auf ihr Widerspruchsrecht ausscheiden wollte, vermag die Kammer daraus ebenfalls nicht zu entnehmen. Es mag Einzelfälle geben, wo dies anders zu sehen ist. Der vorliegende Fall führt jedoch nicht zu dem Ergebnis, dass das Widerspruchsrecht verwirkt ist.

Eine unzulässige Rechtsausübung der Klägerin in Form illoyal verspäteter Geltendmachung ihres Widerspruchs kann deshalb nicht festgestellt werden (vgl. insoweit auch LAG N. vom 17.04.2008 - 4 Sa 1073/07 -).

V.

Der Anregung der Beklagten auf Vorabentscheidung gemäß Artikel 234 EG durch den Europäischen Gerichtshof im Hinblick auf die Frage, ob zusätzliche Erfordernisse für die Information der Arbeitnehmer im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang nicht Artikel 7 RL 2001/23/EG entsprechen, bedurfte es nicht.

Selbst wenn man der Rechtsauffassung der Beklagten folgen würde, dass die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ein zusätzliches Erfordernis aufgestellt hätte hinsichtlich der Adresse der Betriebsübernehmerin im Sinne der oben gekennzeichneten Richtlinie, ergibt sich aus den obigen Ausführungen unter III., dass die Berufungskammer die nicht ordnungsgemäße Information durch das Widerspruchsschreiben nicht nur an diese Frage geknüpft hat, sondern darüber hinaus festgestellt hat, dass das Informationsschreiben auch deshalb fehlerhaft war, weil über den Grund des Betriebsübergangs im Sinne von § 613 a Abs. 5 Ziffer 2 BGB nicht hinreichend informiert worden ist. Damit hängt der Rechtsstreit nicht von der Entscheidung der Frage der Adressennennung ab.

VI.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 64 Abs. 6 ArbGG i. V. m. mit § 97 ZPO.

VII.

Die Revision war gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen, da entscheidungserhebliche Rechtsfragen vorliegen, die grundsätzliche Bedeutung haben.

Ende der Entscheidung

Zurück