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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 07.08.2007
Aktenzeichen: 6 Sa 315/07
Rechtsgebiete: BetrAVG


Vorschriften:

BetrAVG § 5 Abs. 2 Satz 2
Bei der Berechnung des Gesamtversorgungseinkommens für eine Witwenrente kann die eigene Altersrente der Witwe bei Beachtung von § 5 Abs. 2 Satz 2 BetrAVG angerechnet werden.
Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 25.01.2007 - 3 Ca 5521/06 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Höhe eines Witwengeldes , das die Klägerin aus der Betriebsrente ihres verstorbenen Ehemannes beansprucht.

Die Klägerin (81 Jahre alt) ist die Witwe des am 22.08.2005 verstorbenen Herrn B. N..

Herr N. war vom 25.07.1945 bis zum Eintritt in den Ruhestand (31.07.1985) bei der Beklagten bzw. ihren Rechtsvorgängerin tätig. Ab dem 01.08.1985 erhielt er ein betriebliches Ruhegeld aufgrund einer Gesamtbetriebsvereinbarung über die Richtlinien für die Ruhegeld- und Hinterbliebenenversorgung der Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerk Aktiengesellschaft, Essen (im Weiteren RL 66). Darin heißt es u. a.:

Grundlagen der Ruhegeldordnung

§ 1

1. Die Belegschafter der Rheinisch-Westfälisches Elektrizitätswerk Aktiengesellschaft, Essen, erhalten nach Maßgabe der in diesen Richtlinien enthaltenen Bestimmungen lebenslängliches Ruhegeld und Hinterbliebenenversorgung.

Anrechnung von Renten und Einkommen aus Tätigkeit

§ 6

1. Es ist davon auszugehen, dass das Belegschaftsmitglied durch seine Versetzung in den Ruhestand durch das Unternehmen nicht bessergestellt wird, als es sich vorher bei dem Unternehmen bezüglich seines Einkommens im Sinne des § 5 gestanden hat.

2. Das Ruhegeld wird um die Hälfte derjenigen Beträge vermindert, die dem Belegschaftsmitglied aufgrund jeweils bestehender Gesetze über Versicherungen, Pensionen und dergleichen zustehen; von der Anrechnung sind jedoch solche Beträge ausgeschlossen, die auf Zeiten entfallen, für die das Belegschaftsmitglied freiwillige Versicherungsbeiträge in anderen Fällen als nach § 4 Ziff. 5 entrichtet hat.

3. Bezieht ein in den Ruhestand versetztes Belegschaftsmitglied außer seinem Ruhegeld weitere Einnahmen aus einer Tätigkeit in einem anderen Arbeitsverhältnis, so sollen diese Einkommen, zu dessen wahrheitsgemäßer Angabe das Belegschaftsmitglied verpflichtet ist, und das Ruhegeld zusammen nicht höher sein als die Bezüge im Sinne desp..5, unter Berücksichtigung der Höchstgrenzen nach Ziff. 5.

(...)

5. Das Gesamtmonatseinkommen eines Ruhegeldempfängers (Ruhegeld, staatliche Renten, soweit nicht von der Anrechnung ausgenommen, und Einkommen aus einer Tätigkeit in einem anderen Arbeitsverhältnis) darf die nachstehend aufgeführten, nach der Dienstdauer ab vollendetem 20. Lebensjahr berechneten Höchstgrenzen nicht überschreiten, anderenfalls erfolgt entsprechende Kürzung.

 Höchstgrenzen sind 
bis zum 20. Dienstjahr 75 %
ab vollendetem 20. Dienstjahr 77 %
ab vollendetem 21. Dienstjahr 77,4 %
für jedes weitere vollendete Dienstjahr erhöht sich die Höchstgrenze um 0,4 % der Begrenzungsgrundlage 
die Höchstgrenze endet ab Vollendung des 35. Dienstjahres bei 83 %

Höhe des Hinterbliebenengeldes § 10

...

2. Nach Ablauf dieser Zeit erhält die Witwe ein Witwengeld in Höhe von 60 % desjenigen Ruhegeldes, das der Verstorbene nach § 4 erhalten hat oder erhalten haben würde, wenn er an seinem Todestage in den Ruhestand versetzt worden wäre.

...

...

5. Auf das Witwen- und Waisengeld werden die Leistungen der Sozialversicherungsträger sowie etwaige Einnahmen aus Tätigkeit in einem Arbeitsverhältnis gemäß den Vorschriften des § 6 entsprechend angerechnet.

6. Das Gesamtmonatseinkommen der Hinterbliebenen (Witwen-, Waisengeld, staatliche Renten und Einnahmen aus Tätigkeit in einem Arbeitsverhältnis) darf

 bei einer Witwe allein 60 %
bei einer Witwe mit 1 Kind 72 %
bei einer Witwe mit 2 Kindern 84 %
bei einer Witwe mit 3 und mehr Kindern 96 %
bei Vollwaisen je 20 %, höchstens jedoch 100 %

des Gesamteinkommens im Sinne der in § 6 Ziff. 6 genannten Höchstgrenzen nicht überschreiten.

Die Beklagte hatte unter Zugrundelegung ihrer detaillierten Ausrechnung (Anlage B 3 - Bl. 147 d. A.) der Klägerin zunächst ab 01.12.2005 monatlich 607,69 € monatliches Witwengeld gezahlt, ab 01.07.2006 215,29 € und ab 01.02.2007 629,21 €.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass das Witwengeld zu niedrig berechnet ist, da entgegen der Auffassung der Beklagten bei der Ermittlung des Gesamtversorgungseinkommens ihre eigene Altersrente in Höhe von 239,59 € nicht berücksichtigt werden dürfe.

Die Klägerin hat beantragt,

1.

die Beklagte zu verurteilen, an sie rückständige Witwenrente in Höhe von 3.217,80 € für den Zeitraum 01.12.2005 bis 30.09.2006 zu zahlen zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf je 321,78 € seit dem 31.12.2005, 31.01., 28.02., 31.03., 30.04., 31.05., 30.06., 31.07., 31.08. sowie 30.09.2006,

2.

die Beklagte zu verurteilen, an sie Witwenrente in Höhe von monatlich 929,47 €, beginnend ab dem 31.10.2006 jeweils zum Monatsende zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 25.01.2007, auf dessen Entscheidungsgründe im Einzelnen Bezug genommen wird, die Klage abgewiesen und insbesondere ausgeführt, dass die Klägerin bei dem Gesamtversorgungseinkommen neben dem betrieblichen Witwengeld ihre eigene gesetzliche Altersrente in Höhe von 239,59 € (basierend auf dem Rentenbescheid vom 02.09.1998) berücksichtigen lassen müsse.

Gegen dieses Urteil hat die Klägerin form- und fristgerecht Berufung eingelegt und diese begründet. Sie ist nach wie vor der Auffassung, dass sie sich ihre eigene Altersrente nicht anrechnen lassen müsse, da dies im Ergebnis zu einer Doppelanrechnung führe.

Die Klägerin beantragt,

1.

das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 25.01.2007 zum Az. 3 Ca 5521/06 dahin zu ändern, dass die Beklagte verurteilt wird, an die Klägerin rückständige Witwenrente in Höhe von € 4.119,40 für den Zeitraum 01.12.2006 bis 30.04.2007 zu zahlen zzgl. Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz

a) auf jeweils € 239,59 seit dem 31.12.2005, 31.01., 28.02., 31.03., 30.04., 31.05. und 30.06.2006,

b) b) auf jeweils € 242,58 seit dem 31.07., 31.08., 31.10., 30.11., 31.12.2006 und seit dem 31.01.2007 und

c) auf jeweils € 248,07 seit dem 28.02., 31.03. und 30.04.2007.

2.

Die Beklagte ferner zu verurteilen, an die Klägerin Witwenrente in Höhe von monatlich € 877,28, beginnend mit dem Monat Mai 2007 und zahlbar jeweils zum Monatsende zu zahlen, die Rückstände sofort.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten des zugrundeliegenden Sachverhalts wird ergänzend Bezug genommen auf die in beiden Instanzen zu den Akten gereichten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung, gegen die Zulässigkeitsbedenken nicht bestehen, konnte keinen Erfolg haben. Zu Recht und mit zutreffender Begründung ist das Arbeitsgericht Essen zur Klageabweisung gelangt. Mit den Angriffen der Berufung vermochte die Klägerin nicht zu einer Änderung der angefochtenen Entscheidung zu gelangen. Unter voll inhaltlicher Bezugnahme auf die angefochtenen Entscheidungsgründe und die zutreffenden Ausführungen der Beklagten in der Berufungserwiderung ist lediglich Folgendes festzustellen:

1. Eine Pflicht des Arbeitgebers zur Einführung einer betrieblichen Alters- bzw. Hinterbliebenenversorgung besteht grundsätzlich nicht. Der Arbeitgeber kann weitgehend selbständig darüber bestimmen, ob und gegebenenfalls welche Versorgung dem Arbeitnehmer zuteil werden soll. Die Versorgungszusage kann dabei eine Gesamtversorgung vorsehen und/oder Anrechnungs- und Begrenzungsklauseln enthalten. Im Rahmen der Ausgestaltung einer beabsichtigten Versorgungszusage ist das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates zu berücksichtigen.

Im Streitfall hat die Beklagte mit dem Gesamtbetriebsrat eine Gesamtbetriebsvereinbarung geschlossen, die die hier streitigen Richtlinien für die Ruhegeld- und Hinterbliebenenversorgung 1966 zum Gegenstand hat.

Betriebsvereinbarungen sind nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wegen ihres normativen Charakters wie Gesetze auszulegen. Auszugehen ist zunächst vom Wortlaut und dem dadurch vermittelten Wortsinn. Über den reinen Wortlaut hinaus ist der wirkliche Wille der Betriebsparteien zu berücksichtigen, soweit er in den Vorschriften seinen Niederschlag gefunden hat. Dabei sind insbesondere der Gesamtzusammenhang sowie der Sinn und Zweck der Regelung zu beachten. Bleiben hiernach noch Zweifel, so können ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte oder auch eine tatsächliche Übung herangezogen werden. Im Zweifel gebührt der Auslegung der Vorzug, die zu einer gesetzeskonformen sachgerechten und praktisch handhabbaren Regelung führt (vgl. zuletzt BAG vom 19.10.2005 - 7 AZR 32/05 - NZA 2006, 394 m. w. N.).

2. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist die Entscheidung des Arbeitsgerichts nicht zu beanstanden.

Nachdem zuletzt unstreitig war, dass die RL 66 ausschließlich für die Hinterbliebenenversorgung der Klägerin anzuwenden ist und die Berechnung des vorläufigen Ruhegeldbetrages unter Anrechnung des hälftigen Bruttobetrages der großen Witwenrente der Klägerin zu errechnen ist, war lediglich zu entscheiden, ob bei der Ermittlung des Gesamtversorgungseinkommens der Klägerin ihre bereinigte Altersrente in Höhe von 239,59 € zu berücksichtigen ist.

Völlig zu Recht hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass bei der Ermittlung des Gesamtversorgungsbedarfs der Klägerin ihre eigene Altersrente zu berücksichtigen ist, da die gesetzlichen Mindestanforderungen des § 5 Abs. 2 Satz 2 BetrAVG berücksichtigt worden sind und eine Gesamtversorgungszusage vorliege.

a. Dabei ist lediglich klarzustellen, dass die Gesamtversorgung sich aus der Berechnung aufgrund einer Gesamtbetriebsvereinbarung ergibt und nicht aufgrund einer einseitigen Gesamtzusage im Rechtssinne durch den Arbeitgeber.

Dies ändert jedoch nichts daran, dass grundsätzlich die Begrenzung der Gesamtversorgung eines Arbeitnehmers bzw. deren Hinterbliebenen zulässig ist.

b. Soweit die Klägerin darauf abstellt, dass Gesamtversorgungszusagen in diesem Sinne entweder von einem Anrechnungs- bzw. von einem Limitierungsgedanken ausgehen, ist dies weder dem Gesetz noch der hier vorliegenden Gesamtbetriebsvereinbarung zu entnehmen.

Zu Recht hat schon die Beklagte darauf hingewiesen, dass die entsprechende Anwendung des § 6 RL 66 auf dem Hinweis in § 10 Abs. 5 u. Abs. 6 RL 66 beruht und bedeutet, dass die einzelnen Elemente des verweisenden Tatbestandes und desjenigen, auf den verwiesen wird, so miteinander in Beziehung zu setzen sind, dass den einzelnen - unterschiedlichen - Vorschriften jeweils die gleichen Rechtsfolgen zugeordnet werden. Die Tatsache, dass es sich ursprünglich bei dem Ehemann des Klägers um ein Belegschaftsmitglied handelt, führt zu einer Differenzierung nur insoweit, dass die Klägerin nach dem Tod ihres Ehemannes lediglich als Witwe Ansprüche geltend machen kann; diese sehen bei der Berechnung der Höhe aufgrund der vereinbarten Regelungen in der Gesamtbetriebsvereinbarung eine Begrenzung vor.

Gemäß § 10 Abs. 5 wird durch die entsprechende Anwendung von § 6 Abs. 2 i. V. m. § 6 Abs. 5 RL 66 nach dem Wortlaut und dem erkennbaren Willen der Betriebspartner ausdrücklich definiert, dass bei der Berechnung des Ruhegeldes unter Anrechnung der Hälfte ihrer gesetzlichen Hinterbliebenenrente ein anderer Tatbestand geregelt wird, als bei der Berechnung der Höchstbeträge des Gesamteinkommens . Insoweit handelt es sich um unterschiedliche Rechenschritte. Entsprechend ist die Beklagte bei ihrer Berechnung auch vorgegangen. Es geht nämlich, wie die Beklagte zu Recht ausgeführt hat, einmal um eine Berechnungsformel des erreichbaren Rentenanspruchs und zum anderen um eine Begrenzung der zuvor ermittelten Leistungen auf ein bestimmtes Gesamtversorgungsniveau.

c. Die Vertretung der Klägerin hat auch in der mündlichen Verhandlung nicht darlegen können, worin die Doppelanrechnung bei der Klägerin liegen soll.

Ausgehend von dem Gedanken der Ergänzungsfunktion der betrieblichen Altersversorgung ist eine Gesamtversorgung darauf ausgerichtet, zusammen mit den Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung eine Vollversorgung der Betriebsrentner zu sichern. Gesamtversorgungssysteme, die den Versorgungscharakter der betrieblichen Altersversorgung mehr als die anderen Systeme verwirklichen, können sowohl sich an einem Anrechnungssystem als auch an einem Höchstwert orientieren.

Sowohl in § 6 Abs. 5 als auch in § 10 Abs. 6 wird bei dem Gesamtmonatseinkommen des Ruhegeldempfängers bzw. der Hinterbliebenen von staatlichen Renten und Einnahmen aus einer Tätigkeit in einem - anderen - Arbeitsverhältnis gesprochen. Wortlaut und Gesamtzusammenhang mit dem Gesamtmonatseinkommen lassen die Deutung der Klägerin nicht zu, dass ihre eigene Altersrente bei der Errechnung des Gesamtmonatseinkommens außen vor zu bleiben hat. Vielmehr ergibt sich, dass sowohl die eigene Altersrente wie auch etwaiger eigener Arbeitsverdienst grundsätzlich anzurechnen ist.

Dass im Streitfall aufgrund dieser Auslegung gegen das Auszehrungsverbot gemäß § 5 Abs. 2 BetrAVG verstoßen werden würde, hat die Klägerin selbst nicht behauptet.

3. Nach alledem ist von einem Gesamtruhestandseinkommen der Klägerin in Höhe von 2.382,32 € brutto auszugehen. Unter Beachtung der Höchstgrenzen nach § 6 Abs. 5 Satz 2 RL 66 ergibt sich eine Überschreitung des Höchstbetrages von 60 % des Gesamteinkommens im Sinne von § 6 Ziffer 5 RL 1966 von 458,65 €. Der so ermittelte Überschreitungsbetrag ist vom Ruhegeld von 1.066,34 € abzuziehen, so dass sich die ursprünglich errechneten 607,69 € brutto ergeben. Durch Betriebsrentenanpassungen hat sich der Zahlbetrag seit dem 01.07.2006 auf 615,69 € brutto und seit dem 01.02.2007 auf 629,21 € brutto erhöht. Diese Beträge hat die Beklagte insgesamt geleistet. Die Berufung konnte deshalb keinen Erfolg haben.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 64 Abs. 6 ArbGG i. V. m. § 97 ZPO.

Da keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden waren, noch die Voraussetzungen einer Divergenzrevision ersichtlich sind, bestand für die Zulassung der Revision an das Bundesarbeitsgericht kein gesetzlicher Grund.

Ende der Entscheidung

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