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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 08.04.2008
Aktenzeichen: 6 Ta 167/08
Rechtsgebiete: ZPO, GKG


Vorschriften:

ZPO § 3
GKG § 42 Abs. 4 S. 1
1. Für die Bewertung eines Antrages auf Abgabe einer Willenserklärung zur Neubegründung eines Arbeitsverhältnisses (Wiedereinstellungsanspruch) ist § 42 IV 1 GKG nicht unmittelbar anwendbar.

2. Im Rahmen der Ermessensausübung gem. § 3 ZPO ist jedoch § 42 IV 1 GKG als Orientierungsmaßstab anzuwenden, wobei das Abschlussinteresse regelmäßig nicht höher als das Bestandsinteresse sein kann.


LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

6 Ta 167/08

In dem Rechtsstreit

hat die 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf am 08.04.2008 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Goeke

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Rechtsanwälte F. u. a. vom 19.02.2008 gegen den Streitwertbeschluss des Arbeitsgerichts Duisburg vom 11.02.2008 wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

Gründe:

I.

Die Klägerin war bei der Beklagten seit dem 01.02.1990 als Angestellte beschäftigt.

Dieses Arbeitsverhältnis hatte die Beklagte unter dem 28.02.2007 zum 31.08.2007 gekündigt. In einem vor dem Arbeitsgericht Nürnberg geführten Kündigungsrechtsstreit haben die Parteien im Kammertermin vom 25.07.2007 einen Vergleich geschlossen, wonach das Arbeitsverhältnis zum 30.09.2007 bei Zahlung einer Abfindung enden sollte. Die Beklagte hatte in dem Kündigungsrechtsstreit die betriebsbedingte Kündigung damit begründet, dass die Rechnungsabwicklung, in der die Klägerin beschäftigt war, nach Polen ausgelagert werde und deshalb der Arbeitsplatz der Klägerin wegfalle.

Nachdem die Klägerin erfahren hatte, dass diese unternehmerische Entscheidung tatsächlich nicht umgesetzt worden sei, hat sie zunächst außergerichtlich ihre Wiedereinstellung verlangt und schließlich mit der Klage des Ausgangsverfahrens unter dem 26.09.2007 ihre Wiedereinstellung per 01.10.2007 sowie die tatsächliche Weiterbeschäftigung verlangt.

Nachdem die Klägerin die Klage auf Hinweis des Gerichts zurückgenommen hat, hat das Arbeitsgericht durch Beschluss vom 11.02.2008 den Streitwert auf fünf Monatsverdienste à 3.205,00 € (3 x 3.205,00 € für den Wiedereinstellungsantrag und 2 x 3.205,00 € für den Weiterbeschäftigungsantrag) festgesetzt. Gegen diese Streitwertfestsetzung wenden sich die Beschwerdeführer. Sie sind der Auffassung, dass für den Wiedereinstellungsantrag mit dem Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg zumindest zwölf Monatsverdienste in Ansatz zu bringen seien, da der Antrag auf Abgabe einer Willenserklärung gerichtet sei und weder das Bestehen noch das Nichtbestehen des Arbeitsverhältnisses im Streit gewesen seien, so dass § 42 Abs. 4 Satz 1 GKG gerade nicht einschlägig sei.

II.

Die Beschwerde, gegen die Zulässigkeitsbedenken nicht bestehen, konnte keinen Erfolg haben.

Die Streitwertfestsetzung des Arbeitsgerichts ist nicht zu beanstanden.

Zwar ist den Beschwerdeführern zuzugestehen, dass der auf Wiedereinstellung gerichtete Klageantrag der Klägerin einen Antrag auf Abgabe einer Willenserklärung zur Begründung eines - neuen - Arbeitsverhältnisses beinhaltet und deshalb der Rechtsstreit insoweit nicht "das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses" betrifft. Zwischen den Parteien besteht gerade kein Streit, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund des gerichtlichen Vergleichs zum 30.09.2007 sein Ende gefunden hat. Deshalb ist § 42 Abs. 4 GKG nicht unmittelbar einschlägig, die Bewertung richtet sich vielmehr nach § 3 ZPO. Gleichwohl kann jedoch entgegen der Auffassung des LAG Baden-Württemberg (Beschluss vom 28.01.2005 - 3 Ta 5/05 -) nicht davon abgesehen werden, sich bei der Ausübung des Ermessens im Rahmen von § 3 ZPO an den vom Gesetzgeber definierten Grundsätzen des § 42 Abs. 4 Satz 1 GKG zu orientieren.

Der Gesetzgeber hat nämlich das wirtschaftliche Interesse des Arbeitnehmers am Bestand eines Arbeitsverhältnisses aus sozialpolitischen Gründen nur mit dem Vierteljahreseinkommen bewertet. Da das Abschlussinteresse schwerlich höher als das Bestandsinteresse sein kann, ist unter Berücksichtigung der sozialpolitischen Zwecksetzung der besonderen Kosten- und Streitwertnormen des Arbeitsgerichtsprozesses auch bei dem Wiedereinstellungsanspruch dieser Wert als Orientierungspunkt für die Ermessensausübung anzusetzen (vgl. auch LAG Berlin vom 24.10.2002 - Ta 6095/02 - AE 2004, 91 L; LAG Köln vom 23.01.1985 - 6 Ta 228/84 - LAG'e § 12 ArbGG 1979 Streitwert Nr. 35, GK-ArbGG/Wenzel, Stand: Februar 2005 § 12 Rdn. 350 m. w. N.).

Entgegen der Argumentation im Zusammenhang mit den Regelungen zur Neubegründung eines Mietvertrages (vgl. Schneider/Herget, Streitwertkommentar für den Zivilprozess, 12. Aufl. Rdn. 3797) kann bei der Ausübung des Ermessens im Rahmen von § 3 ZPO nicht unberücksichtigt bleiben, dass der von der Klägerin geltend gemachte Wiedereinstellungsanspruch sich unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. nur Urteil vom 16.05.2007 - 7 AZR 621/06 - AP Nr. 14 zu § 1 KSchG 1969 Wiedereinstellung; BAG vom 28.06.2000 - 7 AZR 904/98 - AP Nr. 6 zu § 1 KSchG 1969 Wiedereinstellung) nur aus einer vertraglichen, den Vorgaben des Kündigungsschutzgesetzes und der staatlichen Schutzpflicht aus Art. 12 Abs. 1 GG Rechnung tragenden, letztlich auf § 242 BGB beruhenden arbeitsvertraglichen Nebenpflicht herleiten lässt. Der Wiedereinstellungsanspruch entspricht dem durch § 1 KSchG intendierten Bestandsschutz und stellt ein notwendiges Korrektiv für die Fälle dar, in denen die betriebsbedingte Kündigung aufgrund des maßgeblichen Prüfungszeitpunkts ihres Ausspruchs zwar wirksam wäre, die maßgeblichen Umstände sich aber noch während der Kündigungsfrist entgegen der im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung angestellten Prognose nachträglich ändern. Daraus folgt zugleich, dass der von der Klägerin geltend gemachte Wiedereinstellungsanspruch gerade den vorherigen Bestand eines Arbeitsverhältnisses voraussetzt. Dies lässt es gerechtfertigt erscheinen, dass die Begründung eines neuen Arbeitsverhältnisses, das seine "Wurzeln" in den unstreitig vorher bestandenen Arbeitsverhältnisses hat, streitwertmäßig nicht höher bewertet werden kann, als dieses.

Es ist hier nicht zu entscheiden, ob diese Grundsätze auch anzuwenden wären, wenn ein Arbeitnehmer außerhalb eines geltend gemachten Widereinstellungsanspruches im obigen Sinne glaubt, Anspruch auf eine völlige Neubegründung eines Arbeitsverhältnisses zu haben.

Diese Wertung der Beschwerdekammer entspricht auch dem Beschluss vom 15.05.2007 - 6 Ta 210/07 - , auch wenn die Gründe dort insoweit nicht tragend waren.

Die Beschwerde war deshalb zurückzuweisen.

Ende der Entscheidung

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