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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 12.02.2008
Aktenzeichen: 6 Ta 44/08
Rechtsgebiete: RVG, BetrVG, KSchG, GKG


Vorschriften:

RVG § 33 Abs. 3
RVG § 23 Abs. 3 Satz 2
RVG § 33 Abs. 9 Satz 1
BetrVG § 99
BetrVG § 100
BetrVG §§ 111 ff.
KSchG § 17 Abs. 1
GKG § 1 Abs. 1 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Beschwerde der Rechtsanwälte C. u. a. gegen den Streitwertbeschluss des Arbeitsgerichts Wesel vom 14.12.2007 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Beschwerdeführer zu tragen.

Gründe:

I.

Der antragstellende Betriebsrat wollte im vorliegenden Hauptverfahren - einen Tag vorher wurde der Erlass einer einstweiligen Verfügung mit identischen Anträgen beantragt - der Arbeitgeberin untersagen lassen, eine geplante Betriebsänderung bis zum Abschluss der Verhandlungen über einen Interessenausgleich und bis zur vollständigen Information über die Planungen durchzuführen, hilfsweise bis zum 30.06.2007.

Der Antragsteller ist der in der Niederlassung N. gebildete siebenköpfige Betriebsrat. In der Niederlassung waren ca. 150 Arbeitnehmer beschäftigt.

Dem Betriebsrat wurde am 19.04.2007 von der Arbeitgeberin mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, den Standort N. bis zum 30.06.2007 zu schließen, wobei etwa 100 Mitarbeiter gekündigt werden sollten, die etwa 50 Mitarbeiter des Bereichs Sales an den Standort E. versetzt werden sollten.

Nachdem das Arbeitsgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen hat, haben die Betriebspartner sich unter dem 22.06.2007 auf einen Interessenausgleich verständigt.

Nach Abschluss des Verfahrens hat das Arbeitsgericht unter dem 14.12.2007 den Verfahrensstreitwert auf 40.000,00 € festgesetzt. Dagegen wenden sich die Beschwerdeführer im vorliegenden Verfahren und machen geltend, dass der Streitwert auf 2.973.309,00 € festzusetzen sei, während die Verfahrensbevollmächtigten der Arbeitgeberin für das Hauptverfahren 40.000,00 € für angemessen erachten.

Das Arbeitsgericht hat durch den angegriffenen Beschluss den Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit auf 40.000,00 € festgesetzt. Gegen diese Wertfestsetzung wendet sich die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrates. Sie sind der Auffassung, dass im Hinblick auf die beabsichtigten Kündigungen und die beabsichtigten personellen Einzelmaßnahmen von einem wesentlich höheren Verfahrensstreitwert von 2,97 Mio. € auszugehen sei.

II.

Die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats, gegen die Zulässigkeitsbedenken nicht bestehen, konnte keinen Erfolg haben.

Zu Recht hat das Arbeitsgericht den Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit unter Zugrundelegung der Rechtsprechung der Beschwerdekammer im vorliegendenden Verfahren auf 40.000,00 € festgesetzt.

1. Nach der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammer ist bei Anträgen des Betriebsrats, die der Sicherstellung seiner Beteiligungsrechte dienen, von einem Verfahren nichtvermögensrechtlicher Art auszugehen. Der Gegenstandswert ist nach Maßgabe von § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG zu bestimmen. Danach ist die Wertfestsetzung nach billigem Ermessen vorzunehmen. Dabei ist bei nicht genügenden tatsächlichen Anhaltspunkten für eine Schätzung der Gegenstandswert auf den Hilfswert von 4.000,00 €, nach Lage des Falles auch niedriger oder höher anzusetzen, jedoch nicht über 500.000,00 € hinaus.

Im Rahmen der Bewertung ist auf die Bedeutung der Sache für die Beteiligten, sowie den Umfang und die Schwierigkeit der Sache abzustellen. Die Bedeutung für die Arbeitgeberseite ist dabei auch in einem auf Sicherung der Beteiligungsrechte des Betriebsrats abzielenden Verfahren nicht zuletzt nach den wirtschaftlichen Auswirkungen zu beurteilen.

Maßgeblich für die streitwertmäßige Bewertung ist dabei nicht der Antrag und auch nicht etwa die Erfolgsaussicht des Antrages bzw. dessen Begründetheit. Andererseits muss bei der Streitwertfestsetzung der in zahlreichen Sonderbestimmungen zum Ausdruck kommenden Grundtendenz des Arbeitsgerichtsprozesses Rechnung getragen werden, die Verfahrenskosten zu begrenzen (vgl. zuletzt Beschluss der Beschwerdekammer vom 02.01.2008 - 6 Ta 659/07 -; Beschluss vom 25.09.2007 - 6 Ta 492/07 - sowie Beschluss vom 06.04.2006 - 6 Ta 171/06 - ).

2. Bei Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich ohne Weiteres, dass der Streitwert schon nicht über 500.000,00 € festgesetzt werden konnte, da das Gesetz nach § 23 Abs. 3 S. 2 RVG bei nichtvermögensrechtlichen Streitigkeiten diese Höchstgrenze festgesetzt hat.

Die Berechnungen der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats werden darüber hinaus jedoch den Gegebenheiten im vorliegenden Verfahren, insbesondere dem Streitgegenstand nicht gerecht. Der Betriebsrat macht geltend, dass seine Beteiligungsrechte im Rahmen des Interessenausgleichsverfahrens gewahrt werden sollen. Alle Anträge, die im Übrigen sowohl in dem einstweiligen Verfügungsverfahren als auch in dem Hauptsacheverfahren identisch sind, beziehen sich auf eine unternehmerische Entscheidung und insoweit auf die Beteiligungsrechte des Betriebsrats im Rahmen der §§ 111 ff. BetrVG. Die mathematischen Überlegungen der Verfahrensbevollmächtigten verkennen, dass es hier nicht um die Durchführung personeller Einzelmaßnahmen nach den §§ 99, 100 BetrVG geht, sondern um die Beteiligungsrechte des Betriebsrats und die insoweit in der Literatur und Rechtsprechung höchst umstrittene Frage, inwieweit unternehmerische Entscheidungen durch den Betriebsrat verhindert werden können. Allerdings ist im Bezirk des LAG Düsseldorf festzustellen, dass regelmäßig einem derartigen Untersagungsantrag nicht stattgegeben wird. Darauf hat auch das Arbeitsgericht in der Entscheidung in dem einstweiligen Verfügungsverfahren zu Recht hingewiesen.

3. Das Arbeitsgericht hat sich deshalb im Rahmen des ihm zustehenden Ermessens gehalten, wenn es nicht von der Berechnung der personellen Einzelmaßnahmen ausgegangen ist, sondern zutreffend ausgeführt hat, dass es im Streitfall um einen abzusichernden Verhandlungsanspruch handelt, der nur für einen zeitlich begrenzten Zeitraum geltend gemacht wurde. Ebenso ist völlig zutreffend bewertet, dass für die Beteiligungsrechte des Betriebsrates nicht ein mögliches Sozialplanbudget maßgeblich sein kann. Weder geht es um die Höhe des Budgets für einen Sozialplan noch ist etwa ein Sozialplanspruch angefochten worden. Soweit der Betriebsrat im vorliegenden Fall den Sozialplan in seinen Anträgen angesprochen hat, hat er noch nicht einmal behauptet, dass die Arbeitgeberin die Sozialplanpflichtigkeit der Maßnahme bestritten hätte. Ersichtlich ging es dem Betriebsrat einzig und allein um die Wahrung der Beteiligungsrechte im Zusammenhang mit dem Interessenausgleichsverfahren. Dieses ist jedoch bekanntermaßen auf einen begrenzten Zeitraum bezogen, da ein Interessenausgleich nicht erzwingbar ist und letztlich die unternehmerische Entscheidung durch den Arbeitgeber nicht verhindert werden kann.

4. Mit dem Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern - Beschluss vom 16.11.2000 - 1 Ta 67/00 - NZA RR 2001, 551 - ist die Beschwerdekammer deshalb der Auffassung, dass bei der Bewertung der Beteiligungsrechte des Betriebsrates der Gegenstandswert nicht anhand des Einkommens der betroffenen Arbeitnehmer zu bilden ist.

Allerdings vermag die Kammer der Auffassung des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern im Ergebnis nicht zu folgen, dass für jeweils sechs betroffene Arbeitnehmer der Hilfswert von 4.000,00 € anzusetzen ist und zusätzlich berücksichtigt werden müsse, in welchem Maße der Betrieb im ganzen von der Betriebsänderung betroffen ist. Die Beschwerdekammer hat schon in der Entscheidung vom 06.04.2006 - 6 Ta 171/06 - darauf hingewiesen, dass das Abstellen auf die Anzahl der betroffenen Arbeitnehmer außer Acht lässt, dass die Betriebsänderungsmaßnahmen in Beziehung zur Betriebsgröße gesetzt werden müssen und dass es an einem solchen Korrektiv fehlt, wenn ein starrer Wert pro Arbeitnehmer festgesetzt wird; ergänzend muss hinzugefügt werden, dass zusätzlich ein Korrektiv aufgrund der gesetzlichen Höchstgrenze des § 23 Abs. 3 S. 2 RVG erfolgen muss.

Entsprechende Überlegungen hat auch das Landesarbeitsgericht Hamm in der Entscheidung vom 10.10.2005 - 10 TaBV 102/05 - und 11.05.2005 - 10 TaBV 61/05 - angestellt.

Andererseits muss auch die erkennende Beschwerdekammer einräumen, dass eine pauschale Festsetzung ohne Orientierungspunkte immer wieder zu "gegriffenen Entscheidungen" führen kann und eine Berechenbarkeit bei der Streitwertfestsetzung verhindert wird.

Die Kammer beabsichtigt deshalb, zukünftig in teilweiser Anlehnung an die Entscheidungen des LAG Hamm und des LAG Mecklenburg-Vorpommern die Ermessensentscheidung des Arbeitsgerichts nicht zu beanstanden, wenn im wesentlichen folgende Grundsätze bei der Berechnung des Wertes des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit im Hinblick auf die Betroffenheit der Arbeitnehmer im Zusammenhang mit einer Betriebsänderung berücksichtigt wurden:

Ausgegangen werden soll von der gesetzlichen Regelung des § 17 Abs. 1 KSchG und den entsprechenden Zahlenwerken, die das Bundesarbeitsgericht im Rahmen des § 111 BetrVG (BAGE vom 10.12.1996 - AP BetrVG 1972 § 113 Nr. 32; Fitting, BetrVG, 23. Aufl. 2006 § 111 Rn. 73 ff.. m.w.N.) beim Personalabbau zu Grunde gelegt hat. Hiernach ist der Grundwert einer Entlassung von mindestens 6 Arbeitnehmern mit dem Hilfswert des § 23 Abs. 3 S. 2 RVG unter gleichzeitiger Bezugsetzung zu dem Höchstwert des § 23 Abs. 3 S. 2 RVG zu bilden.

Wenn man demnach für jeweils 6 Arbeitnehmer 4000,00 € (= 666.66 € pro Arbeitnehmer) in Ansatz bringt, ergäbe sich bei dem gesetzlichen Höchstwert von 500.000,00 €, dass dieser Wert eine maximale Betriebsgröße von 750 Arbeitnehmern zuließe (500.000,00 €: (4000,00 € : 6)). Diese 750 Arbeitnehmer müssen in Relation gesetzt werden zur Anzahl der tatsächlich von der Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer. Im Streitfall würde das bedeuten, dass 150 betroffene Arbeitnehmer 1/5 des Wertes bei 750 Arbeitnehmern (666,66 € : 5 ) ausmachen würden .

Es ist dann aber noch zu differenzieren, - siehe auch die Entscheidung des LAG Mecklenburg-Vorpommern - ob es sich um eine Betriebsstillegung handelt (Verdoppelung des Wertes) oder lediglich um eine Betriebsänderung hinsichtlich eines Teiles des Betriebes.

Gerundet ergibt sich dann bei einer Betriebsstilllegung ein Betrag von etwa 300,00 € pro Arbeitnehmer, bei einer Teilbetriebsänderung in Form von Versetzungen ein Betrag von 150,00 € pro Arbeitnehmer.

Auf jeden Fall sollte ein Sockelbetrag von 8.000 € zu Grunde gelegt werden (vergleiche Entscheidung der erkennenden Kammer vom 06.04.2006 - 6 Ta 171/06 -). Gegebenenfalls sind noch werterhöhende Besonderheiten im Hinblick auf die Schwierigkeit der Angelegenheit zu berücksichtigen.

Diese Grundsätze auf den vorliegenden Streitfall angewendet, belegen, dass das Arbeitsgericht sein Ermessen bei der Streitwertfestsetzung auch bereits im Rahmen dieser Orientierungsmaßstäbe ausgeübt hat. Die Streitwertfestsetzung in einer Größenordnung von 40.000,00 € ist deshalb nicht zu beanstanden, zumindest ist der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit nicht zu niedrig festgesetzt.

III.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Beschwerdeführer zu tragen.

Nach der Neufassung des § 1 Abs. 1 Satz 2 GKG durch das 2. Justizmodernisierungsgesetz ab 01.01.2007 (BGBl. I 2006, 3416) ist bei Zurückweisung der Streitwertbeschwerde gemäß § 33 Abs. 3 RVG trotz der grundsätzlichen Kostenfreiheit im Beschlussverfahren nunmehr eine Gebühr in Höhe von 40,00 € (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG - KV 8614 n. F. -) zu erheben.

§ 33 Abs. 9 Satz 1 RVG steht dem nicht entgegen. Danach ist nur das Verfahren über den Antrag auf Streitwertfestsetzung gebührenfrei, nicht aber auch ein Beschwerdeverfahren. § 33 Abs. 9 Satz 2 RVG schließt lediglich eine Kostenerstattung im Beschwerdeverfahren aus (LAG Hamm vom 19.03.2007 - 10 Ta 97/07 - NZA-RR 2007,491; Schneider NJW 2006, 325/328).

Ende der Entscheidung

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