Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 20.08.2008
Aktenzeichen: 7 Sa 127/07
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 613 a
BGB § 615 S. 2
1. Rügt ein Arbeitnehmer gegenüber dem Betriebsveräußerer die Fehlerhaftigkeit des Unterrichtungsschreibens und behält er sich ausdrücklich vor, sein Widerspruchsrecht nach dem Eingang weiterer Informationen durch den Betriebsveräußerer noch auszuüben, so kann darin ein vertrauenszerstörender Umstand liegen, der eine Verwirkung des Rechts, den Widerspruch gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses zu erklären, unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls ausschließen kann.

2. Läuft die Widerspruchsfrist wegen einer fehlerhaften Unterrichtung nicht, so kommt der Erhebung oder Nichterhebung einer Kündigungsschutzklage gegen eine vom Erwerber ausgesprochene Kündigung grundsätzlich kein Erklärungswert hinsichtlich der Frage zu, ob das Widerspruchsrecht noch ausgeübt werden soll oder nicht. Erhebt der Arbeitnehmer keine Kündigungsschutzklage, so nimmt er damit lediglich das rechtliche Risiko in Kauf, dass sein Arbeitsverhältnis zum Erwerber - so dieser sein Arbeitgeber geworden sein sollte - durch die nicht angegriffene Kündigung beendet ist.

3. Geht ein Arbeitnehmer nach Erklärung des Widerspruchs ein neues Arbeitsverhältnis ein, so handelt er - insbesondere im Hinblick auf § 615 S. 2 BGB - in der Wahrnehmung berechtigter Interessen. In diesem Fall kann aus dem Abschluss des neuen Arbeitsvertrages nicht der Schluss gezogen werden, der Arbeitnehmer habe keinen Rückkehrwillen und "verdiene" den Schutz des § 613 a BGB nicht.


Tatbestand:

Mit ihrer am 10.05.2006 beim Arbeitsgericht Solingen eingegangenen Klage begehrt die Klägerin die Feststellung, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis besteht. Zudem macht sie gegenüber der Beklagten Zahlungsansprüche geltend. Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf den Erwerber eines Betriebsteils der Beklagten wirksam widersprochen hat.

Die am 17.11.1960 geborene, verheiratete Klägerin war seit dem 01.09.1976 für die Beklagte zu einem monatlichen Bruttolohn in Höhe von zuletzt 1.287,60 ? beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis finden die Tarifverträge für die chemische Industrie Anwendung.

Die Klägerin war schwerpunktmäßig im Geschäftsbereich Consumer Imaging (CI) tätig, der insbesondere die Geschäftsfelder Film, Finishing und Laborgeräte umfasste. Da dieser Geschäftsbereich seit mehreren Jahren einen massiven Umsatzrückgang zu verzeichnen hatte, hat die Beklagte zur Kostenreduzierung Personalabbaumaßnahmen durchgeführt. Dazu gehörte unter anderem auch der Abschluss von Vorruhestandsverträgen oder Altersteilzeitvereinbarungen, in denen den jeweiligen Arbeitnehmern zum Teil erhebliche finanzielle Leistungen zugesagt wurden.

Unter dem Datum vom 14.10.2004 schloss die Beklagte mit dem bei ihr bestehenden Betriebsrat einen Interessenausgleich mit Namensliste ab.

Ende des Jahres 2004 wurde der Geschäftsbereich CI im Wege eines Betriebsübergangs ausgegliedert und mit Wirkung zum 01.11.2004 auf die neu gegründete B. Photo GmbH übertragen.

Für die von dem Teilbetriebsübergang betroffenen Belegschaftsmitglieder fanden Informationsveranstaltungen statt. Unter anderem hat die Beklagte eine solche Informationsveranstaltung am 19.08.2004 abgehalten, bei der der spätere Geschäftsführer der B. Photo GmbH F. S., zum damaligen Zeitpunkt Mitglied des Vorstandes der Beklagten, Informationen zur wirtschaftlichen Situation der B. Photo GmbH erteilte. Außerdem wurden die Arbeitnehmer in Mitarbeiterzeitschriften über den bevorstehenden Teilbetriebsübergang unterrichtet. Im Monat September 2004 befanden sich in den betriebsinternen Magazinen die Zahlenangaben für die Erwerberin B. Photo GmbH von 300 Millionen Eigenkapitalsumme sowie 70 bzw. 72 Millionen Euro Barmittel.

Sämtliche dem Geschäftsbereich CI zugeordneten Arbeitnehmer der Beklagten haben im Oktober 2004 im Zusammenhang mit der Übertragung des Geschäftsbereichs CI eine im Wesentlichen gleich lautende schriftliche Information erhalten. Die Informationsschreiben unterscheiden sich allerdings abhängig von der jeweiligen arbeitsvertraglichen Situation der betroffenen Mitarbeiter in Einzelfragen voneinander.

Mit Schreiben vom 22.10.2004 wurde auch die Klägerin über die geplante Übertragung des Geschäftsbereichs CI informiert. Nach Hinweis auf die Informationspflicht gemäß § 613 a BGB und Wiedergabe des Textes von § 613 a Abs. 5 und 6 BGB teilt die Beklagte mit, es werde hiermit "noch einmal" schriftlich die vorgesehene und mit dem Verhandlungsgremium des Gesamtbetriebsrates und der örtlichen Betriebsräte abgestimmte Information gegeben, auch wenn sie - die Klägerin - "aus der bisherigen Kommunikation bereits über die Einzelheiten informiert" sei.

Unter Ziffer 2. wird ausgeführt, die B. Photo GmbH Übernehme das Vermögen von CI. Hierzu gehörten insbesondere Produktionsanlagen, Markenzeichen, Patente und technologisches Know-how, Vorräte und Forderungen. Das Unternehmen werde mit einem guten Eigenkapital ausgestattet und verfüge über hohe Liquidität, um unerwartet auftretende Risiken bewältigen, in neue Geschäfte investieren und Marktchancen besser nutzen zu können.

Unter Ziffer 4. dieses Schreibens hat die Beklagte den geplanten Personalabbau dargelegt.

Unter Ziffer 5. hat sie die Klägerin darauf hingewiesen, dass ihr Arbeitsverhältnis von dem geplanten Personalabbau gemäß Ziffer 4. nicht betroffen sei.

Nach weiteren Darlegungen zum Widerspruchsrecht und dem Hinweis, dass die Klägerin im Falle eines Widerspruchs wegen einer sodann nicht bestehenden Weiterbeschäftigungsmöglichkeit bei der Beklagten damit rechnen müsse, ihren Arbeitsplatz ohne jede finanzielle Leistung zu verlieren, wurde der Klägerin dringend empfohlen, von einem Widerspruch abzusehen.

Wegen des Inhalts des Informationsschreibens und dessen Formulierung im Einzelnen wird auf Bl.16 - 19 der Akte Bezug genommen.

Am 20.05.2005 stellte die B. Photo GmbH einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens.

Bereits nach der Insolvenzantragstellung widersprachen zahlreiche Arbeitnehmer dem Betriebsübergang.

Mit Schreiben vom 04.07.2005 wies die Klägerin die Beklagte darauf hin, dass die ihr hinsichtlich des Betriebsübergangs erteilten Informationen offensichtlich unrichtig seien und deshalb der Lauf der Widerspruchsfrist nicht ausgelöst worden sei. Des Weiteren führte die Klägerin aus:

"Ich erwarte von Ihnen eine vollständige und wahrheitsgemäße Information über die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs für mich (§ 613 a Abs.5 Ziffer 3 BGB). Hierauf habe ich einen Rechtsanspruch.

Nach deren Eingang werde ich die Entscheidung treffen, ob ich dem Übergang widerspreche.

Für den Fall einer fehlerhaften Information behalte ich mir weitergehend Schadensersatzansprüche vor."

Den Eingang dieses Schreibens hat die Beklagte unter dem Datum vom 11.07.2005 bestätigt, das Schreiben im übrigen aber unbeantwortet gelassen.

Am 01.08.2005 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der B. Photo GmbH eröffnet.

Am 11.10.2005 fand in Köln eine Gläubigerversammlung statt, auf der der Insolvenzverwalter über die finanzielle Ausstattung der B. Photo GmbH Bericht erstattete.

Mit einem an die Beklagte gerichtetem Schreiben vom 20.12.2005 widersprach auch die Klägerin wegen unvollständiger bzw. fehlerhafter Informationen im Zusammenhang mit dem Betriebsübergang dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf die B. Photo GmbH.

Wegen des Inhaltes des Schreibens im Einzelnen wird auf Bl. 20 - 21 der Akte Bezug genommen.

Auch dieses Schreiben ließ die Beklagte unbeantwortet.

Mit Schreiben der B. Photo GmbH in eigenverwalteter Insolvenz vom 31.10.2005 (Bl. 608 der Akte) wurde die Klägerin unter Anrechnung ihres restlichen Urlaubsanspruchs sowie ihrer Ansprüche aus dem Arbeitszeit- bzw. Gleitzeitkonto unwiderruflich von ihrer Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt.

Seit dem 17.11.2005 bezieht die Klägerin Arbeitslosengeld in Höhe von 17,41 ? kalendertäglich.

Mit Schreiben vom 23.11.2005 kündigte die B. Photo GmbH in eigenverwalteter Insolvenz das Arbeitsverhältnis der Klägerin aus betriebsbedingten Gründen. Gegen diese Kündigung hat die Klägerin keine Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht Solingen eingereicht.

Ob der Klägerin mit einem weiteren Schreiben vom 23.11.2005 in Ergänzung zum Kündigungsschreiben mitgeteilt worden ist, dass ihr zur Milderung der mit der Kündigung verbundenen wirtschaftlichen Nachteile eine Abfindung gezahlt werden soll, ist ungeklärt. Diese Behauptung hat der Beklagtenvertreter unter Überreichung einer Kopie dieses Schreibens erstmalig im Kammertermin vom 20.08.2008 aufgestellt.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 01.03.2006 (Bl. 23 - 26 der Akte) ließ die Klägerin ihre Arbeitsleistung anbieten und sämtliche ausstehenden Ansprüche aus dem Anstellungsvertragsverhältnis geltend machen.

Am 26.02.2007 hat die Klägerin eine neue Arbeitsstelle angetreten.

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, sie habe im Dezember 2005 dem Betriebsübergang noch widersprechen können, da sie bis dahin nicht ausreichend und korrekt über den Betriebsübergang informiert worden sei. Sie hat unter Bezugnahme auf die auf der Betriebsversammlung und in den betriebsinternen Magazinen dargelegten Informationen behauptet, über die wirtschaftliche Situation der Erwerberin sei falsch informiert worden. Durch den Verweis im Schreiben vom 22.10.2004 auf die bereits erteilten Informationen seien nicht nur die im Schreiben selbst enthaltenen Informationen, sondern auch die außerhalb dieses Schreibens erteilten Angaben zu berücksichtigen. Entgegen diesen Informationen sei die B. Photo GmbH wirtschaftlich so schlecht ausgestattet gewesen, dass ein Überleben am Markt tatsächlich nicht möglich gewesen sei. Es sei vor allem über die finanzielle Ausstattung und die Übertragung der Markenrechte falsch informiert worden. Die B. Photo GmbH habe zu keiner Zeit über Barmittel in Höhe von rund 70 Millionen Euro verfügt und auch keine Kreditlinie in Höhe von 50 Millionen Euro gehabt. Über die Markenrechte könne sie nicht verfügen, sondern habe diesbezüglich nur ein Nutzungsrecht. Außerdem habe die Beklagte in dem Informationsschreiben entgegen ihrer Pflicht nicht auf die Verteilung von Schuld und Haftung zwischen dem bisherigen und dem neuen Arbeitgeber hingewiesen. Sie - die Klägerin - habe sich über den Inhalt und den Ablauf der Gläubigerversammlung vom 11.10.2005 informiert, was erhebliche Zeit in Anspruch genommen habe. Nachdem sie annähernd über die Ungereimtheiten informiert gewesen sei, habe sie den Widerspruch erklärt. Da es für die Ausübung des Widerspruchsrechtes keine zeitliche Höchstgrenze gebe und dieses Recht auch nicht verwirkt sei, sei ihr Arbeitsverhältnis nicht auf die B. Photo GmbH übergegangen, sondern bestehe zur Beklagten fort. Insbesondere sei die Beklagte nicht ihrer Nachunterrichtungspflicht nachgekommen. Sie habe das Schreiben der Klägerin vom 04.07.2005 unbeantwortet gelassen und sich darauf beschränkt, die Angelegenheit "auszusitzen". Die Klägerin hingegen habe genau das getan, was das Bundesarbeitsgericht in der Entscheidung vom 24.05.2005, 8 AZR 398/04, von ihr gefordert habe. Sie habe nämlich ihren Unterrichtungsanspruch gegenüber der Beklagten weiter verfolgt. Die Beklagte schulde daher die Zahlung des ihr monatlich zustehenden Fixgehaltes für die Monate ab November 2005 abzüglich des bezogenen Arbeitslosengeldes, die Zahlung des Ausgleichs für das Gleitzeitkonto sowie die Zahlung einer leistungsabhängigen Einkommenskomponente.

Vorsorglich hat die Klägerin ihre Zahlungsansprüche auch auf den Gesichtspunkt des Schadensersatzes gestützt.

Die Klägerin hat beantragt,

1. festzustellen, dass zwischen den Parteien ein Anstellungsverhältnis besteht.

2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 7.719,60 ? brutto (Arbeitsentgelt November 2005 bis einschließlich April 2006) abzüglich bezogenen Arbeitslosengeld in Höhe von 2.837,83 ? nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.05.2006 zu zahlen.

3. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.158,60 ? brutto (Ausgleich Glazkonto) nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.11.2005 zu zahlen.

4. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 208,03 ? brutto (LEK 2005) nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.01.2006 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, ein Arbeitsverhältnis zur Klägerin bestehe nicht mehr, da mangels eines wirksamen Widerspruchs der Klägerin die B. Photo GmbH Arbeitgeberin der Klägerin geworden sei. Da die mit Schreiben vom 22.10.2004 erteilten Informationen ausreichend und korrekt gewesen seien, sei die gesetzliche einmonatige Widerspruchsfrist bei Einlegen des Widerspruchs durch die Klägerin bereits lange verstrichen gewesen. Für die Frage einer richtigen und ausreichenden Information bezüglich des Betriebsübergangs sei allein der Inhalt des Schreibens vom 22.10.2004 maßgeblich gewesen. Dies ergebe sich schon aus dem Textformerfordernis in § 613 a Abs. 5 BGB. Mitteilungen auf Betriebsversammlungen oder in betriebsinternen Magazinen genügten nicht der Formvorschrift des § 126 b BGB. Außerdem gehe aus dem Schreiben eindeutig hervor, dass allein dieses Schreiben der Erfüllung der Informationspflicht diene. Eine Pflicht zur Information über die wirtschaftliche Lage eines Erwerbers gebe es zudem nicht. Abgesehen davon, dass auch die im Zusammenhang mit dem Betriebsübergang erteilten Informationen korrekt gewesen seien, enthalte das Schreiben vom 22.10.2004 keine konkrete Information über die wirtschaftliche Solvenz der B. Photo GmbH, sondern beschränke sich auf eine Bewertung. Zudem sei ein Widerspruch im Dezember 2005 auch deshalb nicht mehr möglich gewesen, weil entsprechend § 5 Abs.3 S.2 KSchG von einer Höchstfrist von sechs Monaten auszugehen sei. Zumindest habe die Klägerin ihr Widerspruchsrecht selbst bei unterstellter Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Information durch ihre Weiterarbeit bei der Erwerberin verwirkt. Im Hinblick auf die lange Zeit zwischen Betriebsübergang und Widerspruch in Verbindung mit der Weiterarbeit der Klägerin bei der Erwerberin habe sie - die Beklagte - darauf vertrauen dürfen, dass die Klägerin bei der Erwerberin bleiben werde. Schließlich sei die seitens der B. Photo in eigenverwalteter Insolvenz ausgesprochene Kündigung zu berücksichtigen, welche von der Klägerin nicht mit einer Kündigungsschutzklage angegriffen worden sei. Damit habe sie zu erkennen gegeben, dass sie den Betriebsübergang als solchen akzeptiere. Nach Auffassung der Beklagten scheiden Zahlungsansprüche der Klägerin bereits deshalb aus, weil das Arbeitsverhältnis zum 01.11.2004 auf die Erwerberin übergegangen ist. Im übrigen seien die Ansprüche unsubstantiiert vorgetragen worden. Die Beklagte hat eingewendet, die Klägerin habe ihre Arbeitskraft nicht einmal mit Zugang des Widerspruchsschreibens angeboten. Das von der Klägerin geltend gemachte Gleitzeitkontoguthaben sowie die LEK - Ansprüche hat die Beklagte mit Nichtwissen bestritten. Im übrigen seien die Ansprüche gemäß § 17 MTV Chemie verfallen. Der Vortrag der Klägerin hinsichtlich eines Schadensersatzanspruchs sei als pauschal und unsubstantiiert zurückzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und dazu im Wesentlichen ausgeführt, der Widerspruch der Klägerin gegen den Übergang ihres Arbeitsverhältnisses sei unwirksam, weil der Widerspruch gemäß § 242 BGB verwirkt sei. Das für eine Anspruchsverwirkung erforderliche Zeitmoment sei erfüllt, weil vom Zeitpunkt des Betriebsübergangs aus mehr als ein Jahr vergangen sei. Auch das Umstandsmoment sei gegeben, weil die Klägerin trotz des Antrages auf Insolvenzeröffnung und trotz der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bei der Erwerberin weiter gearbeitet habe. Auch den Ausspruch der Kündigung habe sie nicht zum Anlass genommen, zeitnah einen Widerspruch zu erklären. Da sie keine Kündigungsschutzklage erhoben habe, habe die Beklagte nach Ablauf der Klagefrist davon ausgehen dürfen, dass die Klägerin dem Übergang des Arbeitsverhältnisses nicht mehr widersprechen werde. Nach Ablauf der Klagefrist sei es der Klägerin verwehrt, sich auf Unwirksamkeitsgründe zu berufen, welche zeitlich vor der Kündigung lägen und die einmal getroffene Entscheidung, sich gegen eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Erwerber nicht zur Wehr zusetzen, zu revidieren. Der Klägerin stehe kein Recht auf Nachinformation zu. Der Erfüllung des Umstandsmoments stehe auch nicht entgegen, dass die Beklagte sich möglicherweise nicht rechtstreu verhalten habe, denn es bestehe kein Rechtsgrundsatz, der besage, dass derjenige, der sich nicht rechtstreu verhalte, dauerhaft eines möglichen Vertrauensschutzes verloren gehe. Der geltend gemachte Zahlungsanspruch ergebe sich weder aus § 613 a Abs. 2 BGB noch als Schadensersatzanspruch.

Wegen der Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts im Einzelnen wird auf S. 8 - 16 des Urteils (Bl. 439 - 447 der Akte) Bezug genommen.

Gegen das der Klägerin am 06.12.2006 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts Solingen hat die Klägerin mit einem am 13.12.2006 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem am 05.02.2007 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.

Mit der Berufung macht die Klägerin unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens geltend, die Auffassung des Arbeitsgerichts, sie habe ihr Widerspruchsrecht verwirkt, sei rechtsfehlerhaft. Zu Unrecht habe das Arbeitsgericht bei der Ermittlung des Zeitmoments schematisch eine 12 - Monatsfrist, beginnend ab dem Betriebsübergang, zugrunde gelegt. Eine solche Höchstgrenze gebe es gerade nicht. Das Arbeitsgericht hätte aufklären müssen, zu welchem Zeitpunkt die Klägerin tatsächlich Kenntnis von der Unrichtigkeit des Unterrichtungsschreibens erlangt hat. Ferner hätten sämtliche Unzulänglichkeiten im Unterrichtungsschreiben rechtlich überprüft und entsprechend bewertet werden müssen. Sie behauptet, sie habe erst auf der Gläubigerversammlung im Oktober 2005 erfahren, dass die B. Photo GmbH wirtschaftlich unzureichend ausgestattet worden sei und die Marken- und Lizenzrechte absprachewidrig nicht auf die B. Photo GmbH, sondern auf die B. Photo Holding GmbH übertragen worden seien. Ihr hätten somit frühestens Mitte Oktober 2005 erstmals verlässliche Angaben aus seriösen Quellen vorgelegen. Damit sei bereits das Zeitmoment der Verwirkung nicht erfüllt. Zudem habe das Arbeitsgericht die vertrauenszerstörende Wirkung des klägerischen Schreibens vom 04.07.2005 nicht berücksichtigt. Es habe verkannt, dass die Klägerin damit zunächst ihren Nachunterrichtungsanspruch verfolgt und damit deutlich zu erkennen gegeben habe, dass sie möglicherweise auf ihrem Recht bestehen werde.

Abgesehen davon sei auch kein Umstandsmoment gegeben. Zur Weiterarbeit bei der Erwerberin sei sie zur Vermeidung des Vorwurfs des böswilligen Unterlassens anderweitigen Erwerbs verpflichtet gewesen. Sie - die Klägerin - habe in der Folgezeit keine Handlungen vorgenommen, die das Umstandsmoment erfüllen könnten. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts sei es der Beklagten auch verwehrt, sich auf die Einwendung der Verwirkung zu berufen, da jedes Recht unter dem Vorbehalt des Rechtsmissbrauchs stehe.

Die Klägerin vertritt weiterhin unter Bezugnahme auf ihren erstinstanzlichen Vortrag die Auffassung, dass das Informationsschreiben unrichtig und unvollständig gewesen ist. Eine Kausalität zwischen dem Unterrichtungsfehler und der Ausübung des Widerspruchsrechts sei nicht erforderlich. Auf tarifliche Ausschlussfristen könne die Beklagte sich nicht berufen, da sämtliche Ansprüche der Klägerin dokumentiert seien. Zudem fände § 17 MTV Chemie auf die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen keine Anwendung.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Solingen vom 14.11.2006, 5 Ca 924/06 lev, abzuändern und nach den Schlussanträgen der Klägerin in erster Instanz zu erkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil und trägt dazu unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vortrags vor, dass das Informationsschreiben über den Betriebsübergang vom 22.10.2004 nicht unvollständig und nicht fehlerhaft gewesen und der Widerspruch der Klägerin ungeachtet dessen jedenfalls verwirkt sei. Auch unter Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts seien die in dem Informationsschreiben enthaltenen Aussagen zur Haftungsverteilung zwischen Veräußerer und Erwerber ausreichend, um den Mindestanforderungen gerecht zu werden. Für die Information über Haftungsfragen sei einerseits zwischen der Information über den Austausch des Vertragspartners sowie andererseits über die befristete gesamtschuldnerische Haftung zu differenzieren. über den Austausch des Vertragspartners und das damit einhergehende Ende der Haftung der Beklagten sei die Klägerin in dem Informationsschreiben deutlich durch den Hinweis informiert worden, dass ihr Arbeitsverhältnis auf die B. Photo GmbH übergehen werde. Der Begriff "übergang" könne bei verständiger Würdigung nur dahingehend verstanden werden, dass das Arbeitsverhältnis zur Beklagten beendet und mit der B. Photo GmbH fortgeführt werde. Dieses Verständnis werde auch in weiteren Formulierungen des Informationsschreibens verdeutlicht. So werde auf S.3 darauf hingewiesen, dass die in der Überleitungsvereinbarung getroffenen Regelungen davon geprägt seien, "soweit wie möglich Kontinuität zu wahren". Daraus ergebe sich, dass eine völlig unveränderte Kontinuität unter Beibehaltung des bisherigen Vertragspartners gerade nicht eintrete.

Ein zusätzlicher Hinweis auf die Haftungsregelung in § 613 a Abs.2 BGB sei nicht erforderlich gewesen sei. Die gesamtschuldnerische Haftung für die Dauer eines Jahres sei eine für den Arbeitnehmer gegenüber der "Normalsituation" günstigere gesetzliche Regelung. Für einen Arbeitnehmer, der sich bereits entschieden habe, dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses nicht zu widersprechen, könne ein fehlender Hinweis auf die gesamtschuldnerische Nachhaftung keine Bedeutung haben, denn wenn ihm durch Hinweis auf die gesamtschuldnerische Nachhaftung die Situation noch günstiger hätte dargestellt werden können, hätte ihn dies sicherlich nicht dazu veranlasst, deshalb dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses zu widersprechen.

Zudem sei das Informationsschreiben in enger Absprache mit den Arbeitnehmervertretungen verfasst worden.

Der Widerspruch der Klägerin sei jedenfalls verwirkt. Die Festlegung eines Zeitraums von mehr als einem Jahr für die Erfüllung des Zeitmoments begegne keinen Bedenken. Da gerade die Frage nach dem Bestand des Arbeitsverhältnisses besonders eilig klärungsbedürftig sei, seien an das Zeitmoment bei der Frage nach dem Fortbestand eines Arbeitsverhältnisses keine hohen Anforderungen zu stellen. Zum Umstandsmoment habe das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt, dass nicht ein einzelner Umstand des vorliegenden Geschehensablaufs zur Verwirkung eines nachträglichen Widerspruchs geführt habe, sondern das Zusammenwirken vieler Umstände aus der Entwicklung des Geschehensablaufs letztlich eine Verwirkung habe eintreten lassen. Dies seien im Einzelnen das Unterlassen eines Widerspruchs bei bekannt werden des Antrags auf Insolvenzeröffnung bei der B. Photo GmbH, das Unterlassen des Widerspruchs im Vorfeld der Unterrichtungen zur Einrichtung einer Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft im Sommer 2005, das Unterlassen des Widerspruchs bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens im August 2005 und das Unterlassen des Widerspruchs im Anschluss an eine Aufforderung vom Juli 2005 zur Ergänzung des Unterrichtungsschreibens und Erteilung weiterer Information. Sämtliche dieser einzelnen Umstandsmomente seien begleitet gewesen von einer Fortsetzung der Tätigkeit bei der B. Photo GmbH. Für das Umstandsmoment sei es bei zutreffender Beurteilung ausreichend, dass die Klägerin ihre Tätigkeit bei der Erwerberin aufgenommen und fortgeführt habe. Jedenfalls bei Zugang der Beendigungskündigung durch die B. Photo GmbH in eigenverwalteter Insolvenz hätte die Entscheidung über den nachträglichen Widerspruch getroffen werden müssen. Die Klägerin selbst habe die Beklagte mit Schreiben aus Juli 2005 aufgefordert, ihr weitere Informationen zukommen zu lassen. Wenn ein Arbeitnehmer der Auffassung sei, dass eine ihm erteilte Information falsch sei, so habe er die Möglichkeit, einen Widerspruch einzulegen. Einen gesonderten Anspruch auf Nachinformation habe er nicht. Die geltend gemachten Zahlungsansprüche hält die Beklagte unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens für unberechtigt.

Wegen des weiteren Berufungsvorbringens der Parteien wird auf ihre in zweiter Instanz gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die statthafte (§64 Abs.1 ArbGG), nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes zulässige (§64 Abs. 2 ArbGG), form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung (§§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. §§ 519, 520 Abs. 3 ZPO) ist zulässig.

II.

Die Berufung der Klägerin ist auch in dem von diesem Teilurteil umfassten Umfang begründet. Da nur der Antrag der Klägerin hinsichtlich der Feststellung, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis besteht, zur Endentscheidung reif war, war gemäß § 301 ZPO durch Teilurteil zu entscheiden. Die Berufungskammer ist - entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts - der Auffassung, dass der Klage insoweit stattzugeben war. Die Entscheidung des Arbeitsgerichts war daher abzuändern.

1.

Die auf Feststellung gerichtete Klage ist gemäß §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 256 Abs. 1 ZPO zulässig. Das Arbeitsgericht hat zu Recht das für eine Feststellungsklage gemäß § 256 ZPO erforderliche Rechtsschutzinteresse der Klägerin bejaht.

Nach § 256 Abs.1 ZPO kann auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde. Das Bundesarbeitsgericht hat Klagen von Beschäftigten auf Feststellung, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis besteht, also gegenwartsbezogene Klagen, in ständiger Rechtsprechung für zulässig erklärt. Die Klägerin verfügt mithin über das zur Erhebung der Feststellungsklage notwendige Feststellungsinteresse, denn die Beklagte stellt den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses und den sich daraus ergebenden Verpflichtungen in Abrede.

2.

Das Arbeitsverhältnis der Klägerin besteht zu der Beklagten fort. Zwar ist der Betriebsteil, in dem die Klägerin beschäftigt war, gemäß § 613 a Abs. 1 BGB auf die B. Photo GmbH übergegangen. Die Klägerin hat dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses jedoch rechtzeitig und wirksam gemäß § 613 a Abs. 6 BGB widersprochen.

Der Widerspruch der Klägerin mit Schreiben vom 20.12.2005 war noch rechtzeitig, da die Beklagte die Klägerin über den Betriebsteilübergang nicht ordnungsgemäß im Sinne des § 613 a Abs. 5 BGB unterrichtet hat mit der Folge, dass die einmonatige Widerspruchsfrist gemäß § 613 a Abs. 6 BGB nicht in Lauf gesetzt worden ist. Eine Verwirkung des Widerspruchsrechtes kann nicht festgestellt werden.

a)

Die Klägerin hat dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses form- und fristgerecht widersprochen. Der Widerspruch der Klägerin war nicht verspätet, denn die Beklagte hat die Klägerin mit Schreiben vom 22.10.2004 nicht ordnungsgemäß unterrichtet und die einmonatige Widerspruchsfrist damit nicht in Gang gesetzt (§ 613 a Abs. 6 S. 1 BGB).

Unstreitig hat die Klägerin den Widerspruch gegen den Übergang ihres Arbeitsverhältnisses formgerecht erklärt. Ihr Schreiben vom 04.07.2005 genügt dem Schriftformerfordernis nach § 613 a Abs. 6 S. 1 BGB.

Allerdings setzt nur eine ordnungsgemäße Unterrichtung die Widerspruchsfrist in Gang. Diese Voraussetzung ist vorliegend nicht erfüllt. Wie das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 20.03.2008, 8 AZR 1016/06 (zitiert nach juris), zu dem streitgegenständlichen Unterrichtungsschreiben festgestellt hat, hat die Beklagte die Klägerin nicht ordnungsgemäß über die rechtlichen Folgen des Betriebsübergangs informiert, da nicht hinreichend dargestellt worden ist, dass nach § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB der neue Betriebsinhaber in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen kraft Gesetzes eintritt. Ebenso wurde nicht auf das Haftungssystem nach § 613 a Abs. 2 BGB hingewiesen. Insoweit wird auf die Ausführungen des Bundesarbeitsgerichts, die den Parteien bekannt sind, und denen die erkennende Kammer sich vollinhaltlich anschließt, Bezug genommen.

Abgesehen davon fehlt in dem Unterrichtungsschreiben jegliche Information zu § 613 a Abs.4 BGB. Ausweislich des Inhalts des Unterrichtungsschreibens hat die Beklagte die Klägerin nicht darauf hingewiesen, dass die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den bisherigen Arbeitgeber oder durch den neuen Inhaber wegen des Übergangs eines Betriebes oder eines Betriebsteils unwirksam ist. Ausweislich der Begründung zum Regierungsentwurf (BT-Drucks. 14/7760, S.19) gehören zum Pflichtbestandteil der Unterrichtung gemäß § 613 a Abs.5 Nr.3 BGB auch die kündigungsrechtlichen Folgen des Betriebsübergangs. Dies entspricht auch der überwiegend in der Literatur geäußerten Ansicht (vgl. Hauck, Der Widerspruch beim Betriebsübergang, NZA Sonderbeilage 1/2004, S.43 ff; Grau, a.a.O., m.w.N.). Auch das Bundesarbeitsgericht hat in seiner Entscheidung vom 13.07.2006 darauf hingewiesen, dass zur Unterrichtung über die rechtlichen Folgen des Betriebsübergangs grundsätzlich auch ein Hinweis auf die kündigungsrechtliche Information gehört, so denn Kündigungen im Raum stehen. Ob das Bundesarbeitsgericht insoweit eine Einschränkung der Hinweispflicht vornehmen will, kann vorliegend dahinstehen, denn die Unterrichtung ist bereits wegen der fehlenden Unterrichtung über die Haftung fehlerhaft.

Ob die Beklagte darüber hinaus dazu verpflichtet war, die Arbeitnehmer über die wirtschaftliche Situation der Erwerberin zu unterrichten oder die erfolgten Angaben dazu - mit oder ohne Berücksichtigung der außerhalb des Unterrichtungsschreibens erteilten Informationen - sogar falsch waren, kann vorliegend ebenfalls offen bleiben, da die Unterrichtung aus den bereits vorstehend dargelegten Gründen unvollständig und damit fehlerhaft war.

Der Einwand der Beklagten, das Arbeitsgericht habe unberücksichtigt gelassen, dass der Inhalt des Informationsschreibens in enger Abstimmung mit der Arbeitnehmervertretung verfasst worden sei, ist nicht nachvollziehbar, denn zum einen besteht der Unterrichtungsanspruch des einzelnen Arbeitnehmers als individueller Auskunftsanspruch unabhängig von Unterrichtungsrechten des Betriebsrates, zum anderen wird ein objektiv fehlerhaftes Unterrichtungsschreiben durch Abstimmung mit der Arbeitnehmervertretung nicht inhaltlich richtig.

b)

Der Widerspruch der Klägerin ist nicht verfristet. Aufgrund der fehlerhaften Unterrichtung ist die einmonatige Frist für die Ausübung des Widerspruchsrechtes nicht in Lauf gesetzt worden (vgl. BAG a.a.O.).

Wie bereits dargelegt, ist Folge einer fehlerhaften Unterrichtung nach ganz herrschender Meinung in Literatur und Rechtsprechung, dass die Widerspruchsfrist des § 613 a Abs.6 BGB nicht läuft. Es macht insoweit keinen Unterschied, ob und aus welchen Gründen der Arbeitnehmer überhaupt nicht, nicht ausreichend bzw. ganz oder in Teilen fehlerhaft informiert worden ist. Eine einschränkende Auslegung der Anforderungen für ein Auslösen der Widerspruchsfrist wird weder der Entstehungsgeschichte noch Wortlaut und Systematik von § 613 a Abs.5, 6 BGB gerecht. In der Gesetzesbegründung wird ausdrücklich betont, dass die Erklärungsfrist für den Widerspruch erst nach vollständiger und ordnungsgemäßer Unterrichtung zu laufen beginnt. Wird - wie vorliegend - festgestellt, dass eine fehlerhafte Unterrichtung vorliegt, wird die Widerspruchsfrist somit nicht in Gang gesetzt.

Eine zeitliche Begrenzung des Widerspruchsrechts in Form einer absoluten Ausschlussfrist sieht das Gesetz nicht vor. Eine Analogie zu § 5 Abs.3 S.3 KSchG ist nach herrschender Meinung im Schrifttum unzulässig (vgl. ErfK/Preis, § 613 a BGB Rdnr.96; Staudinger/Annuß, § 613 a BGB, Rdnr.170; Franzen, RdA 2002, S.258; Grau RdA 2005, S.367; Rieble, NZA 2004, S.1).

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist in den Fällen, in denen eine Unterrichtung nicht oder nicht hinreichend stattgefunden hat, § 5 Abs.3 S.2 KSchG nicht entsprechend anzuwenden. Die Berufungskammer folgt dieser in der Literatur geäußerten Mindermeinung nicht.

Eine Analogie in Form einer Gesetzes- oder Rechtsanalogie ist nur möglich, wenn eine planwidrige Regelungslücke und ein vergleichbarer Sachverhalt vorliegt (vgl. BAG, Urteil vom 02.03.2006, 8 AZR 124/05 = BB 2006, 1339). Vorliegend fehlt es in Anbetracht der Entstehungsgeschichte der Neuregelung des § 613 a BGB bereits an einer planwidrigen Regelungslücke. Die änderungsanträge der Fraktionen von CDU/CSU und FDP zur Verankerung einer absoluten Höchstfrist sind diskutiert und schließlich von der Ausschussmehrheit verworfen worden (vgl. BT-Drucks, 14/8128 S.4). Daraus muss der Schluss gezogen werden, dass der Gesetzgeber bewusst davon abgesehen hat, in § 613 a Abs.6 BGB eine zeitliche Ausschlussregelung zu verankern. Die Behauptung der Beklagten, der Antrag der Fraktionen sei gar nicht diskutiert, sondern lediglich deshalb verworfen worden, weil er eben von der Opposition vorgeschlagen worden sei, ist eine Vermutung, die durch keinerlei Tatsachen zu belegen ist. Die Kammer verkennt nicht, dass das Fehlen einer absoluten Höchstfrist insbesondere für die Parteien der Betriebsübertragung risikobehaftet und unter dem Gesichtspunkt von Rechtssicherheit und Rechtsklarheit problematisch ist. Die Rechtsprechung ist jedoch nicht dazu befugt, sich über die gesetzgeberische Entscheidung im Wege der Gesetzes- oder Rechtsanalogie hinwegzusetzen (BAG, a.a.O.).

Schließlich ist zu berücksichtigen, dass der alte und der neue Betriebsinhaber einem derart unbeschränkten Widerspruchsrecht nicht "schutzlos" ausgeliefert sind. So können inhaltlich fehlerhafte oder unvollständige Angaben durch Ergänzung bzw. Ersetzung mit Wirkung für die Zukunft durch die Unterrichtungsschuldner ohne weiteres richtig gestellt werden mit der Folge, dass der Anspruch der Arbeitnehmer aus § 613 a Abs.5 BGB erlischt, wenn die nach dem Gesetz notwendigen Angaben in der Zusammenschau zum ersten Mal vollständig vorliegen (vgl. Grau a.a.O., S.221). Die Unterrichtungsschuldner haben es mithin in der Hand, die Folgen eines Unterrichtungsfehlers zeitlich zu begrenzen. Stellen sie sich - wie vorliegend die Beklagte - auf den Standpunkt, die Unterrichtung sei fehlerfrei erfolgt und holen auch nicht - zumindest vorsorglich - eine fehlerfreie Unterrichtung nach, so müssen sie unter Berücksichtigung des gesetzgeberischen Willens hinnehmen, dass weitere Arbeitnehmer zeitlich unbegrenzt dem Betriebsübergang widersprechen können.

Es ist mithin davon auszugehen, dass der Arbeitnehmer im Falle einer fehlerhaften Unterrichtung von seinem Widerspruchsrecht grundsätzlich unbefristet Gebrauch machen kann. Danach war die Klägerin dazu berechtigt, noch mit Schreiben vom 20.12.2005 ihr Widerspruchsrecht auszuüben.

c)

Das Widerspruchsrecht der Klägerin ist auch nicht verwirkt.

Nach herrschender Meinung findet das Widerspruchsrecht seine Begrenzung in zeitlicher Hinsicht nur durch das allgemeine Rechtsinstitut der Verwirkung (vgl. Grau, a.a.O., S.295 mit einer Vielzahl weiterer Hinweise). Auch das Bundesarbeitsgericht hält - auch nach der neuen Rechtslage - daran fest, dass das Widerspruchsrecht wegen Verwirkung ausgeschlossen sein kann (vgl. BAG, Urteil vom 13.07.2006, 8 AZR 382/05, n.v.). Streitig ist im Einzelnen, wie viel Zeit vergangen sein muss und welche Umstände gegeben sein müssen, damit von einer Verwirkung des Widerspruchsrechts ausgegangen werden kann.

Ein Anspruch verwirkt, wenn der Anspruchsberechtigte erst nach Ablauf eines längeren Zeitraums den Anspruch erhebt (Zeitmoment) und dadurch beim Verpflichteten einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat, er werde nicht mehr in Anspruch genommen (Umstandsmoment). Hierbei muss das Erfordernis des Vertrauensschutzes auf Seiten des Verpflichteten das Interesse des Berechtigten derart überwiegen, dass ihm die Erfüllung des Anspruchs nicht mehr zuzumuten ist (BAG, Urteil vom 22.07.2004, 8 AZR 350/03). Dabei dient die Verwirkung dem Vertrauensschutz und verfolgt nicht den Zweck, den Schuldner stets dann von seiner Verpflichtung zu befreien, wenn dessen Gläubiger längere Zeit seine Rechte nicht geltend gemacht hat (vgl. BAG, Urteil vom 13.07.2006, 8 AZR 382/05, n.v.).

Für die Erfüllung des Zeitmoments sind im Schrifttum zu § 613 a Abs.5, 6 BGB verschiedentlich Mindest- bzw. Höchstfristen genannt worden. Die in Betracht gezogenen Fristen schwanken zwischen 1 Monat und 1 Jahr. Eine Festlegung auf abstrakte Fristen ist nach Auffassung der Berufungskammer jedoch ausgeschlossen, weil sich die Tatsache, ab wann ein Untätigsein als vertrauensbildend und damit als für eine Verwirkung relevant gewertet werden kann, letztlich nur bei einzelfallbezogener Abwägung der Umstände ermitteln lässt. Der Verwirkungstatbestand ist als außerordentlicher Rechtsbehelf ein Fall der unzulässigen Rechtsausübung. In der illoyal verspäteten Geltendmachung eines Rechts liegt ein Verstoß gegen Treu und Glauben (vgl. Palandt/Heinrichs, § 242 BGB Anm. 87). Die Frage des Rechtsmissbrauchs lässt sich daher nur für den Einzelfall klären. Eine schematisierende Betrachtungsweise wird dem nicht gerecht (BAG, Urteil vom 20.05.1988, 2 AZR 711/87 = DB 1988, 2156). Zur Bestimmung der Dauer des Zeitmoments ist daher nicht auf eine starre Höchst- oder Regelfrist abzustellen, sondern auf die konkreten Umstände des Einzelfalls (BAG, Urteil vom 27.01.2000, 8 AZR 106/99, n.v.). Auch das Bundesarbeitsgericht hat nunmehr eine Höchstfrist, beispielsweise von sechs Monaten, abgelehnt (vgl. BAG, Urteil vom 13.07.2006, 8 AZR 382/05, n.v.).

Für die Beantwortung der Frage, ob das Zeitmoment erfüllt ist, ist zunächst zu klären, ab wann der Lauf des Zeitmoments überhaupt beginnt. Dabei ist als wesentliches Kriterium zu berücksichtigen, dass die Widerspruchsfrist nach § 613 a Abs.6 BGB nicht mehr - wie nach der früheren Rechtsprechung zu § 613 a BGB - an die Kenntnis des Arbeitnehmer vom Betriebsübergang anknüpft, sondern an die Unterrichtung nach Abs. 5. Unter Berücksichtigung dieses sich daraus ergebenden Gesetzeszweckes, nämlich das Interesse des Arbeitnehmers an einer hinreichenden Informationsbasis für die Ausübung der Widerspruchsentscheidung und dem Ziel des Gesetzgebers, die ordnungsgemäße Unterrichtung des Arbeitnehmers durch ein ansonsten unbefristetes Widerspruchsrecht "abzusichern", kann nach Auffassung der Berufungskammer das Zeitmoment nicht - wie die Beklagte meint - ab dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs, sondern - wenn überhaupt - frühestens ab dem Zeitpunkt beginnen, zu dem der Arbeitnehmer Kenntnis davon erlangt, dass die Unterrichtung fehlerhaft war (so auch Willemsen/Müller-Bonanni in Arbeitsrecht Komm., § 613 a BGB Rdnr.340).

Diese Auffassung wird durch die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 24.05.2005, 8 AZR 398/04 (= NZA 2005, 1302) gestützt. In dieser Entscheidung hat das Bundesarbeitsgericht ausgeführt, die unvollständige Unterrichtung nach § 613 a Abs.5 BGB hindere den Lauf der Widerspruchsfrist gemäß § 613 a Abs.6 S.1 BGB. Dadurch sei der Arbeitnehmer ausreichend geschützt, er sei nicht "im Zugzwang". Er könne abwarten und z.B. seinen Unterrichtungsanspruch nach § 613 a Abs.5 BGB verfolgen. Es bestehe kein Grund für ihn, das Widerspruchsrecht auf einer unzureichenden Tatsachenbasis auszuüben. Ist somit die Auffassung richtig, dass der Arbeitnehmer bei einer unvollständigen Unterrichtung - in Kenntnis des Betriebsübergangs - nicht "im Zugzwang" ist, sondern abwarten darf, kann der Lauf des Zeitmoments der Verwirkung frühestens ab Kenntnis des Arbeitnehmers von der Unvollständigkeit der Unterrichtung beginnen.

Der dieser Bewertung zugrunde liegende Rechtsgedanke ergibt sich auch aus § 124 BGB. Nach § 124 BGB beginnt die Jahresfrist für die Anfechtung im Falle der arglistigen Täuschung in dem Zeitpunkt, in welchem der Anfechtungsberechtigte die Täuschung entdeckt. Dieser Rechtsgedanke übertragen auf das Widerspruchsrecht bedeutet, dass das Zeitmoment für die Verwirkung in dem Zeitpunkt beginnt, in dem der Arbeitnehmer die Fehlerhaftigkeit der Unterrichtung entdeckt. Die Übertragung des Rechtsgedankens des § 124 BGB auf den Beginn des Zeitmoments für die Verwirkung des Widerspruchsrechtes wird nach Auffassung der Kammer sowohl der gesetzgeberischen Intention, den Arbeitgeber zu einer vollständigen und richtigen Unterrichtung anzuhalten, gerecht als auch dem Grundsatz, dass jedes Recht der Verwirkung unterliegt. Schließlich führt die Auffassung, das Zeitmoment bereits ab dem Betriebsübergang beginnen zu lassen, entgegen dem gesetzgeberischen Willen, dem Arbeitnehmer bei fehlerhafter Unterrichtung ein unbefristetes Widerspruchsrecht zu gewähren, im Endeffekt dazu, durch das Zeitmoment der Verwirkung doch eine Höchstfrist für den Widerspruch einzuführen.

Entgegen der Auffassung der Beklagten besteht für einen Arbeitnehmer keine Pflicht, sich zeitnah nach Erhalt des Widerspruchschreibens durch Einholen von Rechtsrat darüber informieren zu lassen, ob das Informationsschreiben den rechtlichen Anforderungen genügt oder nicht, um sich die erforderliche Kenntnis zu verschaffen. Er darf sich zunächst darauf verlassen, dass die ihm erteilten Auskünfte richtig und vollständig sind. Die Pflicht zur ordnungsgemäßen und fehlerfreien Unterrichtung liegt insofern in der Risikosphäre des Arbeitgebers. Dies ergibt sich - wie bereits ausgeführt - aus dem gesetzgeberischen Willen, die Widerspruchsfrist erst dann beginnen zu lassen, wenn die Unterrichtung fehlerfrei erfolgt ist und der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 13.07.2006 (8 AZR 303/05), dem Unterrichtungspflichtigen eine angemessene und gewissenhafte Prüfung der Rechtslage aufzuerlegen.

Welche Anforderungen an die Kenntnis des Arbeitnehmers zu stellen sind, d.h. ob die Kenntnis der Fehlerhaftigkeit an sich ausreicht oder ob positive Kenntnis darüber vorliegen muss, worin die Fehlerhaftigkeit besteht, kann vorliegend offen bleiben. Die Darlegungs- und Beweislast für das Eingreifen des Verwirkungstatbestandes, mithin auch für das Vorliegen des Zeitmoments, obliegt der Beklagten. Die Beklagte hat keine Umstände dafür vorgetragen, dass die Klägerin vor Geltendmachung ihres Informationsanspruchs mit Schreiben vom 04.07.2005 Kenntnis von der Fehlerhaftigkeit des Unterrichtungsschreibens hatte und dennoch einen längeren Zeitraum zugewartet hat. Die Klägerin hat ihren ihr nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgericht zustehenden Informationsanspruch (vgl. dazu BAG, Urteil vom 24.05.2005 a.a.O.) mit Schreiben vom 04.07.2005, mithin ca. sechs Wochen nach Stellung des Insolvenzantrages durch die B. Photo GmbH, geltend gemacht. Erst zu diesem Zeitpunkt konnten bei den Arbeitnehmern Zweifel dahingehend aufkommen, dass die Unterrichtung möglicherweise fehlerhaft gewesen sein könnte. Die Klägerin hat danach sehr zeitnah reagiert.

Nach Auffassung der Berufungskammer ist der Zeitablauf zwischen dem Schreiben vom 04.07.2005 und dem Widerspruchsschreiben vom 20.12.2005 unschädlich, denn eine Verwirkung gilt bereits dann als ausgeschlossen, wenn der Berechtigte in irgend einer Weise zu erkennen gibt, dass er möglicherweise auf seinem Recht besteht (vgl. Grau, a.a.O. S.303 m.w.N.). Mit ihrem Schreiben vom 04.07.2005 hat die Klägerin ausdrücklich erklärt, dass sie sich die Ausübung des Widerspruchrechtes nach Eingang der weiteren Informationen vorbehält. Für die Beklagte war damit deutlich erkennbar, dass die Klägerin zunächst ein Handeln der Beklagten erwartete, um danach ihre Entscheidung zu treffen. Damit hat die Klägerin auf Seiten der Beklagten einen vertrauenszerstörenden Umstand gesetzt. Bei dieser Sachlage konnte die Beklagte gerade nicht davon ausgehen, die Klägerin werde - ohne ein Handeln ihrerseits - ihr Recht nicht mehr geltend machen. Dennoch hat die Beklagte das Schreiben der Klägerin unbeantwortet gelassen und offensichtlich gehofft, die Klägerin werde ihr Recht nicht weiter verfolgen, so dass sie - die Beklagte - sich nach einem gewissen Zeitablauf auf eine Verwirkung des Rechts berufen könnte. Wie bereits ausgeführt verfolgt das Rechtsinstitut der Verwirkung jedoch nicht den Zweck, den Schuldner aufgrund Zeitablaufs von seiner Verpflichtung zu befreien, sondern dient dem Vertrauensschutz. Auf einen Vertrauensschutz kann die Beklagte sich unter den gegebenen Umständen gerade nicht berufen. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte es in der Hand gehabt hätte, durch eine Beantwortung des Schreibens der Klägerin - selbst wenn es nur der Hinweis gewesen wäre, sie halte ihre erteilten Informationen für richtig und vollständig - den Tatbestand der Verwirkung herbeizuführen, wenn die Klägerin sodann trotzdem untätig geblieben wäre.

Selbst wenn der Zeitraum von ca. fünf Monaten zwischen der Aufforderung der Klägerin, sie vollständig zu informieren und der Erklärung des Widerspruchs für die Bejahung des Zeitmoments ausreichen würde, fehlt es jedenfalls an dem Umstandsmoment.

Das Umstandsmoment muss so beschaffen sein, dass der bisherige und der neue Betriebsinhaber im Zusammenspiel mit dem Zeitmoment berechtigt darauf vertrauen dürfen, der Arbeitnehmer werde sich dem in § 613 a Abs. 1 S.1 BGB angeordneten Vertragspartnerwechsel nicht mehr durch einen Widerspruch widersetzen (vgl. Grau, a.a.O. S.302). Das Vorliegen des Zeitmomentes indiziert dabei nicht das sogenannte Umstandsmoment, sondern es bedarf darüber hinausgehender besonderer Umstände für die berechtigte Erwartung des Schuldners, dass er nicht mehr in Anspruch genommen wird. Zum Zeitablauf müssen daher besondere Umstände sowohl im Verhalten des Berechtigten als auch des Verpflichteten hinzukommen. Dabei ist im Hinblick auf das Widerspruchsrecht ein besonders strenger Maßstab anzulegen, denn schließlich haben es der neue und der alte Arbeitgeber in der Hand, durch vollständige und ordnungsgemäße Unterrichtung die Widerspruchsfrist in Gang zu setzen. Informieren sie - ob bewusst oder unbewusst - fehlerhaft, müssen schon besondere Umstände vorliegen, damit ein Vertrauen dahingehend entstehen kann, der Arbeitnehmer werde trotz des Informationsdefizits dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses nicht widersprechen (so auch LAG München, Urteil vom 30.06.2005, 2 Sa 1169/04 = LAGE § 613 a BGB 2002 Nr.7).

Die tatsächliche Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit dem neuen Arbeitgeber reicht angesichts der im Falle der fehlerhaften Unterrichtung nicht laufenden Widerspruchsfrist nicht aus, um daraus auf eine Zustimmung des Arbeitnehmers zum Arbeitgeberwechsel zu schließen. Dies ergibt sich bereits als Konsequenz aus der gesetzlich zwingend vorgeschriebenen Überlegungsfrist, die in Fällen fehlerhafter Unterrichtung eben noch nicht läuft. Die Tatsache der Vertragsfortführung mit dem neuen Betriebsinhaber kann mithin grundsätzlich vor Ablauf der Widerspruchsfrist nicht als Zustimmung des Arbeitnehmers zum Arbeitgeberwechsel oder als stillschweigender Widerspruchsrechtsverzicht gewertet werden mit der Folge der Erfüllung des Umstandsmomentes der Verwirkung. In diesem Fall ist mit der Weiterarbeit kein irgendwie gearteter Erklärungsinhalt verbunden. Zu Recht hat die Klägerin darauf hingewiesen, dass sie damit nur ihrer Arbeitspflicht nachgekommen ist. Zudem stellt die Weiterarbeit beim Erwerber eine geeignete Maßnahme dar, den Vorwurf des böswilligen Unterlassens anderweitigen Erwerbs gemäß § 615 S.2 BGB zu vermeiden. Schließlich hat die Beklagte die Klägerin selbst mit dem Unterrichtungsschreiben darauf hingewiesen, im Falle des Widerspruchs müsse sie damit rechnen, ihren Arbeitsplatz ohne jede finanzielle Leistung zu verlieren. Außerdem seien bei einer eventuellen Arbeitslosigkeit nach einem Widerspruch ihre Ansprüche auf Leistungen der Agentur für Arbeit in Frage gestellt. Angesichts dieser Hinweise verhält die Beklagte sich widersprüchlich, wenn sie sich nunmehr darauf beruft, die Klägerin habe durch ihre Weiterarbeit bei der Erwerberin ihr Widerspruchsrecht verwirkt. Die Beklagte kann sich auch aus diesem Grund nach dem Grundsatz von Treu und Glauben nicht auf eine Verwirkung berufen.

Durch die Nichterhebung einer Kündigungsschutzklage hat die Klägerin ebenfalls kein im Rahmen der Verwirkung zu berücksichtigendes Umstandsmoment gesetzt. Aus der Erhebung oder Nichterhebung einer Kündigungsschutzklage kann nach Auffassung der Berufungskammer nicht ein Schluss darauf gezogen werden, ob der Arbeitnehmer die Erwerberin als seine Vertragspartnerin akzeptiert hat oder nicht. Zu einer Kündigungsschutzklage ist der Arbeitnehmer verpflichtet, um die Rechtsfolgen der §§ 4, 7 KSchG im Verhältnis zur Erwerberin zu vermeiden. Wenn er bei der hier gegebenen unklaren Rechtslage eine rechtliche Möglichkeit wahrnimmt, sein etwaiges Arbeitsverhältnis mit der Erwerberin zu erhalten, ist darin kein vertrauensbegründender Umstand zugunsten des Veräußerers zu sehen, er werde sein Widerspruchsrecht nicht mehr ausüben (vgl. dazu auch LAG Düsseldorf, Urteil vom 18.01.2007, 5 Sa 1062/06). Die Klägerin hat vorliegend unter den gegebenen Umständen diese ihr zustehende rechtliche Möglichkeit nicht wahrgenommen. Diesem Verhalten kommt kein weiterer Erklärungswert hinsichtlich des noch bestehenden Widerspruchsrechts zu. Sie hat damit lediglich das rechtliche Risiko in Kauf genommen, dass ihr Arbeitsverhältnis zur Erwerberin - so diese ihre Arbeitgeberin geworden sein sollte - durch die nicht angegriffene Kündigung beendet ist.

Dieses Ergebnis wird auch durch eine "Kontrollüberlegung" bestätigt. Hätte die Klägerin nämlich eine Kündigungsschutzklage erhoben, so hätte die Beklagte sich - wie sie dies in anderen Verfahren getan hat - darauf berufen, die Klägerin habe die Erwerberin als Arbeitgeberin akzeptiert, weil sie eine Kündigungsschutzklage erhoben habe. Bereits diese Überlegung zeigt, dass aus der Erhebung oder Nichterhebung einer Kündigungsschutzklage gegen eine Kündigung des Erwerbers kein Erklärungswert hinsichtlich der Ausübung eines noch bestehenden Widerspruchsrechts hergeleitet werden kann.

Letztlich ist auch nicht einzusehen, warum die Klägerin gegen eine Kündigung, die voraussichtlich berechtigt wäre, wenn die Erwerberin ihre Arbeitgeberin geworden sein sollte, vorgehen muss, um sich ihre Rechte gegenüber der Veräußerin zu erhalten. Nach Auffassung der Berufungskammer darf sie sich auf den Standpunkt stellen, dass diese Kündigung berechtigt wäre, ohne ihre Rechte gegenüber der Veräußerin zu verlieren. Eine andere Betrachtungsweise würde dazu führen, dass die Klägerin die Kosten für ein Kündigungsschutzverfahren tragen müsste, dass nach ihrer eigenen Einschätzung - immer unter der Voraussetzung, dass die Erwerberin ihre Arbeitgeberin geworden ist - nicht zu ihren Gunsten ausgehen kann, weil auf Seiten der Erwerberin ein betriebsbedingter Kündigungsgrund gegeben ist.

Da der Beklagten die Nichterhebung der Kündigungsschutzklage durch die Klägerin zudem zunächst nicht bekannt war, kann sie sich jedenfalls im Rahmen der Verwirkung nicht darauf berufen, die Klägerin habe durch die ihr nicht einmal bekannte Nichterhebung einer Kündigungsschutzklage gegen die Kündigung der Erwerberin den Vertrauenstatbestand geschaffen, sie werde nicht mehr zur Beklagten durch Ausübung ihres Widerspruchsrechts zurückkehren. Nach Auffassung der Berufungskammer kann sich auf den Tatbestand der Verwirkung nur derjenige berufen, der aufgrund bestimmter, vom Berechtigten gesetzter Umstände selbst das Vertrauen gebildet hat, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden.

Selbst wenn der Beklagten die von der Erwerberin ausgesprochene Kündigung sowie die Nichterhebung der Kündigungsschutzklage durch die Klägerin bekannt gewesen wäre, durfte sie sich wegen der objektiv festgestellten falschen Unterrichtung nicht darauf verlassen, die Klägerin werde ihr Widerspruchsrecht nicht mehr ausüben, denn ein Vertrauen kann dann nicht als schutzwürdig erachtet werden, wenn zuvor ein pflichtwidriges Verhalten des Vertrauenden vorgelegen hat. Wie bereits ausgeführt ist Sinn und Zweck der Unterrichtung, dem Arbeitnehmer eine ausreichende Wissensgrundlage für die Ausübung oder Nichtausübung seines Widerspruchsrechts zu geben. Der Arbeitnehmer soll auf der Grundlage der erteilten Informationen die Folgen des Betriebsübergangs für sich abschätzen können. Ist die Unterrichtung fehlerhaft, liegt eben diese erforderliche Wissensgrundlage nicht vor. Das Risiko der sodann nicht laufenden Widerspruchsfrist muss der Arbeitgeber, der zur wahrheitsgemäßen Unterrichtung verpflichtet ist, unabhängig davon, ob ihm die Fehlerhaftigkeit der Unterrichtung bekannt ist, tragen. Schließlich hat der Arbeitgeber es in der Hand, die Unterrichtung ordnungsgemäß zu erteilen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Arbeitnehmer - wie vorliegend die Klägerin - sogar darum gebeten hat, sie ordnungsgemäß zu unterrichten, die Beklagte dieses Schreiben jedoch schlicht ignoriert.

Danach ist das Widerspruchsrecht der Klägerin nicht verwirkt.

Im Ergebnis ist damit festzustellen, dass die Klägerin dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf die Erwerberin rechtzeitig und ordnungsgemäß widersprochen hat mit der Folge, dass das Arbeitsverhältnis zur Beklagten fortbesteht.

d)

Durch die Nichterhebung einer Kündigungsschutzklage gegen die von der Erwerberin ausgesprochene Kündigung hat die Klägerin auch keinen Verzicht auf ihr Widerspruchsrecht erklärt.

Da eine ausdrückliche Verzichtserklärung der Klägerin auf die Ausübung ihres Widerspruchsrechts nicht vorliegt, könnte in dem Nichtangreifen der Kündigung allenfalls eine konkludente Verzichtserklärung der Klägerin gesehen werden, wobei bereits zweifelhaft ist, ob ein konkludenter Verzicht angesichts des für die Widerspruchserklärung bestehenden Schriftformerfordernis möglich ist. Diese Frage kann vorliegend jedoch offen bleiben.

Wie bereits ausgeführt, kommt nach Auffassung der Berufungskammer der Erhebung oder Nichterhebung einer Kündigungsschutzklage kein Erklärungswert hinsichtlich der Frage zu, ob das Widerspruchsrecht noch ausgeübt werden soll oder nicht. Aus der Nichterhebung einer Kündigungsschutzklage kann allenfalls ein Verzicht auf ein - möglicherweise - zur Erwerberin bestehendes Arbeitsverhältnis hergeleitet werden. Insbesondere im Hinblick auf die Rückwirkung des Widerspruchs ist der Arbeitnehmer dadurch jedoch nicht gehindert, seinen etwaigen Anspruch auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit dem Veräußerer weiter zu verfolgen.

e)

Die Klägerin hat ihr Widerspruchsrecht auch unter Berücksichtigung des Rechtsgedankens des § 613 a BGB nicht rechtsmissbräuchlich ausgeübt. Entgegen der Auffassung der Beklagten kann der Klägerin nicht unterstellt werden, sie habe ihr Widerspruchsrecht nur ausgeübt, um daraus ungerechtfertigte Vorteile zu ziehen. Dies gilt auch im Hinblick darauf, dass die Klägerin - nach Ausübung ihres Widerspruchs - ein neues Arbeitsverhältnis eingegangen ist. Unter den hier gegebenen Umständen handelt ein Arbeitnehmer bei Abschluss eines neuen Arbeitsvertrages in der Wahrnehmung berechtigter Interessen, insbesondere im Hinblick auf § 615 S. 2 BGB. In einem solchen Fall kann aus dem Abschluss eines neuen Arbeitsvertrages nicht der Rückschluss gezogen werden, der Arbeitnehmer habe keinen Rückkehrwillen und "verdiene" daher nicht den Schutz des § 613 a BGB. Dies gilt vorliegend insbesondere unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Klägerin seit über 30 Jahren bei der Beklagten beschäftigt ist und schon im Hinblick auf den erworbenen Bestandsschutz ein erhebliches Interesse am Fortbestand des Arbeitsverhältnisses zur Beklagten haben kann. Ein Rückkehrwille kann der Klägerin auch unter Berücksichtigung der Ankündigung der Beklagten, sie müsse für den Fall ihres Widerspruchs mangels Weiterbeschäftigungsmöglichkeit mit einer Kündigung seitens der Beklagten rechnen, nicht abgesprochen werden. Bei dieser Mitteilung handelt es sich um eine Behauptung der Beklagten. Ob tatsächlich keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit - ggf. zu geänderten Bedingungen - besteht, kann die Klägerin bei Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses gerichtlich überprüfen lassen.

Unter diesen Umständen kann auch unter Berücksichtigung des neuen Arbeitsverhältnisses nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin keinen Rückkehrwillen hat und ihr Widerspruchsrecht rechtsmissbräuchlich ausübt. Eine andere Bewertung würde nach Auffassung der Berufungskammer zu dem nicht vertretbaren Ergebnis führen, dass der Arbeitnehmer, der im Rahmen seiner "Schadensminderungspflicht" ein neues Arbeitsverhältnis eingeht und damit sogar die Zahlungsverpflichtungen der Beklagten mindert, seines Widerspruchsrechts verlustig geht und derjenige, der untätig bleibt, sein Widerspruchsrecht behält.

Im Ergebnis ist damit festzustellen, dass die Klägerin dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf die Erwerberin rechtzeitig und ordnungsgemäß widersprochen hat mit der Folge, dass das Arbeitsverhältnis zur Beklagten fortbesteht.

Der Berufung war mithin stattzugeben, soweit die Klägerin die Feststellung begehrt hat, dass zwischen den Parteien ein Anstellungsverhältnis besteht.

IV.

Die Revision war gemäß § 72 Abs.2 Nr.1 ArbGG zuzulassen, da entscheidungserhebliche Rechtsfragen vorliegen, die grundsätzliche Bedeutung haben, für die Einheitlichkeit der Rechtsordnung von allgemeiner Bedeutung und höchstrichterlich noch nicht entschieden sind.

Ende der Entscheidung

Zurück