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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 30.03.2001
Aktenzeichen: 7 Ta 108/01
Rechtsgebiete: ArGG, ZPO


Vorschriften:

ArGG § 49 Abs. 3
ZPO §§ 42 ff
Die Unanfechtbarkeit einer Entscheidung im arbeitsgerichtlichen Verfahren, die sich über die Ablehnung von Gerichtspersonen verhält (§ 49 Abs. 3 ArbGG), gilt auch für den Fall, dass das Ablehnungsgesuch unter Mitwirkung des abgelehnten Richters als rechtsmissbräuchlich verworfen wird ( wie LAG Rheinland- Pfalz EzA § 49 ArbGG Nr.
LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

Geschäftsnummer: 7 Ta 108/01

In dem Rechtsstreit

hat die 7. Kammer des Landesarbeitsgericht Düsseldorf am 30.03.2001 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Rummel

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Essen vom 13.02.2001 wird kostenpflichtig als unzulässig verworfen.

Beschwerdewert: 30.000,00 DM.

Gründe:

A.

Die Beschwerde des Klägers richtet sich gegen einen Beschluss des Arbeitsgerichts, mit dem sein gegen den Kammervorsitzenden angebrachtes Ablehnungsgesuch zurückgewiesen worden ist.

Der Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Mit Telefax seiner Anwälte vom 02.02.2001 hatte der Kläger den Antrag gestellt, die mit Beschluss des Vorsitzenden vom 14.11.2000 getroffene Anordnung seines persönlichen Erscheinens zum Kammertermin vom 13.02.2001 aufzuheben, weil er an diesem Tag einen wichtigen geschäftlichen Termin in Warschau zwecks Anbahnung wirtschaftlicher Kontakte wahrzunehmen habe.

Mit Schreiben vom 06.02.2001, das bei den Anwälten am 09.02.2001 einging, wies der Vorsitzende darauf hin, dass der Termin bestehen bleibe. Als Begründung wurde angeführt:

"Da der Termin bereits am 14.11.2000 - also vor fast drei Monaten (!) - anberaumt worden ist, hätte Ihr Mandant eine eventuell bereits seinerzeit bestehende Terminskollision dem Gericht entweder vor Monaten mit der Bitte um Terminsverlegung schriftlich mitteilen müssen oder aber unbedingt dafür Sorge tragen müssen, dass er sich den 13.02.2001 von sonstigen Terminen freihält und den Termin vor dem Arbeitsgericht wahrnehmen kann. Im Übrigen geht es im Kammertermin um den Bestand des Arbeitsverhältnisses Ihres Mandanten, sodass auch gar nicht vorstellbar ist, dass ein "geschäftlicher Termin" etwa wichtiger sein könnte!"

Dem wurde folgender unterstrichener Hinweis hinzugefügt:

"Da Anträge der vorliegenden Art mit ähnlich lautenden Begründungen von Ihrer Kanzlei in letzter Zeit leider häufiger kurz vor dem Terminstag bei dem hiesigen Gericht gestellt worden sind, darf ich Sie bei dieser Gelegenheit ebenso höflich wie dringend ersuchen, Ihre Mandanten, wenn deren persönliches Erscheinen angeordnet ist, stets dahingehend zu bescheiden, dass ihr Erscheinen zum Termin unabwendbar erforderlich ist, sofern nicht lediglich ein unwiderruflicher Vergleich geschlossen oder die Klage zurückgenommen werden soll..."

Mit Telefax vom 13.02.2001, das zwei Stunden vor dem Termin beim Arbeitsgericht ankam, lehnte der Kläger den Vorsitzenden wegen Befangenheit ab.

Zur Begründung wurde ausgeführt, der Hinweis in dem gerichtlichen Schreiben stelle eine herabsetzende Äußerung gegenüber den Prozessbevollmächtigten dar. Zudem sei die dortige Angabe, solche kurzfristigen Anträge seien in letzter Zeit häufiger vorgekommen, unzutreffend. Dies sei lediglich in einem weiteren Verfahren geschehen. Dort sei der Mandant allerdings entschuldigt nicht erschienen. Ohnehin sei das persönliche Erscheinen der Parteien in jeden Rechtsstreit ohne nachvollziehbaren Grund angeordnet gewesen. In der vorliegenden Sache verstärke sich der Eindruck der fehlenden Neutralität des Richters ihm gegenüber dadurch, dass er die Sache nach Widerruf eines Vergleichs länger als 2 1/2 Monate unbearbeitet gelassen habe. Möglicherweise bearbeite der Richter Angelegenheiten, in denen seine Bevollmächtigten als Bevollmächtigte aufträten, besonders zögerlich. Insoweit verweist er auf ein weiteres Verfahren, das nach einem Vergleichswiderruf ebenfalls mehrere Monate unbearbeitet geblieben sei.

Die Kammer in der Besetzung mit dem abgelehnten Vorsitzenden wies den Befangenheitsantrag noch vor der Sitzung zurück. Von der erfolgten Zurückweisung gab der Vorsitzende der Gegenseite vor Eintritt in die mündliche Verhandlung Kenntnis, die daraufhin ein Versäumnisurteil gegen den Kläger beantragte, das antragsgemäß erging.

In den Gründen des Beschlusses wird ausgeführt: Es habe sich um den Fall der rechtsmissbräuchlichen Ablehnung gehandelt, denn mit dem - bezeichnenderweise - erst kurz vor dem Termin, nämlich am 13. Februar 2001 um 10.58 Uhr, also zwei Stunden vor dem anstehenden Termin, bei Gericht per Telefax eingereichten Ablehnungsgesuch werde offenkundig nur der Zweck verfolgt, die Durchführung des Termins zu verhindern und damit das Verfahren zu verzögern. Rechtsmissbräuchliche Ablehnungsanträge könne das Gericht in alter Besetzung als unzulässig verwerfen.

Gegen diesen Beschluss hat der Kläger Beschwerde eingelegt.

Die Beschwerde sei trotz des in § 49 Abs. 3 ArbGG festgelegten Anfechtungsausschlusses zulässig. Die gesetzliche Regelung betreffe nicht den hier vorliegenden Fall, dass das Gericht unter Einschluss des abgelehnten Richters ein Ablehnungsgesuch als unzulässig zurückweise. Unabhängig hiervon sei die Beschwerdemöglichkeit auch deshalb gegeben, weil das Arbeitsgericht ihm für die unterstellten Verschleppungsabsichten kein rechtliches Gehör gewährt und die von ihm jetzt vorgebrachten Gesichtspunkte nicht berücksichtigt habe.

In der Sache wendet er sich gegen die Feststellung des Arbeitsgerichts, das Ablehnungsgesuch sei "offenkundig zum Zweck erfolgt, die Durchführung des Termins zu verhindern und damit das Verfahren zu verzögern". In diesem Zusammenhang weist er darauf hin, dass er vernünftige und nachvollziehbare Gründe für das Ablehnungsgesuch angeführt habe.

B.

Nach ausdrücklicher gesetzlicher Regelung (§ 49 Abs. 3 ArbGG) unterliegt im arbeitsgerichtlichen Verfahren eine Entscheidung, die sich über die Ablehnung von Gerichtspersonen verhält, keiner Anfechtung. Die Unanfechtbarkeit gilt auch für den hier vorliegenden Fall, dass - was grundsätzlich rechtlich zulässig ist (vgl. Baum-bach-Hartmann, Zivilprozessordnung, 59. Aufl., § 42 Rdn. 7 m.w.N.; Germelmann/ Matthes/Prütting, Arbeitsgerichtsgesetz, 3. Aufl., § 49 Rdn. 31 f.) - das Ablehnungsgesuch unter Mitwirkung des abgelehnten Richters als rechtsmissbräuchlich verworfen wird (so bereits Beschluss der Beschwerdekammer vom 27.11.2000 - 7 Ta 444/00 -; ebenso: LAG Rheinland-Pfalz EzA Nr. 2 zu § 49 ArbGG 1979 Germelmann/Matthes/Prütting, a.a.O., Rdn. 47; GK/ArbGG-Dörner, § 49 Rdn. 43). Diese Auffassung ist allerdings nicht unbestritten. Der gegenteiligen Auffassung (Baumbach-Hartmann, a.a.O., § 46 Rdn. 10; Zöller-Voll kommer, Zivilprozessordnung, 22. Aufl., § 46 Rdn. 22; Vollkommer in Anm. zu LAG Rheinland-Pfalz a.a.O.) kann indes nicht gefolgt werden.

Der Gesetzeswortlaut gibt für eine einschränkende Auslegung nichts her. Entgegen der von den abweichenden Kommentatoren vertretenen Ansicht ist eine Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs wegen Rechtsmissbrauchs eine "Entscheidung über die Ablehnung". Vor allem verbietet der Gesetzeszweck, das Verfahren zu beschleunigen, eine solche einschränkende Auslegung. Denn sonst könnte dieser Gesetzeszweck gerade in den gravierenden Fällen einer rechtsmissbräuchlichen Vorgehensweise des Antragstellers - dass in der Einschätzung der Beschwerdekammer hier ein solcher Fall vorliegt, soll damit nicht gesagt sein - nicht zum Tragen komme. Vollkommer meint (a.a.O.), der Beschleunigungszweck könne durch eine Anfechtung der Entscheidung, an der der abgelehnte Richter selbst mitgewirkt hat, nicht berührt sein, weil bei einer solchen das Gesuch verwerfenden Entscheidung der Ausgang eines Beschwerdeverfahrens nicht abgewartet zu werden brauchte. Abgesehen davon, dass diese Auffassung nicht unbestritten ist, trifft diese Einschätzung auch nicht für alle Fälle zu. Falls das Beschwerdegericht die Rechtsmissbräuchlichkeit anders sehen sollte, wäre im Regelfall das Verfahren an das Arbeitsgericht zur erneuten Entscheidung über das Ablehnungsgesuch durch die zuständige Kammer unter Heranziehung des Vertreters des abgelehnten Richters zurückzuverweisen. In diesem Fall müsste der erstinstanzliche Rechtsstreit zunächst unterbrochen werden. Weiterungen ergäben sich in diesem Fall vor allem dann, wenn das Arbeitsgericht bereits vor Ab-schluss des Beschwerdeverfahrens eine Entscheidung gefällt hat. Die Entscheidung wäre stets mit einem Anfechtungsgrund behaftet.

Etwas Anderes gilt auch nicht wegen Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG. Wenn über die Frage eines rechtsmissbräuchlichen Ablehnungsgesuchs die Kammer unter Einschluss des abgelehnten Richters entscheiden darf, ist sie insoweit der gesetzliche Richter. Daran kann sich nichts dadurch ändern, dass die Entscheidung zu Lasten des Ablehnenden hinsichtlich des Rechtsmissbrauchs unrichtig ausfallen kann (so auch LAG Rheinland-Pfalz, a.a.O., unter II 4 der Gründe).

Anders liegt der von dem Kläger herangezogene Fall, dass über das Ablehnungsgesuch allein der Vorsitzende des Arbeitsgerichts entscheidet. Eine solche Entscheidung ist generell unzulässig (§ 49 Abs. 1 ArbGG: "entscheidet die Kammer"). Hier wird in der Tat der gesetzliche Richter entzogen. Außerdem ist eine Anfechtungsmöglichkeit gegen eine solche Entscheidung auch aus dem Grunde eröffnet, weil die Entscheidung greifbar gesetzeswidrig ist (LAG Köln LAGE § 49 ArbGG Nr. 6; Germelmann/Matthes/Prütting, a.a.O., Rdn. 47; Grunsky, Arbeitsgerichtsgesetz, 7. Aufl., § 49, Rdn. 10; siehe auch den Beschluss der Beschwerdekammer vom 16.11.2000 - 7 (15) Ta 384/00 - sowie BAG AP nr. 1 zu § 45 ZPO).

Das Rechtsmittel kann auch als außerordentliche Beschwerde wegen greifbarer Gesetzeswidrigkeit der angegriffenen Entscheidung keinen Erfolg haben.

Auf einen solchen Ausnahmefall krassen Unrechts (vgl. statt aller: BAGE 88, 259) stützt der Kläger das Rechtsmittel selbst nicht. Ein solcher Fall liegt auch nicht vor. Der Kläger begründet die Beschwerde damit, dass das Arbeitsgericht zu Unrecht angenommen habe, dass das Ablehnungsgesuch offenkundig zum Zweck erfolgt sei, die Durchführung des Termins zu verhindern und damit das Verfahren zu verzögern. Dieser rechtliche Ausgangspunkt des Arbeitsgerichts ist zutreffend. Was die Subsumtion angeht, ist die Entscheidung jedenfalls nicht unvertretbar.

Das äußere Bild, wie es sich für das Arbeitsgericht bei seiner Entscheidung über das Ablehnungsgesuch darstellte - Eingang des Antrags erst zwei Stunden vor dem Termin -, spricht in der Tat zunächst für eine Verzögerungsabsicht. Dies gilt jedenfalls unter Berücksichtigung des weiteren Umstandes, dass der Prozessbevollmächtigte angezeigt hatte, zu dem Termin erst gar nicht zu erscheinen, obwohl er damit rechnen musste, dass eine Entscheidung über das Ablehnungsgesuch - aus seiner Sicht unter Hinzuziehung des Vertreters des Vorsitzenden - vor Beginn des Termins ergehen und das Verfahren dann gegebenenfalls fortgesetzt würde. Zwar könnten die von dem Kläger angeführten Ablehnungsgründe gegen eine Verzögerungsabsicht sprechen. Allerdings ist dies nicht zwingend. Wenn das Arbeitsgericht davon nicht überzeugt war und die Ablehnungsgründe offenbar für nur vorgeschoben ansah, so ist eine solche Entscheidung nachvollziehbar. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass das Ablehnungsgesuch nicht auf die Ablehnung des Antrags auf Aufhebung des persönlichen Erscheinens gerichtet war, sondern mit dem zusätzlichen Hinweis in dem gerichtlichen Schreiben, der für die Ablehnung nicht tragend war, begründet worden ist. Es war eher fernliegend, dass eine Partei aufgrund dieses Hinweises zu dem Schluss kommen konnte, der Vorsitzende werde an seinen Fall nicht unvoreingenommen herangehen, und zwar auch dann, wenn es sich entgegen der dortigen Angabe nur um einen weiteren Fall eines kurz vor dem Termin gestellten Antrags gehandelt hat. Dass zwei Sachen in der dargelegten Weise verzögert bearbeitet worden sind, kann noch weniger darauf schließen lassen, dass der Vorsitzende gerade gegenüber dem Kläger bzw. dessen Anwalt voreingenommen sein könnte.

Zu guter Letzt wird mit der Beschwerde die Verletzung des rechtlichen Gehörs gerügt. Ob die Verletzung rechtlichen Gehörs überhaupt einen sonst verschlossenen Rechtszug eröffnen kann (verneinend: BAG a.a.O. und zuletzt Beschluss vom 25.01.2001 - 8 AZB 1/01 -), bedarf keiner Entscheidung, da ein solcher Verstoß hier nicht festgestellt werden kann. Der Kläger hat alle Ablehnungsgründe vorgebracht. Dass das Gericht in der Ablehnungsentscheidung nicht auf alle Punkte eingegangen ist, bedeutet ohne sonstige Anhaltspunkte nicht, dass es sie nicht zur Kenntnis genommen hat. Dass sich für das Gericht die Frage einer Verzögerungsabsicht stellen würde, lag bei dem gegebenen Sachverhalt auf der Hand.

Der Streitwert war auf einen Bruchteil des Hauptsachewertes festzusetzen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Gegen diesen Beschluss findet keine weitere Beschwerde statt (§ 78 Abs. 2 ArbGG).

Ende der Entscheidung

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