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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 08.10.1998
Aktenzeichen: 7 Ta 313/98
Rechtsgebiete: ZPO, KSchG


Vorschriften:

ZPO § 888
KSchG § 1 Abs. 5
1. Ein Titel, der eine Weiterbeschäftigung "zu unveränderten Arbeitsbedingungen" ausspricht, ist dann bestimmt genug und zur Zwangsvollstreckung geeignet, wenn sich die von dem Arbeitnehmer zu verrichtende Tätigkeit aus dem Tatbestand des Urteils ergibt und in der Vergangenheit kein Streit über die auszuführenden Arbeiten geherrscht hat.

2. Der Einwand der Unmöglichkeit ist im Zwangsvollstreckungsverfahren zu beachten.

3. Der Hinweis des Arbeitgebers darauf, daß der Arbeitnehmer in der Namensliste des Interessenausgleichs genannt ist, ersetzt nicht den ihm im Rahmen der Zwangsvollstreckung obliegenden Vortrag und Beweis für das Vorliegen der Tatsachen, aus denen sich eine Unmöglichkeit der Leistungserbringung ergibt.

4. Der Wegfall eines Arbeitsplatzes infolge einer Umorganisation führt nicht zu einer Unmöglichkeit der Leistungserbringung.


LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

Geschäfts-Nr.: 7 Ta 313/98

Beschluß berichtigt gemäß Beschluß vom 19.10.1998 Düsseldorf, den 26.10.1998

In dem Zwangsvollstreckungsverfahren

hat die 7. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf am 08.10.1998 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Rummel

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Gläubigers wird der Beschluß des Arbeitsgerichts Oberhausen vom 06.08.1998 abgeändert.

Gegen die Schuldnerin wird zur Erzwingung ihrer Verpflichtung aus Ziff. 3 des Urteils des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 24.03.1998 ein Zwangsgeld von 5.000,-- DM festgesetzt, ersatzweise für je 500,-- DM 1 Tag Zwangshaft, letztere zu vollstrecken an dem Geschäftsführer Dipl.-Ing. K.ostrze.

Die Schuldnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Beschwerdewert: 15.000,-- DM.

Die Schuldnerin kann die Vollstreckung aus diesem Beschluß durch Erfüllung abwenden.

Gründe:

A.

Der Gläubiger will aus einem Weiterbeschäftigungsurteil vollstrecken.

Die Schuldnerin hatte dem Gläubiger unter Bezugnahme auf eine einem Interessenausgleich beigefügte Namensliste, in der der Gläubiger aufgeführt war, fristgerecht gekündigt. In II. Instanz erstritt der Gläubiger ein Urteil, mit dem unter Abänderung des erstinstanzlichen stattgebenden Urteils seiner Kündigungsschutzklage (u. a. wegen nicht ordnungsgemäßer Anhörung des Betriebsrats) stattgegeben und die Schuldnerin darüber hinaus zur Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluß des Verfahrens zu unveränderten Arbeitsbedingungen" verurteilt wurde. Der Rechtsstreit schwebt z. Zt. aufgrund der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen und von der Schuldnerin eingelegten Revision beim Bundesarbeitsgericht.

Gegenüber dem Vollstreckungsantrag des Gläubigers hat die Schuldnerin eingewandt, das Weiterbeschäftigungsurteil sei wegen fehlender Bestimmtheit nicht vollstreckungsfähig; ferner sei die Weiterbeschäftigung unmöglich. Letzteres ergebe sich bereits aus der Aufnahme des Gläubigers in die Namensliste. Die nach § 1 Abs. 5 KSchG bestehende Vermutung für den Wegfall des Arbeitsplatzes und das Nichtvorhandensein einer anderen Beschäftigungsmöglichkeit habe der Kläger nicht widerlegt.

Das Arbeitsgericht hat den Zwangsvollstreckungsantrag zurückgewiesen. Es ist der Auffassung der Schuldnerin gefolgt, daß das Weiterbeschäftigungsurteil nicht hinreichend bestimmt sei.

Mit der sofortigen Beschwerde verfolgt der Gläubiger seinen Antrag weiter.

B.

Die zulässige sofortige Beschwerde (§§ 793 Abs. 1, 577 Abs. 2 ZPO) hat Erfolg.

Die formellen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung (Titel, Klausel, Zustellung) sind erfüllt.

Zu Recht hat das Arbeitsgericht auch § 888 ZPO angewandt. Die Verpflichtung zur Beschäftigung ist eine unvertretbare Handlung (vgl. statt aller: Beschluß der Beschwerdekammer vom 19.03.1998 - 7 Ta 72/98 -; LAG Hamm BB 1980, 160, LAG München LA- GE § 888 ZPO Nr. 34).

Entgegen der in dem angefochtenen Beschluß vertretenen Auffassung ist der Titel hinreichend bestimmt und damit vollstreckungsfähig.

Anerkanntermaßen darf im Zwangsvollstreckungsverfahren ein Titel ausgelegt werden. Dabei kann jedenfalls im Zwangsvollstreckungsverfahren nach § 888 ZPO, da Zwangsvollstreckungsgericht das Prozeßgericht ist und daher insoweit eine großzügige Betrachtungsweise angezeigt ist, zur Bestimmung der Reichweite eines Urteilstitels auf Tatbestand und Entscheidungsgründe zurückgegriffen werden (vgl. Stein-Jonas- Münzberg, Zivilprozeßordnung, 20. Aufl., § 888 Rdn. 5 mit zahlreichen weiteren Nachweisen in Fußnote 11; noch weitergehend - Rückgriff auf den gesamten Akteninhalt -: Beschwerdekammer in: MDR 1990, 1044 = LAGE § 133 AFG Nr. 1 und Beschluß vom 19.03.1998 - 7 Ta 72/98 -). Hier ist im unstreitigen Tatbestand des Urteils angeführt, daß der Gläubiger als Facheinkäufer beschäftigt war. Bei einer solchen Konstellation wird auch in der in dem angefochtenen Beschluß zitierten Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Frankfurt (AP Nr. 30 zu § 888 ZPO) der Titel für vollstreckungsfähig angesehen. Anders stellten sich die Dinge nur dann dar, wenn in der Vergangenheit in der Frage des Umfangs der dem Gläubiger von der Schuldnerin übertragenen Tätigkeiten Differenzen bestanden hätten. Bis zu dem Zeitpunkt der von der Schuldnerin ins Auge gefaßten Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat es über die von dem Gläubiger durchzuführenden Arbeiten jedoch niemals Streit gegeben. Der abweichenden Auffassung des Landesarbeitsgerichts Köln (LAGE § 888 ZPO Nr. 36) kann nach alledem nicht beigetreten werden.

Entgegen der Auffassung der Schuldnerin ist eine Unmöglichkeit der Leistungserbringung - der Einwand der Unmöglichkeit ist im Verfahren nach § 888 ZPO zu beachten; vgl. Beschwerdekammer in: LAGE § 888 ZPO Nr. 24 m. w. N. - von ihr nicht schlüssig vorgetragen worden.

Die Schuldnerin hat ihren Personalbestand ausgedünnt. Facheinkäufer werden weiter beschäftigt. Unter diesen Umständen ist nicht erkennbar, daß keine Arbeiten mehr durchgeführt werden, die auch der Gläubiger erledigen könnte. Falls die Schuldnerin die Aufgaben des Gläubigers auf andere Mitarbeiter verteilt hat, so könnte diese Umorganisation wieder rückgängig gemacht werden (vgl. Beschlüsse der Beschwerdekammer vom 04.08.1994 - 7 Ta 178/94 - und 06.10.1997 - 7 Ta 252/97 - sowie LAG München LAGE § 888 ZPO Nr. 34 = BB 1994, 1093; für den Fall der Neubesetzung des Arbeitsplatzes vgl. Beschlüsse der Beschwerdekammer vom 13.07.1987 - 7 Ta 117/87 -, 08.06.1990 - 7 Ta 154/90 - und 15.01.1998 - 7 Ta 3/98 -; vgl. schließlich den Beschluß der Beschwerdekammer vom 19.03.1998 - 7 Ta 72/98 -).

Rechtsirrig ist die Ansicht der Schuldnerin, aus der Aufnahme des Gläubigers in die Namensliste sei auch für das Zwangsvollstreckungsverfahren davon auszugehen, daß der ursprüngliche Arbeitsplatz weggefallen und auch kein Ersatzarbeitsplatz zur Verfügung stehe, so daß dann auf eine Unmöglichkeit rückgeschlossen werden müßte. Die Zwangsvollstreckung folgt eigenen Regeln. Zunächst ist beim Leistungsurteil davon auszugehen, daß die Leistungserbringung möglich ist. Dies gilt allein schon deshalb, weil eine Verurteilung zu einer unmöglichen Leistung nicht erfolgen darf. Die Unmöglichkeit der Leistungserbringung ist demgemäß als Einwand ausgestaltet, für dessen tatsächliche Voraussetzungen der Schuldner in vollem Umfang darlegungs- und beweispflichtig ist. Bei der Tatsachenermittlung kann daher nicht mit der gesetzlichen Vermutung des § 1 Abs. 5 KSchG operiert werden.

Die Höhe der Zwangsmittel erschien angesichts des Umstandes, daß die Schuldnerin sich bereits seit längerer Zeit weigert, dem Titel Rechnung zu tragen, erforderlich und angemessen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 788 Abs. 1, 91 Abs. 1 ZPO.

Gegen diesen Beschluß findet keine weitere Beschwerde statt (§ 78 Abs. 2 ArbGG).

Ende der Entscheidung

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