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Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 19.12.2001
Aktenzeichen: 7 Ta 426/01
Rechtsgebiete: ArbGG, ZPO
Vorschriften:
ArbGG § 49 | |
ZPO § 45 Abs. 1 |
LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS
hat die 7. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf am 19.12.2001 durch den Vorsitzenden des Landesarbeitsgerichts Dr. Rummel
beschlossen:
Tenor:
Auf die (außerordentliche) Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Essen vom 02.10.2001, mit dem der gegen den Kammervorsitzenden gerichtete Befangenheitsantrag zurückgewiesen wurde, aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung über das Ablehnungsgesuch durch die Kammer unter Mitwirkung des geschäftsplanmäßigen Vertreters die Vorsitzenden an das Arbeitsgericht zurückverwiesen.
Beschwerdewert: 700,00 DM.
Gründe:
A.
An dem Ablehnungsverfahren liegt folgender Sachverhalt zugrunde: In der Kammerverhandlung vor dem Arbeitsgericht wies der Vorsitzende dem Beklagtenanwalt darauf hin, dass der von der Beklagten gegen ein zuvor ergangenes Versäumnisurteil eingelegte Einspruch nicht formgerecht sei, weil der Namenszug unter der anwaltlichen Einspruchsschrift sich als § darstelle. Im Anschluss daran bat der Beklagtenanwalt um die Aufnahme von verschiedenen vom Vorsitzenden zuvor gemachten Äußerungen in das Sitzungsprotokoll und lehnte wegen diesen Äußerungen als Befangen ab. Der Vorsitzende nahm den Ablehnungsantrag zu Protokoll, weigerte sich aber der Protokollierungsbitte des Beklagtenanwalts im Übrigen nachzukommen. Ausweislich des Protokolls wurde sodann ein Beschluss verkündet, dass das Verfahren unterbrochen sei. Zu einem späteren Zeitpunkt; - die Prozessbevollmächtigten hatten sich zwischenzeitlich entfernt - wurde der Beschluss verkündet, dass der gegen den Kammervorsitzenden gerichtete Befangenheitsantrag zurückgewiesen werde. Anschließend wurde der Hinweis in das Protokoll aufgenommen, dass der Rechtsstreit mangels ordnungsgemäßen Einspruchs gegen das Versäumnisurteil abgeschlossen sei. Wie sich aus den den Parteivertretern rd. 1 Monat später zugegangenen Gründen ergibt, hatte die Kammer in der ursprünglichen Besetzung, also unter dem Vorsitz des abgelehnten Richters, die Entscheidung gefällt. Die Ablehnung wird darauf gestützt, dass das Gesuch rechtsmissbräuchlich gestellt worden sei; durch das Gesuch habe der Anwalt offenkundig die weitere Durchführung des Kammertermins verhindern wollen, um Zeit zu gewinnen.
Gegen diese Entscheidung hat die Beklagte außerordentliche Beschwerde wegen greifbarer Gesetzeswidrigkeit eingelegt.
B.
Das Rechtsmittel ist als außerordentliche Beschwerde wegen greifbarer Gesetzeswidrigkeit der angegriffenen Entscheidung zulässig und begründet.
Nach ausdrücklicher gesetzlicher Regelung (§ 49 Abs. 3 ArbGG) unterliegt im arbeitsgerichtlichen Verfahren eine Entscheidung, die sich über die Ablehnung von Gerichtspersonen verhält, keiner Anfechtung. Ob dies auch für den vorliegenden Fall gilt, dass-was grundsätzlich rechtlich zulässig ist (vgl. Baumbach/Hartmann, Zivilprozessordnung, 60. Aufl., § 42 Rdn. 7 m. w. N; Germelmann/Matthes/Prütting, Arbeitsgerichtsgesetz, 3 Aufl., § 49 Rdn. 31 f.) -das Ablehnungsgesuch unter Mitwirkung des abgelehnten Richters als rechtsmissbräuchlich verworfen wird, ist allerdings umstritten (dafür: I_AG Rheinland-Pfalz EzA Nr. 2 zu § 49 ArbGG 1979; Germellmann/Matthes/Prutting, a. a. O., Rdn. 47, GK/ArbGG-Dörner, § 49 Rdn. 43; dagegen: Baumbach-Hartmann, a. a. O., § 46 Rdn. 10; Zöller-Vollkommer, Zivilprozessordnung, 22. Aufl., § 46 Rdn. 22; Vollkommer in Anm. zu LAG Rheinland-Pfalz a. a. O.). Die Beschwerdekammer hat stets die erstgenannte Auffassung vertreten (siehe Beschlüsse vom 27.11.2000 - 7 Ta 444 /OO - und 30.03.2001 - 7 Ta 108/01 -). In dem letztgenannten Beschluss hat sie dies noch einmal ausführlich begründet. Dort ist u. a. ausgeführt:
"Der Gesetzeswortlaut gibt für eine einschränkende Auslegung nichts her. Entgegen der von den abweichenden Kommentatoren vertretenden Ansicht ist eine Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs wegen Rechtsmissbrauchs eine "Entscheidung über die Ablehnung". Vor allem verbietet der Gesetzeszweck, das Verfahren zu beschleunigen, eine solche einschränkende Auslegung. Denn sonst könnte dieser Gesetzeszweck gerade in den gravierenden Fällen einer rechtsmissbräuchlichen Vorgehensweise des Antragstellers nicht zum Tragen kommen. Vollkommer meint (a. a. O.), der Beschleunigungszweck könne durch eine Anfechtung der Entscheidung, an der der abgelehnte Richter selbst mitgewirkt hat, nicht berührt sein, weil bei einer solchen das Gesuch verwerfenden Entscheidung der Ausgang eines Beschwerdeverfahrens nicht abgewartet werden zu brauchte. Abgesehen davon, dass die Auffassung nicht unbestritten ist, trifft diese Einschätzung auch nicht für alle Fälle zu. Falls das Beschwerdegericht die Rechtsmissbräuchlichkeit anders sehen sollte, wäre im Regelfall das Verfahren an das Arbeitsgericht zur erneuten Entscheidung über das Ablehnungsgesuch durch die zuständige Kammer unter Heranziehung des Vertreters des abgelehnten Richter zurück zu verweisen. In diesem Fall müsste der erstinstanzliche Rechtsstreits zunächst unterbrochen werden. Weiterung ergeben sich in diesem Fall vor allem dann, wenn das Arbeitsgericht bereits vor Abschluss des Beschwerdeverfahrens eine Entscheidung gefällt hat. Die Entscheidung wäre stets mit einem Anfechtungsgrund behaftet. Etwas anders gilt auch nicht wegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, wenn über die Frage eines rechtsmissbräuchlichen Ablehnungsgesuchs die Kammer unter Einschluss des abgelehnten Richters entscheiden darf, ist sie insoweit der gesetzliche Richter. Daran kann sich nichts dadurch ändern, dass die Entscheidung zu Lasten des ablehnenden hinsichtlich des Rechtsmissbrauchs unrichtig ausfallen kann (so auch LAG Rheinland-Pfalz, a. a. O., unter 2 IV der Gründe)."
An dieser Rechtsprechung, die von der Beklagten auch nicht in Zweifel gezogen wird, wird festgehalten.
Das Rechtsmittel ist indes als außerordentliche Beschwerde wegen greifbarer Gesetzwidrigkeit (vgl. hierzu statt Aller: BAGE 88, 259 und BGHZ 109, 41) der angefochtenen Entscheidung zulässig und begründet.
Der angefochtene Beschluss ist als greifbar gesetzeswidrig anzusehen, weil das Arbeitsgericht den Rahmen seiner Entscheidungskompetenz gröblich verkannt hat.
Das Arbeitsgericht hat den Befangenheitsantrag als rechtsmissbräuchlich zurückgewiesen, weil der Anwalt der Beklagten mit ihm offenkundig nur die weitere Durchführung des Kammertermins habe verhindern wollen, um Zeit zu gewinnen. Daran ist richtig, dass eine offenkundige Verzögerungsabsicht einen Ablehnungsgrund unzulässig machen kann. Es lässt sich auch nicht gänzlich von der Hand weisen, dass der Anwalt der Beklagten solche Ziele verfolgt.
Ohnehin führte es nicht automatisch zu einer angreifbaren Gesetzeswidrigkeit, wenn das Gericht die Verzögerungsabsicht unrichtig einschätzte.
Durch die - von ihm angenommene - Verzögerungsabsicht durfte das Arbeitsgericht sich jedoch nicht den Blick dafür verstellen, dass konkrete Ablehnungsgründe geltend gemacht worden waren. Diese Gründe waren sicherlich nicht von vornherein für eine Ablehnung ungeeignet. Die Gründe, auf die der Prozessbevollmächtigte der Beklagten seine Ablehnung in der Verhandlung ausdrücklich gestützt hatte, durfte das Arbeitsgericht deshalb nicht einfach ignorieren, sondern musste sich mit ihnen zumindest in den Gründen des Ablehnungsbeschlusses auseinandersetzen. Selbst wenn der Prozessbevollmächtigte der Beklagten nämlich die Absicht hatte, den Termin scheitern zu lassen und damit das Verfahren zu verzögern, nahm ihm dies nicht das Recht, auf (aus seiner Sicht) objektiv vorliegenden Ablehnungsgründe zurückzugreifen. Wenn das Arbeitsgericht die vorgebrachten Ablehnungsgründe nicht zu Protokoll nahm und es auch in den Gründen hierauf nicht zu sprechen kam, so wertete es die - von ihm angenommene -Verzögerungsabsicht unzutreffenderweise als absoluten Rechtsmissbrauchsgrund. Bevor nicht eine Prüfung ergeben hätte, dass die Ablehnung nicht durchschlagend waren, war auch eine Festlegung, dass das Ablehnungsgesuch allein zur Verzögerung des Rechtsstreits dienen sollten, überhaupt nicht möglich.
Die Sache war an das Arbeitsgericht zurück zu verweisen, damit eine Entscheidung über das Ablehnungsgesuch durch die Kammer der Besetzung des § 45 Abs. 1 ZPO, also ohne Mitwirkung des abgelehnten Richters, erfolgen kann. In der Frage, ob die Beschwerdekammer über das Ablehnungsgesuch abschließend entscheiden konnte, bedurfte es keiner Festlegung. Die Sache durchzuentscheiden, war jedenfalls angesichts dessen nichttunlich, dass vor dieser Entscheidung noch weitere Ermittlungen anzustellen sind (dienstliche Äußerung des abgelehnten Richters pp.).
Einer Kostenentscheidung bedurfte es nicht. Die Kosten des Verfahrens sind solche des Rechtsstreits.
Der Beschwerdewert war auf einen Bruchteil des Hauptsachewertes festzusetzen.
Gegen diesen Beschluss findet keine weitere Beschwerde statt (78 Abs. 2 ArbGG).
Ende der Entscheidung
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