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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 08.08.2006
Aktenzeichen: 8 (5) Sa 244/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 613 a (2) S. 1
BGB § 613 a (5) i. Verb. mit §§ 280 ff BGB
Auch wenn die Veräußerin die Kündigung des Arbeitnehmers bereits beschlossen und dem Arbeitnehmer unter Zusage einer Sozialplanabfindung bereits angekündigt hatte, die Erwerberin die Kündigung jedoch erst ausgesprochen hat, ist ein Anspruch gegenüber der Veräußerin nach § 613 a (2) 1 BGB noch nicht entstanden.

Eine Verpflichtung zum Schadensersatz wegen unvollständiger Information nach § 613 a (5) BGB i. Verb. mit §§ 280 ff BGB ist in einem solchen Fall jedoch dann gegeben, wenn die Veräußerin den Arbeitnehmer vor Betriebsübergang hinsichtlich der Haftung nicht darüber informiert, dass nach ihrer Auffassung nach § 613 a (2) 1 BGB nur noch die Erwerberin für die Zahlung der Abfindung haftet und der Arbeitnehmer dem Betriebsübergang deshalb nicht widerspricht, wenn die Erwerberin unmittelbar danach Insolvenz anmeldet.


LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

8 (5) Sa 244/06

Verkündet am 08. August 2006

In dem Rechtsstreit

hat die 8. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 08.08.2006 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Pauly als Vorsitzenden sowie den ehrenamtlichen Richter Janssen und den ehrenamtlichen Richter Weber

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Solingen vom 11.01.2006 - 3 Ca 1691/05 lev - abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 40.569,-- brutto zu zahlen nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Juli 2005.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über Abfindungsansprüche aus einem Sozialplan.

Der am 21.02.1965 geborene Kläger war seit dem 24.02.1986 bei der Beklagten beschäftigt und verdiente zuletzt monatlich 3.400,-- € brutto. Er gehörte zum Bereich "Consumer Imaging" (CI), der von der Beklagten im Wege des Betriebsübergangs an die Firma B.Photo GmbH verkauft worden ist.

Vorausgegangen war ein Interessenausgleich (Bl. 9 ff d. A.), der zwischen der Beklagten und dem Betriebsrat am 14.10.2004 geschlossen worden war und der unter anderem folgende Regelungen enthält:

"§ 1 Präambel

Der Geschäftsbereich Consumer Imaging operiert mit seinen Geschäftsfeldern Film, Finishing und Laborgeräte in einem Markt, der durch einen beschleunigten Wandel von der Analog- zur Digital-Technologie, durch hohe Überkapazitäten bei den Herstellern, einen anhaltenden Preisverfall und hohen Wettbewerbsdruck gekennzeichnet ist. Der Rückgang der Produktionsmengen bei Film liegt um 30 %, bei Papier um 17 % unter dem Zeitraum des Vorjahres. Für 2005 wird mit weiteren Mengenrückgängen gerechnet. Angesichts der oben beschriebenen Rückgänge und des damit verbundenen Ergebnisverfalls hat die Unternehmensleitung der B.-H. AG die unternehmerische Entscheidung getroffen, Maßnahmen zu ergreifen, die zu einer nachhaltigen Verbesserung der Wirtschaftlichkeit, Flexibilität und Wettbewerbsfähigkeit führen und damit letztlich zur Sicherung von Ergebnis und Beschäftigung beitragen sollen.

§ 2 Information und Beratung mit dem Betriebsrat

Die Unternehmensleitung hat den Betriebsrat rechtzeitig und umfassend über den geplanten Umfang sowie die organisatorischen und personellen Auswirkungen der Betriebsänderung informiert und diese mit ihm beraten. Es wird Bezug genommen auf die Informationen in der Sitzung des Wirtschaftsausschusses am 20.09.04 und die Sitzung mit dem Betriebsrat M. am 28.09.04, 30.09.04, 04.10.04, 06.10.04, 08.10.04 und 14.10.04. In der Verhandlung zur Herbeiführung dieses Interessenausgleiches wurden die Einzelmaßnahmen am Standort M. erläutert und beraten; dieses ist in den entsprechenden Protokollen festgehalten.

GL und BR stimmen überein, dass zur Realisierung der geplanten unternehmerischen Zielsetzungen und zur Sicherung der verbleibenden Arbeitsplätze weitere Personalreduzierungen nicht zu umgehen sind.

Die zwischen den Parteien beratenen Maßnahmen führen zu voraussichtlich folgenden personellen Maßnahmen.

Im Einzelnen:

In den Ziffern 2.1 bis 2.11 wird sodann geregelt, welche Funktionen in welchen Abteilungen wegfallen bzw. welche Abteilungen aufgelöst werden bzw. verschmolzen werden.

§ 3 Namensliste

Eine Liste der betroffenen Mitarbeiter, über die im Rahmen einer Sozialauswahl Einvernehmen besteht, ist dieser Betriebsvereinbarung beigefügt.

§ 4 Durchführung der personellen Maßnahmen

(I) Bevor eine betriebsbedingte Kündigung ausgesprochen wird, ist zur Abwendung derselben zu überprüfen:

a) Versetzung auf einen freien Arbeitsplatz im Betrieb M. sowie in andere Betriebe. Die Betriebsparteien sind sich darüber einig, dass freie Arbeitsplätze im Betrieb M. vorrangig von denjenigen, fachlich und persönlich geeigneten Mitarbeitern besetzt werden, deren Arbeitsplatz im Zusammenhang mit der Durchführung dieses Interessenausgleichs entfällt. Bei gleicher Eignung werden schwerbehinderte Mitarbeiter vorgezogen.

b) Abschluss von Aufhebungsverträgen unter Gewährung von Abfindungen entsprechend dem anzuwendenden Sozialplan (s. § 4).

(II) Vorliegende Anträge von Mitarbeitern auf Veränderung ihrer Arbeitszeit gemäß Teilzeitarbeitsgesetz werden vor einer abschließenden Entscheidung mit dem Betriebsrat beraten. In diesem Zusammenhang werden die Mitarbeiter auf die derzeitige Regelung des § 131 SGB III und die Protokollnotiz zur Gesamtbetriebsvereinbarung Sozialplan vom 17.01.1995, zu Ziffer VI. 2, hingewiesen.

(III) Soweit das Arbeitsverhältnis mit den vom Arbeitsplatzverlust betroffenen Mitarbeitern nicht durch Aufhebungsvertrag endet, wird das Arbeitsverhältnis durch ordentliche, betriebsbedingte Kündigung beendet.

§ 5 Ausgleich wirtschaftlicher Nachteile für die Arbeitnehmer

Die Milderung der wirtschaftlichen Nachteile für die betroffenen Mitarbeiter wird nach Maßgabe des beigefügten Transfer-Sozialplans M. vom 19.12.2001 und der beigefügten Gesamtbetriebsvereinbarung Sozialplan vom 17.01.1995 (einschließlich Änderungen v. 26.10.98, 18.07.2002, 18.09.2002 und 01.10.2003) herbeigeführt, soweit im vorgenannten Transfer-Sozialplan nichts Abweichendes vereinbart ist (Anlage).

Die Transfer-Leistungen werden spätestens ab Dezember 2004 angeboten und für die Dauer der Umsetzung dieses Interessenausgleichs den betroffenen Mitarbeitern bereitgestellt.

..."

Eine Namensliste (Bl. 201 d. A.) mit 37 Namen von Arbeitnehmern war beigefügt.

Die Betriebsvereinbarung über einen Transfer-Sozialplan vom 19.12.2001 (Bl. 14 ff d. A.), abgeschlossen zwischen der Beklagten und ihrem Betriebsrat, enthält hinsichtlich der Fälligkeit einer Abfindung in Ziff. 3 Abs. 2 folgende Regelung:

"Die Abfindung wird spätestens im Kalendermonat nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig."

Die zwischen der Beklagten und dem Gesamtbetriebsrat am 17.01.1995 abgeschlossene Gesamtbetriebsvereinbarung enthält in Ziff. V unter dem Titel "Abfindungen" folgende Regelungen:

"Abfindungen

1. Arbeitnehmer, die nach den vorstehenden Bestimmungen ausscheiden, erhalten wegen betriebsbedingter Beendigung des Arbeitsverhältnisses und Verlust eines sozialen Besitzstandes eine Abfindung im Sinne der §§ 9, 10 KSchG gemäß den nachstehenden Bestimmungen. Ziffer III 5 ist zu berücksichtigen.

2. Der Abfindungsbetrag setzt sich zusammen aus einem nach Lebensalter, Betriebszugehörigkeit und Bruttomonatsverdienst variierenden Betrag und ggf. einem Zusatzbetrag für unterhaltspflichtige Kinder, Schwerbehinderte und Gleichgestellte."

Hinsichtlich der zu treffenden Sozialauswahl hat es mehrere Sitzungen zwischen der Geschäftsleitung der Beklagten und dem Betriebsrat gegeben, deren Protokolle (Bl. 345 ff d. A.) der Klägervertreter zu den Akten gereicht hat und auf deren Inhalt Bezug genommen wird. Mit einem Informationsschreiben der Beklagten vom 22.10.2004 (Bl. 192 ff d. A.) informierte diese den Kläger darüber, dass der Geschäftsbereich CI mit Wirkung zum 01.11.2004, wie geschehen, auf die B.Photo GmbH übertragen werden soll. Im Einzelnen lautet das Schreiben unter anderem wie folgt:

"4. Zu den hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen Maßnahmen:

Der Geschäftsbereich CI muss unabhängig von dem Übergang seine Strukturen den Entwicklungen des Marktes anpassen und damit Kosten signifikant reduzieren. Daneben müssen möglichst viele unabhängig von Verkauf und Produktion anfallende fixe Kosten zu solchen Kosten variabilisiert werden, die immer nur dann anfallen, wenn die entsprechende Leistung gebraucht wird. Dazu gehört auch Outsourcing von Aktivitäten, die nicht zwingend selbst und mit eigenem Personal durchgeführt werden müssen.

Mit dem im vergangenen Jahr eingeführten "Consumer Imaging Programm für Profitabilität (CIPP) ist es gelungen, das Ergebnis trotz des massiven Umsatzrückgangs nicht weiter zu verschlechtern. Aber es ist weiterhin stark negativ und die Umsatzentwicklung ist deutlich schwächer als geplant.

Die Unternehmensleitung hat daher dem Wirtschaftsausschuss eine "CIPP2"-Planung vorgestellt, die einen weiteren Personalabbau beinhaltet. Mit Nachdruck hat sie darauf hingewiesen, dass dieser vollkommen unabhängig davon ist, dass CI zum geplanten Datum des Übergangs am 1. November 2004 zur eigenständigen Firma B.Photo GmbH werden wird. Denn diese Maßnahmen müssten ohne den Übergang auch von B.-H. AG durchgeführt werden.

Diese Planungen sind Gegenstand der Verhandlungen mit den örtlichen Betriebsräten und gehen davon aus, dass ca. 125 Arbeitsplätze in Deutschland im Wege des Outsourcing ausgegliedert werden können. Dies betrifft: Logistik (M., N.), GICS (M.), Rechnungswesen (M.), Personalwesen (M.).

Der Personalabbau mit den Schwerpunkten PPH und sonstige Bereiche M./L. umfasst weitere ca. 210 Stellen in Deutschland:

- PPH (vor allem M., daneben auch W., X., N.) ca. 120 Stellen,

- Laborgeräte (N./Q.) und Optikzentrum (Q.) ca. 25 Stellen,

- Einkauf (M./N.), Logistik (M.), SCM (M.), Marketing/Sales (M./L.) sowie weitere Bereiche der Verwaltung, insgesamt ca. 65 Stellen.

Die auf örtlicher Ebene geführten Verhandlungen über Interessenausgleich und Sozialplan sollen eine Identifizierung der von Kündigung Betroffenen durch entsprechende Namenslisten beinhalten.

5. Zu Ihrer persönlichen Situation:

Ihr Arbeitsverhältnis wird von dem geplanten Personalabbau gemäß Ziffer 4 betroffen sein. Sie werden daher nach Abschluss des Verfahrens mit dem Betriebsrat eine entsprechende Kündigung des Arbeitsverhältnisses erhalten. Zur Milderung wirtschaftlicher Nachteile stehen Ihnen die in unserem Sozialplan vorgesehenen Leistungen zu.

Die Kündigungsabsicht wirkt sich auf den Übergang Ihres Arbeitsverhältnisses nicht aus. Ihr Arbeitsverhältnis geht trotzdem über und Sie sind verpflichtet, Ihre Tätigkeit bei B.Photo GmbH fortzuführen. Die nachfolgend dargestellten Konsequenzen eines eventuellen Widerspruchs treffen auch in Ihrem Fall zu.

6. Zum Widerspruchsrecht:

Sie haben das Recht, dem Übergang Ihres Arbeitsverhältnisses auf die B.Photo GmbH binnen einer Frist von einem Monat ab Zugang dieses Schreibens schriftlich zu widersprechen. Die Erklärung kann nicht einseitig zurückgenommen oder widerrufen werden. Sie kann auch nicht an eventuelle Bedingungen geknüpft werden.

Sollten Sie dem Übergang Ihres Arbeitsverhältnisses widersprechen wollen, müsste das schriftlich mit einer von Ihnen unterschriebenen Erklärung innerhalb dieser Frist erfolgen. Eventuelle Widerspruchsschreiben richten Sie bitte ausschließlich an: ....

7. Zu den Folgen eines Widerspruchs:

Im Falle eines fristgerechten Widerspruchs bleibt Ihr Arbeitsverhältnis bei der B.-H. AG und geht nicht auf die B.Photo GmbH über.

Da nach dem Übergang des vollständigen Geschäftsbereichs CI auf die B.Photo GmbH Ihr bisheriger Arbeitsplatz bei B.-H. AG nicht mehr vorhanden sein wird und eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit nicht besteht, müssen Sie im Falle der Ausübung Ihres Widerspruchsrechts mit der Kündigung Ihres Arbeitsverhältnisses durch B.-H. AG rechnen.

Wir weisen Sie ausdrücklich darauf hin, dass nach der eindeutigen Regelung in der mit dem Gesamtbetriebsrat der B.-H. AG und den örtlichen Betriebsräten vereinbarten Überleitungsvereinbarungen in diesem Fall kein Anspruch auf eine Abfindung besteht, weder gegenüber der B.-H. AG, noch gegenüber B.Photo GmbH. Im Falle eines Widerspruchs müssen Sie deshalb damit rechnen, Ihren Arbeitsplatz ohne jede finanzielle Leistung zu verlieren.

Außerdem sind bei einer eventuellen Arbeitslosigkeit nach einem Widerspruch Ihre Ansprüche auf Leistungen der Agentur für Arbeit in Frage gestellt.

Wir empfehlen Ihnen daher dringend, von einem Widerspruch abzusehen."

Der Kläger widersprach dem am 01.11.2004 erfolgten Betriebsübergang nicht.

Mit Schreiben der B.Photo GmbH vom 09.12.2004 (Bl. 6 d. A.) wurde das Arbeitsverhältnis des Klägers unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist zum 30.06.2005 gekündigt und zwar mit folgender Begründung:

"Sehr geehrter Herr G.,

wie Sie aus den mit Ihnen geführten Gesprächen und Veröffentlichungen wissen, wird das Unternehmen zur Zeit umfassend restrukturiert.

Der Betriebsrat hat diesen Maßnahmen im Interessenausgleich vom 14.10.2004 zugestimmt.

Als Folge entfällt auch Ihr Arbeitsplatz. Andere freie Arbeitsplätze, auf denen eine Weiterbeschäftigung möglich wäre, stehen nicht zur Verfügung. Wir bedauern es daher, das mit Ihnen bestehende Arbeitsverhältnis beenden zu müssen."

Ebenfalls mit Schreiben vom 09.12.2004 (Bl. 7 f d. A.) teilte die B.Photo GmbH dem Kläger mit, dass er aufgrund der Kündigung und des zwischen der Beklagten und dem Betriebsrat zustande gekommenen Transfer-Sozialplans eine Abfindung erhalte, die voraussichtlich 40.569,-- € brutto betrage.

Am 25.05.2005 beantragte die B.Photo GmbH die Eröffnung des Insolvenzverfahrens, das dann am 01.08.2005 auch eröffnet wurde.

Mit der am 22.08.2005 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger die Abfindung gegenüber der Beklagten geltend gemacht.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten:

Die Anspruchsgrundlage ergebe sich bereits aus § 613 a Abs. 2 Satz 1 BGB. Denn der Anspruch sei vor Betriebsübergang aufgrund der dann bereits getroffenen unternehmerischen Entscheidung der Beklagten entstanden und nach Betriebsübergang fällig geworden. Unter den hier vorliegenden Umständen sei es treuwidrig, wenn sich die Beklagte darauf berufen könne, dass die von ihr bereits beschlossene Kündigung von der Erwerberin erst ausgesprochen worden sei. Per Übernahmevertrag, so hat der Kläger behauptet, sei die B.Photo GmbH sogar verpflichtet gewesen, die Kündigungen auszusprechen. Da die Beklagte hier nicht ordnungsgemäß nach § 613 a Abs. 5 BGB unterrichtet habe, ergebe sich aus dieser Verletzung gem. §§ 280 ff BGB aus allgemeinen zivilrechtlichen, haftungsrechtlichen und durchgriffsrechtichen Tatbeständen ein Schadensersatzanspruch. Insbesondere die Haftungsaufteilung nach § 613 a Abs. 2 Satz 1 BGB sei nicht beschrieben worden. Auch aus weiteren Gründen sei die Information nicht ordnungsgemäß gewesen, was Barkapital, Eigenkapital, Kreditlinie, wirtschaftliche Ausstattung, Markenzeichen, Patente etc. anbelange. Deshalb ergebe sich eine Nachhaftung auch aus Treu und Glauben.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 40.569,-- € brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01. Juli 2005 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

den Kläger mit der Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten:

Ein Anspruch sei hier allenfalls gegen die B.Photo GmbH begründet, denn erst mit der Kündigung bzw. mit dem Ausscheiden des Klägers aus dem Arbeitsverhältnis sei ein Abfindungsanspruch entstanden.

Mit Urteil vom 11.01.2006 (Bl. 272 ff d. A.) hat das Arbeitsgericht den Kläger mit der Klage abgewiesen und hat dies wie folgt begründet:

Der Anspruch sei nicht vor Betriebsübergang entstanden, so dass eine Haftung der Beklagten nach § 613 a Abs. 2 BGB ausscheide. Ob der Kläger ausreichend und korrekt über die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs unterrichtet worden sei, könne dahinstehen. Die Klage sei nämlich mangels Kausalität zwischen dem nach der Behauptung des Klägers zur Schadensersatzpflicht führenden Ereignis und dem begehrten Schaden auch unter dem Gesichtspunkt einer etwaigen Schadensersatzpflicht der Beklagten nicht begründet. Schließlich hätte der Kläger, wenn er nach ordnungsgemäßer Information dem Betriebsübergang widersprochen hätte, seinen Arbeitsplatz nicht wegen der Restrukturierungsmaßnahmen verloren, sondern deshalb, weil er dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses widersprochen hätte und eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit bei der Beklagten nicht mehr bestanden haben würde.

Gegen dieses dem Kläger am 08.02.2006 zugestellte Urteil hat er am 08.03.2006 Berufung eingelegt und hat nach Verlängerung der Frist bis zum 08.05.2006 diese am 04.05.2006 begründet.

Die Parteien wiederholen im Wesentlichen ihre erstinstanzlich vorgetragenen Rechtsauffassungen.

Der Kläger behauptet:

Bei richtiger Information wäre der gesamte Betriebsübergang an einem breit erklärten Widerspruch der Betroffenen gescheitert. Dann hätte die Beklagte selbst die Kündigung aussprechen müssen, und zwar unter Beachtung des Interessenausgleichs, das heißt unter Zahlung der hier verlangten Abfindung.

Der Kläger stützt seinen Antrag zusätzlich auf deliktische Haftung nach § 826 BGB und macht einen eigenständigen Insolvenzschaden geltend.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Solingen vom 11.01.2006 - 3 Ca 1691/05 lev - dazu zu verurteilen, an ihn 40.569,-- € (Sozialplanabfindungssumme) nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01. Juli 2005 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie behauptet:

Auch aus dem Informationsschreiben ergebe sich nicht, dass bereits eine endgültige Entscheidung über den Wegfall des Arbeitsplatzes getroffen worden sei. Ein endgültiger Abschluss der Verhandlungen mit dem Betriebsrat habe auch noch nicht vorgelegen. Dies ergebe sich auch aus den vom Kläger vorgelegten Betriebsratsprotokollen über die Sozialauswahl. Bei der Namensliste habe es sich um eine bloß vorläufige Namensliste gehandelt.

Sie vertritt die Auffassung:

Der Kläger könne nicht gleichzeitig einen Abfindungsanspruch gegenüber der B.Photo GmbH durch Anmeldung der Forderung zur Insolvenztabelle geltend machen und daneben in einem zweiten Verfahren den gleichen Abfindungsanspruch noch einmal gegen sie - die Beklagte - einklagen. Wegen der sonstigen Einzelheiten wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der Akte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig.

Sie ist nämlich an sich statthaft (§ 64 Abs. 1 ArbGG), nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes zulässig (§ 64 Abs. 2 ArbGG), sowie in gesetzlicher Form und Frist eingelegt (§§ 519 Abs. 1, Abs. 2 ZPO, 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG) und begründet worden (§§ 66 Abs. 1 Satz 3 ArbGG, 520 Abs. 3 ZPO, 64 Abs. 6 ArbGG).

Die Berufung ist auch begründet.

Soweit das Arbeitsgericht eine Haftung der Beklagten für die Zahlung der Abfindung aus dem Transfer-Sozialplan nach § 613 a Abs. 2 Satz 1 BGB abgelehnt hat, ist dies - im Ergebnis - auch nach Auffassung der Kammer zutreffend.

Gem. § 613 a Abs. 2 Satz 1 BGB haftet der bisherige Arbeitgeber neben dem neuen Inhaber für Verpflichtungen nach Abs. 1, soweit sie vor dem Zeitpunkt des Übergangs entstanden sind und vor Ablauf von einem Jahr nach diesem Zeitpunkt fällig werden, als Gesamtschuldner.

Es stellt sich bereits die Frage, ob § 613 a Abs. 2 Satz 1 BGB überhaupt auf die Verpflichtung zur Zahlung der streitigen Sozialplanabfindung anwendbar ist.

Werden solche Verpflichtungen nach dem Zeitpunkt des Übergangs fällig, so haftet der bisherige Arbeitgeber für sie nur in dem Umfang, der dem im Zeitpunkt des Übergangs abgelaufenen Teil ihres Bemessungszeitraums entspricht (§ 613 a Abs. 2 Satz 2 BGB). Nach der Gesetzesfassung wird nicht deutlich, ob dies bedeutet, dass es sich grundsätzlich nach § 613 a Abs. 2 Satz 1 BGB um solche Verpflichtungen im Sinne des § 613 a Abs. 2 Satz 2 BGB handeln muss, deren Höhe sich nach einem Bemessungszeitraum richtet. Auch die Gesetzesmaterialien geben hierfür nichts her.

Da sich die hier streitige Abfindung nach dem Transfer-Sozialplan vom 19.12.2001 in Verbindung mit der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 17.01.1995 - was die Höhe anbelangt - nach der Betriebszugehörigkeit richtet (Ziff. V 2 der Gesamtbetriebsvereinbarung), handelt es sich auch hier um eine Verpflichtung nach § 613 a Abs. 2 Satz 2 BGB, so dass in jedem Falle § 613 Abs. 2 Satz 1 hier Anwendung findet, so wie dies beispielsweise bei Jahressonderzahlungen der Fall ist (so ErfK-Preis, Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 6. Auflage, § 613 a Rz. 131; Schaub, Münchner Kommentar, 3. Aufl., § 613 a Rz. 108; Meyer, Anm. zu BAG - 10 AZR 886/95 - in AP Nr. 104 zu § 112 BetrVG 1972).

Entscheidend ist also, ob der Anspruch des Klägers auf Zahlung einer Abfindung bereits vor Betriebsübergang gegen die Beklagte entstanden und erst nach Betriebsübergang fällig geworden ist, mit der Konsequenz, dass die Beklagte hierfür gesamtschuldnerisch in dem Umfange haftet, der dem im Zeitpunkt des Übergangs abgelaufenen Teil des Bemessungszeitraums entspricht.

Die Frage, wann ein Anspruch auf eine Abfindung entsteht, lässt sich nach Rechtsprechung und Literatur nicht einheitlich und generell beantworten. Hier gilt es zu differenzieren. Zwischen Entstehen und Fälligkeit ist zu unterscheiden. Außerdem kommt es darauf an, auf welcher Rechtsgrundlage eine Abfindung verlangt wird.

Aufgrund seiner Kündigung vom 03.12.2004 durch die B.Photo GmbH macht der Kläger einen Abfindungsanspruch geltend. Diesen Abfindungsanspruch hat die B.Photo GmbH dem Kläger im Zusammenhang mit dieser Kündigung mit Schreiben vom 09.12.2004 auch zugesagt. Diesen Anspruch hat der Kläger durch Anmeldung der Forderung zur Insolvenztabelle gegenüber dem Insolvenzverwalter geltend gemacht.

Soweit er den Anspruch mit der vorliegenden Klage gegen die Beklagte geltend macht, stützt er sich auf eine gesamtschuldnerische Haftung nach § 613 a Abs. 2 Satz 1 BGB, weil - nach seiner Auffassung - der Anspruch bereits vor Betriebsübergang entstanden war.

Anspruchsgrundlage für die Abfindung ist zunächst der Transfer-Sozialplan in Verbindung mit der Gesamtbetriebsvereinbarung.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind Betriebsvereinbarungen und damit auch Sozialpläne als Betriebsvereinbarungen besonderer Art wegen des aus § 77 Abs. 4 BetrVG folgenden Normcharakters wie Tarifverträge und damit wie Gesetze auszulegen. Auszugehen ist danach zunächst von dem Wortlaut und dem durch ihn vermittelten Wortsinn. Ist der Wortsinn nicht eindeutig, so ist der wirkliche Wille der Betriebsparteien und der von ihnen beabsichtigte Zweck der betrieblichen Regelung zu berücksichtigen, sofern und soweit sie im Regelwerk ihren Niederschlag gefunden haben. Subjektive Vorstellungen der Betriebsparteien, die in der Betriebsvereinbarung keinen Ausdruck finden, sind für die Auslegung unbeachtlich. Abzustellen ist ferner auf den Gesamtzusammenhang der Regelungen, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Betriebsparteien liefern kann. Bleiben im Einzelfall gleichwohl noch Zweifel, können die Gerichte ohne eine Bindung an eine bestimmte Reihenfolge auf weitere Kriterien wie zum Beispiel die Entstehungsgeschichte zurückgreifen. Zudem ist die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse zu berücksichtigen. Unter mehreren Auslegungsmöglichkeiten ist derjenigen der Vorzug zu geben, die sich als gesetzeskonform erweist (so BAG, Urteil vom 12.11.2002 - 1 AZR 632/01 - AP Nr. 155 zu § 112 BetrVG 1972; BAG, Urteil vom 02.03.2004 - 1 AZR 272/03 - n. v.).

Geht man vom Wortlaut aus, so enthält der Sozialplan in Ziff. 3 Abs. II nur die Regelung, dass die Abfindung spätestens im Kalendermonat nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig wird. Gerade dann, wenn eine Regelung den Begriff Fälligkeit ausdrücklich verwendet, ist eine Gleichsetzung der Fälligkeit mit der Anspruchsentstehung nicht ohne weitere Hinweise in der Norm möglich (so BAG, Urteil vom 13.12.1994 - 3 AZR 357/94 - AP Nr. 6 zu § 4 TVG Rationalisierungsschutz). Diese weiteren Hinweise fehlen hier.

Auch der Wortlaut der Gesamtbetriebsvereinbarung schafft keine Klarheit.

Zwar enthält Ziff. V 1 der Gesamtbetriebsvereinbarung die Regelung, dass die Arbeitnehmer nach den Bestimmungen der Gesamtbetriebsvereinbarung die Abfindung wegen betriebsbedingter Beendigung des Arbeitsverhältnisses und Verlust des sozialen Besitzstandes erhalten. Hier wird nach Auffassung der Kammer aber nur auf den Zweck der Leistung hingewiesen. Auch wenn damit klar ist, dass ohne Beendigung des Arbeitsverhältnisses und damit verbundenen Verlust des sozialen Besitzstandes eine Abfindung nicht beansprucht werden kann, bleibt offen, zu welchem Zeitpunkt ein solcher Anspruch entsteht, der spätestens im Kalendermonat nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig wird.

Auch darüber hinaus sind bei Auslegung der Betriebsvereinbarung keine weiteren Anhaltspunkte für die Klärung der Streitfrage zu gewinnen.

Betrachtet man die Maßnahme, auf der der Abfindungsanspruch beruht, so handelt es sich um eine Betriebsänderung im Sinne von § 111 Satz 3 Ziff. 1 BetrVG, die die Beklagte als Veräußerin geplant und die B.Photo GmbH als Erwerberin durchgeführt hat, wie die Beklagte meint, oder die die Beklagte bereits entschieden und die B.Photo GmbH als Erwerberin nur noch ausgeführt hat, wie der Kläger meint. Die Frage, ob der Übergang eines Betriebsteils eine Betriebsänderung darstellt (vgl. Fitting/L./Heither/Engels/Schmidt, BetrVG, 21. Aufl., § 111 Rz. 52) stellt sich hier nicht, weil die Kündigung weder wegen des Betriebsübergangs erklärt werden sollte noch deshalb erklärt worden ist.

Entgegen der Darstellung der Beklagten handelt es sich hier allerdings nicht nur um eine geplante, in Aussicht gestellte oder erwogene Maßnahme, was die Kündigung des Klägers anbelangt.

Mit dem Informationsschreiben vom 22.10.2004 (Bl. 192 ff d. A.) hat die Beklagte in Ziff. 5 unmissverständlich klar gemacht, dass der Kläger nicht nur eventuell von einer Kündigung betroffen sein würde, sondern dass sein Arbeitsverhältnis von dem geplanten Personalabbau betroffen sein wird. Weiter heißt es dort, dass der Kläger nach Abschluss des Verfahrens mit dem Betriebsrat eine entsprechende Kündigung erhalten wird und dass ihm zur Milderung wirtschaftlicher Nachteile die im Sozialplan vorgesehenen Leistungen zustehen. Auch auf den geplanten Betriebsübergang geht die Beklagte in der Form ein, dass dem Kläger mitgeteilt wird, die Kündigungsabsicht wirke sich auf den Übergang des Arbeitsverhältnisses nicht aus. Auch wenn damit zunächst nur mitgeteilt wird, dass auch das Arbeitsverhältnis des Klägers trotz Kündigungsabsicht übergeht, so ist mit den ersten Sätzen unter Ziff. 5 klar gemacht, dass nicht erst die Erwerberin über die von der Beklagten beabsichtigte Kündigung entscheidet. Die Kündigung hängt hiernach nicht von der Entscheidung der Erwerberin ab, sondern davon, wann das Verfahren mit dem Betriebsrat, der über den Betriebsübergang hinaus im Amt geblieben ist, abgeschlossen sein wird. Bereits in der vorangegangenen Ziff. 4 des Informationsschreibens hatte die Beklagte klargemacht, dass die dem Wirtschaftsausschuss bereits vorgestellte "CIPP 2-Planung" vollkommen unabhängig davon sei, dass der Geschäftsbereich CI zum 01.11.2004 übergehe, weil diese Kündigungsmaßnahmen auch ohne den Übergang von ihr - der Beklagten - durchgeführt werden müsste.

Dem entspricht auch der zu diesem Zeitpunkt bereits abgeschlossene Interessenausgleich vom 14.10.2004. Auf die im Tatbestand zitierten Passagen sei verwiesen. Der Kläger ist sogar in der dem Interessenausgleich beigefügten Namensliste enthalten.

Soweit die Beklagte in der letzten mündlichen Verhandlung zweiter Instanz ausgeführt hat, hierbei habe es sich um einen vorläufigen Interessenausgleich bzw. um eine vorläufige Namensliste gehandelt, ergeben sich hierfür keinerlei Anhaltspunkte. Es ist allerdings richtig, dass die Namensliste noch nicht alle Namen der zu entlassenden Mitarbeiter umfasste. In diesem Sinne war die Liste vorläufig, als man sich noch nicht auf alle betroffenen Mitarbeiter geeinigt hatte. Hinsichtlich dieser in der Namensliste enthaltenen Mitarbeiter einschließlich des Klägers war man sich jedoch einig und hinsichtlich deren Namen war kein Vorbehalt erklärt worden.

Es mag dahinstehen, inwieweit die Erwerberin, wie der Kläger vermutet, sogar verpflichtet war, diese von der Beklagten beabsichtigten Kündigungen auch durchzuführen. Für seine Vermutung, dies sei sogar im Übernahmevertrag als Verpflichtung der B.Photo GmbH aufgenommen worden, sind keine Tatsachen oder Indizien vorgetragen.

Ebenso kann dahinstehen, ob die Vermutung der Kammer zutreffend ist, dass die Beklagte der B.Photo GmbH zugesagt hat, die durch die Kündigungsmaßnahme entstehenden Verpflichtungen der B.Photo GmbH zur Zahlung von Abfindungen zu übernehmen. Für die Kammer war es nämlich kaum vorstellbar, dass die Beklagte sich ausweislich des Interessenausgleichs und Informationsschreibens einerseits darüber im klaren war, dass dieser Bereich entsprechend der CIPP 2-Planung "verschlankt" werden musste, um überhaupt wirtschaftlich arbeiten zu können, weswegen sie zum Schluss kam, dass diese Maßnahmen unabhängig vom Betriebsübergang realisiert werden mussten und dass die Beklagte andererseits diese Maßnahmen der Erwerberin "aufbürdete". Schließlich weist der Kläger zu Recht darauf hin, dass potentielle Erwerber wie G.-Film von der Beklagten beispielsweise erwartet hatten, dass die Beklagte noch über 100 Millionen Euro zahlen würde für die Übernahme, statt dass G.- Film einen Kaufpreis seinerseits zahlen würde. Konnte die Beklagte nun mit der B.Photo GmbH einen Erwerb vereinbaren, der nach dem Kaufvertrag einen Kaufpreis von 175 Millionen Euro beinhaltete, so ist es für die Kammer kaum vorstellbar, dass diese Erwerberin - die B.Photo GmbH - gleichzeitig eine solche "Hypothek" zusätzlich übernahm, nämlich ca. 210 Mitarbeiter unmittelbar nach Betriebsübergang zu kündigen mit der Verpflichtung auf Sozialplanabfindungen, die sich auch nach Einschätzung der Prozessvertreter der Beklagten in der letzten mündlichen Verhandlung zweiter Instanz auf ca. 4 bis 5 Millionen Euro summierten. Da die Beklagtenvertreter hierzu keine Erklärung abgeben wollten oder konnten, kann es auch dahingestellt bleiben, ob die in dieser Verhandlung aufgestellte Behauptung des Klägervertreters zutrifft, der Betriebsratsvorsitzende habe damals erklärt, die Beklagte werde die Abfindungen für die B.Photo GmbH zahlen. Denn aus einer solchen unter Umständen bestehenden internen Vereinbarung könnte der Kläger seinerseits keinen Anspruch herleiten.

Nach allem kann jedenfalls festgestellt werden, dass aufgrund des Interessenausgleichs und des Informationsschreibens davon auszugehen ist, dass die Kündigung des Klägers von der Beklagten nicht nur geplant, sondern auch beschlossen worden war, selbst wenn die B.Photo GmbH sie erst ausführte.

Deshalb ist nach Auffassung der Kammer entscheidend, wann bei einer Betriebsänderung der Anspruch auf eine Sozialplanabfindung entsteht, und zwar in einem Fall, in dem (für den Fall der Kündigung) nach einem bereits geschlossenen Sozialplan eine Abfindung bereits zugesagt worden ist.

Geht man mit Hanau (Probleme der Mitbestimmung des Betriebsrats über den Sozialplan, ZFA 1974, 89 ff, 100) und Hanau/Vossen (Die Auswirkungen des Betriebsinhaberwechsels auf Betriebsvereinbarungen und Tarifverträge, Festschrift für Marie-Luise H und Hermann S, 271 ff, 286 ff, 288) davon aus, dass Sozialplanansprüche schon mit der Betriebsänderung zur Entstehung gelangen, so wäre hier durchaus ein Anspruch begründbar.

Nach Hanau (a. a. O.) liegt ein Grenzfall vor, wenn der Betriebsübergang erfolgt, während Betriebsrat und Veräußerer noch über einen Sozialplan wegen einer vom Veräußerer vorgenommenen Betriebsänderung verhandeln. Für die Verpflichtung aus den vom Erwerber abgeschlossenen Sozialplan haftet nach Hanau aber dann auch der Veräußerer nach Maßgabe des § 613 a BGB, soweit sich der Plan in dem Rahmen des § 111 BetrVG hält. Denn der Anspruch der Arbeitnehmer, so weiter Hanau, auf Ausgleich oder Milderung der wirtschaftlichen Nachteile aus einer Betriebsänderung entstehe dem Grunde nach bereits mit der Planung oder spätestens der Durchführung der Betriebsänderung; der Sozialplan fixiere nur die zunächst unbestimmte Höhe dieses Anspruchs.

Ist hier noch von einer vom Veräußerer vorgenommenen Betriebsänderung die Rede, so gehen Hanau/Vossen, a. a. O., weiter. Hier heißt es: "In einzelnen Fällen kann zweifelhaft sein, ob eine Betriebsänderung von dem bisherigen oder dem neuen Arbeitgeber vorgenommen wurde, so wenn eine Betriebsverlegung oder Betriebseinschränkung von dem bisherigen Arbeitgeber begonnen und dem neuen vollendet wurde. Soweit es nach den vorstehenden Ausführungen erheblich ist, wird man die Betriebsänderung dem bisherigen Betriebsinhaber zurechnen müssen, wenn er die entsprechenden Erklärungen (Versetzung, Umgruppierung, Kündigung) gegenüber dem Arbeitnehmern abgegeben oder die Betriebsänderung tatsächlich so weit vorangetrieben hat, dass entsprechende Erklärungen unvermeidlich werden."

Dass hier im vorliegenden Fall die Beklagte die Betriebsänderung so weit vorangetrieben hatte, dass entsprechende Erklärungen durch die Erwerberin unvermeidlich waren, steht für die Kammer nach allem außer Frage.

Rechtliche Grundlage der Sozialplanansprüche ist jedoch nicht die Betriebsänderung, sondern ist der abgeschlossene Sozialplan bzw. - wie hier - der Interessenausgleich, der einen früheren Sozialplan in Bezug nimmt und hiernach Abfindungen zusagt (so Wolff, Die Gestaltungsform des Sozialplans, Seite 108 m. w. N.). Mit Wiedemann/Willemsen (Anm. zu BAG-Urteil vom 08.12.1976 - 5 AZR 613/75 - AP Nr. 3 zu § 112 BetrVG 1972 m. w. N.) ist festzustellen, dass zwischen dem Recht des Betriebsrates auf einen Sozialplan und den Ansprüchen der Arbeitnehmer aus einem Sozialplan zu unterscheiden ist. Infolge dieser kollektivrechtlichen Lösung ist mit den Autoren weiter festzustellen, dass die eigentliche Rechtsgrundlage für Abfindungsansprüche vom Arbeitnehmer nicht in § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG, sondern unmittelbar in dem zwischen den Betriebspartnern vereinbarten Sozialplan zu sehen ist. Die Betriebsänderung im Sinne von § 111 Satz 2 BetrVG löst lediglich den Anspruch des Betriebsrats auf Verhandlungen über einen Sozialplan aus (so BAG, Beschluss vom 16.06.1987 - 1 ABR 41/85 - AP Nr. 19 zu § 111 BetrVG 1972).

Nach einem Teil der Literatur müssen für die Entstehung des Anspruchs alle im Sozialplan festgelegten Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sein. Im Falle einer Betriebsstilllegung und Kündigung der Arbeitsverhältnisse sei das der Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, des Ausscheidens aus dem Betrieb, weil erst dann die Arbeitnehmer wirtschaftliche Nachteile erlitten und damit der im Sozialplan vorgesehene ausgleichswürdige Nachteilstatbestand erfüllt sei (vgl. Wolff, a. a. O.; Meyer, Privatisierung, was dann? Sozialpläne im Treuhandunternehmen, AuA 1996, 185 ff; Knorr, Der Sozialplan im Widerstreit der Interessen, Seite 102).

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts entsteht ein Abfindungsanspruch nach dem Sozialplan, der als Voraussetzung eine betriebsbedingte Kündigung normiert, bereits mit dem Ausspruch der Kündigung (so BAG, Urteil vom 28.08.1996 - 10 AZR 886/95 - AP Nr. 104 zu § 112 BetrVG 1972; BAG, Urteil vom 13.12.1994 - 3 AZR 357/94 - AP Nr. 6 zu § 4 TVG Rationalisierungsschutz; ebenso: Wolff, a. a. O., m. w. N.; Däubler, Betriebsverfassungsgesetz, 9. Aufl., §§ 112, 112 a Rz. 138).

Soweit W (a. a. O.) ausführt, der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sei zuzustimmen, weil mit der Kündigung feststehe, dass der Arbeitnehmer von der Betriebsänderung betroffen sei, so könnten hier allerdings Zweifel deshalb aufkommen, ob tatsächlich der Ausspruch der Kündigung der maßgebliche Zeitpunkt für das Entstehen des Anspruches ist, weil aus dem Vorhergesagten zu schließen sein könnte, dass spätestens mit dem Informationsschreiben für den Kläger feststand, dass er eine Kündigung erhalten würde.

Hier ist jedoch auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Nachteilsausgleich bei Betriebsstilllegung zurückzugreifen. Nach § 113 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 1 BetrVG kann ein Arbeitnehmer vom Unternehmer die Zahlung einer Abfindung verlangen, wenn der Unternehmer eine geplante Betriebsänderung nach § 111 BetrVG durchführt, ohne über sie einen Interessenausgleich mit dem Betriebsrat versucht zu haben und infolge der Maßnahme Arbeitnehmer entlassen werden oder andere wirtschaftliche Nachteile erleiden. Der Anspruch entsteht, sobald der Unternehmer mit der Durchführung der Betriebsänderung begonnen hat, ohne bis dahin einen Interessenausgleich mit dem Betriebsrat versucht zu haben. Der Unternehmer beginnt mit der Durchführung einer Betriebsänderung, wenn er unumkehrbare Maßnahmen ergreift und damit vollendete Tatsachen schafft (so BAG, Urteil vom 30.05.2006 - 1 AZR 25/05 - Betriebsberater 2006, 1745 ff m. w. N.).

In dem vom BAG entschiedenen Fall hatte der Arbeitgeber im Hinblick auf die beabsichtigte Stilllegung die Arbeitnehmer bereits von der Arbeit freigestellt. Gleichwohl, so hat das Bundesarbeitsgericht ausgeführt, beginne der Arbeitgeber damit noch nicht mit der Betriebsstilllegung. Vielmehr ziehe er damit lediglich die Konsequenz aus der Einstellung der betrieblichen Tätigkeit. Ebenso wie diese sei auch die Freistellung der Arbeitnehmer regelmäßig noch umkehrbar. Sie lasse den Bestand der Arbeitsverhältnisse noch unberührt und sei jedenfalls bei Fehlen anders lautender Vereinbarungen jederzeit widerruflich. Eine irreversible Auflösung der betrieblichen Organisation sei mit ihr deshalb nicht verbunden (tendenziell anderer Meinung: Lauer, Die Gradwanderung bei der Freistellung der Arbeitnehmer im Insolvenzverfahren, ZIP 2006, 983 ff, 985). Nichts anderes kann nach Auffassung der Kammer hier gelten.

Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass für die Beklagte feststand, dass der Kläger zu kündigen war. Dies war für die Beklagte auch unabhängig vom Betriebsübergang der Fall. Damit stand für die Beklagte ebenfalls fest, dass die Erwerberin den Kläger kündigen musste, um die Ziele der "CIPP 2-Planung" zu erreichen. Weder hat die Beklagte den Kläger aber gekündigt noch gibt es Nachweise und Anhaltspunkte dafür, dass die Erwerberin sich definitiv verpflichtet hatte, den Kläger zu kündigen. Die Beklagte hatte die aus ihrer Sicht unvermeidbare Kündigung des Klägers der Erwerberin überlassen und die Erwerberin ihrerseits hatte jedenfalls die Möglichkeit, aufgrund neuer Erkenntnisse und Entwicklungen hiervon Abstand zu nehmen, so unwahrscheinlich dies tatsächlich auch war.

Damit war hier ein Anspruch noch nicht entstanden, so dass eine gesamtschuldnerische Haftung der Beklagten nach § 613 a Abs. 2 Satz 1 BGB ausscheidet.

Dagegen ist eine Haftung der Beklagten nach § 613 a Abs. 5 in Verbindung mit §§ 280 ff BGB gegeben.

Gem. § 613 a Abs. 5 BGB hat der bisherige Arbeitgeber oder der neue Inhaber die von einem Betriebsübergang getroffenen Arbeitnehmer vor dem Übergang in Textform über den (geplanten) Zeitpunkt des Übergangs, den Grund für den Übergang, die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs für die Arbeitnehmer und die hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen Maßnahmen zu unterrichten.

Dies hat die Beklagte mit Informationsschreiben vom 22.10.2004 getan.

Die Folge einer fehlenden oder unvollständigen Unterrichtung ist zum einen, dass die Widerspruchsfrist des § 613 a Abs. 6 BGB nicht läuft. Da es sich aber um eine echte Rechtspflicht und nicht lediglich um eine Obliegenheit handelt, können aus deren Verletzung auch Schadensersatzansprüche nach §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281, 283 BGB oder § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB folgen (so ErfK-Preis, 5. Aufl., § 613 a BGB Rz. 90; Mückl, Rechtsfolgen einer fehlerhaften Unterrichtung des Arbeitnehmers bei Betriebsübergang, JUS 2006, 395 ff, 396; Willemsen/Lembke, Die Neuregelung von Unterrichtungen und Widerspruchsrecht der Arbeitnehmer beim Betriebsübergang, NJW 2002, 1159 ff, 1164; Willemsen, Umstrukturierung und Übertragung von Unternehmen, Seite 929; Müller-Glöge, MünchK, § 613 a Rz. 114; Grau, Unterrichtung und Widerspruchsrecht der Arbeitnehmer bei Betriebsübergang, S. 312 m. w. N.).

Die Unterrichtung dient dazu, den betroffenen Arbeitnehmern eine ausreichende Wissensgrundlage für die Ausübung des Widerspruchsrechts zu geben. Möglich ist zwar eine standardisierte Information, die aber eventuelle Besonderheiten des Arbeitsverhältnisses erfassen muss, maßgebend ist der Bezug zum Arbeitsplatz. Neben den gesetzlichen Unterrichtungsgegenständen (§ 613 a Abs. 5 Nr. 1 - 4 BGB) ist der Betriebserwerber identifizierbar zu benennen und der Gegenstand des Betriebsübergangs anzugeben. Erteilte Informationen müssen zutreffend sein. Unter anderem muss sorgfältig über die rechtlichen Folgen des Betriebsübergangs informiert werden (so BAG, Urteil vom 13.07.2006 - 8 AZR 305/05 - Pressemitteilung Nr. 50/06).

Es mag dahinstehen, ob die Information der Beklagten aus der Vielzahl der vom Kläger im Einzelnen genannten Gründe falsch bzw. unvollständig war. Ebenso mag dahinstehen, ob die Information bereits deshalb fehlerhaft war, weil auch hier - wie im Fall des Bundesarbeitsgerichts (a. a. O.- 8 AZR 305/05 -) unter Umständen keine näheren Angaben über die Adresse der Erwerberin mitgeteilt worden waren. Der Kläger hat sich hierauf nicht berufen und die Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts lässt noch keine Rückschlüsse auf die tragenden Gründe für eine solche formale Betrachtungsweise zu. Jedenfalls ist die Information nach Auffassung der Kammer schon deshalb unvollständig, weil über die für den Kläger ganz entscheidenden Haftungsfragen nichts gesagt wurde. Dies gehört ebenfalls zur Verpflichtung des Veräußerers nach § 613 a Abs. 5 BGB (so BAG, Urteil vom 24.05.2005 - 8 AZR 398/94 - AP Nr. 284 zu § 613 a BGB; ebenso Grau, a. a. O., S. 166 m. w. N.).

Der Kläger musste aufgrund des Informationsschreibens davon ausgehen, dass sein Arbeitsverhältnis nicht auf Dauer auf die Erwerberin übergehen würde. Für einen Außenstehenden war es schon überraschend, dass nicht bereits die Beklagte die Kündigung vor Betriebsübergang ausgesprochen hat. Auch wenn die Beklagte den Kläger also ausdrücklich darauf hinwies, dass unbeschadet der beabsichtigten Kündigung sein Arbeitsverhältnis zunächst übergehe, so war ebenso klar, dass dann aber die Erwerberin - nach abschließender Klärung mit dem Betriebsrat - die Kündigung aussprechen würde, selbst wenn, wie oben gesagt, dies nicht unumkehrbar war.

Muss die Information die Besonderheiten des Arbeitsverhältnisses erfassen, so bestand die Besonderheit für den Kläger hier gerade darin, dass er bei der Erwerberin keinen Dauerarbeitsplatz zu erwarten hatte, sondern dass es lediglich eine Frage der Zeit war, ob er ein, zwei, drei oder vier Wochen nach Betriebsübergang die Kündigung erhalten würde.

Betrachtet man weiter, dass dem Kläger gleichzeitig bereits im Informationsschreiben eine Abfindung nach dem Transfer-Sozialplan in Verbindung mit der Gesamtbetriebsvereinbarung zugesagt wurde, die letztlich 40.567,-- € betrug, war für den Kläger nicht entscheidend, ob er beabsichtigte, auf Dauer das Arbeitsverhältnis bei der Erwerberin fortzusetzen und ob insoweit das Informationsschreiben Anlass gab, diesem Übergang zu widersprechen. Ganz entscheidend war vielmehr für den Kläger, ob er bei Übergang des Arbeitsverhältnisses genauso davon ausgehe konnte, die Abfindung - nunmehr - von der Erwerberin zu erhalten, so wie er - bisher - davon ausgehen konnte, dass dies bei der Beklagten der Fall war. Hierfür wiederum war entscheidend, ob beispielsweise auch die Beklagte, die dem Kläger im Informationsschreiben die Abfindung sogar ausdrücklich zugesagt hatte, im Falle eines Betriebsübergangs hierfür ebenfalls haftete.

Dies war auch nicht von vornherein abwegig, wie die obigen Ausführungen bewiesen haben. D. h. die Wiederholung des Gesetzestextes von § 613 a Abs. 2 BGB hätte noch nicht mal genügt, sondern die Beklagte hätte den Kläger aufgrund der Regelung des § 613 a Abs. 2 BGB darüber informieren müssen, dass nach ihrer Auffassung bei Übergang des Arbeitsverhältnisses auf die B.Photo GmbH, ohne dass der Kläger widersprach, nur noch die B.Photo GmbH und nicht mehr sie selbst - auch nicht teilweise - haftete. Selbst den Hinweis, dass sie - die Beklagte - gegebenenfalls nur noch bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 613 a Abs. 2 BGB hierfür hafte, hat sie unterlassen.

Soweit die Beklagte dem in der letzten mündlichen Verhandlung zweiter Instanz entgegengehalten hat, aus dem Informationsschreiben ergebe sich aber doch, dass das Arbeitsverhältnis dann übergehe, was für jeden Laien klarstelle, dass dann nur noch die in das Arbeitsverhältnis eingetretene Erwerberin hafte, ist dies nach Auffassung der Kammer angesichts der hier beschriebenen Komplexität der Haftungsfragen im Falle eines Betriebsübergangs völlig unzureichend.

Ein Schadensersatzanspruch setzt hier grundsätzlich voraus, dass der Arbeitnehmer geltend macht, er hätte sich ohne Verletzung der Informationspflicht aus § 613 a Abs. 5 BGB im Hinblick auf das Widerspruchsrecht anders verhalten, als er es getan hat. Ist dies nicht der Fall, fehlt es nämlich in der Regel an der (haftungsausfüllenden) Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Schaden (so Franzen, Informationspflichten und Widerspruchsrecht beim Betriebsübergang nach § 613 a Abs. 5 und 6 BGB, RdA 2002, 258 ff, 267).

Beweisbelastet hinsichtlich des Kausalzusammenhangs zwischen Pflichtverletzung und Schaden ist prinzipiell der Anspruchsteller aus § 280 Abs. 1 BGB. Wie Grau (a. a. O., S. 322 m. w. N.) zutreffend ausführt, wird im Arbeitsrecht die Vermutung aufklärungsgemäßen Verhaltens des Arbeitnehmers jedoch auch bei arbeitgeberseitigen Verstößen gegen schlichte gesetzliche Informationspflichten herangezogen. Legt man die in der Rechtsprechung gebräuchliche Formel zugrunde, so ist prinzipiell davon auszugehen, dass jedermann bei ausreichender Information seine eigenen Interessen in vernünftiger Weise wahrt. Dies beansprucht Geltung auch für die Prüfung von Arbeitnehmeransprüchen aus §§ 280 Abs. 1, 613 a Abs. 5 BGB.

Hätte die Beklagte hier, wie es ihre Pflicht gewesen wäre, den Kläger darüber informiert, dass bei der unmittelbar bevorstehenden Kündigung nur noch die B. Photo GmbH für die Abfindung hafte, muss angesichts der für den Kläger überhaupt nicht zu überschauenden Liquidität der Erwerberin, gerade in der Phase der Neugründung angesichts der Vielzahl der Kündigungen mit einem Gesamtvolumen von geschätzten 4 bis 5 Millionen Euro als Abfindung, davon ausgegangen werden, dass aus seiner Sicht der Übergang des Arbeitsverhältnisses für diese kurze Zeit überhaupt keinen Sinn mehr ergab, erst recht, wenn die Zahlung der zugesagten Abfindung dadurch unter Umständen nicht mehr gesichert war, so wie der Kläger dies auch vorgetragen hat.

Damit ist davon auszugehen, dass der Kläger dem Übergang des Arbeitsverhältnisses aufgrund einer solchen umfassenden Information widersprochen hätte.

Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger in einem anderen Schriftsatz zusätzlich vorgetragen hat, er hätte unter Umständen mit der Beklagten verhandelt. Dies bezieht sich nämlich auf den Einwand der Beklagten, dass die Betriebsparteien sich nach der Überleitungsvereinbarung (ohne Datum, Bl. 459 ff d. A.), die zwischen der Beklagten, der B.Photo GmbH, dem Gesamtbetriebsrat der Beklagten und den örtlichen Betriebsräten abgeschlossen worden ist, darauf geeinigt hatten, dass die Arbeitnehmer, die widersprachen, keine Abfindung erhalten sollten. Hierbei bezieht sich die Beklagte auf Ziff. 7.3 der Überleitungsvereinbarung. Hieraus ergibt sich jedoch kein Ausschluss des Anspruchs des Klägers auf Sozialplanabfindung für den Fall des Widerspruchs.

Ziff. 7.3 der Überleitungsvereinbarung regelt nämlich lediglich, dass der bisherige Arbeitsplatz am selben Ort bei B.Photo GmbH oder einer Schwester- oder Tochtergesellschaft als in den wesentlichen Arbeitsbedingungen gleichwertig und zumutbar gem. I Ziff. 5 des Sozialplans gilt und ein Widerspruch gegen den Übergang den Abfindungsanspruch bei anschließender Kündigung ausschließt. Was sprachlich korrekt ausgedrückt bedeuten sollte, dass den Arbeitnehmern, die trotz Beibehaltung des gleichwertigen und zumutbaren Arbeitsplatzes dem Betriebsübergang widersprechen, kein Abfindungsanspruch zusteht. Insoweit bezieht sich Ziff. 3 der Überleitungsvereinbarung zutreffend auf Ziff. I 5 der Gesamtbetriebsvereinbarung, die wie folgt lautet:

"Lehnt ein Arbeitnehmer einen ihm angebotenen und in den wesentlichen Arbeitsbedingungen gleichwertigen und zumutbaren Arbeitsplatz ohne stichhaltige Begründung ab, so entfällt eine Abfindungszahlung nach Ziffer V."

Der Kläger sollte jedoch bei der Erwerberin keinen Dauerarbeitsplatz wie die anderen Arbeitnehmer erhalten, sondern er sollte unmittelbar nach Betriebsübergang gekündigt werden.

Aus dem Gesamtzusammenhang ergibt sich, dass durch diese Ausnahmebestimmung diejenigen Arbeitnehmer von Sozialplanansprüchen ausgenommen werden sollen, denen anlässlich der Betriebsänderung deshalb kein Nachteil entsteht, weil ihr Arbeitsverhältnis nach § 613 a Abs. 1 BGB auf einen Betriebserwerber übergeht. Wie sich weiter aus Ziff. V der Gesamtbetriebsvereinbarung ergibt, erhalten die Arbeitnehmer, die nach den dortigen Bestimmungen ausscheiden, wegen betriebsbedingter Beendigung des Arbeitsverhältnisses und Verlust eines sozialen Besitzstandes eine Abfindung im Sinne der §§ 9, 10 KSchG. Dieser Verlust tritt dann nicht ein, wenn das Arbeitsverhältnis ungekündigt auf den Betriebserwerber übergeht. Deshalb hat das Bundesarbeitsgericht im Urteil vom 22.11.2005 - 1 AZR 458/04 - AP Nr. 176 zu § 112 BetrVG 1972 - festgestellt, der Anspruch auf eine Sozialplanabfindung scheitere dann nicht an einer solchen Klausel, wenn das Arbeitsverhältnis im gekündigten Zustand übergehe und aufgrund der Kündigung ende, weil diesen Arbeitnehmer der Verlust des Arbeitsplatzes, der durch die Abfindung gemildert werden solle, gleichermaßen treffe. Nichts anderes kann nach Auffassung der Kammer hier gelten, wo zwar die Kündigung bei Betriebsübergang nicht ausgesprochen war, sie aber bereits angekündigt war und unmittelbar nach Betriebsübergang auch ausgesprochen worden ist.

Hätte die Beklagte also hier die zutreffende Auskunft gegeben, dass dem Kläger nämlich auch bei Widerspruch gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses ein Abfindungsanspruch zustand, so hätte es keinerlei Verhandlungen bedurft, etwaige entgegenstehende kollektivrechtliche Regelungen abzuändern. Der Kläger hätte widersprochen, er hätte von der Beklagten die Kündigung erhalten und die Beklagte wäre verpflichtet gewesen, an den Kläger nach dem Transfer-Sozialplan in Verbindung mit der Gesamtbetriebsvereinbarung die hier eingeklagte Abfindung in der hier unstreitigen Höhe zu zahlen.

Soweit das Arbeitsgericht meint, die Beklagte hätte in diesem Fall keine Abfindung zahlen müssen, folgt die Kammer dem nicht.

Wie oben gesehen handelt es sich um eine Betriebsänderung, ganz gleich ob die Beklagte oder die Erwerberin die Kündigung ausgesprochen hätte. Die Kündigung erfolgte in jedem Fall aufgrund der "CIPP 2-Planung", die ausweislich des Interessenausgleichs und des Informationsschreibens eine betriebsbedingte Kündigung des Klägers ganz unabhängig vom Betriebsübergang erforderte. Die kollektivrechtlichen Regelungen, die dem Kläger einen Abfindungsanspruch zusprachen, enthalten, wie gesehen, auch keinen Ausnahmetatbestand für den Fall, dass der Kläger dem Betriebsübergang widerspricht. Auch wenn es generell richtig ist, so wie das Arbeitsgericht ausführt, dass nach einem Widerspruch des Arbeitnehmers gegen den Betriebsübergang der Arbeitnehmer dann vom Veräußerer gekündigt werden muss, weil er keine Beschäftigung mehr für ihn hat, so liegt der Fall hier anders. In dem vom Arbeitsgericht angenommenen Normalfall ist eine Notwendigkeit für eine Kündigung gar nicht gegeben, wenn der Arbeitnehmer nicht widerspricht und das Arbeitsverhältnis damit auf den Erwerber übergeht. Sie entsteht vielmehr erst, wenn der Arbeitnehmer dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses widerspricht und der Veräußerer dann keine Möglichkeit zur Weiterbeschäftigung mehr hat, weil der Betriebsteil, in dem dem Arbeitnehmer eine Weiterbeschäftigung angeboten worden war, übergegangen ist. Hier war aber nach der "CIPP 2-Planung", zu deren Umsetzung die Beklagte sich laut Interessenausgleich und Informationsschreiben entschlossen hatte, eine Möglichkeit zur Weiterbeschäftigung des Klägers unabhängig davon, ob der Kläger widersprach oder nicht, ausgeschlossen, weil unabhängig vom Betriebsübergang der Arbeitsplatz des Klägers wegfallen sollte.

Damit ist der Kläger aufgrund der Verpflichtung der Beklagten zum Schadensersatz so zu stellen, wie er stehen würde, wenn die Beklagte ihn ordnungsgemäß unterrichtet hätte. Denn hätte der Kläger widersprochen, hätte die Beklagte eine ordentliche betriebsbedingte Kündigung ausgesprochen und wäre nach dem Transfer-Sozialplan in Verbindung mit der Gesamtbetriebsvereinbarung verpflichtet gewesen, an den Kläger eine Abfindung in Höhe von 40.569,-- € brutto zu zahlen.

Dies führt nicht dazu, dass der Kläger verpflichtet gewesen wäre, den Widerspruch im Nachhinein noch auszuüben, auch wenn dies für den Normalfall so gelten mag (vgl. hierzu Grau, a. a. O., S. 319 f m. w. N.). Dies hätte nämlich zur Konsequenz, dass der Kläger damit wieder in einem Arbeitsverhältnis zur Beklagten stünde, gegebenenfalls auch mit weiteren Zahlungsansprüchen gegenüber der Beklagten. Die Beklagte würde ihn dann zunächst weiterbeschäftigen und dann kündigen müssen mit derselben Konsequenz, dass nämlich die Beklagte aufgrund dieser Kündigung die Abfindung nach dem Sozialplan an den Kläger zu zahlen hätte. Will der Kläger es bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die betriebsbedingte Kündigung der B.Photo GmbH belassen, so ist es ihm nicht verwehrt, einen Schadensersatzanspruch auszuüben, der unterstellt, er hätte bei ordnungsgemäßer Information sein Widerspruchsrecht ausgeübt.

Soweit die Beklagte sich in der letzten mündlichen Verhandlung darauf berufen hat, sie treffe an einer etwaigen unvollständigen Information des Klägers kein Verschulden, ist dies für die Kammer nicht nachvollziehbar. Es handelt sich um eine gesetzlich normierte Verpflichtung der Beklagten. Es ist zwar zutreffend, dass eine Schadensersatzpflicht nach § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB ausscheidet, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. Inwieweit dies hier der Fall sein soll, hat die Beklagte nicht dargelegt. Hat die Beklagte gemeint, mit ihrer Information der gesetzlichen Verpflichtung Genüge getan zu haben und kommt das Gericht anschließend zum Ergebnis, dass dies - entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten - nicht der Fall war, so genießt die Beklagte hier keinen Vertrauensschutz, wenn sie sich auf ihre Rechtsauffassung oder auf etwaige eingeholte Rechtsauskünfte verlassen hat. Im Übrigen stand aufgrund der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 24.05.2005 - a. a. O. -) bereits vor Abfassung des Informationsschreibens fest, dass Haftungsfragen zur Informationspflicht des Veräußerers gehören.

Schließlich scheitert der Anspruch nicht deshalb, weil der Kläger einen Anspruch auf Abfindung gleichzeitig zur Insolvenztabelle angemeldet hat. Allenfalls wäre es Sache des Klägers, diese Anmeldung zurückzunehmen, wenn er rechtskräftig gegenüber der Beklagten Erfolg hätte.

Nach allem war, wie geschehen, zu erkennen.

Der Zinsanspruch folgt aus § 288 Abs. 1 BGB.

Gem. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO hat die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Gem. § 72 Abs. 2 Ziff. 1 ArbGG war die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache für die Beklagte zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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