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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 21.09.2004
Aktenzeichen: 8 (6) Sa 1152/04
Rechtsgebiete: BGB, StGB


Vorschriften:

BGB § 823 (2)
StGB § 266 a
Zahlt der Geschäftsführer der Arbeitgeber-Firma die Beiträge an die Urlaubs- und Lohnausgleichskasse der Bauwirtschaft zugunsten des Klägers nur zum Teil, so kann der Kläger ihn nicht nach § 823 (2) BGB i. V. m. § 266 a StGB auf den Differenzbetrag hinsichtlich seines Anspruchs auf Resturlaub in Anspruch nehmen, weil die Tatbestandsvoraussetzungen des § 266 a StGB nicht erfüllt sind.
LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

8 (6) Sa 1152/04

Verkündet am 21. September 2004

In Sachen

hat die 8. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 21.09.2004 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Pauly als Vorsitzenden sowie den ehrenamtlichen Richter Bollweg und den ehrenamtlichen Richter Frauenschlager

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Duisburg vom 28.04./02.06.2004 abgeändert.

Der Kläger wird mit der Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die persönliche Haftung des Beklagten als Geschäftsführer der Firma G. GmbH aus unerlaubter Handlung in Verbindung mit einem Schutzgesetz (§ 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 266 a StGB) wegen nicht abgeführter Zahlungen an die Urlaubs- und Lohnausgleichskasse der Bauwirtschaft (SOKA-BAU).

Seit dem 05.05.2000 war der Kläger bei der Firma G. GmbH als Arbeitnehmer beschäftigt, über deren Vermögen am 31.05.2002 die Insolvenz eröffnet wurde. Der Beklagte ist deren Geschäftsführer.

Nachdem der Kläger bei der Firma G. GmbH ausgeschieden war, erhielt er mit Datum vom 15.10.2003 von der SOKA-BAU einen Arbeitnehmerkontoauszug zum 30.09.2003 (Bl. 4 d. A.), aus dem sich ergab, dass ihm zwar für 2002 ein Urlaubsanspruch von neun Tagen zustand, dieser aber nur in Höhe von 197,61 € beitragsgedeckt war.

Mit der am 13.02.2004 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger einen Anspruch gegen den Beklagten auf den Differenzbetrag in Höhe von 1.065,61 € geltend gemacht.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der Beklagte hafte nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 266 a StGB.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn netto 1.065,61 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 11.11.2003 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

den Kläger mit der Klage abzuweisen.

Er hat die Auffassung vertreten: Die Beiträge an die SOKA-BAU unterfielen nicht dem Anwendungsbereich des § 266 a StGB. Der Urlaubsanspruch unterfalle auch nicht § 28 g SGB IV, da er nicht im Katalog enthalten sei. Außerdem seien etwaige Ansprüche des Klägers verfallen bzw. verjährt.

Mit Urteil vom 28.04./02.06.2004 hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben, und zwar gem. § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. 266 a Abs. 2 StGB.

Gegen dieses dem Beklagten am 14.06.2004 zugestellte Urteil hat er am 13.07.2004 Berufung eingelegt und hat diese am 16.07.2004 begründet.

Beide Parteien wiederholen im Wesentlichen ihre erstinstanzlich vorgetragenen Rechtsauffassungen.

Der Beklagte beantragt,

das am 02.06.2004 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Duisburg - 3 Ca 406/04 - aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der sonstigen Einzelheiten wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der Akte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig.

Sie ist nämlich an sich statthaft (§ 64 Abs. 1 ArbGG), nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes zulässig (§ 64 Abs. 2 ArbGG), sowie in gesetzlicher Form und Frist eingelegt (§§ 519 Abs. 1, Abs. 2 ZPO, 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG) und begründet worden (§§ 66 Abs. 1 Satz 3 ArbGG, 520 Abs. 3 ZPO, 64 Abs. 6 ArbGG).

Die Berufung ist auch begründet.

Die Gerichte für Arbeitssachen sind für die Klage gem. § 2 Abs. 1 Nr. 3 d ArbGG zuständig, auch wenn der Beklagte persönlich nicht Arbeitgeber des Klägers war, sondern nur der Geschäftsführer des früheren Arbeitgebers des Klägers (Firma G. GmbH) ist. Denn die als Organ der juristischen Person handelnde natürliche Person steht im Falle von Ansprüchen aus unerlaubter Handlung dem Arbeitgeber gleich (so BAG - Beschluss vom 24.06.1996 - 5 AZB 35/95 - AP Nr. 39 zu § 2 ArbGG 1979 m. w. N.).

Es kann dahingestellt bleiben, ob der Anspruch bereits deshalb unbegründet ist, weil er nach den Ausschlussfristen des Bundesrahmentarifvertrages für das Baugewerbe, der hier anwendbar ist, verfallen ist.

Es ist bereits fraglich, ob die Ausschlussfristen des § 15 des Bundesrahmentarifvertrages hier überhaupt Anwendung finden. Bei dem geltend gemachten Anspruch handelt es sich in jedem Falle um einen Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis im Sinne von § 15 Ziff. 1 des Baurahmentarifvertrages. Allerdings richtet sich dieser nicht gegen die frühere Arbeitgeberin, sondern gegen deren Geschäftsführer persönlich, zu dem der Kläger nicht in einem Arbeitsverhältnis stand.

Es wäre also zu entscheiden, ob die Ausschlussfristen aus ähnlichen Gründen Anwendung finden, wie sie hier zur Begründung der Zuständigkeit der Arbeitsgerichte geführt haben.

Ein etwaiger Verfall des Anspruchs ist - entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts - nicht bereits deshalb ausgeschlossen, weil der Beklagte den Anspruch anerkannt hat. Hier muss unterschieden werden zwischen dem Anspruch auf Urlaubsvergütung bzw. -abgeltung des Klägers gegen die Firma G. GmbH bzw. gegen die SOKA-BAU auf der einen Seite und dem Anspruch aus unerlaubter Handlung in Höhe der nicht eingezahlten Beiträge gegenüber dem Beklagten als Geschäftsführer der Firma G. GmbH auf der anderen Seite. Der Beklagte hat den mit der Klage geltend gemachten Anspruch nicht anerkannt.

Der Kläger hat zwar erstmals durch den Arbeitnehmerkontoauszug der SOKABAU vom 15.10.2003 hiervon erfahren und hat mit außergerichtlichem Schreiben vom 31.10.2003 auch innerhalb der zweimonatigen Ausschlussfrist des § 15 Ziff. 1 des Tarifvertrages den Anspruch schriftlich geltend gemacht. Fraglich ist jedoch, ob auch die nach § 15 Ziff. 2 des Tarifvertrages geltende Klagefrist gewahrt ist. Der Beklagte hat nämlich mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 07.11.2003 geantwortet und um eine Frist bis zum 21.11.2003 gebeten, innerhalb der er klären wollte, ob die Angaben zutreffend sind, was nach dem ausdrücklichen Inhalt des Schreibens auch eine Zahlung beinhalten konnte. Geht man davon aus, dass der Kläger diese Frist abwarten konnte und erst nach deren Ablauf die zweimonatige Frist für die Klageerhebung zu laufen beginnt, so wäre sie hier mit der am 13.02.2004 beim Arbeitsgericht eingegangenen und dem Beklagten am 18.02.2004 ausweislich der Zustellungsurkunde der Deutsche Post AG (Bl. 10 a d. A.) zugestellten Klage gewahrt. Andernfalls wäre sie nicht gewahrt.

Letztlich kann dies jedoch dahingestellt bleiben, da der Anspruch, selbst wenn er nicht verfallen ist, jedenfalls unbegründet ist.

Als Grundlage für den vom Kläger geltend gemachten Schadensersatzanspruch kommt nur § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 266 a StGB in Betracht. Denn das Arbeitsverhältnis als solches begründet keine Treuepflichten im Sinne des § 266 StGB, und zwar weder für den Arbeitnehmer noch für den Arbeitgeber, sodass eine Untreue nicht vorliegt (vgl. Schönke/Schröder, StGB, 26. Aufl., § 266 Rz. 26 m. w. N.).

Der Beklagte ist zwar auch im Sinne des § 266 a BGB nicht Arbeitgeber des Klägers gewesen, sondern dies war die Firma G. GmbH, eine juristische Person, die als solche nicht selbst handeln kann und sich infolge dessen nicht strafbar machen kann. Für diesen Fall bestimmt jedoch § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB, dass, wenn jemand, das heißt eine natürliche Person, als vertretungsberechtigtes Organ einer juristischen Person oder als Mitglied eines solchen Organs handelt, dann auch ein Gesetz, nachdem besondere persönliche Eigenschaften, Verhältnisse oder Umstände (besondere persönliche Merkmale) die Strafbarkeit begründen, auf den Vertreter anzuwenden ist, wenn diese Merkmale zwar nicht bei ihm, aber bei dem Vertretenen vorliegen. Das bedeutet, dass, wenn der Arbeitgeber - wie hier - eine juristische Person ist, die Strafandrohung des § 266 a StGB gegen ihr vertretungsberechtigtes Organ gerichtet ist, also dieses sich strafbar macht (so KG-Urteil vom 26.11.1996 - 9 U 68/95 - NJW-RR 1997, 1126 f).

Der hier vorliegende Fall erfüllt jedoch nicht den Tatbestand der Strafrechtsnorm.

Die Vorschrift des § 266 a StGB ist durch das zweite Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftkriminalität vom 15.05.1986 (BGBl I, 721) eingeführt worden und am 01.08.1996 in Kraft getreten. Hiernach macht sich nach § 266 a Abs. 1 StGB strafbar, wer als Arbeitgeber Beiträge des Arbeitnehmers zur Sozialversicherung oder zur Bundesanstalt für Arbeit der Einzugsstelle vorenthält. Er wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Der objektive Tatbestand des § 266 a Abs. 1 StGB setzt das Vorenthalten von (Pflicht-)Beiträgen voraus. Es geht also ausschließlich um die Beiträge des Arbeitnehmers, zu deren Einbehaltung vom Bruttolohn der Arbeitgeber als der gegenüber der Einzugsstelle verpflichtete Schuldner des Gesamtbetrages berechtigt ist (so Schönke/Schröder - a. a. O. - § 266 a Rz. 4). Um solche Beiträge des Arbeitnehmers zur Sozialversicherung oder zur Bundesanstalt für Arbeit handelte es sich hier jedoch nicht.

Nach § 266 a Abs. 2 StGB wird ebenso bestraft, wer als Arbeitgeber sonst Teile des Arbeitentgelts, die er für den Arbeitnehmer an einen anderen zu zahlen hat, dem Arbeitnehmer einbehält, sie jedoch an den anderen nicht zahlt und es unterlässt, den Arbeitnehmer spätestens im Zeitpunkt der Fälligkeit oder unverzüglich danach über das Unterlassen der Zahlung an den anderen zu unterrichten.

Auch diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.

Tatbestandsvoraussetzung ist, dass der Arbeitgeber Teile des Arbeitentgelts einbehält, sie aber nicht ordnungsgemäß an denjenigen abführt, an den er sie für den Arbeitnehmer zu zahlen hat. Einbehalten sind Lohnteile, zu denen auch vermögenswirksame Leistungen gehören, wenn nur ein um die an Dritte zu leistenden Zahlungen gekürzter Lohn ausbezahlt wird (so Schönke/Schröder - a. a. O. - § 266 a Rz. 13). Schon dies ist hier nicht der Fall.

Gleichgültig ist, ob die Pflicht des Arbeitgebers zur Abführung der einbehaltenen Lohnteile privatrechtlich durch eine Abtretung oder durch eine Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer begründet ist oder ob sie auf einer öffentlich-rechtlichen Anordnung (Pfändung)) beruht, wobei der andere, an den zu zahlen ist, in der Regel ein Gläubiger des Arbeitnehmers ist (z. B. Versicherer einer freiwilligen Renten- oder Krankenversicherung, Ersatz-, Pensionskassen, Unterhalts-, Darlehensgläubiger usw.) aber auch ein vom Arbeitnehmer freiwillig Bedachter sein kann (z. B. der Empfänger einer regelmäßigen Spende) (so Schönke/Schröder - a. a. O. - § 266 a Rz. 13). Soweit hier von Renten- oder Krankenversicherung, Ersatz- oder Pensionskassen die Rede ist, verbietet sich dennoch eine Einbeziehung einer Urlaubs- und Lohnausgleichskasse der Bauwirtschaft, weil bei den genannten Beispielen entscheidend darauf abzustellen ist, dass es sich um freiwillige Renten- oder Krankenversicherungen, Ersatz- oder Pensionskassen handelt, was hier nicht der Fall ist. Auch die sonst angeführten Beispiele weisen nach, dass es sich um Verpflichtungen des Arbeitnehmers handeln muss, die der Arbeitgeber unter Einbehaltung von Teilen des Arbeitentgelts erfüllt und dass der Dritte Gläubiger des Arbeitnehmers sein muss, was bei der SOKA-BAU ebenfalls nicht der Fall ist.

Hier handelt es sich um Leistungen, die der Arbeitgeber aus eigener Verpflichtung nach dem Bundesurlaubsgesetz bzw. nach dem Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe zugunsten des Klägers an die SOKA-BAU zu zahlen hatte. Unterlässt er dies, so erfüllt dies nicht den objektiven Tatbestand des § 266 a Abs. 2 StGB und ist deshalb auch nicht strafbar.

Nach allem war auf die Berufung des Beklagten das Urteil des Arbeitsgerichts abzuändern und war der Kläger mit der Klage abzuweisen.

Gem. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO hat der Kläger die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Ende der Entscheidung

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