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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 08.10.2002
Aktenzeichen: 8 Sa 914/02
Rechtsgebiete: GG, KSchG, BGB


Vorschriften:

GG Art. 2 (1)
GG Art. 3 (1)
GG Art. 12 (1)
KSchG § 23 (1) 2
BGB § 138
BGB § 242
Zur abgestuften Darlegungs- und Beweislast.
LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 8 Sa 914/02

Verkündet am: 08.10.2002

In dem Rechtsstreit

hat die 8. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 08.10.2002 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Pauly als Vorsitzenden sowie den ehrenamtlichen Richter Wimmershoff und den ehrenamtlichen Richter Hansen

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 05.04.2002 - 13 Ca 9012/01 - wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Streitwert: 11.373,69 €.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.

Der am 09.02.1953 geborene Kläger, der seinem 13-jährigen Sohn und seiner geschiedenen Ehefrau gegenüber unterhaltspflichtig ist, ist seit dem 01.08.1979 bei der Beklagten als Fahrer und Lagerarbeiter tätig, und zwar gegen eine monatliche Vergütung von 2.274,73 € plus Urlaubs- und Weihnachtsgeld.

Im Dezember 1988 wurde aufgedeckt, dass der Kläger vier Jahre lang Ware aus dem Lager unterschlagen, aus der Firma gebracht und an Abnehmer verkauft hatte. Hinsichtlich der Einzelheiten sei auf die vom Kläger unterzeichnete "Erklärung wegen Betriebsdiebstahl" (Bl. 27 d. A.) verwiesen. Deshalb wurde das Arbeitsverhältnis zunächst außerordentlich gekündigt, gleichzeitig jedoch zu zum Nachteil des Klägers geänderten Bedingungen fortgesetzt (vgl. "Fristlose Kündigung - Änderungskündigung", Bl. 28 d. A.).

Mit Schreiben vom 13.12.1999 (Bl. 29 d. A.) erteilte die Beklagte dem Kläger eine Abmahnung. Diese bezog sich in sechs Punkten darauf, dass der Kläger angeblich seine Arbeit nur zögernd, widerwillig und mit innerem Widerstand gegen Anordnungen der Geschäftsleitung bzw. der Weisungsbevollmächtigten mache. Darin wurde ihm zur Kenntnis gegeben, dass Frau K. und Herr Seh. im Auftrag des Geschäftsführers weisungsbefugt seien. Schließlich sei der von ihm gefahrene Firmen-LKW aufgeräumt und sauber zu halten.

Mit Schreiben vom 08.06.2001 erteilte die Beklagte dem Kläger eine weitere Abmahnung (Bl. 30 d. A.), in der er aufgefordert wurde, seine Arbeit zügig zu erledigen. Da angenommen wurde, dass er dies u. a. deshalb nicht tue, weil er auf seinem Handy ständig Privatgespräche führe, wurde ihm für die Arbeitszeit hiermit ein Handyverbot erteilt.

Mit Schreiben vom 15.11.2001 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist zum 30.06.2002.

Zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung waren bei der Beklagten einschließlich des Klägers insgesamt 5 Arbeitnehmer beschäftigt, davon zwei im Sekretariatsbereich, zwei einschließlich des Klägers im Lagerbereich sowie ein Außendienstmitarbeiter.

Mit der am 05.12.2001 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, die Kündigung sei wegen Verstoßes gegen § 242 BGB rechtswidrig.

Der Kläger hat behauptet:

Er sei wegen seiner Arbeitsunfähigkeit gekündigt worden, und zwar bereits am vierten Tag.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten:

Eine solche Kündigung sei willkürlich und sachlich durch nichts zu rechtfertigen. Damit verstoße sie aufgrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesarbeitsgerichts zum Kündigungsschutz in Kleinbetrieben gegen § 242 BGB, zumal hier seine lange Betriebszugehörigkeit zu berücksichtigen sei. Es sei Sache der Beklagten, im Rahmen einer abgestuften Darlegungs- und Beweislast die Kündigungsgründe vorzutragen.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht endet aufgrund der Kündigung vom 15.11.2001 zum 30.06.2002,

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis über den 30.06.2002 hinaus ungekündigt fortbesteht.

Die Beklagte hat beantragt,

den Kläger mit der Klage abzuweisen.

Sie hat behauptet:

Die Kündigung sei auf einen neuerlichen Verstoß gegen die Abmahnung vom 08.06.2001 zurückzuführen. Der Kläger führe im Übrigen jede Arbeit nur mit Widerwillen aus oder wälze sie auf den Arbeitskollegen B. ab. Der die Kündigung auslösende Fall sei eine ständige Arbeitsverweigerung sowie eine schlechte Außendarstellung gewesen.

Sie hat die Auffassung vertreten:

Auch nach der vom Kläger zitierten Rechtsprechung sei die Kündigung rechtswirksam. Im Übrigen komme es bei dieser verhaltensbedingten Kündigung nicht auf die soziale Auswahl an, so dass auch die lange Betriebszugehörigkeit des Klägers bzw. ein größerer sozialer Schutz die Kündigung nicht rechtswidrig mache.

Mit Urteil vom 05.04.2002 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen und hat dies unter anderem wie folgt begründet:

Das Kündigungsschutzgesetz sei auf den Kleinbetrieb der Beklagten gem. § 23 Abs. 1 Abs. 2 KSchG nicht anwendbar. Die Kündigung verstoße auch nicht gegen § 242 BGB. Eine Auswahlentscheidung zwischen mehreren Arbeitnehmern sei hier nicht zu treffen gewesen. Die Kündigung sei auch nicht deshalb als treuwidrig anzusehen, weil die Beklagte im Prozess die Kündigungsgründe nicht ausreichend dargelegt habe. Zwar habe die Beklagte lediglich pauschal verhaltensbedingte Kündigungsgründe angegeben, ohne hierzu die einzelnen beanstandeten Pflichtverstöße des Klägers zu benennen. Zu einer weiteren Substantiierung sei die Beklagte jedoch nicht verpflichtet gewesen, denn der Arbeitnehmer habe außerhalb des Anwendungsbereichs des Kündigungsschutzgesetzes die von ihm behaupteten Unwirksamkeitsgründe darzulegen und zu beweisen, wobei die Grundsätze der abgestuften Darlegungs- und Beweislast ihm dies erleichtern könnten. Hiernach hätte der Kläger Tatsachen vortragen müssen, die darauf schließen ließen, dass die Vorwürfe der Beklagten haltlos seien und dass insbesondere Verhaltensweisen wie in der Abmahnung angesprochen, nicht vorgekommen seien.

Gegen dieses dem Kläger am 28.06.2002 zugestellte Urteil hat er am 29.07.2002 Berufung eingelegt und diese am 28.08.2002 begründet.

Die Parteien wiederholen im Wesentlichen ihren erstinstanzlichen Vortrag.

Der Kläger vertritt darüber hinaus die Auffassung:

Das Arbeitsgericht verkenne die Grundsätze der abgestuften Darlegungs- und Beweislast, indem es ausführe, dass die Beklagte zu einer weiteren Substantiierung nicht verpflichtet gewesen sei, sondern dass vielmehr er - der Kläger - Tatsachen hätte vortragen müssen, die darauf schließen ließen, dass die Vorwürfe der Beklagten haltlos seien. Da die Beklagte keine konkreten Anhaltspunkte dafür angegeben habe, welches Verhalten sie zur Kündigung veranlasst habe, sei ihm eine schlüssige Darlegung der Treuwidrigkeit der Kündigung nicht möglich. Damit stelle es sich für ihn so dar, dass die Beklagte für die Kündigung keinerlei konkrete Beweggründe habe.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 05.04.2002 - 13 Ca 9012/01 - abzuändern und festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgrund der Kündigung vom 15.11.2001 zum 30.06.2002 endet und darüber hinaus ungekündigt fortbesteht.

Die Beklagte beantragt,

1. die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen,

2. die Revision zuzulassen.

Sie macht sich die nach ihrer Auffassung zutreffenden Entscheidungsgründe des Urteils des Arbeitsgerichts zu eigen.

Höchst vorsorglich und unter Verwahrung gegen die ihr von der erkennenden Kammer auferlegte Darlegungslast behauptet sie:

Auch nach der Abmahnung habe der Kläger sein Handy nie abgestellt. Einen Auftrag, Waren in S. abzuholen, habe er eine ganze Woche lang nicht ausgeführt. Die Weisungsbefugnis von Frau K. habe er nach wie vor nicht anerkannt. Den Firmen-LKW habe er nicht gewartet, was einen Mitarbeiter zu dem Ausspruch gebracht habe, dass der LKW "wie Hund" aussehe. TÜV und ASU seien für den Firmen-LKW bereits abgelaufen gewesen. Der Ölstand sei nicht ordnungsgemäß kontrolliert worden. Sämtliche Scheibenwischanlagen, Kennzeichenlichter und mehrere defekte Außenleuchten hätten ausgewechselt werden müssen. Die widerwillige Arbeitseinstellung des Klägers habe sich darin dokumentiert, dass er die Türen zugeschlagen, Lieferscheine in die Luft geschmissen und mit quietschenden Reifen vom Betriebshofgefahren sei. Gegenüber Arbeitskollegen habe er geäußert, er schaffe dies nicht mehr bzw. er habe keinen Bock mehr. Schließlich habe er Gespräche, die zur Bereinigung dieser Vorfälle hätten geführt werden sollen, abgelehnt.

Der Kläger ist in der letzten mündlichen Verhandlung zu diesen Kündigungsgründen im Einzelnen gehört worden.

Wegen der sonstigen Einzelheiten wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der Akte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig.

Sie ist nämlich an sich statthaft (§ 64 Abs. 1 ArbGG), nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes zulässig (§ 64 Abs. 2 ArbGG), sowie in gesetzlicher Form und Frist eingelegt (§§ 518 Abs. 1, Abs. 2 ZPO, 66 Abs. 1 ArbGG) und begründet worden (§§ 519 Abs. 2, Abs. 3 ZPO, 66 Abs. 1 ArbGG).

Die Berufung ist jedoch nicht begründet.

In Übereinstimmung mit dem Arbeitsgericht ist im Ergebnis davon auszugehen, dass das Arbeitsverhältnis durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 15.11.2001 zum 30.06.2002 beendet worden ist.

Der Kläger bestreitet in der Berufungsinstanz nicht mehr, dass die Beklagte zum Zeitpunkt der Kündigung nur fünf Arbeitnehmer beschäftigte. Damit findet das Kündigungsschutzgesetz gem. § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG auf das Arbeitsverhältnis keine Anwendung.

Dort, wo die Bestimmungen des Kündigungsschutzgesetzes nicht greifen, sind die Arbeitnehmer nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 27.01.1998 - 1 BvL 15/87 - AP Nr. 17 zu § 23 KSchG 1969) und des Bundesarbeitsgerichts (vgl. BAG - Urteil vom 12.11.1998 - 2 AZR 459/97 - AP Nr. 20 zu § 23 KSchG 1969; BAG - Urteil vom 21.02.2001 - 2 AZR 579/99 - ARST 2001, 254; BAG - Urteil vom 21.02.2001 - 2 AZR 15/00 - AP Nr. 12 zu § 242 BGB Kündigung; BAG - Urteil vom 25.04.2001 - 2 AZR 360/99 - AP Nr. 14 zu § 242 BGB Kündigung) durch die zivilrechtlichen Generalklauseln vor einer Sitten- oder treuwidrigen Ausübung des Kündigungsrechts des Arbeitgebers geschützt (so Bundesverfassungsgericht a. a. O., AP Nr. 17 zu § 23 KSchG 1969).

Der Grundsatz von Treu und Glauben in § 242 BGB bildet eine allen Rechten, Rechtslagen und Rechtsnormen immanente Inhaltsbegrenzung. Eine gegen diesen Grundsatz verstoßende Rechtsausübung oder Ausnutzung einer Rechtslage ist wegen der darin liegenden Rechtsüberschreitung als unzulässig anzusehen. Die Vorschrift des § 242 BGB ist aber auf Kündigungen neben § 1 KSchG nur in beschränktem Umfang anwendbar. Das Kündigungsschutzgesetz hat die Voraussetzungen und Wirkungen des Grundsatzes von Treu und Glauben konkretisiert und abschließend geregelt, soweit es um den Bestandsschutz und das Interesse des Arbeitnehmers an der Erhaltung seines Arbeitsplatzes geht. Eine Kündigung verstößt deshalb nur dann gegen § 242 BGB, wenn sie Treu und Glauben aus Gründen verletzt, die von § 1 KSchG nicht erfasst sind. Typische Tatbestände einer in diesem Sinne treuwidrigen Kündigung sind insbesondere ein widersprüchliches Verhalten des Arbeitgebers, der Ausspruch einer Kündigung zur Unzeit oder in ehrverletzender Form und eine Kündigung, die den Arbeitnehmer- außerhalb des besonderen Anwendungsbereichs des § 612 a BGB - diskriminiert.

Für die Bestimmung des Inhalts und der Grenzen des Kündigungsschutzes außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes ist die Bedeutung grundrechtlicher Schutzpflichten, insbesondere der objektive Gehalt des Artikels 12 Abs. 1 GG zu beachten. Der durch die zivilrechtlichen Generalklauseln des § 138 und § 242 BGB vermittelte verfassungsrechtliche Schutz ist umso schwächer, je stärker die mit der Kleinbetriebsklausel geschützten Grundrechtspositionen des Arbeitgebers im Einzelfall betroffen sind. Es geht vor allem darum, Arbeitnehmer vor willkürlichen oder auf sachfremden Motiven beruhenden Kündigungen zu schützen, zum Beispiel vor Diskriminierungen im Sinne von Art. 3 Abs. 3 GG (so BAG - a. a. O. - AP Nr. 14 zu § 242 BGB Kündigung m. w. N.).

Soweit unter mehreren Arbeitnehmern eine Auswahl zu treffen ist, gebietet der verfassungsrechtliche Schutz des Arbeitsplatzes in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip ein gewisses Maß an sozialer Rücksichtnahme. Schließlich darf auch ein durch langjährige Mitarbeiterdienstes Vertrauen in den Fortbestand eines Arbeitsverhältnisses nicht unberücksichtigt bleiben (so Bundesverfassungsgericht a. a. O., AP Nr. 17 zu § 23 KSchG 1969 m. w. N.).

Es obliegt dabei grundsätzlich dem Arbeitnehmer, darzulegen und zu beweisen, dass die Kündigung nach § 242 BGB treuwidrig ist. Die Regel des § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG, wonach der Arbeitgeber die Tatsachen zu beweisen hat, die die Kündigung bedingen, gilt außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes nicht. Der verfassungsrechtlich gebotene Schutz des Arbeitnehmers ist dadurch gewährleistet, dass insoweit die Grundsätze der abgestuften Darlegungs- und Beweislast gelten. In einem ersten Schritt muss der Arbeitnehmer, der die Überlegungen des Arbeitgebers, die zu seiner Kündigung geführt haben, regelmäßig nicht kennt, lediglich einen Sachverhalt vortragen, der die Treuwidrigkeit der Kündigung nach § 242 BGB indiziert. Der Arbeitgeber muss sich sodann nach § 138 Abs. 2 ZPO qualifiziert auf diesen Vortrag einlassen, um ihn zu entkräften (so BAG a. a. O., AP Nr. 14 zu § 242 BGB Kündigung m. w. N.).

Hier hatte der Kläger vorgetragen, die Kündigung sei ausschließlich darauf zurückzuführen, dass er arbeitsunfähig erkrankt sei, und zwar bereits nach vier Tagen der Arbeitsunfähigkeit. Hätte sich dies bewahrheitet, so hätte hier durchaus von einer Sitten- oder treuwidrigen Ausübung des Kündigungsrechts gesprochen werden können (vgl. Arbeitsgericht Reutlingen, Urteil vom 20.10.1998 - 1 Ca 397/86 - EzA § 242 BGB Vertrauensschutz Nr. 1), so dass es nunmehr Sache der Beklagten war, sich nach § 138 Abs. 2 ZPO qualifiziert auf diesen Vortrag einzulassen.

Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts reichte hierfür der erstinstanzliche Vortrag der Beklagten nicht aus.

Zwar hatte die Beklagte auch in der ersten Instanz ihren Vortrag ergänzt. Er blieb jedoch weiterhin so pauschal, dass der Kläger gar keine Möglichkeit hatte, hierzu seinerseits substantiiert zu erwidern. Solange die Beklagte nicht vortrug, in welcher Form, bei welcher Gelegenheit und wodurch der Kläger ständig die Arbeit verweigerte bzw. der Beklagten durch eine schlechte Außendarstellung, was immer das bedeuten sollte, schadete, konnte der Kläger seiner Darlegungs- und Beweislast nicht nachkommen. Dies gilt ebenso für die pauschalen Behauptungen, der Kläger habe auch nach Ausspruch der Abmahnung vom 08.06.2001 gegen das verhängte Handyverbot während der Arbeitszeit verstoßen wie für die Behauptung, er habe jegliche Arbeit nur mit Widerwillen getan bzw. auf den Arbeitskollegen Buschhorn abgewälzt.

Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass der Kläger aufgrund der ihm obliegenden Darlegungs- und Beweislast Tatsachen vortragen muss, die darauf schließen lassen, dass die Vorwürfe der Beklagten völlig haltlos und nur vorgeschoben sind. Hierzu ist er jedoch außerstande, wenn die pauschal vorgetragenen Kündigungsgründe nicht substantiiert werden.

Damit werden - entgegen der Auffassung der Beklagten - auch keineswegs die Unterschiede zur Darlegungs- und Beweislast in einem Kündigungsschutzprozess geleugnet oder verwischt.

Ist die Beklagte, wie hier in der Berufungsinstanz, ihrer Darlegungslast im Rahmen einer abgestuften Darlegungs- und Beweislast nachgekommen, so trifft den Kläger nun seinerseits wieder die volle Darlegungs- und Beweislast. Dies bedeutet eben nicht, dass jetzt wie im Kündigungsschutzprozess eine Beweisaufnahme ansteht über die Frage, ob die substantiierten Kündigungsgründe im Einzelnen tatsächlich zutreffend sind oder nicht. Vielmehr muss der Kläger nun, wie es das Arbeitsgericht bereits zutreffend ausgeführt hat, darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass diese Behauptungen der Beklagten völlig haltlos und nur vorgeschoben sind. Nur dies kann gegebenenfalls bedeuten, dass die Beklagte nicht aus den von ihr genannten Gründen gekündigt hat und kann den Schluss zulassen, dass sie dann nur aus den vom Kläger genannten Gründen gekündigt hat.

Deshalb ist der Kläger zu den von der Beklagten genannten Kündigungsgründen von der Kammer im Einzelnen gehört worden.

Dabei hat er bestritten, auch nach der Abmahnung vom 08.06.2001 das Handy während der Arbeitszeit weiter benutzt zu haben. Dagegen hat er eingeräumt, entgegen einer entsprechenden Anweisung Waren in S. erst später abgeholt zu haben, und zwar nach seiner Erinnerung nicht eine Woche später, sondern ein oder zwei Tage später. Was den Vorwurf anbelangt, der Kläger habe weiterhin die Weisungen von Frau K. nicht akzeptiert, infrage gestellt und nicht ausgeführt, was von der Beklagten im Zusammenhang mit der Auffüllung von Dosen mit Unterbodenschutz vorgetragen worden ist, so hat der Kläger nicht ausgeschlossen, dass er dies, wie er meint, unter Umständen wegen seiner Verladetätigkeit nicht getan hat. Ansonsten hat er hierzu angemerkt, Frau K. habe von diesen Dingen ohnehin null Ahnung, weswegen es auch schon mal heftige Diskussionen gegeben habe. Beim Firmen-LKW habe er tatsächlich die Fälligkeit der TÜV- und ASU-Untersuchungen vergessen. Soweit das Fahrzeug nicht immer ordnungsgemäß gewartet worden sei, habe er hierzu wegen seiner langen Touren eben nicht die Zeit gehabt. Während er in Abrede gestellt hat, die Türen zugeknallt, die Lieferscheine in die Luft geworfen und mit quietschenden Reifen vom Hof gefahren zu sein, hat er eingeräumt, gegenüber Kollegen geäußert zu haben, er schaffe das nicht bzw. er habe keinen Bock mehr. Schließlich hat der Kläger ausgesagt, er könne sich nicht mehr erinnern, ob er Gespräche mit den Kollegen bzw. mit dem Geschäftsführer zur Beilegung der Streitigkeiten abgelehnt habe.

Damit ist dem Kläger der Nachweis, die von der Beklagten im Einzelnen vorgetragenen Kündigungsgründe seien alle haltlos und nur vorgeschoben gewesen, nicht gelungen.

Dafür ist nicht entscheidend, ob die von der Beklagten vorgetragenen Kündigungsgründe in allen Punkten und in allen Einzelheiten zutreffend sind. Ebenso wenig ist entscheidend, ob es für das Verhalten des Klägers in dem einen oder anderen Fall Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe gibt. Kann der Kläger nicht abstreiten, dass es arbeitsvertragliche Pflichtverletzungen gegeben hat und räumt er ein, dass er darüber hinaus ein bestimmtes von der Beklagten beanstandetes Verhalten an den Tag gelegt hat, was die Beklagte insgesamt - nach ihrer Behauptung - zur Kündigung veranlasst hat, so ist jedenfalls der ihm obliegende Nachweis, dass die Kündigung ausschließlich wegen seiner Arbeitsunfähigkeit ausgesprochen worden sei, nicht mehr zu führen.

Nach der Anhörung des Klägers ist jedenfalls der Auftrag, Waren in S. abzuholen, allenfalls verspätet ausgeführt worden. Trotz der Abmahnung vom 13.12.1999, in der dem Kläger aufgegeben wurde, die Weisungsbefugnis von Frau K. zu akzeptieren, hat er im Kammertermin wiederholt, sie habe null Ahnung und hat eingeräumt, dass es deshalb schon mal heftige Diskussionen gebe. Auch die Behauptung der Beklagten, der Firmen-LKW sei nicht ordnungsgemäß gewartet gewesen, er habe "wie Hund" ausgesehen und sowohl die TÜV- als auch die ASU-Untersuchung sei erst mit Verspätung nachgeholt worden, hat der Kläger nicht in Abrede stellen können. Darüber hinaus hat er eingeräumt, die Bemerkungen, erschaffe das nicht mehr und habe keinen Bock mehr, gemacht zu haben. Schließlich hat er gemeint, sich nicht mehr erinnern zu können, Gespräche abgelehnt zu haben, was bedeutet, dass es jedenfalls nicht auszuschließen ist, dass dies so gewesen ist.

Damit gab es verhaltensbedingte Kündigungsgründe für die Beklagte. Da der verhaltensbedingte Kündigungsgrund als klassischer Fall einer möglichen sozialen Rechtfertigung einer Kündigung in § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG ausdrücklich genannt ist, wird hierdurch gleichzeitig ein Rückgriff auf § 242 BGB ausgeschlossen (so BAG - a. a. O. - AP Nr. 20 zu § 23 KSchG 1969). Der Willkürvorwurf scheidet aus, wenn ein irgendwie einleuchtender Grund für die Rechtsausübung vorliegt (so BAG - a. a. O. - AP Nr. 14 zu § 242 BGB Kündigung unter Berufung auf Preis in Ascheid/Preis/Schmidt, Großkommentar zum Kündigungsrecht, Grundlagen J Rdnr. 52).

Eine gerichtliche Prüfung, ob diese verhaltensbedingten Kündigungsgründe die Kündigung auch sozial rechtfertigen, ist mangels Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes verwehrt. Dem weiteren Vorbringen des Klägers nachzugehen, wonach Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe in dem einen oder anderen Fall vorliegen, würde bedeuten, über § 242 BGB zu prüfen, ob die von der Beklagten angeführten verhaltensbedingten Kündigungsgründe die streitige Kündigung gem. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG sozial rechtfertigen (so BAG - a. a. O. - AP Nr. 20 zu § 23 KSchG 1969).

Damit ist die ordentliche Kündigung des Klägers weder willkürlich noch beruht sie auf sachfremden Motiven. Sie ist nach den oben genannten Kriterien der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und Bundesarbeitsgerichts auch nicht Sitten- oder treuwidrig und stellt auch keine Diskriminierung dar.

Soweit der Kläger gestützt auf diese Rechtsprechung meint, der verfassungsrechtliche Schutz des Arbeitsplatzes in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip gebiete ein großes Maß an sozialer Rücksichtnahme, so gilt dies für den Fall, dass unter mehreren Arbeitnehmern wie im Falle einer betriebsbedingten Kündigung eine Auswahl zu treffen ist. Der Kläger ist jedoch aus verhaltensbedingten Gründen gekündigt worden.

Schließlich ist es zwar richtig, dass nach derselben Rechtsprechung ein durch langjährige Mitarbeit erdientes Vertrauen in den Fortbestand eines Arbeitsverhältnisses nicht unberücksichtigt bleiben kann. Nach dieser Rechtsprechung wirkt jedoch der durch die Generalklausel vermittelte Grundrechtschutz umso schwächer, je stärker die mit der Kleinbetriebsklausel geschützten Grundrechtspositionen des Arbeitgebers im Einzelfall betroffen sind. Hier handelt es sich - ebenso wie in dem vom Bundesarbeitsgericht (BAG, a. a. O., ARST 2001, 254) entschiedenen Fall um ein "kleines Team". Bei einem solchen Kleinbetrieb ist nach der zitierten Rechtsprechung davon auszugehen, dass er für Missstimmungen und Querelen besonders anfällig ist. Soweit der Kläger einwendet, die ihm vorher erteilten Abmahnungen entsprächen nicht im Ansatz den Anforderungen, die an eine ordnungsgemäße Abmahnung zu stellen sind, so ist darauf hinzuweisen, dass die Wirksamkeit einer Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen außerhalb des Anwendungsbereichs des Kündigungsschutzgesetzes in der Regel nicht voraussetzt, dass dem Arbeitnehmer zuvor eine vergebliche Abmahnung erteilt wurde (so BAG - a. a. O. - ARST 2001, 254; ebenso Oetker, Anmerkung zu BAG - Urteil vom 21.02.01, 2 AZR 15/00 - EzA § 242 BGB Kündigung Nr. 1 = AP Nr. 12 zu § 242 BGB Kündigung). Erst recht sind dann erteilte Abmahnungen zu berücksichtigen, selbst wenn sie den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Abmahnung im Rahmen des Kündigungsschutzgesetzes nicht entsprechen. Berücksichtigt man also, dass das Arbeitsverhältnis durch die begangenen Unterschlagungen, auch wenn der Kläger weiterbeschäftigt wurde, ohnehin nicht unbelastet war, dass danach zwei Abmahnungen ausgesprochen wurden, der Kläger trotz der letzten Abmahnung die Weisungen von Frau K. nach wie vor nicht oder erst nach heftigen Diskussionen befolgte, durch Äußerungen den Eindruck erweckte, er schaffe dies nicht mehr oder habe keinen Bock mehr, worauf unter Umständen der Zustand des von ihm zu betreuenden Firmen-LKWs zurückzuführen war und berücksichtigt man letztlich, dass nicht auszuschließen ist, dass er sich einem klärenden Gespräch sogar verweigerte, führt das vom Kläger durch seine langjährige Mitarbeit erdiente Vertrauen in den Fortbestand seines Arbeitsverhältnisses hier nicht zur Rechtswidrigkeit der Kündigung.

Nach allem war die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts zurückzuweisen.

Gem. § 97 Abs. 1 ZPO in Verbindung mit § 64 Abs. 6 ArbGG hat der Kläger die Kosten des erfolglos gebliebenen Rechtsmittels zu tragen.

Da der Streitwert sich nicht geändert hat, war er gem. § 12 Abs. 7 ArbGG unverändert auf 11.373,69 € festzusetzen.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision waren nicht gegeben, da der Rechtssache unter keinem denkbaren Gesichtspunkt eine grundsätzliche Bedeutung zukommt (§ 72 Abs. 2 Ziff. 1 ArbGG) noch die Voraussetzungen für eine Divergenzrevision (§ 72 Abs. 2 Ziff. 2 ArbGG) gegeben sind.

Ende der Entscheidung

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