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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 29.01.2008
Aktenzeichen: 8 TaBV 64/07
Rechtsgebiete: BetrVG


Vorschriften:

BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 10
BetrVG § 99 Abs. 2 Nr. 1
BetrVG § 99 Abs. 2 Nr. 4
Die gleichmäßige Absenkung der Eingangsvergütung für neu eingestellte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer unterliegt nicht dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates und kann deshalb nicht die Verweigerung der Zustimmung zur geplanten Eingruppierung rechtfertigen (wie LAG Hamm - Beschluss vom 17.08.07 - 13 TaBV 10/07 -).
Tenor:

Die Beschwerde des Betriebsrates gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Wesel vom 21.06.2007 - 5 BV 20/07 - wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

I.

Der Arbeitgeber (Antragsteller und Beschwerdegegner) betreibt Seniorenzentren.

Der Betriebsrat (Antragsgegner und Beschwerdeführer) wurde gewählt in der Einrichtung X.-L.-Seniorenzentrum O.-W..

Hier streiten die Beteiligten über Mitbestimmungsrechte nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 und 4 in Verbindung mit § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG.

Bis zum 31.05.2005 galten im Betrieb des Arbeitgebers folgende Tarifverträge:

- der Bundes-Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer der Arbeiterwohlfahrt (BMT-AW II) vom 01.11.1977,

- der Zusatztarifvertrag vom 01.11.1978 zum BMT-AW II,

- der Tarifvertrag über die Gewährung von Zulagen vom 17.05.1982 zum BMT-AW II,

- der Tarifvertrag über ein Urlaubsgeld vom 22.04.1977 zum BMT-AW II,

- der Tarifvertrag über die Tätigkeitsmerkmale vom 01.11.1977 zum BMT-AW II und

- der Vergütungs- und Lohntarifvertrag Nr. 33.

Sämtliche Tarifverträge wurden zum 31.05.2005 gekündigt und wirken nach. Nach dem Übergangstarifvertrag vom 23.12.2004 gilt u. a. § 22 Abs. 1 BMTV-AW II fort, wonach die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nach dem Tarifvertrag über die Tätigkeitsmerkmale in die Vergütungs- bzw. Lohngruppe einzugruppieren sind, deren Tätigkeitsmerkmale der gesamten, von ihnen nicht nur vorübergehend auszuübenden Tätigkeit entspricht. Der Übergangstarifvertrag galt aufgrund entsprechender Befristung bis zum Ablauf des 31.12.2006.

Ab 01.01.2007 sollen nach einem Beschluss der Geschäftsleitung des Arbeitgebers die Mitarbeiter, die ab 01.01.2007 neu eingestellt werden, die bislang auf tarifvertraglicher Grundlage gewährten Vergütungsbestandteile erhalten, jedoch um 7 % einheitlich gesenkt. Im Übrigen sollen die bislang bestehenden tarifvertraglichen Lohn- und Gehaltsgrundsätze entsprechend dem Übergangstarifvertrag vom 23.12.2004 und dem Vergütungs- und Lohntarifvertrag Nr. 33 weiter angewendet werden.

Entsprechend informierte der Arbeitgeber den Betriebsrat über die Einstellung und Eingruppierung der Arbeitnehmerinnen I. und K. sowie des Arbeitnehmers N.. In dem Informationsschreiben war jeweils die Vergütungsgruppe sowie die Bemerkung "Vergütung - 7 %" angegeben. Der Betriebsrat stimmte der Einstellung, nicht jedoch der Eingruppierung zu. Er begründete seine Zustimmungsverweigerung jeweils wie folgt:

"Es existiert ein tarifliches Eingruppierungssystem, welches auf die bisher beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer angewendet wird und auch auf Neueinstellungen anzuwenden ist, da ein anderes Vergütungssystem bisher nicht vereinbart wurde. Ohne eine getroffene Vereinbarung zu Fragen der Lohngestaltung gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 (Fragen der betrieblichen Lohngestaltung) verstößt die beabsichtigte Kürzung des Entgelts ("abzüglich 7 %") gegen die o. g. Vorschriften."

Der Arbeitgeber hat die Auffassung vertreten, seine Vorgehensweise stelle keinen Verstoß gegen § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG dar, da die Vergütungsgruppen unangetastet blieben. Die Kürzung betreffe sämtliche Vergütungs- bzw. Entlohnungsbestandteile. Auch ein Verstoß gegen die Gleichbehandlung sei aufgrund der Stichtagsregelung nicht gegeben, da sämtliche neu eintretenden Mitarbeiter gleichbehandelt würden.

Der Arbeitgeber hat beantragt,

1. die vom Beteiligten zu 2) verweigerte Zustimmung zur Eingruppierung der Arbeitnehmerin Frau W. I. in die Vergütungsgruppe VI Fallgruppe 7 mit 7 % Absenkung nach dem Tarifvertrag vom 01.11.1977 über Tätigkeitsmerkmale zum BMT-AW II zu ersetzen;

2. die vom Beteiligten zu 2) verweigerte Zustimmung zur Eingruppierung der Arbeitnehmerin Frau N. K. in die Vergütungsgruppe VI Fallgruppe 7 mit 7 % Absenkung nach dem Tarifvertrag vom 01.11.1977 über Tätigkeitsmerkmale zum BMT-AW II zu ersetzen;

3. die vom Beteiligten zu 2) verweigerte Zustimmung zur Eingruppierung des Arbeitnehmers T. N. in die Vergütungsgruppe VII mit 7 % Absenkung nach dem Tarifvertrag vom 01.11.1977 über Tätigkeitsmerkmale zum BMT-AW II zu ersetzen;

4. festzustellen, dass der Beteiligte zu 2) nicht berechtigt ist, seine Zustimmung zur Eingruppierung der ab dem 01.01.2007 neu eingestellten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer deshalb zu verweigern, weil diese unter Anwendung der Bestimmungen des Tarifvertrages vom 01.11.1977 über die Tätigkeitsmerkmale zum BMT-AW II eine um 7 % abgesenkte Vergütung erhalten.

Der Betriebsrat hat beantragt,

die Anträge zurückzuweisen.

Er hat die Auffassung vertreten:

Der Arbeitgeber habe hier mitbestimmungspflichtige Entlohnungsgrundsätze verletzt. Die Absenkung erfolge willkürlich und einseitig. Sie verletze die Lohngerechtigkeit. Es gebe nun zwei Gruppen von Arbeitnehmern, die aber dieselbe Arbeit verrichteten. Dies führe zu einer Zweiklassengesellschaft.

Mit Beschluss vom 21.06.2007 hat das Arbeitsgericht dem Antrag des Arbeitgebers stattgegeben. Hinsichtlich der Gründe sei auf den Beschluss des Arbeitsgerichts Bezug genommen.

Gegen diesen dem Betriebsrat am 03.07.2007 zugestellten Beschluss hat er am 17.07.2007 Beschwerde eingelegt und hat diese - nach Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist bis zum 03.10.2007 - am 03.10.2007 begründet.

Die Beteiligten wiederholen im Wesentlichen ihre erstinstanzlich vorgetragenen Rechtsauffassungen.

Nachdem die Arbeitnehmerinnen I. und K. ausgeschieden sind, haben die Beteiligten das Verfahren auf den Mitarbeiter N. beschränkt. Im Übrigen wurde das Verfahren eingestellt.

Der Betriebsrat beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Wesel vom 21.06.2007 - 5 BV 20/07 - hinsichtlich der Ziffern 3 und 4 aufzuheben und insoweit die Anträge des Arbeitgebers zurückzuweisen.

Der Arbeitgeber beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Wegen der sonstigen Einzelheiten wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der Akte Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig.

Sie ist nämlich an sich statthaft (§ 87 Abs. 1 ArbGG), sowie in gesetzlicher Form und Frist eingelegt und begründet worden (§ 87 Abs. 2 i. V. mit §§ 66 Abs. 1 Satz 1, 89 Abs. 1, Abs. 2 ArbGG).

Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet.

In Übereinstimmung mit der Rechtsauffassung des Arbeitsgerichts war die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Beteiligten streiten nur noch darüber, ob die Zustimmung des Betriebsrats zur Eingruppierung des Mitarbeiters N. zu ersetzen ist und ob dem allgemeinen Feststellungsantrag stattzugeben ist.

Der Arbeitgeber hat beschlossen, für die ab 01.01.2007 neu einzustellenden Arbeitnehmer die weiterhin auf tarifvertraglicher Grundlage gewährten Vergütungsbestandteile einheitlich um 7 % zu senken.

Damit hat der Arbeitgeber hier auch den Mitarbeiter N. aufgrund des Übergangstarifvertrages vom 23.12.2004 gem. § 22 Abs. 1 BMTV-AW II zutreffend in die Vergütungsgruppe bzw. Lohngruppe eingruppiert, deren Tätigkeitsmerkmale der gesamten, von ihm nicht nur vorübergehend auszuübenden Tätigkeit entspricht.

Die Eingruppierung des Arbeitnehmers N. in die Vergütungsgruppe VII ist vom Betriebsrat auch nicht in Zweifel gezogen worden.

Tatsächlich richtet sich die Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats dagegen, dass der Arbeitgeber hier die Vergütungsbestandteile um 7 % gekürzt hat, ohne vorab eine Vereinbarung über Fragen der Lohngestaltung getroffen zu haben.

Insoweit besteht jedoch kein Mitbestimmungsrecht.

Bei der Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen gem. § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG handelt es sich nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts um die Festlegung abstrakt-genereller Kriterien, nach denen die Vergütung im Betrieb zu erfolgen hat. Zweck des Mitbestimmungsrechts ist, das betriebliche Lohngefüge angemessen und durchsichtig zu gestalten und die betriebliche Lohn- und Verteilungsgerechtigkeit zu wahren. Mitbestimmungspflichtig sind die Strukturformen des Entgelts einschließlich ihrer näheren Vollzugsformen. Mitbestimmungspflichtig ist auch die Änderung bestehender Entlohnungsgrundsätze durch den Arbeitgeber (so BAG, Urteil vom 11.06.2002 - 1 AZR 390/01 - AP Nr. 113 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung m. w. N.). Gegenstand des Mitbestimmungsrechts ist aber nicht die konkrete Höhe des Arbeitsentgelts (so BAG, a. a. O., AP Nr. 113 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung; BAG, Beschluss vom 30.10.2001 - 1 ABR 8/01 - AP Nr. 26 zu § 99 BetrVG 1972 Eingruppierung; BAG, Urteil vom 02.03.2004 - 1 AZR 271/03 - AP Nr. 31 zu § 3 TVG).

Es ist auch kein Zustimmungsverweigerungsgrund nach § 89 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG gegeben.

Die Nachwirkung tarifvertraglicher Vergütungsregelungen (§ 4 Abs. 5 TVG) erstreckt sich nicht auf ein Arbeitsverhältnis, das erst während des Nachwirkungszeitraumes begründet wird (so BAG, Urteil vom 07.01.2001 - 4 AZR 703/00 - BAGE 99, 283; BAG, Urteil vom 22.07.1998 - 4 AZR 403/97 - BAGE 89, 241).

Ebenso ist die Gleichbehandlung hier nicht verletzt.

Angesichts des ständigen Wandels der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ist der Arbeitgeber nicht aus Gleichbehandlungsgründen verpflichtet, einmal vereinbarte Vertragsinhalte auch künftigen Einstellungen zugrunde zu legen (so BAG, Urteil vom 11.06.2002 - 1 AZR 390/01 - BAGE 101, 288 ff; BAG, a. a. O., AP Nr. 31 zu § 3 TVG).

Der Betriebsrat vergleicht den Arbeitnehmer N. zu Unrecht mit denjenigen Arbeitnehmern, die vor dem 01.01.2007 eingestellt worden sind. Im Verhältnis zu diesen wird der Arbeitnehmer N. nicht ohne Sachgrund ungleich behandelt. Diese "Ungleichbehandlung" beruht auf der Entscheidung des Arbeitgebers, allgemein ab 01.01.2007 eine andere Vergütungsabrede dergestalt zu treffen, dass die Vergütungsbestandteile einheitlich um 7 % gesenkt werden. Die unternehmerische Entscheidung trägt mit dem selbst gesetzten Stichtag den Sachgrund für eine Ungleichbehandlung der Beschäftigten in sich (so BAG, a. a. O., AP Nr. 31 zu § 3 Tarifvertragsgesetz). Das vom Arbeitgeber verfolgte Ziel, die Vergütung an das Niveau des TVöD anzugleichen, ist weder willkürlich noch unsachlich, wie bereits das Arbeitsgericht ausgeführt hat. Wenn nicht alles täuscht, werden die Tarifvertragsparteien in den vor dem Abschluss stehenden Tarifvertragsverhandlungen dem auch Rechnung tragen.

Da die Tarifvertragsverhandlungen bis zum Schluss aber noch nicht abgeschlossen waren, besteht für die Zukunft auch ein Feststellungsinteresse des Arbeitgebers, dem hier - in Übereinstimmung mit dem Arbeitsgericht - stattzugeben war.

Im Übrigen sei auf die gleichlautende Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 17.08.2007 - 13 TaBV 10/07 - verwiesen.

Nach allem war die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts zurückzuweisen.

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache war die Rechtsbeschwerde gemäß § 92 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit § 72 Abs. 2 Ziff. 1 ArbGG zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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